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Zelle betrat, fand er seinen Gefangenen voll­ständig nackt. Er hatte während der Nacht seine sämtlichen Kleidungsstücke in Fetzen gerissen.

Pforzheim 8. Juni. In dem benach­barten Dorfe Er singen schlug gestern nach­mittag bei einem heftigen Gewitter der Blitz in die katholische Kirche. Er beschädigte die Glocken und den Hochaltar und eine Reihe anderer Gegenstände. Die ganze Kirche war voller Trümmer. Verletzt wurde niemand.

Pforzheim 8. Juni. Man glaubt, jetzt wieder einmal den Mörder gefunden zu haben, der am 15. November 1908 hier den Mord an der 6jährigen Else Bauer verübt hat. In Wels in Oesterreich wurde ein dort befindlicher Schuhmacher von Unterweisenbach namens Strobel, auch Brannstäder genannt, der früher auch in Freiburg war und dort ebenfalls Sittlichkeits­verbreche» an Kindern begangen haben soll, ver­haftet.

Kaiserslautern 8. Juni. Ueber die Pfalz find gestern schwere Gewitter mit Hagel­schlag niedergegangen. Bei Zweibrücken wurde eine Frau vom Blitze erschlagen. Eine andere Frau wurde durch einen Blitzschlag schwer verletzt. An vielen Orten hat der Blitz gezündet und größere Feuersbrünste hervorgerufen.

Dresden 8. Juni. Der Kaiser hat dem König von Sachsen au» Anlaß des schweren Unglück« von Königsbrück ein Telegramm gesandt, in welchem er ausdrückt, daß ihn das Unglück, dem so viele brave Soldaten de» 177. Regiments zum Opfer fielen, aufs herzlichste bewegt habe, und dem König angesichts dieses seltsamen Verhängnisses seiner herzlichen Teilnahme versichert. Der König hat hierauf folgendes erwidert: Sr. M. dem Kaiser, Potsdam. Meinen herzlichsten Dank für Dein so wohl­tuendes Beileid bei dem schweren Unglück, das meine Armee und mich so unverhofft getroffen. Die 3. Kompagnie de» 12. Jnf.-Reg. Nr. 177 ist auf dem Rückmarsch vom Exerzieren vom Blitz getroffen worden. Drei Leute waren leider gleich tot, vier haben schwere Brandwunden er­litten, drei ganz leichte. Vier Leute find schon als gesund entlassen. Das Regiment und damit meine ganze Armee sind stolz auf Deine Für­sorge. In treuer Freundschaft Friedrich August.

Neue« Palais 6. Juni. (Hochzeit im Kaiserhaus.) Heute mittag fand die Ver­mählung des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen mit der Prinzessin Agathe von Ratibor und Corwey unter Teilnahme des Kaiserpaares, der Kronprinzessin, der kaiser­lichen Prinzen und Prinzessinnen, der Anver­wandten und einer großen Anzahl Gäste, de« Reichskanzler«, der Minister und anderer statt. Im Apollosaale wurden die Ehepakten abge­schloffen und darauf durch Oberhofmarschall Graf Eulenburg die standesamtliche Eheschließung voll­zogen. Die kirchliche Trauung vollzog in der zur Kapelle umgewandelten Jaspisgalerie Ober­hofprediger Dryander. Die Mittagstafel fand im Marmorsaale statt. In ihrem Verlauf brachte der Kaiser einen Trinkspruch au», in dem er die hohe Braut im Kreise seiner Familie freudig willkommen hieß und betonte, daß nunmehr das Leben mit seinen ernsten An­forderungen und Pflichten sich ihr nähere. Al» Beispiel für ihre Erfüllung wie« der Kaiser auf die in seinem Hause und Volke gleich verehrte Königin Luise hin und sprach den Wunsch aus, daß die hohe Braut ihrem Manne ein sonniges Heim bereiten wöge, wenn er von seiner Arbeit zurückkomme. Vor allem aber hoffe ich, so schloß der Kaiser, daß Du mit Deinem Manne zu­sammen Dein Haus begründen wirst auf dem festen Grunde, auf dem wir alle stehen, der Per­sönlichkeit unseres Herrn und Heilands, dem wir alle ergeben sind. Mit innigsten Glück- und herzlichsten Segenswünschen erhebe ich mein Glas und trinke auf Dein und Deines Mannes Wohl. Nach Beendigung der Tafel und der allgemeinen Gratulationen fand im Muschelsaale die Ver­teilung de« Strumpfbandes statt. Das Brautpaar begab sich nach Schluß der Feier nach Schloß Settenberg.

