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Bei Beratung der weiteren Paragraphen erklärt Oberberghauptmann v. Velsen: Grundsätzlich wird an dem Zweischachtsystem festgehalten. Auf eine Anregung des Abg. Weber natl., der davor warnt, auf dem Weg einer gesetzlichen Preisfestlegung auch bei anderen Gelegenheiten fortzuschreiten, erklärt Handelsminister Sydow, die von dem Vorredner geäußerten Bedenken könne er nicht teilen. Der Rest des Gesetzes wird im wesentlichen nach den Kommissions - beschlüfsen angenommen. Die dritte Lesung findet sofort statt. Das Gesetz wird definitiv angenommen. Abg. Dr. Hieber (natl.) dankt dem Präsidenten für seine stets sachgemäße und wohlwollende Geschäftsführung. Der Präsident erwidert mit dem Dank für die ihm zu Teil gewordene Unterstützung. Hierauf verliest der Reichskanzler die Urkunde, durch die der Reichstag bis zum 8. November vertagt wird. Mit einem Kaiserhoch schließt der Präsident die Sitzung.
Berlin 10. Mai. Aus London wird über die BeifetzungSfeierlichkeiten gemeldet: Am 30. Mai wird in der St. GeorgS- kapelle der Schrein mit den Ueberresten in das Gewölbe unterhalb der Kapelle versenkt und wahrscheinlich in dem Grabe unter der Prinz Albert-Gedächtniskapelle beigesetzt werden, wo König Eduards ältester Sohn, der Herzog von Clarence, begraben liegt. Der Leichenzug wird sich bei der Ueberführung von der Westminsterhalle nach dem Paddingtonbahnhof durch die Straßen Londons und in Windsor durch die Straßen dieser alten Königsstadt nach dem Schloß bewegen. Der Sarg wird auf einer Lafette gefahren werden und über ihm werden die KönigSabzeichen, die Krone, die beiden kaiserlichen und königlichen Reichsäpfel und das Szepter angebracht werden. In dem Leichenzug werden die Flotte, die Armee, der königl. Hofstaat und die höchsten Staatsbeamten vertreten sein. Die Königin, die Königinwitwe und die Damen der königlichen Familie werden dem Sarge in Wagen folgen. In Windsor werden der König, die königlichen und fürstlichen Leidtragenden, der Lafette mit dem Sarge zu Fuß folgen. — Aus ministeriellen Kreisen verlautet nach der „Voss. Ztg.", daß der Tod des Königs die politischen Ereignisse ganz bedeutend beeinflussen wird. Die Notwendigkeit der Dotierung der verwitweten Königin, sowie die Neuordnung der Zivilliste, welche die 6 Kinder einschließen muß, dürfte eine baldige Vorlegung des Staatshaushalts notwendig machen. Von einer Auflösung des Parlaments im Juni ist keine Rede mehr, weil die Minister dem neuen König eine politische Krise vorerst ersparen wollen, doch wird Asquiths heutige Rückkehr Klarheit schaffen. Jedenfalls wird der Tod des Königs für das Oberhaus Vorteile bringen.
Berlin 10. Mai. Der Nordpolfahrer Peary hat seinen Aufenthalt in Berlin bi» Mittwoch verlängert, um Roosevelt zu begrüßen.
Berlin 10. Mai. Theodore Roosevelt ist heute vormittag gegen 9 Uhr auf dem Stettiner Bahnhof angekommen. Da eine angekündigte Zugsverspätung wieder eingeholt worden war, hatten sich noch nicht alle zum Empfang bestimmten Herren eingefunden. Zugegen waren der Staatssekretär Frhr. v. Schön, das Personal der amerikanischen Botschaft und zahlreiche Mitglieder der amerikanischen Kolonie mit ihren Damen, darunter das älteste Mitglied, der frühere Generalkonsul Reismann. Als Roosevelt den Wagen verließ, wurde er von dem ersten Sekretär der Botschaft Laughlin begrüßt. Darauf begrüßte ihn der Staatssekretär Frhr. v. Schön, der längere Zeit mit Roosevelt im Gespräch verweilte und aldann dessen Gattin und Kinder begrüßte. Unter den Hochrufen eines zahlreich versammelten Publikums fuhr dann Roosevelt mit seiner Familie zur amerikanischen Botschaft.
