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frage des Abg. Hans er betr. die Veruntreu­ungen in Stockheim und Löchgau. Die Uebertragung des Grundbuchwesens an die Amtsgerichte wurde nur von dem Abg. Kraut empfohlen, während andere Redner aller Par­teien die Auffassung vertraten, daß man im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung nach Schutz­mitteln gegen die Wiederholung solcher perfider Fälschungen suchen müffe. Ein Antrag, die Frage, welche Maßnahmen zu treffen sind, um die im Grund­buchwesen hervorgetretenen Mißstände zu besei­tigen, dem Justizausschuß zu überreichen, wurde angenommen. Das Hau» begann hieraus die Beratung des Beamtengesetzes. Minister v. Gehler erklärte, die Regierung könne der vom Ausschuß beschlossenen Einführung einer automatischen Erlangung der lebenslänglichen Anstellung noch siebenjähriger Dienstzeit nicht zustimmen. Das Haus nahm trotzdem den Ausschußantrag an. Fortsetzung am Freitag nachmittag.

Stuttgart 4. Mai. Aus der brieflich erteilten Antwort des Ministerpräsidenten auf die Anfrage des Abgeordneten Eisele wegen der Verkehrssicherheit im Feuerbacher Tunnel geht, wie die Blätter melden, hervor, daß in dem alten Tunnel zwei schadhafte Stellen sich befinden, die, während das ihnen gegenüber­liegende Stück des neuen Tunnels fertig gestellt wird, zur Abwendung jeder Gefahr eingebaut, d. h. im Gewölbe durch starke hölzerne Bogen unterstützt werden sollen. Das geschieht dadurch, daß der Zugsverkehr nur auf einem Gleis be­werkstelligt und dieses in die Mitte des Tunnels gerückt wird. Die Vorarbeiten sind beendigt, mit dem Einziehen der Bogen wird am 17. Mai begonnen und die Arbeit soll innerhalb 14 Tagen erledigt werden. Das Maueiwerk des neuen Tunnels dürfte anfangs August, die übrigen Arbeiten im Laufe des Septembers fertig gestellt sein, worauf der Verkehr auf die beiden Gleise des neuen Tunnels übergeleitet wird. Die Sicherheit des reisenden Publikums ist gewährleistet.

Heilbronn 4. Mai. Schultheiß^Bosch befindet sich im Untersuchungsgefängnis ganz wohl, während sein Kollege Benz von Löchgau seinem schweren Nieren- und Herzleiden voraussichtlich noch vor der Aburteilung erliegen dürfte. Bosch Hai sich dahin ausgesprochen, daß er nicht der einzige Schultheiß sei, der solche Manipulationen begangen habe. Der Fall in Löchgau bestätigt das.

Berlin 4. Mai. (Reichstag.) Am BundesraiStisch: die Staatssekretäre LiSco und Krätke. Ein Bericht der Reichsschuldenkommisfion wird ohne Debatte an die Rechnungskommission verwiesen. Tie Genehmigung zur Strafverfolgung des Abg. Dr. David (Soz.) wegen Beleidigung wird versagt. Die Aenderung des Posttaxgesetzes wird in dritter Lesung ohne Debatte endgültig angenommen. Hierauf wird die zweite Lesung des Gesetzentwurfes zur Entlastung des Reichsgerichts fortgesetzt. Abg. Heine (Soz.):

