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öffnen würden. Sie würden erfahre», daß sich genug Arbeiter einstellen und daß eine geregelte Produktion wieder ausgenommen werden kann.
Ulm 29. Mai. Die von der Ulmer Karnevalsgesellschaft veranstalteten Passagieraufstiege mit dem neuen Zeppelinkreuzer 2 VII finden nun bestimmt am 19. Juni statt. Ein früherer Termin ließ sich nicht ermöglichen, da die Motors des Luftschiffes nicht bis zum 5. Juni, wie man gehofft hatte, betriebsfertig werden und während der Tage bis zum 12. Juni die fahrsichere Mannschaft der Zeppelinsgesellschaft mit dem 1^ 2 IV auf der Reise nach Wien abwesend ist. Den Teilnehmern an den Aufstiegen wird versichert, daß der nunmehrige Termin bestimmt eingehalten werden wird. Da einige der zu den Aufstiegen Angemeldeten zu dieser Zeit nicht abkommen können und ihre Karten zurück- gegeben haben, sind noch etwa ein Dutzend Billette abzugeben.
Friedrichshafen 29. Mai. Mit der Füllung des 1^ L! VI (2 3) wird morgen begonnen. Möglicherweise erfolgt noch am Dienstag der erste Aufstieg.
— (SchwarzwaldvereinSversamm- lung.) Am Sonntag, den 22. Mai 1910 fand in Sulz a. N. die Hauptversammlung des Württ. Schwarzwaldvereins statt. Um 10 Uhr trafen sich die Teilnehmer beim Frühschoppen im Gasthaus z. ,-Sonne", wo sie von einer hübschen Sulzerin in Schwarzwaldtracht in poetischer Form begrüßt wurden. Um 11 Uhr begannen die geschäftlichen Beratungen auf dem Rathaus, bei der 32 Bezirksvereine vertreten waren. Nach einer Begrüßung der Versammlung durch Stadtschultheiß Malmsheimer als Vertreter der Stadt Sulz wurde in die Tagesordnung eingetreten. Der Vorsitzende, Schulrat Dr. Salzmann erstattete einen Bericht über die Tätigkeit des Vereins im abgelaufenen Kalenderjahr. Er wies insbesondere auf das im vergangenen Jahr gefeierte 25jährige Jubiläum des Vereins hin, dessen glänzender Verlauf noch in aller Erinnerung sei. Die überaus gelungene Festgabe des Schwarzwaldsührer Wais habe in den Kreisen der Mitglieder allerseits großen Anklang gesunden und als Werbemittel zur Vergrößerung der Mitgliederzahl große Dienste geleistet. Die Mitgliederzahl habe Ende 1909 9878 betragen und sei in der Zwischenzeit über 10 000 gestiegen. Es bestehen z. Z. 41 Bezirksvereine. Aus dem Berichte war im Uebrigen auf eine rege Tätigkeit für die Vereinssache sowohl seitens der Organe des Hauptvereins als der einzelnen Bezirksvereine zu schließen. Der Rechner, Buchhändler Winkler, berichtete so
dann über den Stand der Kaffe. Die Einnahmen betrugen im vergangenen Jahre ^ 36800, die Ausgaben, unter denen hauptsächlich die für die Vereinszeitschrift und die Herstellung des Schwarzwaldsührers, sowie die Kosten des Jubiläumsfestes mit größeren Beträgen enthalten find, zusammen 39470. Das entstandene Defizit kann aus Mitteln des laufenden Jahres gedeckt werden. Dem Rechner wurde Entlastung erteilt. Für den leider erkrankten Schriftleiter, Professor Völker, berichtete ebenfalls der Rechner Winkler über Vereinszeitschrift und Kartenwerk. Die Vereinszeitschrift wurde in einer Auflage von ca. 12200 Exemplaren her- gestellt. Es wurde Heuer das Blatt Freudenstadt der Schwarzwaldvereinskarte in neuer Auflage herausgegeben. Hierauf berichtete der Vorsitzende der Wegkommission, Stadtkassierer Wertz, über die Wegsache. Für Wegbezeichnungen wurden im vergangenen Jahr ca. 1500 auSgegebev, die zum Teil zur Erschaffung neuer Wegbezeichnungen, zum Teil zur Erhaltung alter verwendet wurden. Bei Beratung des Voranschlags für 1910 wurden die Einnahmen auf 21000, die Ausgaben auf etwa 20000 festgestellt. Unter den Ausgaben befinden sich eine größere Anzahl von Beiträgen an einzelne Bezirksvereine, so insbesondere an den Bezirks- Verein Herrenalb zur Erbauung eines Unterkunftshauses auf der Teufelsmühle. Weiter ist zu erwähnen ein größerer Betrag für Gewinnung einer Mitgliedskarte von Künstlerhand, wofür ein öffentliches Preisausschreiben an badische und württembergische Künstler vorgesehen ist.
