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Stettin 18. Juni. Der bekannte Münchner Rennfahrer Thaddäus Robl, der sich seit einiger Zeit der Aviatik gewidmet hatte, machte heute abend um ^8 Uhr einen Aufstieg mit seinem Farman-Zweidecker, der zunächst sehr gut gelang. Nachdem er einen großen Kreis beschrieben hatte, stürzte der Apparat aus einer Höhe von 50 Metern zu Boden. Im gleichen Moment explodierte der Motor und zer­störte den Apparat. Robl wurde leblos hervorgezogen. Die sofort angestellten ärzt­lichen Bemühungen waren erfolglos. Zu dem Unfall wird noch folgendes gemeldet: Robl, der aus München stammt, war als Rennfahrer auf allen deutschen Bahnen und auch im Ausland wohl bekannt. In der letzten Zeit wandte er sich der Aviatik zu und hat auf diesem Gebiete nicht unbedeutende Erfolge erzielt. Für Samstag, Sonntag und Montag sollte hier eine Flug- woche veranstaltet werden, welche vom Pommer- schen Automobilklub und vom Verein für Luft­schiffahrt in« Werk gesetzt war. Unter den angemeldeten Aviatikern befand sich auch Robl mit einem Farman-Apparat. Robl stieg um ^8 Uhr als erster auf und erreichte eine Höhe von 50 Metern. Er umkreiste mehrmals das westliche Flugfeld und ging dann in eine Höhe von 70 Metern hinauf. Plötzlich kipple der Apparat um, stürzte herab und begrub Robl unter sich. Der Apparat ging vollständig in Trümmer. Aerztliche Hilfe war sofort zur Stelle, jedoch waren die Bemühungen erfolglos. Robl war sofort tot.

Versailles 19. Juni. Ueber einen Eisenbahnzusammenstoß in Villepreux berichtet der Draht heute früh: Der Personen­zug 467 von Paris nach Dreux hatte auf der Station Villepreux zur Ausbesserung eines Ma­schinendefektes angehalten. Infolge des langen Aufenthaltes verloren die Reisenden die Geduld und verließen den Zug. Nach 6 Uhr kam dann der Expreßzug, dessen Führer das Haltesignal nicht beachtet hatte und den haltenden Personen- zug zu spät erblickte. Der Zusammenstoß war schrecklich. Die Maschine, der Tender und drei Waggons, darunter der Speisewagen, schoben sich in die fünf Hinteren Wagen des Zuge« 467. Die Lokomotive stürzte um und setzte die Wagen in Brand. Zehn Wagen wurden ein Raub der Flammen. Bisher wurden zehn Tote und 25 Verletzte geborgen. Weitere Ver­unglückte befinden sich noch unter den Trümmern. Der Maschinist des getroffenen Zuger wurde plötzlich irrsinnig. Millerand und der Präfekt des Departements Seine et Oise trafen noch abends auf der Unfallstelle ein und begaben sich dann nach Versailles, wo sie die Verletzten besuchten.

Villepreux 19. Juni. Heute vormittag wurde der 18 . Tote aus den Trümmern ge­

borgen. Die Feststellung der Persönlichkeit ist teilweise unmöglich, da manche Körper vollkommen verkohlt sind.

Calais 19. Juni. Im Laufe des Nach­mittags wurden ungefähr zehn Leichen der Mannschaft desPluviose"geborgen, darunter die des Kommandanten. Abends setzte die wieder­kehrende Flut den Arbeiten für heute ein Ziel.

(Eingesandt.)

Wenn ich mir denke, daß vielleicht in 100 oder mehr Jahren, wenn auch mein Staub schon lange verweht ist, man mein Andenken segnet und mir noch im Grabe Tränen und Bewunderung zollt, dann freue ich mich meines Dichterberufes und versöhne mich mit Gott und meinem oft harten Verhängnisse."