Die Revision gegen die einstweilige Verfügung darf nicht beschränkt werden. Nachdem Staats­sekretär Lisco um Annahme der KommissionS- beschlüfse gebeten hatte, werden diese angenommen. Ebenso wird die Erhöhung der Revisionssumme angenommen. Der Antrag Schmidt-Marburg (Ztr.) betreffend das Armenrecht, wird abgelehnt. Im weiteren Verlauf der Debatte erklärt Abg. Heine (Soz.): Eine Erhöhung der Gerichts­gebühr, wie sie in § 8 der Vorlage gefordert wird, sei geradezu unmoralisch. Geh.-Rat Del­brück erwiderte, die Gebühr sei keineswegs übermäßig, den Armen werde Gelegenheit ge­geben, die höchsten Gerichte in Anspruch zu nehmen. Einer übermäßigen Inanspruchnahme muß aber vorgebeugt werden. Da die Abstimmung über Art. 8 und 9 zweifelhaft erscheint, erfolgt Aus­zählung. Die Artikel werden mit 104 gegen 98 Stimmen angenommen. Hierauf wird ein Antrag Kirsch (Ztr.), auch Amtsrichter als Hilfs­richter beim Reichsgericht zuzulaffen, nachdem Staatssekretär Lisco sich damit einverstanden erklärt hatte, angenommen und der Rest des Gesetzes erledigt. Ferner wird eine von der Kommission beantragte Resolution angenommen, worin die Regierung ersucht wird, einen neuen Senat mit einem Senatspräsidenten und sechs weiteren Reichsgerichtsräten zu errichten. Sodann wird der Gesetzentwurf betr. Aenderung der Rechts­anwaltsordnung ebenfalls angenommen. Das Gesetz tritt am 1. Juni 1910 in Kraft. Es folgt die dritte Lesung des Stellenvermittlungs­gesetzes. Auf eine Anregung erklärt Staats­sekretär Delbrück: Daß die Errichtung öffent­licher Arbeitsnachweise mit paritätischer Besetzung möglichst gefördert wird, erachte ich als selbst­verständlich, zumal die größeren Bundesstaaten schon seit Jahren in dieser Richtung tätig sind. Kämpf (fortschr. Vp.): Die Zulassung gewerb­licher Stellenvermittler nur in dem Fall, daß öffentliche Arbeitsnachweise nicht bestehen, bedeutet eine Monopolisierung der öffentlichen Arbeits­nachweise. Das Gesetz wird angenommen und tritt am 1. Oktober 1910 in Kraft. Es folgt die 3. Lesung der Vorlage betr. die Aufstandsausgaben für Südwestafrika. Erzberger (Ztr.): Wer gegen den Vertrag mit der Kolonialgesellschaft eintritt, vertritt das Inventar der Allgemeinheit. Der Vertrag schädigt den Fiskus, d. h. das deutsche Volk. Die Diamant- gesellschaft, die ein Kapital von nur 2'/- Millionen repräsentiert, erzielte 4 Millionen Reingewinn. Da nur 500000 ^ eingezahlt sind, bedeutet dies einen Gewinn von 800 °/°. Die Kolonial­gesellschaft sollte auf mehrere Privilegien ver­zichten, besonders darauf, daß vor Aenderung der Bergordnung ihre Zustimmung zu erteilen ist. Staatssekretär Dernburg: Gegenüber dem Vorredner bemerke ich: Wir wollen ein Schieds­gericht, weil eine kompetente Instanz nicht besteht. Die Tatsachen stehen für die Parteien fest, es handelt sich nicht mehr um eine Beweiserhebung. Bei der Anerkennung der Verträge handelt es

der Arcisstraße, einen wohlhabenden, älteren Witwer mit drei Kindern; du kannst mir Glück wünschen."

Herta tat es herzlich.Liebst du ihn?" fragte sie.

Das nun gerade nicht, aber ich habe die Absicht, ihm eine gute Frau zu sein. Ich freue mich, ein eigenes Heim und einen Menschen zu besitzen, der mir das bietet, was ich entbehre: Ruhe und Wohlleben. Das hat mir oft in meinem jetzigen Dasein gefehlt."

Tea sah sehr zufrieden aus. Es gab Herta einen Stich ins Herz. Das, was die Malerin so hoch schätzte, die Freiheit und Ungebundenheit des Künstlerlebens, gab sie auf, um die Gattin eines Mannes zu werden, der ihr nicht einmal lieb war. Aber hatte es Herta nicht eben so getan? Auch sie heiratete Randen ohne Liebe.

Tea fuhr fort, allerlei zu erzählen, sie bemerkte nicht, daß ihre schweigsame Gefährtin kaum hinhörte.

Du kommst doch natürlich als mein Gast mit ins Wirtshaus zum grünen Baum", Liebste?", äußerte die Schönhausen.

Nein, ich ich kann nicht, ich habe Kopsweh. Hier kommt gerade die Bahn, lebe wohl, Tea."

Hastig stieg Frau von Randen ein.

Schade!" rief die Schönhausen.Auf Wiedersehen!" Erst als die Elektrische verschwunden war, fiel es ihr ein, daß sie versäumt hatte, nach Herta» Adresse zu fragen. In ihrer leichtlebigen, oberflächligen Art dachte Tea aber nicht weiter an die Freundin.

Als Herta das nächste Mal die bestellten Arbeiten zu Münster L Strauß brachte, fand man allerlei daran auszusetzen und der Preis wurde herabgedrückt. Mutlos und traurig schlich sie durch die heißen Straßen