Berlin 8. Juni. In der Strafanstalt Plötzensee find 5 dort internierte Verbrecher, die in den letzten Tagen Kabeldrahtstücke in den Schlafsaal geschleppt und zu einem Drahtseil verarbeitet hatten, entkommen, indem sie sich an dem angefertigten Seil in den Hof hinab ließen.

Berlin 8. Juni. Vor einer großen Zuhörerschaft hielt heute der Nordpolforscher Peary seinen ersten und einzigen öffentlichen Vortrag über die Erreichung des Nordpols mit erläuternden, von Peary selbst aufgenommene» Lichtbildern. Da» Publikum, das den Nordpol­fahrer gleich bei seinem Erscheinen begrüßte, bereitete ihm, als sein Vortrag den Höhepunkt, die Flaggenhiffung am Nordpol, erreichte, und am Schluß, herzliche Ovationen, die ihr Ende in einer großen Defiliercour fanden, bei der Peary die Händedrücke und Glückwünsche vieler Hunderter entgegennahm.

Berlin. Zu der Blättermeldung, der Abgeordnete Erzberger wolle trotz de« Rück­tritts des Kolonialstaatssekretärs Dernburg eine gegen diesen gerichtete Broschüre erscheinen kaffen und in dieser den Vorwurf erheben, daß Dernburg im Besitze kolonialer Werte sei, und daß ihn das Interesse an diesen Werten in seiner Kolonialpolitik bestimmend beeinflußt habe, sagt Dernburg in einer Zuschrift an die Tägliche Rundschau", eine solche Nachricht sei eine dreiste Erfindung und stelle, falls sie in der Broschüre vorkvwme, eine gemeine Ehr­abschneiderei dar.

Al lenste in 8. Juni. Während der heutigen Vormittag! sitznng im Prozeß Schöne­beck ereignete sich ein aufregender Zwischenfall. Als große Zeichnungen, welche die Situation in dem Mordhaus darstellten, vorgeführt wurden, bekam bei Nennung des Kinderzimmers die An­geklagte plötzlich einen Anfall von Schrei- krämpfen. Die Aerzte bemühten sich, sie in einen besseren Zustand zu bringen. 10 Minuten währte der Schreikrampf, dann trat ein Lach­krampf ein. Später besserte sich der Zustand und man hofft, nachmittags die anberaumte Lokalbesichtigung vornehmen zu können.

London 8. Juni. Wie dem Reuter'schen Bureau aus Malta gemeldet wird, hat der Hamburger DampferC. Ferd. Laeiß" sieben Meilen von der St. Pauls-Bai eine fizilianische Schmack zum Sinken gebracht. Von der aus 7 Mann bestehenden Besatzung sind 4 er­trunken.

Rom 8. Juni.Offervatore Romano" wird heute abend folgende Note veröffentlichen. Angesichts der in Deutschland auf Grund irrtüm­licher Auslegungen und wenig genauen Ueber- setzungen der letzten Enzyklika des Papstes zu Tage getretenen Erregung sind wir ermächtigt, folgendes zu erklären:

Der hl. Vater hat in der Enzyklika, welche aus Anlaß des Gedächtnistage» des hl. Borro- mäu» veröffentlicht wurde und welche darauf ab­zielt, die Jrrtümer der Modernisten zu bekämpfen, wie sich auch augenscheinlich au» dem Wortlaut ergibt, nicht im entferntesten die Absicht gehabt, die Nichtkatholiken in Deutschland sowie ihre Fürsten zu beleidigen. In der Enzyklika befinden sich einzig und allein einige historische Urteile über die Epoche des hl. BorromäuS, in denen weder Völker noch Fürsten eines bestimmten Landes genannt sind. Im übrigen ist zu bemerken, daß e» sich darin um Katholiken jener Zeit handelt, die sich gegen die Lehren und gegen die Autorität des Apostolischen Stuhles auflehnten. Wie wohl­wollend im übrigen die Gefühle des Papstes find, ist auch in jüngster Zeit sehr deutlich zu Tage getreten.

Prinz Heinrich-Zahrl.

Metz 7. Juni. Bei der Prinz Heinrich- Fahrt war kurz vor St. Avold die Straße, die die Fahrer zu passieren hatten, auf einem Stück in ihrer ganzen Breite mit Nägeln bestreut, die aufrecht standen. Glücklicherweise wurde der Anschlag entdeckt, bevor durch ihn ein Unglück verursacht werden konnte.

