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Er hat gewarnt vor der Anrufung des Bundesrat« und vor der Zumauerung der Verfickerungs- stellen auf württembergischen Gebiet. Die badische Regierung befindet sich auf dem richtigen Wege; sie hat die badischen Interessen bisher durchaus gewahrt und wird dies auch ferner tun. Eine solche Stellungnahme kann man uns nicht verargen. ES handelt sich hier nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Jnteressengrenze. Wir wollen die vorliegende Frage auch in Zukunft ruhig und sachlich behandeln. Wenn wir dabei das Ergebnis der geologischen Untersuchung abwarten, so ist das unser Recht und es kann uns nicht der Vorwurf der Verschleppung gemacht werden. Kritik verdient dar Vorgehen des Professors Endriß. Minister von Bod- man dankte für die Worte des Vertrauens und gab seinem Erstaunen über die Auffassung Ausdruck, die seine Rede in Württemberg gefunden habe. Er sagte: Ich habe nur wohlwollend und freundnachbarlich gesprochen. Wir find zur Zeit noch nicht schlüssig weil gewisse Vorarbeiten im Gange sind, bis zu deren Abschluß im Herbst sich auch Württemberg wird gedulden wüsten. Das gewaltsame Eingreifen ist auf der anderen Seite geschehen, indem man dort zwei Löcher zugemauert hat. Der Minister rechtfertigte zum Schluß die Verfügung, wonach Unternehmungen, die mit der Frage zusammenhängen, der Erlaubnis des Bezirksrats in Engen bedürfen. Nach einem Schlußwort des Abgeordneten Blümmel wurde dieser Gegenstand der Beratung verkästen.
Berlin 31. Mai. lieber die Reise Kaiser Franz Josephs nach Bosnien meldet der „Lok.-Anz." noch folgende Einzelheiten: Am 30. Mai nachmittags 3 Uhr ist der Kaiser inSerajewo eingetroffen. Der Einzug erfolgte unter Glockengeläute und Kanonendonner und unter begeisterten Kundgebungen des massenhaft herbeigeströmten Volkes. Es fiel in demselben die starke Beteiligung des moslemitischen Elements auf. Das Aussehen des greisen Kaisers ist vorzüglich. Der Kaiser äußerte sich entzückt über den Empfang. Er blickte zu den MinaretS empor, die der pittoresken Landschaft einen eigenen Reiz geben. Das Wetter ist trübe. Abends fand eine Illumination statt, ebenso außerhalb des Programms eine Rundfahrt des Kaisers. Hinter den Gitterfenstern der Häuser sah man zahlreiche moslkmitische Frauen. ES geschah auch zum ersten Male, daß sich eine moSlemitische Frau an dem Empfang beteiligte.
Wien 31. Mai. Heute vormittag fand im Rathaus unter Teilnahme des Fürsten von Fürstenberg, des Bürgermeisters und Vertreter der Militär- und Zivilbehörden eine Konferenz statt zur Feststellung des Pro
gramms zur Ankunft des Grafen Zeppelin. Fürst Fürstenberg teilte die Festdispositionen de« Grafen Zeppelin mit, der am 9. Juni abends in Friedrichehafen aufzusteigen, am 10. Juni 3 Uhr nachmittags in Wien ein- zutreffen und nach langsamer Fahrt über die Stadt auf der Simmeringer Heide zu landen gedenke. Der Kaiser wird den Flug vom Schönbrunner Schloß aus beobachten und den Grafen Zeppelin sodann auf dem Landungsplatz begrüßen. Das Luftschiff soll etwa 24 Stunden verankert bleiben. Seitens des KriegSministeriums werden alle Garnisonen von der bayerischen Grenze an bis Wien und von Wien bis Troppau angewiesen werden, dem Grafen Zeppelin jederzeit zur Verfügung zu stehen. Außerdem steht ein vollständiger ausgerüsteter Zug der Staatsbahn zur Hilfeleistung bereit. Die Konferenz konstituiert sich als Empfangskomitee unter Vorsitz des Bürgermeisters. Seitens der Gemeindevertretung sind dem Grafen Zeppelin mehrfache Ehren zugedacht.
Mailand 31. Mai. Bei Ravenna sind 700 Personen nach dem Genuß von Speiseeis erkrankt, das sie bei einem Straßenverkäufer genossen hatten. Von weit her mußten Acrzte zur Behandlung der vielen Kranken herbeigerufen werden.
