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Kurzer Dollzug-tericht ist spätestens bis

1. Juli VS. IS. unter Bezeichnung als .Mlitsria" zu erstatten.

Calw, 23. Juni 1910.

K. Oberamt

f... Amtmann Rippmann, A-V.

Die Ortsschv träte

werden hiemit unter Bezugnahme auf den gemein­samen Erlaß der Oberschulräte vom 8. Apnl d. I. (Mnist.-A.-Bl. 1910, Seite 159162) beauftragt, spätestens bis zum 10. Juli zu berichten:

1. ob am One das Knabeuturue« eingeführt ist,

2. im verneinenden Falle, warum nicht,

3. welchen Schuljahren Turn-Unterricht erteilt wird und von wem,

4. welcher Platz zum Turnen benützt wird,

5. welche Turugerate vorhanden sind,

6. ob nnd in welcher Weise mit einfachen

LeibeSSbuugeu der Mädchen schon begonnen worden ist.

Es ist darauf zu achten, daß Absatz 2 des oben genannten Erlasses überall pünktlich einge- holten wird.

Calw, 23. Juni 1910.

Kgl. gemeinschaftl Oberarm in Schulsachen: Amtm. Rippmann, AB. Schmid.

Tagesmrügkeiteu.

Wildbad 23. Juni. An der auf den 1. Juli festgesetzten Einweihung des neu erbauten Kurhauses wird auch das Königspaar teilnehmen.

Leonberg 23. Juni. Einen nicht alltäg­lichen Besuch erhielt heute vormittag die Löwen­apotheke. Der Gutsbesitzer Bäßler aus Münchingen wollte hier eine landwirtschaftliche Maschine abholen. In der Ditzinger Straße scheute sein Pferd. Bäßler wurde vom Wagen geschleudert und erheblich verletzt. Das Pferd ging durch und rannte über den Marktplatz geradenwegs durch die offene Tür der Apotheke, wo es stecken blieb. Der Schaden, den es dort anrichtete, ist verhältnismäßig gering, aber der Wagen samt der Maschine ging in Trümmer. Der Gaul selbst hat sich nur unbedeutend verletzt.

Stuttgart 23. Juni. Die Zweite Kammer nahm heute nachmittag nach einer vierzigtägige» Pause ihre Beratungen wieder auf und beschloß auf Grund einer schriftlichen Mitteilung des Ministerpräsidenten, die drutsch- parteiliche Anfrage betreffend den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs morgen zu beraten. Sodann befaßte sich da» Hau» mit dem Gesetzentwurf betreffend die Einwirkung von Armenunterstützung auf die öffentlichen Rechte. Der Entwurf bezweckt eine Milderung der bis­herigen Bestimmung wonach diejenigen nicht wähl­bar oder wahlberechtigt sei« sollen, die eine Armenunterstützung au» öffentlichen Mitteln be­ziehen. Als Armenunterstützung sollen nämlich gemäß dem vom Hause nach einem sehr aus­führlichen Referat de» Abg. Elsas angenommenen Antrag des staatsrechtlichen Ausschusses in Zu­kunft nicht mehr angesehen werden: Unterstützungen, die wieder erstattet sind, die Krankenunterstützung de« Empfänger» oder eines Angehörigen, die einem Angehörigen wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen gewährte Unterstützung, Unterstützungen zum Zweck der Jugendfürsorge, der Erziehung und der Ausbildung für einen Beruf, sowie sonstige Unterstützungen, die wegen einer bloß vorübergehenden Hilfsbedürftigkeit gewährt sind. Da» Hau» verzichtete, was hoffentlich als ein gutes Omen für diese Sommertagung angesehen werden darf, auf jegliche Debatte und nahm den Entwurf auch in seinen weiteren Teile«, die ähnliche Milderungen für das Gemeinde- und Kirchengemeindewahlrecht schaffen, nach dem Kom- misfion»antrag an. Auf der Tagesordnung der morgigen Sitzung stehen außer der deutschpartei­lichen Anfrage noch der Nachtrag»etat betreffend die Errichtung eines KunstautstellungSgebäude» und einige Eingaben.

Die Landtagsfraktion der Deutschen Partei hat, wie die Württ. Presse-Korresp. erfährt, am gestrigen Donnerstag an Stelle des früheren Abgeordneten Dr. von Hieber den Abgeordneten von Balz zum Fraktions­vorsitzenden und den Abgeordneten Häffner zu Stellvertreter gewählt. Als Mitglied de»

weiteren ständischen Ausschusses wird der Ab­geordnete von Balz vorgeschlagen werden.

