dem Bann der Sozialdemokratie. Bei der Wahl der Vertreter der Schulgemeinden in den katholischen und evangelischen Ortsschulrat lehnten die bürgerlichen Kollegialmitglieder es ab, die sozialdemokratischen Vorschläge zu den ihrigen zu machen. Gemeinderat Becker erklärte, die bürgerlichen Vertreter könnten sich einstens nicht beklagen, wenn sie an die Wand gedrückt würden; sie hätten für alle Zukunft das Recht verloren, von einer sozialdemokratischen Allein- und Gewaltherrschaft zu sprechen. Die Frage der Stadttaglöhner rückt auf dem Gmünder Rathaus allgemach zur Hauptsache vor. Gestern interpellierte Stadtrat Klaus wegen der Entlassung einer größeren Anzahl Notstandsarbeiter. Die Leute werden"dann wieder eingestellt, wenn sie nirgends eine Stelle finden. Die Stadt beschäftigt jetzt über 100 Taglöhner. Der Vorsitzende, Oberbürgermeister Möhler, meinte, man müsse die Frage endlich einmal in Ordnung bringen, sonst habe man in zwei Jahren 400 Stadttaglöhner. Auffallend ist es allerdings, daß die hiesigen Privatunternehmer klagen, sie könnten keine Leute finden und seien genötigt, sich auswärts umzusehen.
Gmünd 13. Mai. Der heurige Mai- markt, der in den drei ersten Werktagen dieser Woche abgehalten worden ist, zeigte das Gepräge eines Marktes, der im Aussterben begriffen ist. Mit dem Ergebnis des Marktes ist eigentlich niemand mehr zufrieden. Die Zahl der Marktstände nimmt von Jahr zu Jahr ab, da die Leute nicht einmal mehr auf ihre Barauslagen kommen. Heutzutage gibt es eben auch in den Städten mittlerer Größe das ganze Jahr über Gelegenheit, seinen Bedarf zu decken. Auch der Besuch vom Lande nimmt ab. Die Zeiten find vorüber, wo der Bauer sich ein Verzeichnis seiner Bedürfnisse anlegte, die er am Markttage decken wollte. Auch der Kasernenplatz, wo sich der Vergnügungspark befindet, war Heuer so leer wie noch nie.
Hohenstadt OA. Hall 11. Mai. Junge Burschen hantierten mit einem Gewehr im Stalle des Hirschwirts Keller. Der Dienstknecht Behringer nahm das Gewehr ebenfalls zur Hand, zielte auf ein Pferd und in der Meinung, das Gewehr sei nicht geladen, drückte er ab. Der Schuß ging los und traf das Pferd in den Unterleib. Der sofort herbeigerufene Bezirkstierarzt ordnete die sofortige Tötung des Tieres an, das einen Wert von 1000 ^ hatte. Der Täter hat für den Schaden aufzukommen.
Biber ach 13. Mai. Wie schwer und unmenschlich oft die armen Tiere mißhandelt werden, konnte man an einer ins Schlachthaus verbrachten, wertvollen Kuh mit Schaudern ersehen, die nicht eine handbreite Stelle am ganzen Körper aufwies, die nicht zerschlagen oder zer- schunden war. Dem Unmenschen, der da» Tier so zugerichtet hat, wäre eine exemplarische Strafe zu gönnen.
Berlin 12. Mai. Der bayerische Prinzregent hat aus Anlaß der Moltke- feier in der Walhalla nachstehende» Telegramm an den Kaiser gerichtet: „Soeben meldet mir der Kriegsminister Freiherr v. Horn, daß die Enthüllung der Büste de« Generalfeldmarschalls Grafen v. Moltke in der Walhalla in Gegenwart der Vertreter von Volk und Heer, vollzogen worden ist. Indem ich die» zu Deiner geneigten Kenntnis bringe, freue ich mich, meiner Genug- tunng darüber Ausdruck geben zu können, daß
nunmehr auch der große Heerführer im deutschen RuhmeStempel den Ehrenplatz an der Seite seines kaiserlichen Herrn, Deines erlauchten Herrn Großvaters, einnimmt." Der Kaiser antwortete: „Herzlichen Dank für Deine Mitteilung. Die Aufstellung von MoltkeS Büste in der Walhalla neben derjenigen des großen Kaisers ist nicht nur soldatische Huldigung, sondern auch eine nationale Tat, für welche ich an der Spitze der Armee und im Namen der deutschen Nation Dir und allen, die dabei mitgewirkt haben, den Ausdruck aufrichtiger Dankbarkeit darbringe."