Aus Baden 28. Mai. Bei Kehl fiel das Kind des Fischers Hofmonn beim Spielen von Bord eines Bootes in den Rhein. Die Mutter sprang dem Kinde nach, um es zu retten, verschwand aber gleichfalls in den Fluten. Beide Leichen wurden bald darauf geländet.
Baden-Baden 28. Mai. Der berühmte Bakteriologe Professor Robert Koch ist hier gestorben. Er hatte sich vor kurzem hierher begeben, um von seinem Herzleiden Befreiung zu suchen. Er starb im 67.'Lebensjahre. Bis zuletzt war er mit einer neuen großen Arbeit über eine neue Heilmethode bei Tuberkulose beschäftigt.
Berlin 28. Mai. Der Kaiser hat der Witwe des verstorbenen Geheimrats Robert Koch heute mittag ein in herzlichen Worten gehaltenes Beileidstelegramm nach Baden- Baden gesandt. Das Kultministerium widmet dem Verstorbenen einen von Professor Kirchner verfaßten Nachruf, der heute abend in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung erscheinen wird. — Pariser Blätter preisen in ihren Nekrologen
für Robert Koch diesen als ruhmvollen Wohltäter der Menschheit und stellten seine Verdienste denen Pasteurs an die Seite. Nach Berlin und Baden-Baden find heute vormittag Beileidstelegramme hervorragender französischer Gelehrter und wissenschaftlicher Vereine abgegangen.
Berlin 28. Mai. Da der Kaiser auf ärztlichen Rat seiner Hand Schonung auferlege» muß, hat er den Kronprinzen für die Dauer der Behinderung beauftragt, diejenigen Schriftstücke unterschriftlich zu vollziehen, die er dem Kronprinzen zu diesem Zwecke zusende. Die diesbezüglichen Erlasse erscheinen heute im „Reichsanzeiger".
Pirna i. S. 26. Mai. Ueber den schweren Unfall beim Salutschießen anläßlich des Geburtstages des Königs Friedrich August wird von amtlicher Seite mitgeteilt: Beim Abgeben des ersten Schusses bäumte sich das Sattelpferd eines Geschützes, überschlug sich und riß den Fahrer mit zu Boden. Dabei gingen dem Unglücklichen die Räder der Protze über den Unterleib und verletzten ihn sehr schwer. Durch den Vorgang wurden sämtliche Pferde dieses Geschützes und auch die Bespannung der anderen Geschütze so aufgeregt, daß sie von den Artilleristen nicht mehr gebändigt werden konnten. Schließlich lagen 16 Pferde neben- und übereinander und verletzten durch Ausschlagen 3 weitere Soldaten schwer und 3 leicht.
Wien 28. Mai. Im Laufe des gestrigen Tages soll der Gesundheitszustand Hofrichter» berat gewesen sein, daß mit seiner Verbringung ins GarnisonSlazareth gerechnet wird.
Wien 28. Mai. Das Urteil im Prozeß Hofrichter ist bereits heute vormittag gefällt worden. Es lautet auf Tod durch den Strang. Das Urteil wurde von allen Offizieren des Kriegsgerichts unterfertigt und dem Oberleutnant-Auditor Sittof übergeben, der es dem Gerichtsherrn, Korpskommandanten Verisbach überbrachte. Das Urteil soll noch heute abend publiziert werden.
Calais 29. Mai. An dem Unterseeboot „Pluviose" sind zwei Ketten befestigt worden. Ein Taucher hat an dem Schiffsrumpf ein klaffendes Loch und einen Riß oberhalb des TorpedolanzierrohreS festgestellt.
London28. Mai. Nach einem Telegramm der Daily News aus Madrid ist man dort über den Gesundheitszustand König Alfons' sehr beunruhigt. Der König sieht angegriffen und ungesund aus. Er gibt zu, daß er durch die Teilnahme an dem Leichenbegängnis König Eduards erschöpft wurde, was bei seinem jugendlichen Alter befremden muß. Die Aerzte bestehen auf einer bedeutenden Einschränkung der sportlichen Betätigung des Königs.
du denn für den Herrn Unteroffizier nichts Fleischige» 'kocht, Bäuerin, wo ich dir doch Hab' berichten lassen, daß er mit uns essen wird."
