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Protokoll, das die Verteidigung des Angeklagten enthält, verlesen, worauf der Angeklagte aus dem Verhandlungssaal geführt wurde. Die Verhandlung, der Hofrichter selbst nicht beiwohnt, dürfte heute noch beendet werden.
Paris 23. Mai. Dr. Lesseps, ein Bruder des Aviatikers, hatte heute morgen mit dem Grasen Poligny ein Duell, bei welchem er durch einen Schuß in die Leistengegend schwer verletzt wurde.
Paris 23. Mai. Aus den verschiedensten Gegenden des Landes werden Gewitterstürme und Wolkenbrüche gemeldet; namentlich an der oberen Loire, an der Marne und dem Tarn, wo 6 Häuser eingestürzt sind und der Verlust eines Menschenlebens zu beklagen ist, hat die Ernte schwer Schaden gelitten. Auch zahlreiche Tiere sind zu Grund gegangen. In Haute Savoie sind fünf Personen ertrunken.
Odessa 22. Mai. In der Umgegend der Stadt übei fielen vier Räuber einen Kassierer und beraubten ihn. Sie wurden von der Feldpolizei verfolgt und zwei von ihnen erschossen, die beiden anderen flüchteten, wurden aber, als sie auf eine fahrende Lokomotive aufzuspringen versuchten, wobei sie den Zugführer verwundeten, von ihren Verfolgern eingeholt und verhaftet. Sie sind schwer verwundet.
London 23. Mai. (König Georg an sein Volk) Der Minister des Innern veröffentlicht folgende Königliche Botschaft: An mein Volk! Die Stimmen der Zuneigung und liebevollen Ergebenheit, die zum Gedächtnis meines lieben Vaters aus allen Teilen des Reiches laut geworden sind, sowie die öffentlichen Kundgebungen besonders in der Hauptstadt während der beiden Etappen auf seinem Wege zur letzten Ruhestätte und die rührende Art, in der die ungeheure Menge liebevoller Untertanen geduldig und ehrfürchtig die Gelegenheit erwartete, seinem Gedanken den letzten Tribut darzubringen, hat mich und meine Familie tiefgerührt. Der so plötzliche und unerwartete Tod, so überwältigend er sein mag, hat durch die Gefühle, die er hervorgerufen, mich erkennen lassen, daß es sich um einen Ver
lust handelt, der mich und mein Volk gemeinsam getroffen hat. Ich stehe nicht allein. Mit solchen Gedanken habe ich den Mut, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken, stark im Glauben an Gott, voll Vertrauen zu meinem Volk und in treuer Wahrung der Geschäfte und der Konstitution meines geliebten Landes. Georg."
London 23. Mai. Der Kaiser frühstückte heute im Buckinghampalast mit dem König, der Königin, der Königin-Mutter und den übrigen Mitgliedern der kgl. Familie.
London 23. Mai. Vor der Abfahrt des deutschen Kaisers halten sich in der Umgebung des Bahnhofes große Menschenmengen angesammelt. Bald nach 3 Uhr erschienen das Personal der deutschen Botschaft, der Lordmayor, der ehemalige Lordmayor und andere offizielle Persönlichkeiten. Kurz vor 3'/s Uhr betraten der Kaiser und die kgl. Familie den Warteraum. Der Kaiser ließ den Lordmayor zu sich entbieten und unterhielt sich mit ihm. Dann begab sich der Kaiser in Begleitung des Königs, des Herzogs von Connaught, der Prinzen Christian von Schleswig-Holstein undArtur von C o n n a u g h t, des Herzogs Cornwall und der Prinzen Albert auf den Bahnsteig, dort nahm der Kaiser von den Anwesenden herzlichen Abschied, küßte den König auf beide Wangen und schüttelte ihm herzlich die Hände. Sodann bestieg er in Begleitung von Lord Roberts und des Grafen Wolfs- Metternich den Zug.
London 23. Mai. Der deutsche Kaiser äußerte in seiner Unterredung mit dem Lord mayor er wünsche, er wäre aus einem anderen Anlaß nach England gekommen. Er sei tief gerührt von dem ihm bereiteten Empfang und aufrichtig dankbar für die ihm erwiesene Sympathie.
