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stritt hin und her. Als aber schließlich einige Leute nähertraten, da machte man die Entdeckung, daß einige Burschen sich den Spaß gemacht halten, ein Licht auf den Baum zu stellen und anzuzünden. Das wurde denn auch von vielen für den Komet angesehen.
Zuffenhausen 24. Mai. Im Gasthaus z. „Löwen" hat sich gestern abend ein Unglück ereignet. Der 58 Jahre alte Wagnermeister Mühlbach, der früher hier wohnte, wollte in angetrunkenem Zustand da» Hinterhaus des Gasthauses betreten, verwechselte aber jedenfalls die Türen, die nebeneinander liegen und von denen die eine ins Haus, die andere aber vom Hofe aus direkt in den Keller führt, und stürzte die ca. 2 w hohe Kellertreppe hinab. Heule morgen fand man ihn mit zertrümmertem Schädel tot auf. Nach Aussage des Wirts war die Kellertüre unverschlossen, da ihm vor etwa 4 Wochen der Schlüssel abhanden gekommen war. Mühlbach, der früher vermögend war, ergab sich in späteren Jahren dem Trünke und kam immer weiter zurück. Seine Frau befindet sich schon seit einigen Jahren im Irrenhaus.
Marbach 24. Mai. Die Witwe Beier von Erbstetten, die vor einigen Wochen ihrem 3 Jahre alten Kinde, an dem sie mit großer Liebe hing, mit einem Metzgerbeile den Kopf abgeschlagen und sich selbst mit diesem Beil am Kopf schwer verletzt hat, um gemeinsam mit ihrem Kinde zu sterben, ist durch Beschluß der Heilbronner Strafkammer wegen Unzurechnungsfähigkeit außer Verfolgung gesetzt worden.
Tübingen 24. Mai. Der Verkehr auf der nahen Tübingen-Herrenberger- Bahn ist sehr rege, namentlich Sonntags werden Scharen von Ausflügler« ins Ammertal befördert. Aber auch der Güterverkehr ist sehr stark. Namentlich werden von den Entringer Stein- und Gipsbrüchen große Materialsendungen nach Tübingen befördert, es mußte daher schon ein Güterzug täglich nach Tübingen eingelegt werden. Man glaubt, der Bahnhof in Entringen sei schon nicht mehr zureichend und bedürfe bald einer Erweiterung. Diese ist bei der ganzen Anlage ja auch vorgesehen, aber gar so eilig wird es denn doch nicht damit sein. Wenn man anfangs befürchtete, der Verkehr nach Tübingen habe durch die vorzeitige Teileröffnung von Pfäffingen nach Herrenberg gelitten, so ist dies doch kaum zu befürchten, es wird sich mit der Zeit bald wieder ausgeglichen haben.
Geislingen a. St. 24. Mai. In der Turnhalle fand hier eine große Hundeschau statt, die vom Verein der Hundefreunde von Geislingen und Umgebung veranstaltet worden war. Sie war mit ca. 280 Hunden aus allen Teilen de» Landes beschickt. Das Material war in der Hauptsache ganz vorzüglich. Es kamen 84 Ehrenpreise zur Verteilung. Das Preisgericht war zusammengesetzt aus fünf Sachverständigen, die der Bund württembergischer kyno- logischer Vereine stellte.
Türkheim OA. Geislingen 24. Mai. Ein hiesiger Bürger war damit beschäftigt, seine Zimmerflinte in sicheren Gewahrsam zu bringen. Plötzlich entlud sich die Waffe und der Schuß drang der Frau des Schützen in den Hals. Die Frau war infolge des Blutverluste» bewußtlos und da» Geschoß konnte noch nicht entfernt werden, aber Lebensgefahr besteht nicht.
Reutlingen 24. Mai. Kurz vor Tagesanbruch wollte die 21 Jahre alte Dienstmagd Anna Vöhringer von Holzelfingen vom Glasdach ihrer Dienststelle eine Schürze hereinholen, brach aber durch und stürzte mehrere Meter tief in» Parterre. Bewußtlos und mit schweren inneren und äußeren Verletzung mußte da» unvorsichtige Mädchen ins BezirkSkcankenhaus übergeführt werden. — Letzte Woche hausten zwei arbeitslose 15jährige Fabrikarbeiter in den schön angelegten Baumgütern und Gärten in der Nähe der Stadt in äußerst roher Weise, indem sie Figuren zerschlugen, die Häuschen erbrachen und da» Geschirr zerbrachen, Bäume und Sträucher zugrunde richteten, Eier aus den Gesiügelhöfen stahlen und auch sonst noch großen Sachschaden verursachten. Einige Besitzer sind besonders stark durch diese Freveltaten heimgesucht
und geschädigt worden. Die Namen der rabiaten Burschen sind festgestellt.