Berlin 13. Mai. Der Reichskanzler gab gestern Abend zu Ehren RooseveltS ein Diner, wobei Roosevelt zwischen dem Reichskanzler und dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes saß. Außerdem waren mehrere Staatsminister und Staatssekretäre, die Präsidenten des Reichstags und Landtags, der Rektor der Universität, der Oberbürgermeister von Berlin, Graf Zeppelin, Großadmiral v. Köster und der amerikanische Botschafter geladen. An das Diner schlcß sich ein Empfang, wozu etwa 80 weitere Einladungen an hohe Staatsbeamte, Vertreter der Wissenschaft und Kunst, der Hochfinanz und der Großindustrie ergangen waren.
Berlin 13. Mai. Auf dem der Minen- suchdi Vision zugeteilten kleinen Torpedoboot 8. 33 explodierte bei einer Nachtübung auf der Schillingreede eine Sprengpatrone. Dabei wurden getötet: Minenobermatrose Detlev Jensen aus Flensburg, Minenmatrose Heinrich Kleinfeldt aus Lübeck, Minenoberheizer Anton Wils er aus Mannheim, die Minenheizer Ernst Rutkowsky aus Neidenburg in Ostpreußen und Ernst Junge aus Hohenhorst Kreis Eutin. Schwer verletzt wurde der Maschinistenmaat Schmidt, leicht verwundet BootmannSmaat Nennstiel. Ueber die Ursache des bedauerlichen Unglücks liegen noch keine amtlichen Berichte vor.
London 13. Mai. (Das Leichenbegängnis König Eduards.) Die Königin Al exandra und die Kaiserin-Witwe von Rußland werden in der Trauerprozession, welche den Sarg des Königs vom Buckinghampalast nach der Westminsterhalle geleiten wird, im Wagen teilnehmen und ebenso an der Prozession von der Westminsterhalle nach der Station Paddington. Der Bau von Tribünen auf dem Wege der Prozession vom Schloß nach West- minster hat bereits begonnen. Da die Kasernen von London nicht ausreichen, um die anläßlich der Trauerfeierlichkeiten nach der Hauptstadt beorderten Truppen aufzunehmen, so wird der Hydepark in ein ungeheures militärisches Lager verwandelt werden. Der Sarg des Königs soll heute abend nach der Ankunst des Herzogs von Connaught versiegelt werden.
London 13. Mai. Läng» des Weges, den der Leichenzug nehmen wird, werden enorme Preise für Fensterplätze bezahlt. Ein Balkonzimmer in der St. James-Street kostet 175 Guineas, ein dreifenstrige» Zimmer in Picadilly 250 Guineas. Desgleichen sind in Windsor die Preise weit höher als bei dem Be- gräbniffe der Königin Viktoria.
London 12. Mai. Eine seltsame Feier fand Mitte dieser Woche in Loughmöe, Tipperary, Irland statt. Ueber 10000 Leute und 600 sogenannte Jaunting CarS, die eigenartigen nationalen Droschken Irlands, 50 Geistliche und 20 Musikkapellen nahmen daran teil. Die Ur
sache der Prozession war die Beerdigung von William und Daniel McCormack, die am 11. Mai 1858 wegen Mordes gehenkt wurden, deren Unschuld sich aber später herausgestellt hat. Der Mord, für den sie den Tod erlitten, wurde an einem Aufseher namens ElliS begangen, der sich den allgemeinen Haß der Bevölkerung durch die rücksichtslose Austreibung armer Leute von Haus und Hof zugezogen hatte. Er wurde auf der Landstraße erschaffen, als er am 22. Okt. 1857 nach seinem Hause zurückkehrte. Die McCormack» wurden angeklagt, verurteilt und hingerichtet, später jedoch bekannte ein gewisser Michael Gloeson, die Tat begangen zu haben. ES war dies einer der Ausgetrik denen und sein Sohn nahm an der gestrigen Prozession teil. Der Richter, der die McCormacks verurteilt hatte, beging s. Z. Selbstmord Die Ueberführung der beiden Leichen in geweihte Erde wurde als ein Feiertag im ganzen Bezirk begangen.
