Karlsruhe 15. Juni. Ein bedenkliches und bedauernswertes Vorkommnis beschäftigt zurzeit die Karlsruher Staatsanwaltschaft. Vor einigen Tagen wurde der Stellvertreter des hies. Leichenschauers in das Haus einer Hebamme gerufen zur Todeserklärung eines 8 Tage allen unehelichen Kindes, das die Hebamme zur Pflege zu sich genommen hatte. Nach flüchtiger Betrachtung des kleinen Wesens gab der Leichenschauer die Erlaubnis zur Ueberführung in die Leichenhalle. Gleich darauf erschien denn auch eine Frau vom Friedhofe, welche das Kind in den kleinen mitgebrachten Sarg bettete und in die Leichenhalle nach dem Friedhof beförderte. Als man dort den kleinen Sarg wieder öffnete, um das Kind vorschriftsmäßig bis zur Beerdigung aufzubewahren, stellte es sich, laut „Bad. Landeszeitung", zum allgemeinen Entsetzen heraus, daß das Kind noch lebte. Die Leichenwärterin bemühte sich, dem Kinde das amtlich abgesprochene Leben zu erhalten, aber es gelang ihr ebensowenig, wie dem rasch herbeigerufenen Arzte, denn nach zirka 12 Stunden wurde das schwach flackernde Lebensflämmchen des kleinen Wesens endgültig durch den Tod ausgelöscht. Das bedauernswerte Vorkommnis, das zu ernste» Bedenken über die Handhabung der Leichenschau Anlaß gibt, dürste noch ein gerichtliches Nachspiel haben.
Augsburg 17. Juni. In der vergangenen Nacht hat die Ueberflutung des Lech ihren Höhepunkt erreicht. Minister v. Brettreich ist heute früh zur Besichtigung de« UeberschwemmungS- gebiet« eingetroffen. Von der auf dem rechten Lechufer befindlichen Häuserkolonie sind bereits 2 Häuser eingestürzt.
Augsburg 17. Juni. Die Gersthoser Lechbrücke ist eiugestürzt, der Lechhauser Kirchturm am einstürzen. Das Ufergelände des Lech ist 60 Meter breit fortgerisfen, die Lindenallee in der unteren Lechdammstraße weggespült. Hochablaß, ein bevorzugter, reizender Erholungsort der Augsburger, ist vom Erdboden verschwunden, sämtliche Gebäude eingestürzt; das berühmte städtische Wasserwerk dortselbs! schwer bedroht. Der bisherige Schaden in Augsburg und Umgebung beträgt viele Millionen. Im Innern der Stadt ist die Gefahr vorüber. Eine Sammlung für die Geschädigten ist ringeleitet.
DiebolSheim 17. Juni. 200 Meter oberhalb des Dorfes ist der äußere Hauptrheindamm nach einer soeben eingetroffenen Nachricht in einer Breite von 20 Metern gebrochen. Der Riß entstand wahrscheinlich infolge des Drucks de» Wasser«, das heute früh durch den sogenannten Riedlidamm hindurchbrach und sich am Damm staute. Das Dorf ist bedroht. Wenn nicht schnelle Hilfe von auswärts erfolgt, steht da« Wasser innerhalb 2 Stunden im Dorf. Von Straßburg hat die Gemeinde bereits militärische Hilfe requiriert. Der Kreisdirellor befindet sich auf dem Weg zur Unfallstätte.
Ahrweiler 17. Juni. Nach neuerlichen Feststellungen überschreitet die Gesamtsumme des Schadens drei Millionen Mark bedeutend. Unter.den Vermißten befinden sich auch solche, die weggezogrn sind, ohne sich abgemeldet zu haben, was namentlich für viele Kroaten zutreffen dürfte. Bis heute find amtlich 5 3 Leichen fest ge stellt worden. Davon wurden angeschwemmt im Kreise Adenau 47, im Kreise Ahrweiler 4 und im Rhein 2. Der Kreis Ahrweiler hat keine Verluste an Menschenleben zu verzeichnen. Die Eisenbahn verkehrt von heute ab bis Altenahr und dürste bis Mitte nächster Woche bi» Dümpelfeld wieder im Betrieb sein.