Stuttgart 23. Juni. Auf den Württemb. Staatseisenbahnen wurden im Monat Mai ds. I». 6 873 000 ^ vereinnahmt, 363 000 mehr als im gleichen Monat vorigen Jahres. Davon entfallen auf den Personen- und Gepäckverkehr 2 991000 ^ (gegen das Vorjahr mehr 320000 ^), auf den Güterverkehr 3 610 000 ^ (plus 43 000 °^) und auf sonstige Quellen 272 000 Die Württemb. Eisen­

bahngesellschaft vereinnahmte im Monat Mai auf ihren sämtlichen Linien aus dem Personen­verkehr 22170 ^ (gegen da» Vorjahr mehr 1400 ^), aus dem Güterverkehr 28 970 ^ (plus 1690 und aus sonstigen Quellen 3 520 ^ (plus 130 >6). Die Gesamteinnahme belief sich auf 54660 gegen 51440 ^ im Vorjahr. Die Württemb. Nebenbahnen (Filderbahn und Strohgäubahn) verzeichneten im Monat Mai eine Verkehrseinnohme von 74950 2 650 ^ mehr als im Mai 1909.

Davon entfallen auf den Personenverkehr 51300-^ (gegen das Vorjahr weniger 5 200 ^), auf den Güterverkehr 23 000 ^ (gegen das Vorjahr mehr 7 800 und auf sonstige Quellen 650 ^ (plus 50 -^t).

Stuttgart 23. Juni. Zu Ehren der Anwesenheit des Reichskanzlers gab heute abend um 8 Uhr der Ministerpräsident v. Weiz­säcker in den RspräsentationSräumen des Mini­steriums der auswärtigen Angelegenheiten ein Diner. Anschließend daran vereinigte der preußische Gesandte noch eine größere Gesellschaft zu einem Bierabend. Die Rückreise des Reichs­kanzlers nach Berlin erfolgt heute Nacht um 2 Uhr.

Beben Hausen 23. Juni. Der Reichs­kanzler v. BethmannHollweg traf in Be­gleitung des Ministerpräsidenten v. Weizsäcker und des Gefolges um 12.30 Uhr hier ein. Er wurde im Schloßhofe von dem Flügeladjutanten de» Königs, Graf Reischach und von dem Kammer- Herrn der Königin Frhr. v. Tessin empfangen ! und in das Schloß geleitet, wo er von dem ! König und der Königin begrüßt wurde. Kurz darauf wurde ein gemeinsames Diner einge­nommen. In Begleitung des Reichskanzlers befindet sich Unterstaatssekretär Wahnschaffe.

Bebenhausen 23. Juni. Nachdem der Reichskanzler von den Majestäten in Audienz empfangen und darauf zur Tafel zuge­zogen war, besichtigte er noch das Jagdschloß Bebenhausen und verabschiedete sich dann. Um 3.20 Uhr fuhr der Reichskanzler wiederum in Begleitung des Ministerpräsidenten Dr.v. Weiz­säcker und de» Gefolges in königlichen Auto­mobilen nach Stuttgart zurück. Der König hat dem Unterstaatssekretär Wahnschaffe das Kom- menturkreuz 1. Klaffe des Friedrichsordens ver­liehen.

Tübingen 23. Juni. Die Univer­sitätsfeier aus Anlaß der Immatriku­lation des 2000. Studenten an der württembergischen Landeruniversität fand gestern abend statt. Leider wurde die Feier von einem starken Gewitterregen sehr beeinträchtigt, sodaß der sonst gewiß imposante Zug seine ganze Pracht nicht entfalten konnte. Im Hofe der Aula fand nach dem Aufmarsch der Studentenschaft ein Festakt statt. In ca. 45 Gruppen marschierten die Verbindungen und die Freie Studentenschaft, sowie fast alle Angehörigen der Alma Mater, an der Spitze mit ihren Fahnen etwa 50 Chargierte und 50 weitere Reiter, in den Hof ein, wo in -Vertretung de» erkrankten derzeitigen Rektor» Prof. Dr. Bühler der Prorektor Prof. Dr. Schleich eine prächtige Ansprache hielt. Al» Vertreter der Studentenschaft sprach hierauf eauä. für. Schwab von der Verbindung Stutt- gardia auf die Alma Mater. Hierauf setzte sich der Zug in Bewegung, immer unter strömendem Regen, und zog durch die festlich geschmückten Hauptstraßen der Stadt nach der Platanenallee, wo eine italienische Nacht oder ein Sommerfest stattfinden sollte. Dafür war es freilich etwa» kühl und sehr feucht. Aber der allgemeinen Be­geisterung und Freude tat das keinen großen Abbruch. Man führte da« Programm strikte durch, die Beteiligung war ganz hübsch. Drei

Musikkapellen konzertierten abwechselnd, auch ge­meinsame Lieder wurden gesungen. Um 10 Uhr wurde der Regen wieder sehr stark, sodaß man sich zerstreute, leider zu früh. Am Sonntag soll eine Wiederholung der Feier stattfinden, da man gestern Platzmangel befürchtete. Infolge der Witterung hätten aber auch noch weite Bürger­kreise Platz in den Alleen gefunden. Nun hat man den 2000. aber gründlich gefeiert und schon richten sich die Blicke auf den 3000. Möge die Frequenz der nächsten Jahre immer weiter so gesund und regelmäßig wachsen, zum Wohle un­serer Stadt und de» ganzen Lande».