Wildpark bei Potsdam 10. Mai. Mittels Sonderzugs trafen Roosevelt mit Familie, der Reichskanzler und andere geladene Gäste hier ein und begaben sich in königlichen Wagen nach dem neuen Palais, wo sie vom Kaiser erwartet und begrüßt wurden. Alsdann wurden Roosevelt und Gemahlin von der Kaiserin, den Prinzen und Prinzessinnen empfangen. Es folgte ein Frühstück in der Jaspisgalerie. Das Frühstück wurde an kleinen Tischen eingenommen. An dem Tisch des Kaisers saßen Frau Roosevelt, der Reichskanzler und der Sohn Roosevelts, sowie die Kronprinzessin, an dem Tische der Kaiserin Herr Roosevelt mit Tochter, sowie der Kronprinz.
Neues Palais bei Potsdam 10. Mai. Nach dem Frühstück hielten die Majestäten Cercle. Hiebei hatte der Kaiser eine lange Unterredung mit Roosevelt allein. Um 3 Uhr fuhren die Gäste mit Sonderzug nach Berlin zurück. Roosevelt mit Familie blieben noch im Neuen Palais. — Nachdem der Kaiser sich um 3 Uhr zurückgezogen hatte, verweilte er mit Roosevelt und den Herren der Umgebung im Billardzimmer bei einer Zigarre. Nach 4 Uhr machte der Kaiser mit seinen Gästen eine Fahrt durch die Kgl. Gärten nach dem Schloß Sans Souci. Nach Besichtigung des Schlosses kehrte der Kaiser nach dem Neuen Palais zurück, während Roosevelt und Familie in kaiserlichen Automobilen nach Berlin fuhren.
Berlin 10. Mai. Einem Ausfrager der „B. Ztg." sagte Roosevelt auf der Fahrt nach Berlin: „Es interessiiert mich sehr, Deutschland wiederzusehen, wo ich glückliche Tage als Student verbracht habe. Auf das Zusammen
treffen mit Ihrem Kaiser, den ich außerordentlich verehre, bin ich sehr gespannt. Die Freundlichkeit, die er, wie die deutschen Staatsbehörden, mir bisher bewiesen haben, verpflichten mich außerordentlich. Es wäre mir angenehm, wenn Sie meinem Gefühl der Dankbarkeit und der Bewunderung für das deutsche Volk in der Presse Ausdruck geben würden."
Vermischtes.
Vom Halley'schen Kometen. Der Schweif des Kometen wird sich um den 17. bi» 21. Mai nicht nur schmal und gerade, sondem auch in besonderer Länge zeigen. Am 19. Mai findet der Durchgang der Erde durch die Ebene der Kometenbahn statt und um die Zeit de» Durchgangs ist natürlich der Schweif als solcher nicht sichtbar. Wenn, wie es wahrscheinlich ist, die Partikelchen, die den Schweif bilden, mehr in der Bahnebene als in irgend einer anderen Richtung verstreut sind und neben oder zwischen den «ordern auch noch die meisten rückwärtigen gesehen werden könne», so erscheinen uns an den genannten Tagen die Schweifpartikelchen auf eine verhältnismäßig schmale Strecke des Himmels projiziert, ihre Helligkeiten summieren sich und deshalb ist nicht nur der Schweif überhaupt Heller, sondern auch die Möglichkeit vorhanden, sehr lichtschwache Partien, die sonst nicht sichtbar wären, zu sehen. Der Schweif kann demnach einige Zeit nicht nur schmal und gerade, sondern auch länger erscheinen. Dieser Fall trat beim Halley'schen Kometen reckt auffällig 1759 ein, bei welcher Erscheinung die Erde am 14. Mai durch die Ebene seiner Bahn ging. Im gegenwärtigen Jahre geht die Erde durch die Bahnebene des Kometen, wenn dieser ihr am nächsten und sein Schweif gegen die Erde hingerichtet ist, was 1759 nicht der Fall war. Nach dem Vorübergang vor der Sonne wird der Komet sich mit großer scheinbarer Geschwindigkeit von dieser entfernen und am Abendhimmel zu sehen sein. Er wird den größten Glanz vermutlich um den 21. bis 25. Mai entwickeln.
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ungefärbt.
Im Hause des Hochofenchefs waltete jetzt eine junge Frau, die wie ein guter Engel ein und ausging, zu der die Armen und Leidenden kamen, zu denen sie in die Häuser ging, hier tröstend, dort ratend, stets bereit zu helfen und beizustehen.
