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Rottweil 8. Juni. (Strafkammer.) Wegen Vergehens gegen das Süßstoff- und Nahrungsmittelgesetz hatte sich heute der Bier­brauereibesitzer Karl Pulvermüller von Al- pirSbach vor der Strafkammer zu verantworten. Neben ihm waren angeklagt ein Kaufmann von Stuttgart und ein Kaufmann von Nürnberg, je wegen gleichen Vergehens, bezw. wegen Beihilfe. Dem Angeklagten Pulvermüller ist zur Last ge­legt, in der Zeit von Anfang Oktober 1909 bis Ende März 1910 etwa 5 kx Saccharin zur Bierbereitung verwendet und damit etwa 1900 bl Bier verfälscht zu haben. Das Saccharin soll er von dem Stuttgarter Kaufmann bezogen haben. Der Nürnberger Kaufmann ist angeklagt, dem Pulvermüller und 2 Schramberger Bierbrauerei­besitzern Saccharin zum Kauf angeboten zu haben. Pulvermüller ist geständig. Er will das Saccharin lediglich zur Verbesserung des Geschmacks, nicht um Malz zu sparen, verwendet haben. Zahl­reiche Brauereien in Württemberg hätten dies ebenso gemacht. Die beiden Kaufleute bestritten die Anklage. Nach einem ausführlichen Gutachten von Prof. Dr. Windisch-Hohenheim erkannte die Strafkammer gegen Pulvermüller auf eine Geld­strafe von 1000 Mk., Einbeziehung des beschlag­nahmten Biers und Saccharins, sowie Veröffent­lichung des Urteils. Der Nürnberger Kaufmann wurde mangelnden Beweises halber freigesprochen und gegen den Stuttgarter Kaufmann das Verfahren wegen anderweitiger Aburteilung ein­gestellt.

Tuttlingen 12. Juni. Gestern und heute weilte Landlagsabgeordneter Storz hier, um womöglich eine Einigung zwischen Arbeit­gebern und Arbeitern in der Schuhwarenindustrie herbeizuführen. Seine Bemühungen scheiterten an der Unnachgiebigksit der Fabrikanten.

Friedrichshafen 14. Juni. Die ersten Fahrten mit dem 1-2 7, dem Luftschiff der Deutschen Luftschiffahrts-Aktien-Ge- scll schaft werden schon in den nächsten Tagen stattfinden, voraussichtlich in der zweiten Hälfte dieser Woche. Nach einigen Probeflügen, die den Zweck haben, die einzelnen Teile des Schiffes auf ihre Zuverlässigkeit genau zu prüfen, wird der 1-2 7 etwa Mitte nächster Woche, also etwa am 22. oder 23 Juni die Fahrt nach Düffel­dorf antreten, wo das Luftschiff bekanntlich zur Ausführung von Paffagierfahrten längere Zeit stationiert sein wird. Als Führer des Luft­schiffs bei diesen ersten Paffagierfahrten in Deutschland ist als bester Fachmann Oberingenieur Dürr von den maßgebenden Stellen in Friedrichs­hafen schon seit längerer Zeit in Aussicht ge­nommen.

Von der bayerischen Grenze 14. Juni. In der bayerischen Nachbarschaft von Ulm wird der Bi er krieg mit großer Zähig­keit und allem Nachdruck geführt. In Leipheim tagte am Sonntag eine Versammlung, die sich mit der Drohung der Brauereien befaßte, daß bei Weiterführung des Bierkrieges die Brauereien den Bauern keine Gerste mehr abkaufen werden. ES wurde fefigestellt, daß die Brauereien jetzt schon vielfach ihre Gerste anderswo kaufen, und der größere Teil der Versammlung erklärte sich für Gründung einer Genoffenschafttbrauerei.

München 14. Juni. Die Hochwasser­flut vom Gebirge ist heute Mittag hier ein- getro ffen und hat in wenigen Stunden die ganzen Flutmulden der Isar bis zum äußersten Ufer angefüllt. Infolge erneuter Regengüsse im Gebirge steigt das Wasser noch weiter. Aus Murnau und Garmisch wird gemeldet, daß die dortigen Waffermassen die Katastrophen-Hoch- wasser von 1899 übersteigen. Die Straßen am Kochelsee stehen unter Wasser.

Gerolstein 14. Juni. Im Eifeldorf Be hm stieg das Wasser infolge eines Wolken- bruchr einen Meter hoch. 2 Arbeiter sind ertrunken.

