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Tempo gekommen. Dadurch dürften die Pferde über die Fahrbahn hinausgekommen sein. Die Frau ist dann beim Abspringen vom Wagen mit dem Kleide irgendwo hängen geblieben und zu Fall gekommen. Der Wagen, mit Steinschotter beladen, ging ihr direkt über den Unterleib. Die Gedärme traten sofort heraus, was den Tod zur Folge hatte.
Ravensburg 25. Mai. Das 4jährige Söhnchen des Schlossers Hilt fiel indenSchusten- kanal in der Nähe des Wehrs. Durch das Geschrei einiger Kinder aufmerksam gemacht, eilte Frau Erb zu Hilfe, sprang sogleich in den Kanal und erreichte mit eigener Lebensgefahr das Kind. Obwohl des Schwimmens unkundig, hielt sie das Kind und sich selbst solange, bis weitere Frauen herbeieilten und beide an« Ufer brachten.
Friedrichshofen 25. Mai. Nachdem die Montierungsarbeiten nahezu beendet sind, dürfte das Luftsckiff 2 lll Ende dieser Woche mit seinen Probefahrten beginnen. Auch 2 IV geht seiner Vollendung entgegen und wird voraussichtlich Mitte oder Ende nächster Woche mit den Aufstiegen beginnen.
— Ueber den Saatenstand im Reiche um Mitte Mai verlautet amtlich: Die ungewöhnlich kühle Witterung mit Nachtfrösten und scharfen Winden übte auf die Entwicklung der Feldfrüchte einen wenig günstigen Einfluß aus, zumal in großen Teilen des Reiches anhaltende Trockenheit, in anderen übermäßige Nässe vorherrschte. Erst in der letzten Berichtswoche trat plötzlich fruchtbares Wetter ein, das eine merkliche Besserung im Stand der Früchte wahrnehmen ließ. Tierische Schädlinge scheinen erheblichen Schaden bisher nicht verursacht zu haben. Die Umpflügungen betragen bei Winterspelz 0,1, bei Winterweizev, bei Roggen je 0,2, bei Klee und Luzerne je 0,3 vom Hundert der Anbaufläche. Die Entwicklung der Wintersaaten machte nur verhältnismäßig geringe Fortschritte. Weizen widerstand den Witterungsungunsten am besten und behauptete seinen günstigen Aprilstand; beim Roggen verschlechterten sich die Noten. Die Aussaat der Sommerfrüchte konnte nicht überall beendet und der Aufgang der jungen Saat noch nicht genau beurteilt werden. Frühe Saaten werden günstig begutachtet. Kartoffeln erhielten, weil größtenteils noch nicht aufgelaufen und teils noch nicht gepflanzt, keine Reichsnote wie in den Vorjahren. Klee und Luzerne zeigen infolge des warmen Wetters freudiges Wachstum und bieten gute Futteraussichten; mit der Grünfütterung von Klee wurde stellenweise begonnen. Wiesen finden im großen und ganzen eine immerhin günstige Beurteilung.
' Wildpark 25. Mai. Der Kaiser traf heute morgen 7 Uhr im Sonderzug auf der Station Wildpark ein. Zum Empfang hatten sich eingefunden die Kaiserin und die Prinzessin Victoria Luise. Die allerhöchsten Herrschaften begaben sich ins Neue Palais.
Berlin 25. Mai. Ueber den Stand der Wahlrechtsreform hört das „Berl. Tagebl." aus den Wandelgängen des Abgeordnetenhauses, die Zentrumsfraktion habe in ihrer gestrigen Sitzung keine Beschlüsse gefaßt. Man nimmt infolgedessen an, daß die Fraktion die neuen Besprechungen abwarten und vor der Plenarsitzung am Freitag sich versammeln werde. Die entscheidende Fraktionssitzung der Nationalliberalen findet am Donnerstag vormittag 10 Uhr statt. Im übrigen herrscht selbst innerhalb der einzelnen Parteien nicht nur über das Schicksal der Vorlage, sondern sogar über den Gang der Beratungen völlige Unklarheit. Voraussichtlich wird am Freitag nur eine allgemeine Besprechung stattfinden und die Einzelberatung vertagt werden, um den Fraktionen Gelegenheit für event. neue Anträge zu geben. Von verschiedenen nationalliberalen Abgeordneten, die einer klaren Entscheidung ausweichen möchten, und anscheinend auch von der Regierung wird Stimmung dafür gemacht, daß die Vorlage abermals einer Kommission überwiesen wird, um sie dort bis zum Herbst lagern zu lassen.
