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(Vp.). erklärte sich für den RegierungLentwurf und gegen die anderen Anträge, mit Ausnahme des Antrags Ströbel. Körner (B.K) betonte, es handle sich hier nicht um Bezirksinteressen, sondern um die der ganzen Landwirtschaft. Gegen­sätze gebe es stets bei Wahlen, am unangenehmsten seien aber die persönlichen Gegensätze, die nament­lich bei BezirkLwahlen zum Ausdruck kommen könnten. Die Proporzwahl würde praktisch, ge­recht und zweckmäßig sein. Er beantrage : Die Landwirtschaftskawmer besteht aus 40 Mitgliedern, von denen je 10 in jedem der 4 Kreise des Landes unmittelbar und durch Verhältniswahl von den Landwirten gewählt werden. Der Bauernbund werde bei den Wahlen auf alle Fälle mitmachen. Sollte der Auischußantrag angenommen werden, so könne die Mehrheit seiner Freunde ihm nur zustimmen, wenn die 12 Gau­verbandsvertreter wegfallen. Er stelle den Eventualantrag auf Streichung dieser 12 Ver­treter. Dr. Elsas (Vp.) wandte sich gegen Keil und gegen die Proporzwahl, die hier nicht angebracht sei. Redner sprach vom schwarzblauen Block. Präs. v. Payer machte darauf aufmerksam, daß Mitgliederndes Hauses keine Motive unterstellt werden dürfen, zu denen sie sich nicht selber bekennen. Minister v. Pischek führte aus: Der Proporz durchs ganze Land sei nicht angängig. Er em­pfehle sich überhaupt nicht, weil dann die Fühlung zwischen Wähler und Gewählten fehle. Der Proporz würde auch die Verständigung mit der ersten Kammer erschweren. Ganz dürfe man auch die landwirtschaftlichen Vereine nicht auf die Seite stellen. Der Zweck, die Kammer leistungsfähig und ihren Aufgaben gewachsen zu machen, werde am besten durch die Vorschläge des Entwurfs erreicht. Sommer (Z.) zog seinen Antrag zurück, da er keine Unterstützung gefunden habe. Dr. v. Kiene (Z.) erklärte, die Mehr­zahl seiner Freunde sei für den Proporz und zwar für den Antrag Körner, für den auch die Statistik der Betriebe in den einzelnen Kreisen spreche. Mit der Zuziehung von Sachverstän­digen sei er einverstanden., Diese Frage fei, obwohl nur eine Zweckmäßigkeitsfrage, doch mit- entscheidend für die Schlußabstimmung. Dr. Eisele (V.) betonte, daß auch ein Teil seiner Freunde der Verhältniswahl, wie sie Körner beantrage, zustimme. Keil (Soz.) zog seinen Antrag zu Gunsten des Antrags Körner zurück, der nunmehr lautet: Die Kammer besteht aus 40 Mitgliedern, die in den 4 Kreisen des Landes unmittelbar und durch Verhältniswahl von den Landwirten gewählt werden. Dieser Antrag wurde mit 55 gegen 23 Stimmen der Deutschen Partei und der Volkspartei bei 3 Enthaltungen (Zentrum) angenommen. Dem Antrag Ströbel wurde ebenfalls zugestimmt. Art. 4 enthält die

allgemeinen Voraussetzungen für die Wählbarkeit. Keil (Soz.) beantragte das passive Wahlrecht für die Frauen, die die Hälfte der in der Land­wirtschaft beschäftigten Personen ausmachen. Rembold-Aalen (Z.) stimmte diesem Antrag zu. Die Frau, die einem landwirtschaftlichen Betriebe vorstehe, verdiene Respekt. Keil (Soz.) betonte besonders, es sei nicht einzusehen, warum die Frau nur das aktive, aber nicht das passive Wahlrecht haben solle. Die Frau wüste gleich­berechtigt sein. Keßl er (Z.) befürwortete gleich­falls den Antrag Keil. Andre (Z.) bezeichnete es als Aufgabe der Kammer, das hauswirtschaft- liche Bildungswesen zu fördern. Er sei für das passive Wahlrecht der Frauen. Der Antrag wurde mit 43 gegen 27 Stimmen angenommen. Art. 5 wurde zmückgestellt. Nach Art. 6 sind wahlberechtigt: Eigentümer, Nutznießer und Päch­ter von Grundstücken, die die Landwirtschaft im Hauptberuf ausüben, ferner solche, die sie im Nebenberuf ausüben, sofern das Grundsteuer- kapital mindestens 300 beträgt. Der Aus­schuß beantragte 200 ler Abg. Sommer (Z.) 150 Maier-Rottweil (Z.) trat für die Kleinbauern ein. Haußmann (V.) wachte darauf aufmerksam, daß Mann und Frau zugleich Eigeniümer sein können. Minister v. Pischek erklärte, der Entwurf gehe davon aus, daß für eine Grundfläche nur eine Stimme abgegeben weiden könne. Keßler (Z.) mußte wie gestern ermahnt werden, zur Sache zu sprechen. Er wünschte die Verweisung des Artikels an den Ausschuß. Dr. v. Kiene (Z.) beantragte die Einschaltung: Ein mehrfaches Wahlrecht für die­selben Grundstücke ist ausgeschlossen. Hier wurde abgebrochen. Morgen Fortsetzung.