Gar misch 14. Juni. In vergangener Nacht ging über Garmisch und Partenkirchen ein schweres Unwetter mit wolkenbruchartigem Regen nieder; die Loisach und Partnach sind über ihre Ufer getreten. Die niedriger gelegenen

Teile beider Orte sind überschwemmt. Der Bahnhof steht unter Wasser. Eine amtliche Bekanntmachung besagt: Der gesamte Verkehr auf der Strecke MurnauGarmisch mußte heute früh eingestellt werden. Die Strecke ist auch bei der Station Oberau unterbrochen.

Berlin. Auf dem Wege zur Rennbahn Hoppegarten hat gestern die dänische Gräfin Grothe ein Diadem im Werte von etwa 20 000 verloren.

Innsbruck 14. Juni. Au» vielen Teilen Nordtirols laufen Hiobsposten über Hoch- wasser und Muhrbrüche ein. Alle Flüsse sind in rapidem Steigen begriffen. Die Stubaitalbahn hat wegen eines Erdrutsch» beim Innsbrucker Elektrizitätswerk den Verkehr eingestellt. Der Regen dauert fort.

Großwardein 14. Juni. Gestern mittag stießen zwischen den Stationen Bratka und Buosa 2 Lastzüge zusammen. 4 Bahn­beamte wurden getötet, 6 mehr oder weniger schwer verletzt, 15 Wagen wurden zertrümmert.

Rom 14. Juni. In vergangener Nacht wurde in Reggio di Calabria und Gallina eia Erdstoß verspürt. Ein zweiter Erdstoß erfolgte heute vormittag in Messina und Gallina und rief eine Panik hervor. Schaden ist nicht ange­richtet worden.

Calais 14. Juni. Da es unmöglich ist, zu den übrigen Leichen desPluviose" zu gelangen, soll versucht werden, das Untersee­boot höher auf den Strand zu bringen.

Die Unwetterkatastrophe an der Ahr.

Ahrweiler (Regbez. Koblenz) 14. Juni. Ueber ein schreckliches Unwetter, das dieses hübsch gelegene Tal betroffen hat, wird ge­meldet : Gegen 1 Uhr nachts ging in dem Eifel­dorfe Antweiler ein schwerer Wolkenbruch nieder, der das ganze umliegende Gebiet in wenigen Minuten unter Wasser setzte. Die Ge­birgsbäche wuchsen im Augenblick zu reißenden Bächen an, die ihre Fluten der Ahr zusührten, die in kurzer Zeit einem reißenden Strom glich, alles mit sich fortreißend. Trotzdem die unter­wärts liegenden Ortschaften von der Gefahr in Kenntnis gesetzt wurden, waren die Einwohner in den meisten Fällen nicht imstande, auch nur das Vieh aus den Ställen in Sicherheit zu bringen. Was nicht gerettet werden konnte, wurde mitgeriffen und ertrank. Die Feuer­wehren sämtlicher Ortschaften waren alarmiert und arbeiteten angestrengt, um Gegenstände aus dem Wasser zu fischen und Stauungen zu ver­hindern. Mit wenigen Ausnahmen sind sämt­liche Fußstege und Fahrbrücken, hölzerne sowohl wie steinerne, fortgerissen. Besonders hart sind die den zweigleisigen Ausbau der Ahrtalbahn ausführenden Firmen getroffen, die Hunderte von Arbeitern beschäftigten. Die riesigen Holz­vorräte, Baracken, Notbrücken, Maschinen usw. sind, ein Raub der Fluten geworden. Nicht minder aber ist die meist arme Bevölkerung der Eifel betroffen, der stellenweise die ganze Ernte vernichtet ist. Häuser sind eingestürzt, viele Menschen ertrunken; bis jetzt sind 10 Leichen Erwachsener und die eines Kindes geländet. Ganze Häuserwände, Möbel, Ackergeräte trieben die Wogen fort mit donnerndem Getöse, jeden Widerstand brechend. Mannsdicke Bäume wurden unterspült, man konnte beobachten, wie sie sich immer mehr und mehr neigten, plötzlich ein Ruck und die Fluten nahmen sie auf. Die Ahrweiler Feuerwehr fischte für mehrere tausend Mark Holz aus dem Wasser. Im Bad Neuenahr richtete das entfesselte Element ebenfalls ungeheuren Schaden an. Der Kurpark und die Anlagen wurden über­schwemmt, die niedrig gelegenen Hotels bi» ans Erdgeschoß unter Wasser gesetzt. Die Keller füllten sich, so daß die Vorräte verdarben; auch die meist im Untergeschoß liegenden Küchen wurden überflutet, so daß viele Häuser ohne- und Trinkbares waren. Da» Wasser floß meterhoch durch die Straßen, dabei Baumstämme, Möbel u. s. w. mit sich führend. Der ganze Schaden läßt sich nicht übersehen.