Berlin 25. Mai. Den Bemühungen des Geheimrats Dr. Wied seid vom Reichs amt des Innern, eine Einigung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Baugewerbe herbeizuführen haben sich neue Schwierigkeiten in den Weg gestellt. Die Arbeitgeber wollen das von ihnen auf dem Dresdener VerbandStag entworfene Tarismuster als Grundlage für die Verhandlungen benutzt wissen, während die Arbeiter den alten, am 1. April abgelaufenen Tarif als Unterlage gelten lasten wollen. Es handelt sich dabei im wesentlichen um die Frage zentraler oder lokaler Arbeitsverträge und um die Akkordarbeit. Ueber die Anregung, daß beide Teile sich einem Schiedsspruch unterwerfen, ist noch kein Beschluß gefaßt. Bei den Besprechungen, die am Freitag stattsinden sollen, wird also erst eine Basis für neue Verhandlungen gesucht werden wüsten.
Berlin 25. Mai. Die Deutsche Tageszeitung depeschiert aus Wien, daß der Bürgermeister Or. Neumeier im gestrigen Gemeinderat die Mitteilung machte, daß ihm von dem Fürsten von Fürstenberg ein Schreiben zugegangen sei, in welchem er die Ankunft des Grafen Zeppelin für den 10 . Juni ankündigt und den Gemeinderat zum Empfang auf der Semmeringer Heide einlädt, wo der Ballon landen wird.
auf der Teck ihr Sommerfest abhalten. Das der Volkspartei des 10. Reichstagswahlkreises wird im Laufe des Sommers auf dem Hohenstaufen stattfinden.
Vom Zabergäu 25. Mai. Die Obstaussichten gehen etwas zurück. Das Steinobst wie Kirschen und Zwetschgen sind vorbei, alles ist abgefallen, Pflaumen dagegen sind noch ziemlich da. Aprikosen gibt es ordentlich. Die Birnen sind teilweise auch abgefallen. Die spätblühenden Sorten haben sich gehalten, während die Frühblüher am Boden liegen. Die beste Hoffnung flößen die Aepfel ein, da ist alles gesund und fitzt fest auf dem Stiel. Die Weinberghoffnungen wachsen von Tag zu Tag: Gesundes Holz, gesundes Laub, gesunde Triebe und Träublein. Man sieht beinahe infolge der günstigen Witterung den Rebstock stündlich wachsen. Wenn das bleibt, was da ist, dann wird der Weinherbst und die Obsternte gut.
Heilbronn 25. Mai. Der Viehmarkt war befahren mit 1010 Stück Vieh, nämlich 150 Ochsen und Stiere, 500 Kühe und 360 St. Jungvieh. Der Handel war infolge der hohen Preise schleppend. Es wurden bezahlt pro 50 kx Lebendgewicht für Schlachtochsen 38—41 Kalbeln und Kühe 28—44 Arbeitsochsen 42—46 Zuchtvieh 36— 40 °^.Dem Schweinemarkt waren 950 Milch-und 250 Läuferschweine zugeführt; erstere kosteten 36—56 °^/, letztere 60—140 ^ pro Paar.
Von der Tauber 25. Mai. Mit der Wollenschur wurde begonnen, nachdem die Wäsche recht günstig war. Gegen das Vorjahr wird ein Aufschlag eintreten. Ein fester größerer Kauf wurde noch nicht perfekt, dagegen kleinere Pöstchen zum Preise von 150—160
Gmünd 25. Mai. Der bereits gemeldete Bier-Boykott eines großen Teiles der Einwohnerschaft im benachbarten Waldstetten hat gegenüber den dortigen Wirtschaften, die erhöhte Bierpreise eingeführt hatten, nun einen Beschluß des Brauerverbandes der Bezirke Gmünd, Aalen, Heidenheim usw. zur Folge gehabt, wonach die dem Verbände angeschlossenen Brauereien den Wirtschaften Waldstettens, die unter den festgesetzten Preisen Bier schenken, kein Bier mehr zu liefern, bis sich deren Besitzer unterschriftlich zur Lieferung zum festgesetzten Preis verpflichten. — Jetzt mags erst recht interessant werden.