Brück 16. Juni. Bei zwei vorgestern aufgefundenen Leichen handelt e» sich nicht um Opfer der Hochwasserkataflrophe, sondern um 2 Arbeiter, die infolge von Alkoholvergiftung gestorben find. Mehrere Arbeiter waren mit dem Herausfischen von Alkohol aus der Ahr beschäftigt, wobei sie in Streit gerieten. Einer von ihnen trug eine schwere Kopfverletzung davon. Währenddessen hatten die beiden obigen Arbeiter den Alkohol getrunken und sind dann an Alkoholvergiftung gestorben bezw. erstickt; der
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eine fiel infolge de» zu reichlichen AlkoholgenufseS in einen Straßengraben und erstickte.
Berlin 17. Juni. Von autoritativer Seite verlautet über das Befinden des Kaisers, daß der Monarch vollkommen schmerz- und fieberfrei ist. Eine Operation ist nicht notwendig. Man hofft, daß er etwa in acht Tagen die volle Gebrauchsfähigkeit wieder erlangt haben wird. Die Teilnahme an der Kieler Woche ist deshalb mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer baldigen Wiederherstellung des Kaisers noch nicht abgesagt.
Berlin 17. Juni. Die „Straßburger Post" schreibt: „Wie wir erfahren, soll der Reichskanzler v. B ethmann-Hollweg vor kurzem den Kaiser gebeten haben, ihn au» seiner Stellung zu entlassen." Als Quelle dieser vorläufig als Gerücht auftretenden Meldung wird der Leiter einer unserer größten Unternehmungen in Berlin genannt, der vom Kaiser persönlich sehr hoch geschätzt wird. Auf unsere Erkundigungen an maßgebender Stelle wird zwar versichert, daß die Nachricht nicht stimmen könne, man wird aber ihre Verbreitung von gut unterrichteter Seite mindestens als ein Symptom für tieferliegende Vorgänge und Stimmungen betrachten dürfen.
Berlin 17. Juni, lieber den Anschlag eines Wahnsinnigen auf den Präsidenten Taft wird noch gemeldet: Im weißen Hause von Washington wurde gestern vor der Tür zum Privatburea« Tafts ein Bergarbeiter aus Cum- berland im Staate Maryland namens Striklin verhaftet. Man fand bei ihm einen scharf geladenen Revolver. Er erzählte, er habe bereit» im vorigen Jahr Taft angezeigt, daß er eine» Tages gut bewaffnet vor ihm stehen werde. Damals sei er gefaßt worden und habe die ganze Zeit im Irrenhaus zugebracht. Die Wachen, die eigentlich niemand zu Taft» Privatzimmer gehen lasten dürfe», entschuldigten sich damit, daß Striklin gut ausgesehen und erklärt habe, er sei von Taft zu einer Besprechung bestellt worden.
Wien 13. Juni. Heute gegen 1 Uhr mittags traf der Kaiser in der JagdauS- stellung ein und fuhr zunächst vor dem deutschen Jagdschloß vor, an dessen Freitreppe er vom Fürsten von Fürstenberg, dem Herzog von Ra- tibor, dem deutschen Botschafter mit den Herren der Botschaft u. a. empfangen wurde. Nachdem der Kaiser den ihm vom Herzog von Ratibor überreichten Ehrentrunk entgegengenommen hatte, trug er sich in da» fürstl. Jagdbuch ein und machte dann einen Rundgang. Seine ganz besondere Anerkennung sprach der Kaiser dem Erbauer de» Jagdschlosses, Baumeister Hans Friedr. Richter au» Berlin aus. Nach halbstündigem Aufenthalt verabschiedete sich der Kaiser.
Wien. Am 10. Juni fand die erste Sitzung des Aufsichtsrates der Rosegger- Stiftung statt, an welcher die Abgg. Dr. Groß, Pacher, Herrenhausmitglied Braß sowie die von Rosegger ernannten Vertrauensmänner, die Abgg. Wastian und Dobernig, teilnahmen. Der Obmann de» Deutschen Schulverein» Abg. Dr. Groß machte die Mitteilung, daß bi» zu diesem Tage 1244 Bausteine ä 8000 Kronen gezeichnet wurden und die Rosegger-Stiftung daher einschließlich der testamentarischen Stiftung Dr. Krammer« mit 90 000 Kronen gegenwärtig die Höhe von 2 578 000 Kronen erreicht hat. Hierauf wurde über die Verwendung de» Betrages beraten und es wurden den Zwecken der Rosegger-Stiftung 950 000 Kronen bewilligt. Dieser Betrag wurde dem Deutschen Schulverein zur Verfügung gestellt zum Ausbau bestehender deutscher Schulen und Kindergärten an den Sprachengrenzen im Norden und Süden Oesterreichs, sowie zur Errichtung von 5 neuen deutschen Schulen und 7 deutschen Kindergärten, teil» in Böhmen, teils in Steiermark. Die Sammlungen für die Rosegger-Stiftung werden weitergeführt.