Der Ton, in welchem der Rodershofer diese Frage an seine Frau stellte, klang so vorwurfsvoll und verweisend, daß die im Beisein aller Dienstboten zur Rede gestellte Frau das Benehmen des Mannes als eine Demütigung empfand und deshalb bis unter die Haarwurzeln errötete. Vielleicht hätte sie dieses erste harte Wort, das sie auf dem Rodershof vernehmen mußte, still und ohne Widerspruch eingesteckt, sie würde den kleinen Zwischenfall in der Einsamkeit ihrer Küche wohl auch bald verwunden haben, wenn nicht unglücklicher Weise Fritz Steiner sich eingemengt hätte. ES war ihm nicht entgangen, daß der Bauer über seine Frau ärgerlich war, und um ihn zu beschwichtigen, sagte er : Sie haben mich falsch verstanden, Herr Roder! Ich habe kein Fleisch für mich erwartet und kann auch schon zwei Fastenspeisen am nämlichen Tage essen. Ihre Frau trifft da gar keine Schuld."
Das kam der Bäuerin vor, als halte es der Unteroffizier für nötig, sie gegen ihren Mann in Schutz zu nehmen. Sie fühlte, wie ihr das Blut stürmisch zum Herzen zurückkehrte, und tief erbittert und gereizt brach sie in die allerdings unbedachten Worte auS: „Der Steinerfritz braucht mich nicht zu entschuldigen! Ich Hab' freilich nicht g'wußt, daß seinetwegen auf dem Rodershof die Fasttag' 'krochen werden sollen. Aber wenn ihm Hefennudeln und Pfannkuchen zu gering sind und wenn er etwan drauf vergessen hat, wie oft er früher an den .höchsten Feiertagen bei der blanken Wassersuppen hat hungern müssen, alsdann kann ich ihm ja heut' am Charsamstag einen Schinken auftragen oder einen Hahnenbraten."
Der Bauer sprang vom Tisch auf. Die Zornesader an seiner Stirn war mächtig aufgeworfen, und seine strengen Augen glühten. W
„Babett!" rief er drohend. Auch der Unteroffizier hatte sich erhoben. Er war sehr blaß geworden und mühte sich vergeblich ab, ein harmloses gleichgiltiges Lächeln auf seine Lippen zu locken. Er brachte es aber nur zu einer Grimasse.
„Lassen Sie'S gut sein, Herr Roder!" begann er; es ist so gekommen, wie ich voraussagte. Ich hätte gescheiter sein und Ihrer Frau nicht so plötzlich, wie vom Himmel geschneit, ins Haus fallen solle». Lieber Gott! Man darfs ihr gar nicht übel nehmen, daß sie ein bißchen unwirsch ist. An so hohen Festtagen hat niemand gern einen Fremden bei sich, namentlich nicht in einem großen Bauerngut, wo es ohnehin so viel zu tun gibt. Und zudem, — Ihre Frau und ich, wir sind ja alte Bekannte; da nimmt man'S nicht so genau. Aber gleichwohl kann ich in keinem Hause bleiben, in dem ich nur ungern gelitten bin, und deshalb werden Sie mich entschuldigen, Herr Roder, wenn ich schon gleich wieder von Ihnen Abschied nehme." Während der Unteroffizier so sprach, hatte er den Säbel umgeschnallt, den Helm auf den Kopf gesetzt und die weißen Lederhandschuhe angczogen, und so gerüstet wandte er sich wieder an den Rodershofer. „Leben Sie also wohl einstweilen!" sagte er. „Ich bleibe bei meinem Vater drunten im Schulhaus, das ich überhaupt nicht hätte verlassen sollen. Dort treffen Sie mich auch, wenn Sie vielleicht eine Botschaft an Ihren Sohn Franz auszurichten haben. Ich will sie gerne besorgen. Und was ich noch ausdrücklich bemerke: Sie brauche« keine Angst zu haben, daß ich's ihn vergelten lasse, wie mich seine — Stiefmutter hier behandelt hat."
Damit kehrte der Soldat sich auf den Hacken um, schritt sporen- klirrer.d durch die Stubentüre und den Hausflur, ohne sich nur einmal umzuschauen und verließ den Rodershof.
Ueber alle Anwesenden im Zimmer lag nun wie eine Art Bann. Der Rodershofer stand noch immer mit finsteren Mienen der Bäuerin gegenüber, die bleich und mit niedergeschlagenen Augen auf den Boden blickte. Die Dienstboten saßen scheu um den Tisch herum und wagten nicht, sich zu bewegen. Das war da» Ende vom Mittagessen, auf das sich vorher alle so gefreut hatten.
(Fortsetzung folgt.)