New y or k 13. Mai. MarcTwainhat ein Vermögen von 720 000 ^ hinterlaffen.
Vermischtes.
(Zündwarensteuer.) Die „KarlSr. Ztg." schreibt: Es ist vielfach die Ansicht verbreitet, daß Zündhölzer, die man sich selbst zum eigenen Gebrauch aus unversteuerten gewöhnlichen Holzstäbchen anfertigt, steuerfrei seien. Diese Ansicht ist irrig. Wer mittels des Zündholzfabrikationsapparates „Galopp" aus den unbearbeiteten Holzstäbchen unter Benützung der Paraffin- und Zündmasse des Apparates oder auf ähnliche Weise Zündhölzer anfertigt, muß dies bei der Steuerbehörde anmelden und die von ihm hergestellten Zündhölzer versteuern. Unterläßt dies ein Hersteller steuerpflichtiger Hölzer, dann hat er Strafe zu gewärtigen, die in jedem einzelnen Falle nicht unter 30 Mark beträgt. Auch die Verkäufer der Apparate setzen sich unter Umständen einer Bestrafung wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung aus.
Ein Steuerzettel über — einen Pfennig ging kürzlich, wie dem Berl. Tagbl. aus M.-Gladbach berichtet wird, einem dortigen Bürger zu. Das inhaltschwere Papier wurde ihm von einem Beamten der städtischen Steuerkaffe eigens in seine im Stadtteile Eichen gelegene Wohnung gebracht. Da der Beamte aber nicht ermächtigt war, die Steuer gleich mit einzuziehen, so mußte der Bürgersmann sich selbst zur Steuerkaffe nach dem Rathaus begeben, wo ihm nach Zahlung des Pfennig» eine von zwei Beamten unterschriebene Quittung überreicht wurde. Dann konnte der brave Bürger vergnügten Sinnes wieder heimgehen, und St. Bureaukratiu« hatte wieder einen neuen, herrlichen Sieg davongetragen.
Standesamt Calw.
Geborene.
6. Mai. Karl, S. d. Karl Wilhelm Raisch, Bankbeamten in Feuerbach.
12. „ Albert Heinrich Alex, S. d. Heinrich
Röhm, WebmeisterS hier. Gestorbene.
3. Mai. Anna Magdalene, T. d. Wilhelm Holz« aepfel, SchloffermeisterS. 8 Jahre 11 Monate alt.
10. Mai. Anna Margarete Sachsenmaier, geb.
Hägele, Lokomotivführers Ehefrau, 32 Jahre 10 Monate alt.
11. . Karl, S. d. Karl Mlhelm Raisch, Bank
beamten in Feuerbach, 5 Tage alt.
Amtliche und Privatanzeigen.
Calw.
Ltaillmholz-Berklmf
s) im schriftlichen Anfstreich aus den Stadtwaldungen Meistersberg, Hardtwald u.
Reifich:
Langholz: Fm. 29 I., 157 II.. 198 III.,
121 IV., 76 V.. 3 VI. Klasse,
Sägholz: Fm. 421., 40II., 6IH. Klasse. _
Schriftliche bedingungslose Angebote in ganzen Prozenten der Taxpreise ausgedrückt für die einzelnen Lose, verschlossen, mit der Aufschrift „Angebot
für Stammholz" bis spätestens Montag, den 23. Mai. vorm. '/-10 Uhr, an die Stadtpflege hier. Eröffnung der Angebote zu dieser Zeit im Rathaus hier. Auszüge gegen Bezahlung von Forstwart Rüdinger. b) Im mündlichen Aufstreich am Montag, den 23. Mai, vorm. '/,9 Uhr, auf dem Rathaus aus den Stadtw. Reifich, Wurstbrunnen und
Hühneräcker: „ __
Küfer«, Säg« nnd Wagner-Eiche« 48 Stück mit 23 Fm.
Die Küfer- und Säg-Eichen kommen einzeln, die Wagner-Eichen m ei neren Losen zum Verkauf.
Nächste Woche backt
Laugen-rerel«
viicker Lutz Wwe.
Ei« Koftkind
wird angenommen. Von wem, ist zu erfragen im Compt. ds. Bl.