Philadelphia 17. Juni. An Bord de» nach Australien bestimmten englischen Dampfer» „Highland Monarch" griff ein chinesischer Matrose den erste« Offizier mit dem Messer an, weil dieser ihm die Erlaubnis verweigert
hatte, vor der Abfahrt noch einmal an Land zu gehen. Er wurde übermannt und unter Eisen gelegt. Später unternahmen alle anderen chinesischen Mitglieder der Besatzung plötzlich den Versuch zu entweichen, doch wurden sie von den englischen Matrosen zurückgetrieben. Als der Dampfer abfuhr, sprangen 7 chinesische Matrosen über Bord; 4 ertranken, 3 erreichten das Larck mit knapper Not.
Vermischtes.
Teuerung in Amerika. Die Koste« für den Lebensunterhalt find nach de« offiziellen, in Newyork veröffentlichten Statistiken gegenwärtig größer, als sie jemals während der letzten 20 Jahre waren. In diesem März waren die Ausgaben fast um 8 °/-> höher als im März 1909, 10,2 °/° höher als im August 1908, 49,2 °/o höher als der Durchschnitt des Jahres 1907, und 33,8 °/° höher als der Durchschnitt für die zehn Jahre 1890—1899. Diese Ziffer« gelten nur für Engrospreise, bei den Detailpreisen würde sich eine noch größere Steigerung ergeben. Die Preise für Fleisch, Butter, Gemüse und Milch sind allmählich immer höher geworden, sodaß nun allgemeine Klagen laut werden.
— Graf Zeppelin hat aus Wien einen launigen Brief erhalten, der wohl den Lesern ebensoviel Spaß machen wird, wie dem Grafen Zeppelin, der die Genehmigung zur Veröffentlichung gab und sich darauf freut, sich im nächsten Monat in seiner neuen Würde als „Ehrenseehund" in den Polarregionen vorstellen zu können. Der Brief lautet:
„Hoch Parseval! Pereat! dem Nordpolfex und Komödianten Zeppelin! Trotzdem man in Wien Ihr System nicht angenommen und vor dem deutschen Kaiser neulich, so wie vorige» Jahr in Wien der Parseval ausgezeichnete Dienste geleistet, da» starre System, welches Dürr und die Ingenieure ausgedacht, sich nicht bewährte, so ist es von Ihnen eine Zudringlichkeit ohne gleichen, her zu kommen und den Wienern eine „Hetz" vorzumache«. Jeder Bube weiß hier, daß Ihr Freund Fürst Fürstenberg so lange gebettelt hat, bi» man, wenn auch ungern, der preußischen Unverfrorenheit nachgab. Ihre Berichte über Nordpolfahrten werden hier stark belacht. Mit einem Ballon, der nicht einmal glatt nach Berlin und retour kann, wollen Sie samt Hergesell zum Nordpol? So was ist wirklich zu dumm! Hier glaubt man, daß Sie deshalb Herkommen, um un« doch noch mit einem Ballon anzuschmieren ! Sind Sie schon von den Eskimo» zum Ehrenseehund ernannt worden?"
Goethe über die Borromäu»- Enzyklika. Die „Aargauer Nachr." weise» darauf hin, daß sich Goethe in „Reinecke Fuchs" (VIII. Gesang) gleichsam vorahnend über die Borromäus-Enzyklika in folgenden Versm geäußert hat:
Denn der Papst ist alt und krank und nimmt sich der Dinge
Weiter nicht an; man achtet ihn wenig. Auch hat nun am Hofe
Kardinal Ohnegenüge die ganze Gewalt, der ein junger,
Rüstiger Mann ist, ein feuriger Mann von schnellem Entschlüsse.
So verübt man in Rom gar manche Listen und Tücken, Die der Papst nicht erfährt.
Standesamt Calw.
Geborene.
11. Juni. Lore, T. d. Theodor Hartmann, Apo-
thekerS hier. ^ __
12. . Willy Karl und Walter Friedrich, Sohne
d. Franz Steck, GärtnereibefitzerS hier.
13. „ Alfred Eugen, S. d. Gustav Bello«,
Lokomotivheizers hier.
14. „ Julie Hedwig, T. d. Georg Ehmanu,
Lokomotivheizers hier.
Gestorbene.
13. Juni. Johanne Friederike Atz, geb. Haas, Schuhmachers Witwe, 76 Jahre 6 Monate alt.