Stuttgart 27. April. Das Stadtpolizei­amt teilt zu dem Diebstahl im Bahnhof folgende Einzelheiten mit:Am Montag wurden aus einem Kastenraum der Bahnhofverwaltung hier 2800 gestohlen. Der in Betracht kommende Raum befindet sich im Hauptbahnhof Ecke der Friedrich- und Schloßstraße im Erd­geschoß. Der Diebstahl muß ungefähr in der Zeit zwischen 1 und ^<2 Uhr nachmittags begangen worden sein. Etwa um 1 Uhr hatte ein Auf- wärter die Türe in den Kassenraum noch ver­schlossen gefunden, während das Schloß zurück­gedreht war, als er um °/4 2 Uhr wieder kam. Inzwischen muß das Schloß mit einem Nach­schlüssel aufgesperrt worden sein, denn der Auf­seher trug den richtigen Schlüssel in der Tasche. Das gestohlene Geld befand sich in zwei je 30 em langen, 20 ein breiten, 15 am hohen verschlossenen und plombierten eisernen Geld­kassetten, die Schiebdeckel und einen beweglichen Handgriff haben. Die Geldrollen tragen den Aufdruck oder StempelKgl. Bahnstation Böb­

lingen" oderKgl. Bahnstation Vaihingen a. F.". Das Geld wurde samt den Kastelten gestohlen, wahrscheinlich wurde außerdem noch eine leere Sammelkassette mit nach oben ausgehendem Deckel mitentwendet. Die Nachforschungen werden mit Energie betrieben. Die Bahnverwaltung hat für die Entdeckung des Täters eine Belohnung von 100 ^ ausgesetzt.

Stuttgart 27. April. (Schöffengericht.) Der Sitzungssaal des Schöffengerichts bildete heute ein großes Lager von Haushaltungsgegen­ständen, die von Diebstählen herrührten und zu deren Herbeischaffung es eines Pritschenwagens bedurfte. Alle die Gegenstände gestohlen zu haben, war der verheiratete Packer Karl Sautter beschuldigt. Sie wurden bei ihm bei einer Haussuchung gefunden. Den größten Teil der Gegenstände hat er nachgewiesenermaßen einer hiesigen Firma, bei der er angestellt war, aus deren Magazin gestohlen. Der Wert dieser Gegenstände wurde auf 500 angegeben. Der Angeklagte will die Gegegenstände gekauft haben, er wußte aber von keinem anzugeben, was es gekostet hat. Er hatte einen bescheidenen Verdienst. Einen Teil der gestohlenen Sachen hat er verkauft. Für viele Gegenstände hätte er in seinem Haushalt keine Verwendung gehabt. So wurden bei ihm nicht weniger als 36 Obst­messer gefunden. Unter den im Sitzungssaal angehäuften Gegenständen befanden sich eine Waschmaschine, eine Mange, ein Petroleumofen usw. Sautter hat außerdem noch zwei andere Firmen bestohlen. In diesen Fällen handelt es sich um Werkzeug. Das Schöffengericht ver­urteilte den Angeklagten zu 7 Monaten Gefängnis abzüglich 1 Monat Untersuchungshaft. Er befand sich seit 8. Januar in Untersuchungshaft.

Ludwigsburg 26. April. Gestern nach­mittag geriet auf der Hohen Stange ein Auto­mobil, das Stuttgarter Herren gehörte, infolge Defekts der Benzindruckleitung in Brand und wurde, da es an geeigneter Hilfe fehlte, völlig zer­stört. Verunglückt ist niemand.

Heilbronn 27. April. Der Schultheiß Bosch in Stockheim, der mit Hypotheken- schwindeleicn 264000 ^ unterschlagen und Staat und Private um ein schönes Stück Geld gebracht hat, hat im Untersuchungsgefängnis in Heilbronn nun einen Kollegen zur Gesellschaft bekommen, der auf die gleiche Weise, nur in noch höherem Maße, sich Geld erschwindelt hat: Schultheiß Benz von Löchgau OA. Besigheim, hat auch das System Bosch's betrieben und auf diese Weise, lt.Neck.-Ztg.", gegen 300000 ^ ver­untreut. Und der Fall Bosch war es auch, der diesen Schwindel zutage gebracht hat. Durch die Unterschlagungen Boschs aufmerksam gemacht,

entstand unter den fleißigen Frauenhänden. Frau Gerald war Feuer und Flamme bei allem. Sie hatte eine zierliche, weiße Latzschürze vor­gebunden, ihr stets peinlich frisiertes Haar hing etwas wirr in die Stirn, als Bernhard eines Tages seine Schwester und Luise abzuholen kam.