Bernhard beeilte sich jetzt, heimzukehren. Bei seiner Arbeit, bei seinen Mühen und Sorgen ging ihm der Gedanke an sein junges Weib nach und spornte ihn zu frischer froher Tätigkeit an.
Ja sie wurde ihm der gute Kamerad, der durch lichte und dunkle Tage an seiner Seite blieb, deren weiche, aber dabei feste Hand in der des Mannes lag, der ihr seinen Namen gegeben. Und dieser Name hatte einen guten Klang, nicht allein durch die Ahnen, die das Wappenschild der Eiche's aufwies, die eigene Tüchtigkeit Bernhards, sein unter so schwierigen Verhältnissen angetretenes Arbeitsfeld, das jetzt reiche goldene Früchte trug, erhoben den Hochofenchef zu einer bevorzugten Stellung.
Wie Müller beim Antritt der Stelle gesagt, es sei eine Herkulesarbeit, die er unternommen, so war es gewesen. Es gehörte eine so männliche, kraftvolle Persönlichkeit, wie Bernhard sie besaß, dazu, um da» vernachlässigte Werk hochzubringen. Jetzt war es mehr als zur Hälfte gelungen. Wie erfüllte es Luisens Herz mit Stolz, wie zufrieden war ihr Mann. Ja, zufrieden war e.r in jeder Beziehung. In seiner Arbeit, in seinem Beruf, in seiner Ehe, die ihm ruhige, harmonische Tage brachte. Einst hatte er an ein anderes Glück geglaubt, an eine himmelhoch jauchzende
Seligkeit, voll leidenschaftlicher Glut-jetzt fragte er sich, ob es so
nicht bester war, und ob ein dauerndes Glück bei einem solchen Rausch nicht vergänglich gewesen wäre. Irmgard Gerards verführerisches Bild tauchte dann wohl empor, aber es verschwand gleich wieder vor dem Genügen der Gegenwart, vor dem, was er durch Luisen» Besitz empfing.
Ines schrieb einige Monate nach der Taufe der kleinen Frida:
„Ihr Lieben in Rößlingen!
Ich möchte gern auf drei Wochen zu Euch kommen. Herta kann
mich jetzt entbehren, sie ist wohl eine echte deutsche Landfrau geworden. Denkt Euch doch, neulich ist ihre Freundin aus München, Tea Schönhausen, jetzt Frau Albert Büttchen, einige Tage in Randenhagen zum Besuch gewesen. Eine sonderbare Frau mit sehr vielen Eigenheiten und Kruft- ausdrücken, aber trotzdem muß man sie gern haben, weil sie so gutmütig ist. Herta sagte, daß Tea recht behäbig geworden ist, dank dem Geschäft, welches ihr Mann betreibt, er ist nämlich Kolonialwaren- und Delikateß- händler. Von einem gewissen Porträtmaler Alfreds Mandel war viel die Rede, ein verkanntes Genie, das sich nach Afrika begeben hat, um dort eine Berühmtheit zu werden. Er will zur Abwechslung versuchen, die Kongoneger zu malen. Vielleicht ist ihm die schwarze Farbe wohl gesinnter.
Ueber meine Zukunftspläne kann ich auch schon mit Euch sprechen: Tante Emma, unserer Lawising Mutter, bittet mich, zu ihr zu kommen. Sie braucht Hilfe. Ich gehe gern in die mir so lieb gewordene Forstei zurück. Also auf baldiges Wiedersehen!
Eure Schwester Ines."
Luise empfing ihre Schwägerin auf dem Bahnhof. Bernhard war zu Osterfeld gefahren, es gab Geschäftliches zu erledigen. Wie erinnerte sich Ines de» Tages, als sie vor zwei Jahren nach Rößlingen gekommen war, wie freute sie sich, alles wiederzusehen, Haus und Garten und die lieben Menstben, die den Ort bewohnten.
Amtsrichters standen vor ihrem Hause und winkten ihr zu, Elfriede Müller hielt den Wagen und überreichte ihr einen Blumenstrauß, ein alter Werkmeister zog lächelnd die Mütze, und des italienischen Diener» Gesicht glänzte, als er die blonde Herrin über die Schwelle de» Hause« treten sah, dem sie als Hausfrau vorgestanden hatte.
Am Abend kehrte Bernhard heim. Da gab es ein fröhliches Fragen und Erzählen. Auch von Irmgard Gerard war die Rede.
(Fortsetzung folgt.)