Herrlich ist dieses Ahnen des großen Schiller zur Wahrheit geworden.Er lebt auch nach dem Tode fort, und ist so wirksam, als ob er lebte." Das hat aufs glänzendste die hundertjährige Gedächtnisfeier des Todestages Schillers bewiesen, die gezeigt hat, daß Schiller der Lieblingsdichter des Volkes geworden ist durch die volkstümlichsten Eigenschaften, die ihn als Menschen und Dichter aurzeichnen. Von all seinen Werken ist wohl beim Volke am belieb­testen geworden dasLied von der Glocke", welches man treffend dasLied vom Leben" ge­nannt hat. Denn die ganze Reihe der tiefsten und heiligsten Gefühle des Menschen ist hier in solch anschaulicher Lebendigkeit und Wärme, in solch schwungvollen und dabei doch so leicht ver­ständlichen Sprache uns vor Augen geführt, daß diese Dichtung einzig dasteht in unserer gesamten Literatur.

Kein Wunder, daß bei jeder Gelegenheit, wenn e« Schiller zu ehren galt, diese köstliche Frucht dargeboten wurde. Zu Schillers Toten­feier, die Goethe als Leiter des Weimarer Hof­theaters dem verblichenen Freunde veranstaltete, wurde da«Lied von der Glocke" zum ersten Male in dramatisierter und vertonter Form dar­gestellt. Diese Goethe'sche Einrichtung ging im Jahre 1825 beim Brande des Weimarer Hof- theaters zu Grunde. Franz Freiherr v. Dingel- stett dramatisierte sie später ebenfalls; zu dieser Bearbeitung schrieb Peter von Lintpaintner die Musik; inszeniert (Dekorationen und Kostüme altmodisch) wurde dieselbe von Kunst- und Theater­maler Emil Weis aus München. In dieser Form, verteilt in die Rollen: Meister, Meisterin und Altgeselle, wurde die Dichtung am Wiener Burgtheater im Jahre 1899 zur Bühne gebracht. So soll sie auch in den nächsten Tagen hier in Calw zur Aufführung gelangen unter der Leitung des in Calw durch seine Kunst wohl- bekannten Herrn E. Weis.

Heute früh von 7^9 Uhr und nachmittags von 1V-3 Uhr unternommenen Probefahrten de« 1^2 VII einen durchaus befriedigenden Ver­lauf genommen. Insbesondere hat sich die erst­mals erprobte Paffagierkabine ausgezeichnet be­währt. Sie wies keinerlei Erschütterung auf und erweckte das Gefühl, als befände man sich in einem Salon. In der Kabine wurden Versuche gemacht, um die Spannungsdifferenz zwischen der Atmosphäre und dem Luftschiff festzustellen, wobei sich die denkbar größte Sicherheit vor Blitzgefahr ergab. Von einem für morgen in Aussicht ge­nommenen dritten Probeaufstieg hängt der Termin der Abreise nach Düffeldorf ab. Die Luftschiff­baugesellschaft hat es einer Anfrage der Stadt Düffeldorf gegenüber ablehnen müssen, den Zeit­punkt der Abfahrt schon jetzt genau anzugeben. Auch die Fahrtroute steht noch nicht endgiltig fest. Sie wird sich und das gilt auch vom Reiseantritt, wie bei allen großen Fahrten erst im letzten Augenblick fixieren lasten, wobei Wind und Wetter weniger als etwaige technische Erwägungen den Ausschlag geben.

Potsdam 19. Juni. (Neues Palais.) Wie bereits am Sonntag mitgeteilt, nimmt die Knieaffektion des Kaisers einen günstigen Ver­lauf. Der Erguß ist bis auf kleine Reste be­seitigt. Ein Furunkel oder eine Hautverletzung besteht nicht. Die unverantwortlickerweise ver­breitete Nachricht, daß eine Operation stattfand, ist erfunden.

Berlin 19. Juni. Im Zehlendorfer Teile des Grunewaldes veranstaltete heute der Evan­gelische Bund und der Gustav Adolf- Verein eine Massenkundgebung unter freiem Himmel gegen die Borromäus-En- zyklika. In einer Resolution, in der die tiefe Entrüstung über die in der Enzyklika enthaltenen Schmähungen ausgesprochen und die Antwortnote des Kardinalstaatssekretärs nicht als Abschwächung oder Zurücknahme der Beleidigungen anerkannt wird, werden von der ReichSregierung und den Bundesstaaten Maßnahme» gefordert, die eine derartige Störung des konfessionellen Friedens in Zukunft unmöglich machen. Diese Resolution wird dem Reichskanzler überreicht werden.