Münsingen 24. Mai Die schweren Gewitter vom Samstag abend hatten zur Folge, daß bei Marbach und Dapfen die Lauter teilweise über ihre Ufer trat und durch Ueber- schwemmungen die Wiesen verwüstete. In Dapfen und Buttenhausen mußte die Feuerwehr ausrücken und das Vieh aus den niegergelegenen Stallungen herausholen. In Auingen schlug der Blitz in die Scheuer des Jakob Hirning und alsbald stand diese samt angebautem Wohnhaus und einem kleineren Nachbargebäude des res. Schultheißen Hauser in Hellen Flammen. Den Löscharbeiten kam die Wasserleitung und ein vom Lager zirka 60 Mann bestandenes Kommando sehr zu statten, da die Nebengebäude, besonders dar des Schreinermeisters Bückle, stark bedroht waren. Vom Mobiliar konnte nur wenig gerettet werden. Hirning ist nur gering versichert. Während dieser Gewitter schlug ferner der Blitz in das Schul- und Rathaus in Apfelstetten ein, jedoch ohne zu zünden. Das Dach ist beschädigt. In Geislingen schlug der Blitz in die Scheuer des Schultheißen Traber. Sie ist total niedergebrannt.
Gmünd 24. Mai. In dem benachbarten Waldstetten ging es gestern recht interessant zu. Eine zahlreiche Menschenmenge — vielleicht hundert Personen — zog in langem Zug vor sämtliche Wirtschaften des Ortt, um durch eine Abordnung die Herabsetzung der jüngst erfolgten Erhöhung des Bierpreises von den betreffenden Besitzern zu fordern. Aber die steinernen Herzen der Gasthofbesitzer ließen sich mit Ausnahme zweier (— die eben Wirtinnen sind —) nicht erweichen, sie mußten aber dafür die Quittung in Form eines auf Boykott laufenden Beschlusses annehmen. In öffentlicher Versammlung verpflichteten sich sämtliche Anwesenden, in den boykottierten Wirtschaften nicht mehr zu verkehren, bei einer Strafe von zwei Mark und öffentlicher NamenSpublikation. Die Wirtinnen der beiden nachgiebigen Wirtschaften mußten sich schriftlich verpflichten, nur gutes Bier zu liefern und nie mehr aufzuschlagen.
Ulm 24. Mai. Aus einer militärischen Stiefelkammer wurden auf erschwerte Weise 16 Paar neue Stiefel aus ungeschwärztem Leder und ein Paar Schnürschuhe gestohlen. Die Stiefel tragen am Schaft den Stempel: I. R. 120,1 8. Das Gericht der 27. Division ersucht um sachdienliche Mitteilungen.
Karlsruhe 24. Mai. Die „Karlsr.Ztg." meldet: Großherzogin Luise leidet seit etwa 10 Tagen an Bronchialkatarrh, der im ganzen einen normalen Verlauf zeigt. Ihre Kgl. Hoheit wird infolgedessen für die nächste Zeit genötigt sein, sich Schonung aufzuerlegen.
Sigmaringen 24. Mai. Aus allen Gegenden Hohenzollerns liegen Nachrichten über die Verheerungen der furchtbaren Gewitter vor. Ueber Storzingen und Kaiserringen in der Richtung nach Benzingen ging ein Hagelschlag nieder, wie schon seit Menschengedenken nicht mehr. In drei aufeinander folgenden Absätzen von je einer Viertelstunde Dauer fielen die Hagelkörner in der Größe von Taubeneiern und noch größer, alle» vernichtend. Unzählige Fensterscheiben wurden eingeschlagen, die Blüten und das Laub der Bäume sind verschwunden und an den Futteräckern und Wiesen wurde großer Schaden angerichtet. Die Hagelkörner lagen stundenlang handhoch. — In He ch- ing^n schlug der Blitz in die Kegelbahn der Restauration Kaiserburg und zerstörte den Plafond. JnJungingen erfolgten drei Blitzschläge, darunter je einer in Pfarrhof und Kirchturm. Im Killertal ist kolossales Hochwasser eingetreten. In Jungingen mußte eine Brücke abgebrochen werden, um dem Wasser Ablauf zu verschaffen. Die Wiesen und Feloer sind überschwemmt und an den Obstbäumen wurde durch Hagelschlag enormer Schaden angerichtet. Aehnlich lauten die Nachrichten aus anderen Teilen und überall stimmen sie darin überein, daß solch furchtbare Gewitter seit Menschengedenken nicht zu verzeichnen waren.