Wollen Sie auch arbeiten, Herr Baron?" fragte Irmgard munter, wir können Hilfe brauchen."

Sie waren allein im Salon, wo Irmgard etwas holen wollte. Noch nie war sie ihm so hausfraulich reizend erschienen. War dieses wieder eine neue Laune ihres eigenartigen Wesens? Wie oft wechselten bei ihr Stimmungen und Gefühle! Unter seinem bewundernden Blick errötete sie und senkte die Wimpern.

Gnädige Frau", sagte der Hochofenchef,ich möchte gern etwas zu der Weihnachtsbescherung unserer Armen beitragen. Wollen Sie mein bescheidenes Scherflein freundlich empfangen und es nach Gutdünken an­wenden? Ich denke, daß wir in dieser Sache Hand in Hand gehen."

Er zog seine Brieftasche hervor und reichte ihr einen Hundertmark­schein. Irmgard nahm ihn entgegen.

Ich danke Ihnen," sagte sie,aber ist's nicht zu viel."

Dunkel stieg ihm das Blut ins Gesicht.Das ist, denke ich, meine Sache," sagte er schroff.Sie wollen mir andeuten, daß ich der arme Hochofenchef bin. Es bedurfte dessen nicht; ich vergesse meine Stellung Ihnen gegenüber nicht."

Warum mißdeuten Sie alles, was ich sage?" rief Irmgard ärger­lich.Sie tun mir unrecht, auch in diesem Fall, wir verstehen uns nicht."

Sie ging gekränkt davon. Bernhard sah ihr nach. Ein seltsames Gefühl von Bedauern und Groll wühlte in seinem Herzen. Tat er dieser Frau unrecht? Woraus entsprangen diese häufigen Reibereien? An wem lag die Schuld? An ihm oder an ihr? Und wieder war es dem Chef der Hochöfen von Rößlingen, als stehe er unter dem Banne zweier spöttischer Augen. Sie schauten aus breitem Goldrahmen auf ihn nieder. Heute

war Bernhard von der Eiche allein im Salon Frau Geralds. Er konnte vor das Bild des Mannes treten, dessen Namen sie trug, dessen Reichtum ihr gehörte, der die meisten Aktien des Werkes hinterlassen hatte. Mußte Eiche nicht für diesen Moloch arbeiten, setzte er nicht in gewaltiger An­strengung die besten Kräfte seiner blühenden Mannesjahre an? Und wie er unter dem Bilde Gerards stand, durchzuckte es ihn:Ich habe ein ihm ähnliches Gesicht gesehen, nicht im Leben, auf einer Photographie, aber es war jung und die Jahre hatten noch nicht ihre eiserne Schrift darauf geschrieben. Das Bild sah ich als Knabe im Album meiner Mutter, später nicht mehr. Ist es eine zufällige Ähnlichkeit? Ist es eine Täuschung meiner Phantasie? Ist es, kann es Wirklichkeit sein?"

Bernhards Grübeln wurde durch Ines unterbrochen.

Wir sind heute fertig, Luise und ich begleiten dich!"

Frau Gerard bat, den Abend zu bleiben. Keine Spur von Erregung haftete ihrem streng beherrschten Wesen an.Ich habe noch eine geschäft­liche Korrespondenz zu erledigen," entgegnete Eiche,die Sache ist dringend, gnädige Frau."

Empfindlich?" Irmgards Lippen formten kaum das Wort.

Er verstand es fast nur an der Bewegung des Mundes; mit einer tadellosen höflichen Verbeugung empfahl sich der Hochofenches. Luisens munteres Geplauder brachte ihn auf andere Gedanken. Er verglich sie mit Irmgard und kam zu dem Schluß, daß diese viel weniger liebenswert sei, als der Schwester Freundin? Liebenswert? War sein Herz erwacht? Begann cs zu schlagen in Liebeslust und Liebesleid, und nach welcher Seite neigte es sich?

Die reiche Frau würde ihre Schätze nie aufgeben, auch wenn sie einem Manne in Liebe zuneigte, somit wäre dieses Gefühl nicht goldecht, und alles andere niederzwingend. Nein, nein, fort mit diesem Interesse an der Frau, die ihm immer rätselhafter erschien.

(Fortsetzung folgt.)