Altenahr 14. Juni. Bisher sind 58 Leiche« geländet. Der Schade« wird auf 3 Millionen Mark geschätzt. E» regnet stark.

Adenau 14. Juni. Durch die Unwetter­katastrophe im Ahrtal sind, wie von bestunter­richteter Seite versichert wird, im Kreis Adenau allein gegen 50 Personen ums Leben gekommen. Der mittlere Ortsteil stand ganz unter Wasser und zwar bis zum ersten Stock­werk. Die Arbeiten beim Bahnbau Remagen Liffendorf find fast vollständig zerstört, und damit ist die Arbeit von 6 Monaten vernichtet. Der Materialschaden ist nicht zu übersehen.

Antweiler a. d. Ahr 14. Juni. Durch das Hochwasser wurden bei Fuchshofen und bei Müsch die Baracken zerstört. Aus der ersteren retteten sich nur 4, während vermutlich 7 6 um­gekommen sind. Au» der letzteren sind nur 2 gerettet und 2 6 werden vermißt. Hier wurden 20, in Schuld 5, in Altenahr 10, in Dernau 8 Leichen geländet. Die alte Brücke in Resch ist nicht eingestürzt, wie gemeldet worden, sondern hat auch diesmal der Gewalt des Hoch­wassers widerstanden.

Vermischtes.

Auf der 24. Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Hamburg, an der sich leider Süddeutschland fast gar nicht beteiligte, erhielten folgende Württemberger Aussteller Preise: Die Stutt­garter Milchkuranstalt vorm. Grub, Inh. vr. Baer und Kurtz, einen 1. Preis für Frisch­milch; die Dampfmolkerei Sontheim-Brenz einen 2. Preis für ungesalzene Butter; de« gleichen Preis Viktovian Jarde in Gebratzhofen. Für Käse erhielt Leo Recherer in Waldsee einen 1. und einen 2. Preis; Heim. Bort in Wangen i. Allgäu zwei 1. und sechs 2. Preise; Josef Maucher in Erisdorf bei Riedlingen zwei 2. Preise.

(Wie ein Krieg entsteht.) Das Schloß Trianon in Versailles soll nach einer neuen Verfügung der französischen Regie­rung neu hergestellt und in seinen ursprüngliche« Zustand zurückversetzt werden. Bei diesem An­lässe erzähltenNos Loisirs" eine Anekoote au» der Geschichte des Sonnenkönigs, die dafür charakteristisch ist, wie im Geschick der Staaten und Völker kleine Ursachen manchmal zu großen Wirkungen führen. Ludwig XIV interessierte sich glühend für die Baukunst, und als da» Grand Trianon gebaut wurde, kam er oft auf den Bauplatz, um die Fortschritte der Arbeit zu verfolgen. Eine» Tages bemerkte er bei der Anlage eines Fensters einen kleinen Fehler, dm Mansart, sein berühmter Architekt, nicht beachtet hatte. Der König ereiferte sich und erklärte seinen Begleitern, dem Künstler Lenotre und dem Kriegsminister Louvis, das Fehlerhafte der Ausführung. Lenotre gab dem Könige recht, Louvis aber widersprach ihm, das Fenster sei sehr schön und ihm fehle nichts. Ludwig wurde ärgerlich und schließlich sogar zornig und fuhr seinen Minister gereizt an. Als Louvis dann in seine Wohnung zurückkehrte, war er verstimmt und um sein Ministerschicksal besorgt.Ich bin ein verlorener Mann", sagte er zu sich,aber das ist auch mein einziger Fehler." Seit einiger Zeit bekümmert sich der König viel zu viel um den Bau. Ihm fehlt.ein frischer, fröhlicher Krieg. Und den soll er, so Gott will, nun auch haben." Drei Monate später brach der Krieg um die Erbansprüche Ludwig XIV auf die Pfalz au», der Tausenden das Leben kostete und die Ver­wüstung der Pfalz mit sich brachte.

Reklameteil.

Die gefährlichste Zeit de» Säugling-alter»

ist die Periode der Zahnung und Entwöhnung, weil in diesem Alter die Durchfälle am häufigsten auf- treten. Den besten Schutz bietet eine rationelle Er­nährung mitKufeke" und Milch, wodurch die Verdauung gefördert und geregelt wird.

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