Christiana 31. Mai. Mittels Dampfers aus Spitzbergen in Tromsö eingetroffenen Nachrichten zufolge hat die norwegisch-amerikanische Kohlemxpedition den ganzen Winter mit 100 Mann arbeiten können und etwa 8000 Tonnen ausgezeichnete Kohlen zu Tage gefördert. Mit dem Bau von Quaianlagen ist begonnen worden.
Vermischtes.
(Die Hunde von Konstantinopel.) Die schönen Tage der berühmten Hunde von Konfiantinopel, die Jahrhunderte lang in dem Stroßenbilde der türkischen Hauptstadt nicht fehlten, sind gezählt. Die neue Regierung hat festgkstellt, daß sie eine Plage für die Bewohner der Stadt sind, und nun sollen sie beseitigt werden. Vorsichtige Kenner beziffern die Zahl der herrenlosen Hunde Konstantinopels auf nicht weniger als 30000. Dem Entschlüsse der Regierung folgte die Tat auf dem Fuße. In Pera und in Stambul tauchten Gruppen von Hundefängern und Polizisten auf, die mit Lasso« und langstieligen Zangen bewaffnet durch die Straßen zogen, gefolgt von großen Wagen, die bestimmt waren, die heimatlosen Vierfüßler aufzunehmen. Mit der Schlinge und mit der Zange machte man Jagd auf die Hunde und einer nach dem anderen verschwand heulend und bellend im Wagen. Nur wenige Hunde waren es, für die
mildherzige Bürger eintraten. Aber die Beamten verlangten dann sofort eine Kaution für die Schützlinge und die Besitzer mußten sich verpflichten, die Hunde mit Halsband und Namen zu versehen und eine Hundesteuer zu bezahlen, sobald der Stadtrat das neue Hundesteuergesetz genehmigt habe. Die meisten der berühmten Hunde von Konstantinopel aber find verschwunden, man hat sie fortgefahren, niemand weiß wohin.
Marktberichte.
Stuttgart 31. Mai. Dem heutige« Wochenmarkt waren die ersten Frühkirschen aus Hkffigheim und aus dem Remstal zugeführt. Preis im Großen 30—35 ^ per Pfund. Die Zufuhr betrug etwa 50 bis 60 Körbe.
Tübingen 28. Mai. Der gestrige Schweinemarkt war nicht besonders stark befahren; es waren etwa 170 Paar Milchschweine zugeführt, die rasch verkauft wurden. Das Paar der kleinsten Tiere kostete 34—44 °^, mittlere Tiere 44—55 ^ und die größeren Tiere kosteten 55—65 da« Paar. Läufer fehlten.
Herr.enberg 28. Mai. Auf den heutigen Schweinemarkt waren zugeführt 160 Stück Milchschweine (Erlös pr. Paar 40—55 -^); 60 Stück Läuferschweine (Erlös pr. Paar 60—100 °^). Verkauf gut, Preise gegen den letzten Markt beinahe unverändert.
Heilbronn 31. Mai. Vom Wollmar kt wird der „Neckztg." berichtet: Gegenüber den gestrigen Prophezeiungen ist vom Woll- markt zu sagen, daß von einer Preisbildung für die neue Schur bis jetzt überhaupt nicht gesprochen werden konnte. Die wenigen Reste, die bis jetzt verkauft wurden (kaum V-- Dutzend find auf der PreiLbasiS von 125—133 ^ per 50 Kilo verkauft worden, also etwa zu vorjährigen Preisen. Tatsache ist, daß die vorjährigen Preise schon sehr hohe waren und daß deshalb eine abermalige Steigerung und zwar gleich um 20 bi» 30 per Zentner heute schon voraus zu sagen, eine sehr kühne Behauptung ist. Die maßgebenden wenigen größeren Händler dürften eine solche Preisbewegung kaum mitmachen, denn sie haben mit den teueren süddeutschen Wollen ein notorisch sehr schwieriges Geschäft gehabt und noch bedeutende alte Bestände bis jetzt unverkauft auf Lager behalten. Es liegt also von dieser Seite aus gar kein Anreiz vor, für die neuen Wollen noch höhere Preise zu bezahlen. Da zudem für die im Juli stattfindende Londoner Kolonial- wollen-Auktion mit einem mäßigen Preisrückgang ziemlich allgemein gerechnet wird, so erscheint e» doppelt gewagt, jetzt in württembergischen Wollen Hausse zu machen.