Berlin 24. Mai. (Der Kampf im Baugewerbe.) In den Vorbesprechungen, die zum Zwecke einer Einigung im Baugewerbe mit den Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Reichsamt des Innern geführt worden sind, ist von beide» Seiten die Einsetzung einer EinigungSkommifsio» in Anregung gebracht worden. Von den Arbeitgebern wurde der Dresdener Oberbürgermeister Dr. Beutler als Mitglied der Einigungskommission vorgeschlagen, und von den Arbeitnehmern wurden die Herren Meheim-Rat Dr. Wied- feldt, Magistratsrat v. Schulz- Berlin, sowie Gewerbegerichtsdirektor Dr. Trenner- München präsentiert. Diese drei Herren haben bereits im Jahre 1908 die Einigungsverhandlungen geführt. Die gemeinsame Konferenz zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern wird voraussichtlich in den letzten Tagen der Woche statifinden, und den Vorsitz wird dabei voraussichtlich Staatssekretär Delbrück selbst führen. In dieser Konferenz soll dann auch endgültig darüber entschieden werden, ob ein Einigungsamt eingesetzt werden soll, das dann die weiteren Verhandlungen zu sühren hätte.
Heringsdorf 24. Mai. Der Brand an der Kaiser Wilhelm-Brücke ist vermutlich durch Unvorsichtigkeit in einer Wächterbude entstanden. Auf dem Brückenkopf find da» Wärterhaus und der Musikpavillon vollständig niedergebrannt.
Hamburg 24. Mai. Der 24jährige Steindrucker Schwarzkopf erschoß heute zu Wandsbcck seine 19jährige Braut in Abwesenheit ihrer Mutter und entleibte sich sodann selbst.
Zürich24.Mai. Eine gewaltige Lawine, die vom Pizzo Pottano niederging, erreichte die Dörfer Katto und Lorenge. Die vordersten Häuser wurden niedergerissen. Unter der Bevölkerung herrscht Bestürzung.
Paris 24. Mai. 600 Reservisten des 232. und 277. Infanterieregiments, welche zu einer Waffenübung in das Lager von Ruchard bei Tours geschickt waren, richteten an den Kriegsminister eine gemeinsame Petition, in welcher sie unter Hinweis darauf, daß sich das Lager in einer sumpfigen Gegend befindet, baten, die Waffenübung in einer gesunderen Gegend abhalten zu dürfen.
Vlissingen 24. Mai. Der deutsche Kaiser hat um 2 Uhr 45 Min. seine Reise fortgesetzt.
London 24. Mai. Die „Daily Mail" und andere Blätter bringen heute recht sympathische Artikel über den deutschen Kaiser. Des Kaisers Abschiedsworte an das englische Volk habe« offenbar außerordentlich viel Anklang gefunden. „Sein Besuch allein schon," sagt die „Daily Mail", „hat bei den Briten das Gefühl freundlicher Gesinnung für seine Persönlichkeit wieder aufleben lasten. Seine chevalereske Figur war eine der markantesten und meist- beachteten in der Prozession, die dem Sarge König Eduards folgte, und die ritterliche Art, mit der er seinem verstorbenen Verwandten die letzte Ehre erwies, hat un» wieder einmal recht lebhaft den Zauber seines persönlichenMag- netismus erkennen lasten." Mit Bezug auf die Worte des Kaisers zu Pichon erklärt die „Daily Mail", daß die Bemühungen des Kaisers, den Weltfrieden zu fördern, nirgendwo stärkeren Beifall finden können als in England. Und intensiv fühlt man, daß das dominierende Problem des neuen Regimes, das der britischen Beziehungen zu Deutschland ist. Da» Blatt meint dann: Wenn hinter den freundlichen Worten de» Kaisers etwas Substanzielles zu suchen sei, so müsse sich alsbald ein Wechsel in der deutsche« Politik ergeben. Solchen freundlichen Kaiserworten seien früher aber mehrmals schon neue Marineprogramme auf dem Fuße gefolgt und gerade eben sucht die Berliner Regierung in Persien einen Druck auszuüben, der geeignet sei, Reibungen zwischen Deutschland einerseits und England und Rußland andererseits hervorgerufen. Immerhin schließt da« Blatt mit der Erklärung: „Unsere Freundschaft ist offen für Deutschland zu jeder Zeit und sie ist die unserer Verbündeten Frankreich, Rußland und Japan.