sich für mich weniger um den Rechtsstandpunkt, als um den Rechtsanstand. Ich kann allerdings nicht verlangen, daß Erzberger auf diesen meinen Gefühlsboden tritt. (Große Bewegung.) Wäre der Antrag Erzberger angenommen worden, so wären die Diamantinteressenten um Hab und Gut ge­kommen. Ich bin eingetreten für die Aufrecht­erhaltung der geschloffenen Verträge, für Treu und Glauben im Verkehrswesen, für das Recht der Behörde gegenüber nicht gesetzlichen An­forderungen, dagegen, daß die Disziplinlosigkeit der Beamten im Reichstag auch noch gelobt wird, für den Schutz der berechtigten Kapitalaffociation gegenüber einer wirtschaftlichen Auffassung, durch die Tausende von Arbeitern brotlos geworden wären, gegen eine Schlechterstellung des deutschen Kapitals in den Kolonien gegenüber dem fremden Kapital, für die Unverletzlichkeit des Eigentums gegenüber den Versuchen der Konfiskation. Diese Politik der Ehrlichkeit wird das deutsche Volk verstehen, gleichviel, wie viel Staub um die Sache gemacht wird. (Lebh. wiederholter Beifall bei den Nationalliberalen und der Volkspartei, Unruhe im Zentrum.) Dr. Semler (natl ): Wir stimmen der ausgezeichneten Rede des Staatssekretärs durchaus zu. Wiemer (Vp.) bedauert die ganze Aktion gegen Dernburg. Er habe bewiesen, daß ein Kaufmann imstande sei, auch unter besonderen Umständen die Geschäfte des Reiches zu besorgen. Erzberger (Ztr.): Mit schönen Worten hat der Staatssekretär festgestellt, wofür er eingetreten ist. Wie ich nochmals konstatiere, handelt es sich darum, die leistungsfähigen großen Vermögen in den Schutzgebieten schärfer heranzuziehen, keine neuen Privilegien zu bewilligen und die alten zu beseitigen. Staatssekretär Dernburg: Ich stelle fest, daß nach den Berechnungen Erz­bergers auf einen Umsatz von 12 Millionen ein Nutzen von 16 Millionen kommt. Ledebour (Soz.): Nachdem unser Antrag, die Kriegskosten den Kolonieen selber aufzubürden,« abgelehnt ist, stimmen wir gegen die ganze Vorlage. Erz­berger (Ztr.) hält seine Berechnungen aufrecht. Wi eurer (frs. Vp.): Wir haben manchmal Ein­wendungen gegen die Politik des Staatssekretärs machen müssen, geben aber zu, daß unter seiner Leitung die Kolonialpolitik wesentliche Fortschritte gemacht hat. Nach weiterer unwesentlicher Er­örterung wird der Entwurf in der Kommisfions- faffung angenommen. Nächste Sitzung Freitag 2 Uhr.

Berlin 4. Mai. Ueber die Umflie­gung des. Straßburger Münsters be­richtet derLokalanzeiger" im Einzelnen: Der deutsche Aviatiker Wiencziers unternahm gestern abend um 7 Uhr unter ungeheurem Jubel der gesamten Bevölkerung von dem 4 dm ent­fernt gelegenen Truppenübungsplatz Polygon aus in seinem Antoinettemonoplan einen Flug um das altehrwürdige Münster, wobei er sich zeit­weilig in einer Höhe von 200 Metern bewegte und den Dom zweimal umkreiste. Für den Flug hatten Statthalter Graf Wedel, Staatssekretär

ihrer elenden Wohnung zu. Unterwegs bot eine Blumenverkäuferin ihr herrliche Rosen an.

Es ist sehr leichtsinnig, sie zu kaufen, wenn man so arm ist", dachte Frau von Randen.

Aber sie tat es doch und zahlte den für ihre Verhältnisse hohen Preis. In ihrer dürftigen Stube stellte sie die Rosen in eine schadhafte Vase, die sie von ihrer Hauswirtin erbat. Sie legte das große, von Münster L Strauß erhaltene Packet beiseite, es waren 12 Fächer und 6 Visitenkartentäschchen, die sie in drei Wochen malen sollte. Professor Beyerstein und seine Frau waren im Hochgebirge. Ein Gefühl grenzen­loser Verlassenheit schlich lähmend über Herta. Wie süß dufteten die Rosen. Der Duft erinnerte sie an Randenhagen, dort blühten wohl auch die königlichen Blumen. Heiße Sehnsucht nach dem verlorenen Heim übermannte sie. Sie legte den schmerzenden Kopf in beide Hände und weinte bittere Tränen.

Hardy, Hardy, denke dir, Irmgard Gerard ist heute weggereist!" Ines eilte dem Bruder mit diesem Ruf entgegen, als er drei Tage nach­dem die Oefen angeblasen waren, am späten Abend vom Hochofenwerk heimkehrte. .

Warum?" fragte Eiche.Sie wollte doch noch eimge Zeit in Mon RepoS bleiben." ^ ,

Ja, sie behauptet, lange genug hier gewesen zu sem, sie sehnt sich nach Abwechslung und will nach Paris gehen, dann spater eine weite Reise machen. Als sie heute auf dem Wege zur Eisenbahnstation einige Minuten hier anhielt, sagte sie es mir." (Forts, folgt.