„O nein! Stell' dich nur nicht so! Meinst, ich Hab' nicht g'seh«, wie du 'rumtanzt und rumg'schwänzelt bist um ihn, akk'rat wie ein Tauber um die Taub'n? Nun tröst' dich halt! Er bleibt ja nicht so lang aus. Vorhin hat er unserem Bauer fest und heilig versprochen, daß er nach Pfingsten wiederkommt, wenn die Soldaten in Ernteurlaub entlassen werden. Dann bringt er auch gleich den Franz mit, und alsdann bleiben die zwei ein paar Wochen lang auf dem Roders Hof."
„Ist da« wahr?" fragte Nannl eifrig.
„Wahr ist's schon," lautete die gleichmütige Entgegnung. „Aber helfen wird'« dir wenig — g'rad so wenig, wie'S dir diesmal geholfen hat, daß du dir schier die Augen 'rausg'schaut hast nach dem Steinerfritz. Der hat ganz andere Finessen im Kopf. Aber," setzte Michel schadenfroh lachend hinzu, „g'freuen tut's mich doch, daß ihm der Schnabel sauber 'blieben ist auf dem Rodershof."
„Wie magst so reden? Hat er nicht zu essen und zu trinken 'kriegt g'rad g'nug? Drei Fasse!« Bier hat der Bauer extra seinetwegen holen kaffen vom Dorf rauf."
„So Hab' ich's nicht g'meint. Ich behaupte nur, daß er nicht an dich denkt. Dar Bürschchen hat ganz wen ander« im Kopf und will höher hinaus. Herentgegen da heißtS: holla!"
„Meinst wohl leicht die Großdirn, die Kathl?" fragte die Magd neugierig.
„Nein."
„Oder die böhmische Liesl?"
„Auch nicht."
„Alsdann steht mir der Verstand still. Entweder du spinnst, oder willst mich foppen. Die zwei Jugenddirnen kannst' doch nicht meinen; die sind ja erst zwölf oder dreizehn Jahre alt."
»Ist sonst kein junges Frauensleut mehr auf dem RoderShof? Denk einmal ein bischen nach!"
„JeffeSmaria!" schrie die Magd vor Ueberraschung fast überlaut auf. „Du denkst doch nicht, Michel-"
„Schrei nicht, als ob duMm Spieß stecken tätest!" unterbrach sie der Knecht.
„Ich denk' nicht nur, sondern ich wollt meine Hand dafür ins Feuer legen, daß der Herr Steiner ein Aug hat auf unsere Bäuerin. Hast nicht g'seh'n, wie er sie immer ang'schaut hat, und wie er'S Spenzeln hat anfangen wollen mit ihr? Der Steinerfritz ist all sein Lebtag schon ein so abdrehter Schlecker g'wesen, und im Dorf drunt erzählt man sich, er hält' schon früher einmal, wie uns're Bäuerin noch die FörsterSbabett g'wesen ist, an'bandelt g'habt mit ihr. ES soll eine richtige Liebschaft g'wesen sein, aber sie hat nicht lang 'dauert. Wie ein Blaser ist'S 'rum g'wesen damit. Warum? Dös kann kein Mensch nicht sagen. Nur soviel ist g'wiß, daß der Steinerfritz, der damals eine Schulgehilfenstell' in Vohenstrauß hat antreten sollen, nicht dorthin g'reist ist, sondern er hat seine sieben Zwetschgen zusammen'packt und ist freiwillig zu der Militär 'gangen."
„O mein, o mein," wunderte sich die Magd, „du verzählst mir da Sachen, Michel, die ich schier kaum glauben kann. Ist also der Herr Unteroffizier schon einmal ein Lehrer g'wesen?"
„G'wesen ist er noch keiner. Aber auf Lehrer hat er g'studiert im Seminari z' Eichstätt drinnen; dann ist er wieder heim kommen und hat seinem Vater Schul halten helfen, weil lang kein Platz leer worden ist für ihn. Da mag'S ihm schon schlecht 'gangen sein, und vom vielen Fleischeffen hat er sich den Magen g'wiß niemals verdorben. Leicht hat ihm das den ganzen Beruf verleid't, daß er ihn an den Nagel g'hängt hat und auf und davon 'gangen ist."
„Woher weißt denn alle die Sachen so g'nau?"
„Warum soll ich sie nicht wissen, wo ich doch selbsten au» dem Dorf daheim bin und den Steinerfritz 'kennt Hab' wie er noch ein Bubel war?"
(Fortsetzung folgt.)