Stötten OA. Geislingen 25. Mai. Auf eine recht bedauerliche Weise verlor gestern eine hiesige, kaum ein Jahr verheiratete Söldnersfrau ihr Leben. Sie war mit der Leitung eines Gespanns von zwei Pferden vom Steinbruch nach Hause betraut. Wie nun die Umstände vermuten lasten, ist das Fuhrwerk an der etwa» abschüssigen Straße vor dem Ort in ein rasches
so hatte diese schon ein Wort aufgefangen, das ihre Zunge aufs neue in Bewegung setzte.
„Träumen? Vom Esten? Nein, vom Esten träum ich nicht. Aber weil wir doch einmal davon reden, ich Hab in derer Nacht einen ganz g'spastigen Traum g'habt, und wenn eine Rauhnacht') gewesen wär', alsdann tät ich ihm beim Grüngankerl^) eine Bedeutung beilegen."
„So?" machte die Bäuerin kurz.
„Ja freilich. Denk nur, ich Hab' eine Leich' g'seh'n-"
„Das ist doch nichts G'spastigs?"
„Aber die Leich' war ich selbsten, und ein schneeweißes Kleide! Hab' ich ang'habt, wie ich so im Sarg bin g'legen, und am vierten Finger sind mir zwei goldene Ringel g'steckt."
Nachdem die Magd derart ihren Traum erzählt hatte, kicherte sie so ausgelassen lustig, daß es ihr den Atem verfing und sie die Schüssel mit dem Teig wegstellen mußte.
„Warum lachst jetzt da drüber?" fragte die Bäuerin verwundert. „Ich mein' da« ist doch was ganz Trauriges."
Da war die Reihe des Verwundern« an der Dirne. „Aber Bäurin," stellte sie mit weitaufgeristenen Augen die Gegenfrage, „verstehst denn etwa gar nichts von der Traumdeuterei? — O mein, o mein! Bei uns in Deutschböhmen kann jedes kleine Kind solche Sachen auslegen. Ich Habs halt von meinem alten Mutterl gelernt, und die wieder von einem Türkenweib 2). Also luS: Die Leich bedeutet eine Hochzeit und weil ich die Leich' bin g'wesen, so halt ich selber Hochzeit, und wann halt ich sie? In zwei Jahren; das sagen mir die zwei goldenen Ringeln. Ist ganz klar und ein guter Traum und deshalb Hab' ich g'lacht."
0 Geisternacht.
r) Volktzbezeichnung des bösen Feindes.
Zigeunerin.
Die Rodershoferin hatte der sonderbaren Rede mit einem aus heimlichem Grauen und Neugierde gemischten Gefühl zugehorcht. Sollte Liesl die stumme Sprache der Träume wirklich verstehen, und war es nicht Sünde, solchen Dingen nachzusinnen? Doch sie erinnerte sich, daß auch Joseph dem Pharao die Träume ausgelegt, daß Jakob im Traum eine Himmelsleiter sah, und daß selbst das Christkind dem Schwert der herodianischen Mordknechte nur deshalb nicht verfiel, weil sein Pflegevater durch einen Traum gewarnt worden war. Sünde mochte es darum wohl kaum sein, wenn man sich sehnte, die Bedeutung eines Gesichts zu erfahren, da» den Geist beunruhigte, während der Körper schlafend lag. Und ein solches Traumgeficht hatte auch die Bäuerin in der verflossenen Nacht gesehen, — ein Bild, das, wie sie sich auch dagegen wehrte, seine Schatten noch am Tage über ihre Seele breitete und ihr Herz mit unbestimmter Furcht erfüllte. Darum fragte sie, indem sie sich Mühe gab, ihre Zaghaftigkeit nicht durch den Ton der Stimme zu verraten: „Kannst alsdann auch mir die Bewandtnis von meinem heutigen Traum offerieren?" *)
„Warum nicht, wennst mir ihn g'nau verzählen willst?"
„Selbiges will ich wohl, — ach, es ist gar 'was BetrübsameS und Schreckliches!"
„Je betrübsamer der Traum, desto freudvoller das, was er verkündigt", versicherte die deutschböhmische Magd.
„So paß auf! Mir hat g'träumt, ich bin draußen gestanden rn unserem Obstgarten und Hab auSg'schaut nach meinem Mann, der von heim fortg'wesen ist. Es hat mich schier gefröstelt; denn es war um dre jetzige Zeit, weil überall noch Schnee g'legen ist, um den Hof hemm bis weit nauf auf die Berg'."
(Fortsetzung folgt.)
Im Sinne von offenbaren.