Metz 8. Juni. Während der Fahrt der 5. Etappe wurden die Teilnehmer von 3 Gewittern

heimgesucht. Die Wagen mußten infolge der heftigen Regengüsse zum Teil auSgeschöpst werde«. Viele Teilnehmer hatten umso mehr unter der Nässe zu leiden, als sie wegen der Hitze nur leicht an­gezogen waren. Auf der Strecke wurden zwei Bäume vom Blitz getroffen und der Weg zett­weise verlegt.

Homburg v. d. H. 8. Juni. Prinz Heinrich traf mit der Oberleitung um 4 Uhr 16 Min. am Ziel ein, von Regierungs­präsident Dr. v. Meister und dev Herren de» kaiserl. Automobilklub» begrüßt. Das Publikum brech in lebhafte Hurrarufe aus. Bis 5*/» Uhr waren 79 Wagen eingetrvffen. Es fehlten noch 8.

Das Erdbeben in Süditalieu.

San Feie 8. Juni. Gestern morgen stürzte hier ein Hau» ein und begrub 6 Personen unter seinen Trümmern.

Rom 8. Juni. Als der König beschloß, nach den Stätten des Erdbebenunglücks ab­zureisen, gab, wie dieTribuna" berichtet, die Königin ihrem Wunsche, sich dem König an­zuschließen, mit folgenden Worten Ausdruck: Bei allen Festen ist meine Gegenwart notwendig. Ich fehle bei keiner großen Feierlichkeit. Ich darf auch nicht fehlen, wo man stirbt und weint. Als Frau und Mutter werde ich da unten an meinem Platze sein."

San Fele 8. Juni. Der König traf heute nachmittag aus Laviano hier ein, besichtigte die am meisten beschädigten Häuser, gab den Verwundeten Zuspruch und erkundigte sich auf das Genaueste nach ihren Verhältnissen. Später begab sich der König nach Calitri, von der Be­völkerung mit lebhaften Kundgebungen begrüßt.

Calitri 8. Juni. Das KönigSpaar traf in Begleitung des Ministers Sacchi unter warmer Begrüßung der Bevölkerung hier ein. ES besuchte das Hospital, in das die Verwun­deten geschafft worden waren. Der König be­sichtigte die ringestürzten Gebäude und wohnte den Aufräumungsarbeiten bei, später auch die Königin.

Marktberichte.

Calw 8. Juni. Auf den heute statt­gehabten Vieh- und Schweinemarkt waren zugeführt 252 Stück Rindvieh, 340 Stück Milchschweine, 87 Läuferschweine. Der Handel in Großvieh ging lebhaft bei steigen­den Preisen. Es wurden verkauft 16 Paar Ochsen zu 8101115 ^ das Paar, 68 Stück Kühe und Kalbeln zu 240680 Schmalvieh 31 Stück zu 130236 6 Kälber zu 67 bi»

112 ^ das Stück. Die starke Zufuhr zum Schweinemarkt hatte einen langsamen Absatz zur Folge. Die Preise bewegten sich bei Milch­schweinen zwischen 30 und 50 Läufer wurde« mit 60100 pro Paar bezahlt.

Vermischtes.

Dös san Preißen." Von einem niedlichen süddeutschen Idyll wird geschrieben: Fuhr da jüngst der Ballon eine» oberschwäbischen Lustschiffervereins auf und suchte nach mehr­stündiger Fahrt Landung bei Ingolstadt.Heda" rief einer der Insassen, ein norddeutscher Offizier, einigen auf dem Felde arbeitenden Leuten zu, helfen Sie mal, halten Sie das Seil fest". Einer der Arbeitenden schaut auf diesen Zuruf hin empor.Dös san Preißen", sagt er ge­mächlich zu seinen Genoffen, die daraufhin ruhig weiter arbeiten und den Ballon mit seinem am Erdboden hinschleifenden Seil seinem Schicksal überlaffen. Darob grimmer Zorn in der Brust eines anderen Insassen, eines bayrischen Leut­nants; und plötzlich ertönt eine Stimme von oben:Oes gescherte Ramme!, öS saudumme, kennts koan bayrischen Leutnant!" Daraufhin erneutes Aufschauen der Arbeitenden, und plötz­lich freudiges Erkennen:Oho, der redt deutsch mit uns. Dös iS was anders. Leut, packt« an." Und im Nu greifen zehn Hände nach dem Ballon und seinem Haltselle. Stramme bayrische Fäuste fassen e«. Die Landung geht glatt" von statten.