Schwaiger» OA. Brackenheim 23. Juni. Die schon ziemlich bejahrte Christine Grüßle wurde auf der Neipperger Straße, am Heuchel­berg, in bewußtlosem Zustande aufge­funden. Ob sie vom Schlage oder von de« Wirkungen des niedergegangenen Gewitters in diesen Zustand versetzt wurde, konnte noch nicht festgestellt werden. Sie wurde mittels Fuhrwerk in ihre Wohnung verbracht. In Jlsfeld schlug bei einem gestern nachmittag über den Ort gehenden Gewitter der Blitz in die Scheuer de» Hermann Raad und der Adam Hehl Witwe hier. Sofort stand da» ganze Anwesen in Flammen. Auch zwei angebaute Holzschuppen und eine weitere Scheuer, der Witwe Hehl gehörig, wursen ein Raub der Flammen. Die benachbarten Feuer­wehren aus Auenstein und Abstatt leisteten Hilfe. Bei dem anhaltenden Winde hielt es schwer, da» Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Die Abgebrannten sind versichert.

Limb ach OA. Gerabronn 23. Juni. Hier ist ein vierjähriges Mädchen an den Folgen von Brandwunden gestorben, die es da­durch erhielt, daß es dem Herdfeuer zu nahe kam. Der dazukommende Vater wollte die in Flammen stehenden Kleider des Kindes durch Erdrücken mit den Händen löschen, verbrannte aber dabei Hände und Arm so sehr, daß das Fleisch bloßliegt.

Tuttlingen 23. Juni. Von der nun schon in der 5. Woche stehenden Aussperrung in der hiesigen Schuhindustrie sind ins­gesamt betroffen 1516 Arbeiter (1108 männliche und 408 weibliche). Im Streik bei den Firmen Stotz L Henke und Gustav Henke stehen außer­dem 126 Arbeiter. An Unterstützungen ftir bezugs­berechtigte Streikende und Ausgesperrte zahlt die Z rntralverbandskaffe der Schuhmacher Deutsch­lands wöchentlich ca. 10 000 Die nicht­unterstützungsberechtigten Mitglieder, das heißt, diejenigen, die noch nicht 3 Monate dem genannten Verbände angehörcn, erhalten aus dessen Lokal­kaffe eine Unterstützung, die einen Betrag von 121300 ^ wöchentlich erfordert. Dis vom Zentralverband der Schuhmacher Deutschlands unterstützten Mitglieder haben eine Kinderschar von nahezu 900, die ebenfalls eine wöchentliche Unterstützung von je 1 ^ erhalten.

Friedrichshafen 23. Juni, lieber die Landung de» Luftschiffes 1-2 VII wird aus Düsseldorf gemeldet: Bevor Graf Zep­pelin, der das Luftschiff auf der Fahrt geführt, die Gondel verließ, begrüßte ihn Oberbürger­meister Marx namens der Stadt Düffeldorf mit folgenden Worten: Bevor Ew. Exzellenz diese Stadt betreten, nehmen Sie Gruß und Dank und die Huldigung vor ihrem Genie ent­gegen. Ehe Sie das neue Luftschiff, welche» Ihrem erfinderischen Geiste entwachsen ist, ver­lassen und die Stadt betreten, entbiete ich Ihnen den Gruß und die Huldigung der Kunst- und Arbeitsstadt. Aber die Stadt hat in diesen Tagen noch ein anderes Kleid angezogen, ein Kongreßkleid. Nach der freudigen Stimmung, welche die Meldung ihrer Ankunft gestern unter den Kongreßmitgliedern hervorgerufen, darf ich Sie auch namens des Internationalen Kongresses für Bergbau und Hüttenwesen auf das Herz­lichste auf dem Kongreßboden begrüßen. Sie find an Huldigungen allerorts und bis in die höchsten Kreise gewöhnt, aber in der Liebe und Verehrung, die Ihnen unsere Stadt Düsseldorf entgegenbringt, in der Sehnsucht Düsseldorfs nach Ihrer Persönlichkeit, wird sie von keiner Stadt übertroffen. Mit dieser Versicherung bitte ich Sie, den Boden der Stadt zu betreten.