Berlin 18. Juni. Dem Landwirt­schaftsminister v. Arnim und dem Mi­nister des Innern v. Moltke ist die nachgesuchte Entlassung aus ihren Aemtern unter Verleihung der goldenen Krone zum Roten Adler-Orden 1. Klasse mit Eichenlaub erteilt worden. Der Oberpräsident der Rhein­provinz Frhr. v. Schorlemer, wurde zum Landwirtschaftsminister und der Ober­präsident der Provinz Schlesien, v. Dall­witz, zum Minister des Innern ernannt.

die Nacht draus bist auf der Brachweid und nicht etwa« in deiner Schäfer­hütten liegst. Hüt' also ein bißl näher an unfern Gartenacker hin, damit dich ja alle sehen können."

Mir soll'» recht sein."

Wirst denn eine AuSred' finden, wenn dich wer fragen sollt', warum du das Schäferhaus nicht im Pferch laßt?"

Wird mir schon 'was einfallen."

Nun also, Nazi, mach' deine Sach' recht. Da hast ein Markstücke!. Kannst dir einen Tabak drum kaufen, oder ein Bier, wa» dir halt lieber ist." Mit einem freudigenDank schön, Bauer!" ließ der Schäfer das Geld in die Tasche gleite».

Der Bauer aber begab sich zu den Schnittern auf den Hohlwegacker. Er durfte überzeugt sein, daß sein Befehl wegen des Schäferkarrens pünktlich vollzogen wurde. In der Tat brachte der alte Nazi seine fahr­bare, auf zwei großen Rädern ruhende Hütte unbemerkt au» dem Pferch und hatte, während er sie vor sich herschob, sogar die Hoffnung, dieselbe ohne gesehen zu werden bis zum Holzbirnbaum karren zu können. Aber diese Hoffnung war trügerisch. Denn gerade als er die Waldspitze passierte, hörte er sich angerufen.

Nazi!"

Hans war es, der die Hornvieherde hütete.

Muß mich doch der Malesizbub' erwischen!" brummte der Alte verdrießlich. Laut sagte er aber:Was gibt'» denn alsdann?"

Warum radelst denn dein Haus fort?" fragte der Junge dagegen.

Mußt du das wissen?"

Müssen tu' ich'» grad nicht; jedennoch g'freueu tät'S mich schon, wenn mir's sagen tätest. Jawohl!" Der Schäfer hatte noch über keine Ausrede nachgedacht. Wa» für einen Bären sollte er denn dem neu­

gierigen Buben aufbinden? Da fuhr ihm mit einem Male eine gute Idee durch den Kopf.

Weißt Han»," sagte er, indem er eine furchtsame Miene annahm, ich zieh' forten vom Pferch, weil'S dorten bei der Nacht nimmer ganz sicher ist."

O mein, wa» du sagst! Weizt's etwan gar, und hast vielleicht wa» g'sehen?"

Freilich."

O sag' mir's doch," drängte der Knabe,was e» g'wesen ist. Red' doch!"

Der Bilmetschneider hat an'klopft an meiner Hütten."

Jessasmariejoffef!" schrie Hans entsetzt.Der Bilmesschneider! Ja, wie hat er denn auSg'schaut, derselbige Bilmes?"

Nun, du weißt doch selber: umundum voll Pelz und zottige Haar'. Da» ist doch eine alte G'schicht, in welchener Gestalt der Bilme» auf den Feldern 'rumstreunt."

O lieb'» Himmelmutterl! So was ist doch ganz aus der Weis. Ich tät' mich zu Tod fürchten, wenn er mir begegnete; denn mich brächtt er gleich ganz um von wegen den Judaskreuzeln, die ich ihm g'steckt Hab'. Jawohl. Wo schiebst du'S aber jetzund hin, dein Schäferhäusl?"

Ich weiß es selber noch nicht. Werd' mir schon ein Platzl auS- suchen, wo mich der Bilmes so g'schwind nimmer find't." Kaum war der alte Mann dem Hütjungen aus dem Gesicht, da duldete e« letzteren nicht länger bei seiner Herde. Mit eiligen Sprüngen lief er auf den Hohlwegacker und erzählte den atemlos aufhorchenden Schnittern und Schnitterinnen, daß der Bilmesschneider dem alten Schäfernazi erschienen sei, und daß letzterer deshalb seine Hütte aus dem Schafpferch fort und auf einen sicheren Platz gebracht habe.

(Fortsetzung folgt.)