Aus dem Jugendleben des nunmehrigen Königs Georg, der so plötzlich ins hellste Licht tritt, wird ein Geschicht- chen erzählt. Die alte Königin Viktoria hielt bekanntlich nicht nur ihre Kinder knapp, sondern selbstverständlich auch ihre Enkelkinder. Es soll
dem Herzog von Jork, dem jetzigen neuen König des britischen Reichs, in den Knaben- und später in den Jünglingsjahren recht oft an dem nötigen Kleingeld gefehlt haben. So kam es denn, daß er Freunde anpumpen und Schulden machen mußte. Die aber bereiteten Sorgen. In diesem Fall handelte es sich um eine Guinee — eine einzige; allein der junge Herzog von Uork sah keine Möglichkeit, sie sich zu verschaffen. In dieser höchsten Not wandte er sich an die alte Königin, seine Großmutter. Die Antwort traf auch bald ein, aber nur in Form eines Briefes, der zwar viel Ratschläge und Ermahnungen enthielt, aber davon, daß sie ihrem Enkel die erbetene Summe zukommen lasten wolle, mit keiner Silbe sprach. Der kleine Herzog war trostlos. In dieser Bedrängnis kam er auf folgende Idee. Er wendete sich an einen Autographenhändler und bietet ihm den Brief seiner Großmutter zum Kauf an. Der natürlich ließ sich ein so echtes Schriftstück nicht entgehen, und als der Herzog aus dem Laden tritt, hat er statt der einen Guinee, deren er so benötigte, neun fernere im Portemonnaie. Die Kunde von dem seltenen Autograph, im Besitz des Händlers, den jeder in London kannte, gelangte denn bald zu Ohren der Königin Viktoria und des gesamten Herrscherhauses. ES hieß sogar, daß der Herzog sich des Mittels, sich Geld zu verschaffen, gerühmt habe. Natürlich war die Großmutter ihrerseits empört, daß ihr Enkelsohn mit einem Briefe, den sie ihm höchst eigenhändig geschrieben, so umgegangen. Doch das kam vorläufig für sie erst in zweiter Reihe; Hauptsache war, sich wieder in Besitz de» Schreibens zu setzen Es blieb der Königin wohl oder übel nichts anderes übrig, als sich mit dem Händler in Verbindung zu setzen. Der nützte natürlich die vorteilhafte Lage geschäftskundig au», und die Monarchin mußte für ihre guten Lehren, die sie dem Enkel gegeben, volle hundert Pfund Sterling zahlen.
«Iss Lesie klln Kinder'*u. Xnsnke.
Amtliche und Privatanzeigen.
Gewerbeschule Calw.
In Ausführung des Gesetzes vom 22. Juli 1906 betreffend die Gewerbe- und Handelsschulen wird im Anschluß an die Gewerbeschule eine besondere Abteilung für kaufmännische Lehrlinge eingerichtet Der Pflichtuuterricht an dieser kaufmännischen Abteilung hat sich laut Verfügung des Kgl Gewerbe-Ober- schulrats zu erstrecken auf
Deutsch und Deutscher Briefwechsel 2 Wocheust.
Kaufmiinnisches Rechnen 2 „
Buchführung und Kontorarbeiten 1 „
Die zum Besuch dieser Fächer verpflichteten kaufmännischen Lehrlinge haben sich bei dem Unterzeichneten am Freitag 27. Mai (6—7 Uhr abends) anzumelden.
Beginn des Unterrichts und Stundenplan wird dann bekannt gegeben werden.
Calw, 24. Mai 1910
Professor Beurlen.
Stadt Calw.
Die Abbrncharbeit
der Hintergebäude auf dem Bauplatz für das Stadt. Elektrizitätswerk soll in Akkord vergeben werden.
Plan und Akkordsbedingungen liegen beim Stadtbauamt zur Einsicht auf, woselbst auch die schriftl. Angebote in ruuder Summe ausgedrückt, bis längstens Montag, de« 30. d. M., vorm. 9 Uhr, einzureichen sind.
Den 23. Mai 1910. , ' ° >
Stadtbauamt.
Hohnecker.
Giesenverkanf. ^
Gottfried Carle, Fuhrmann hier, bringt am SamStag, de» 28. Mai 1910, vormitt. 9 Uhr, auf dem hiesigen Rathaus zur freiwilligen öffentlichen Versteigerung:
Parz. Nr. 1279 30 a 13 qm Wiese in der großen Heumaden,
„ ., 1329 32 „ 41 „ Wiese am Galgenwasen,
, „ ^1365 40 „ 53 „ Wiese daselbst,
sämtliche mit schönsteheudem Heugras. Liebhaber werden hiemit eingeladen. Calw, 20. Mai 1910.
Ratsschreiber Dreher.
Simmozheim, 23. Mai 1910.
Traueranzeige.
Tiefbetrübt teilen wir Verwandten, Freunden und Bekannten die traurige Nachricht mit, daß unser lieber, treubesorgter Gatte, Vater, Bruder, Schwager und Onkel
LL Friedrich Rützle, Landwirt,
heute morgen ftslO Uhr nach langem schweren Leiden im Alter von 57 Jahren sanft in dem Herrn entschlafen ist.
Um stille Teilnahme bitten
die tieftrauernden Hinterbliebenen.
Die Beerdigung findet am Mittwoch, den 25. ds., nachmittags 2 Uhr statt
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