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erneuerte und ausstattete. Immerhin wird es der Aufklärung bedürfen, ob nur durch diese Umstände die große Summe verschlungen wurde, um die es sich handelt. Die Betrügereien hat Bosch u. a. auf Grund von Hypothekengeschäften verübt; so hatte er in einem Falle in Verbindung mit seiner amtlichen Eigenschaft bei einem der genannten Geldinstitute eine fingierte Hypothek auf den Namen eines Bekannten ausgenommen und Zins und Ziel lange Zeit gezahlt, bis durch eine unterlassene Zahlung in letzter Woche die Sache ins Licht kam. In welchem Umfang diese Manipulationen sich wiederholten und welche weitere dazukommen, wird die Untersuchung er­geben. Er gibt zu, daß die Verfehlungen auf Jahrzehnte zurückreichen. Zur Aburteilung wird Bosch voraussichtlich seiner Zeit vor das Heilbronner Schwurgericht kommen.

Böhmenkirch OA. Geislingen 18. April. Durch dm Brand wurden 74 Familien obdach­los und 73 Happt- sowie 6 Nebengebäude ver­nichtet. Für Unterkunft und Unterhalt der Ab­gebrannten und für Unterbringung des Viehs ist vorläufig gesorgt. Als Hilfskomitee wird, lt. Staatsanzeiger", ein örtliches Komitee in Böhmenkirch in Tätigkeit treten, während dem Vezirkswohltätigkeitsverein Geislingen unter Zu­wahl weiterer Herren die Aufgaben des größeren Komitees zukommen sollen. Von der Zentral­leitung des Wohltätigkeitsvereins wird Einleitung zu einer Landesfarrmlung getroffen werden. Das Hilfskomitee wird mit seiner Tätigkeit sofort beginnen; am Brandort wird auf Weisung des Ministers v. Pischek Bauinspektor Frost in nächster Zeit tätig sein, um die Gemeinde bei Feststellung des Ortsbauplanes und wegen der sonst erforder­lichen technischen Maßnahmen zu beraten. Den Gemeindekollegien von Böhmenkirch sprach der Minister in herzlicher Weise seine wärmste Anteil­nahme an großen Unglück aus, versicherte sie der weitgehendsten Fürsorge der Regierung und gab ihnen die zu treffenden Maßnahmen bekannt.

Böhmenkirch OA. Geislingen 18. April. Am gestrigen Sonntag war der Fremden­verkehr hier geradezu ungeheuer. Auf der Nebenbahn von Süßen nach Weißenstein ver­kehrten 30 Züge, darunter 14 Extrazüge. Auch von Stuttgart her direkt kamen mehrere Sonder­züge. Die Zahl der Besucher wird auf mehr als 20 000 geschätzt.

Geislingen 18. April. Durch eine einstürzende Mauer in Böhmenkirch ist gestern ein alter Mann aus Treffelhausen so schwer verletzt worden, daß er bald darauf starb.

Berlin 18. April. (Reichstag.) Vor Eintritt in die Tagesordnung widmet Präsident

Graf Schwerin-Löwitz dem verstorbenen Grafen Oriola einen warm empfundenen Nachruf. Das Haus ehrt sein Andenken durch Erheben von den Plätzen. Der Präsident teilt ferner mit, daß Staatssekretär Delbrück erkrankt sei. Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung einer Reichsversicherungsordnung. Spahn (Ztr.): Die Tragweite der Vorlage auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet ist so groß, daß die­selbe noch vor dem 1. Januar nächsten Jahres verabschiedet werden muß. Zu begrüßen ist vor allem, daß ein einheitlicher Unterbau für die drei großen Versicherungsarten geschaffen werden soll. Dem Vorentwurf stehen wir vorbehaltlich von Einzelheiten, betr. die Versicherungsämter, sym­pathisch gegenüber. Der Entwurf läßt die Oualifikalionsansprüche an die Kafsenbeamten unberührt. Auch fehlt es an einer Dienstordnung für dieselben. Die Regelung des Verhältnisses zwischen Aerzten und Kaffe bedarf eingehender Beratung. Ssickert (kons.): Wir werden kräftig Mitarbeiten, um das Versprechen der Ver­einfachung des Versicherungswesens auszulösen. Im einzelnen haben wir gegen den vorliegenden Entwurf Bedenken, die von der Kommission ge­prüft werden sollen. Die Invalidenversicherung auch für Hausgewerbetreibende ist streng zu ver­langen. Horn (natl.): Mit der Amdehnung der Versicherungspflicht auf die ländlichen Ar­beiter sind wir einverstanden, ebenso mit der auf die Hausgewerbetreibenden. Die Forderung, daß Personen mit mehr als 2000 Jahres- verdienst von der Versicherung ausgeschloffen werden sollen, halten wir nicht für sozial. Mit den Aerzten dürfte eine Verständigung über die Behandlung solcher freiwillig versicherten Personen leicht zu treffen sein. Mugdan (sortschr. Vp.): Reine Freude hat der Entwurf nirgends aus­gelöst. Wozu sollen eigentlich Landkaffen ein­gerichtet werden? Die Landarbeiter bekommen keinerlei Selbstverwaltung und ihre Entrechtung wird die Landflucht weiter fördern. Durch Zu­sammenlegung der Kreiskaffen für Stadt- und Landkreise muffen große leistungsfähige Kaffen geschaffen werden. Die Maßnahmen in dem Entwurf gegen die freien Hilfskassen kommen einer Erdrosselung dieser Kaffen gleich. Der seit Jahren angestrebte gemeinsame Unterbau ist gar nicht erreichbar, weil die Versicherungsarten zu verschieden sind. Die Versicherungsämter bringen die Erfüllung dieses Wunsches nicht. Bei der Feststellung der Unfallentsckädigung sollten auch die Arbeiter gehört werden. Die Ver­einfachung des Versicherungswesen ist durch den Entwurf nicht geglückt. Molkenbuhr (Soz.): Der Umfang des gänzlich unübersichtlichen Ent­wurfs steht im umgekehrten Verhältnis zu seinem Wert für die Arbeiter. Die Stellung der heute

schon Versicherten ist sogar vielfach verschlechtert worden. Es hätte ein einheitliche« Volks­versicherungsgesetz geschaffen werden müssen. Wir wollen natürlich schnellste und gute ärztliche Hilfe, aber keine übertrieben hohen Honorare. Völlig unverständlich ist es, daß die Heimarbeiter bei der Jnvaliditätsversicherung nicht berücksichtigt werden sollen. Die Witwen- und Waisen­versorgung ist geradezu eine Karikatur von dem, was sie sein sollte. Man schaffe einen inter­nationalen Wettstreit auf sozialpolitischem Gebiet. Für Heeresforderungen ist immer Geld vorhanden. Weilerberatung morgen mittag 12 Uhr. Schluß gegen 6'/- Uhr.

Köln a. Rh. 18. April. Die lenkbaren Luftschiffe LI I und ? II stiegen heute vor­mittag 10.45 Uhr bezw. 11.10 Uhr auf, machten einen Abstecher in die Eifel bis Euskirchen und kehrten nach dieser Fahrt um 2'/- Uhr nachmittags zurück. 2 11 stieg 10.55 Uhr auf, war 1.35 Uhr über Düren und fuhr nach Aachen, wo er eine halbe Stunde kreuzte, besuchte Waal in Holland, kehrte dort um, war 3.25 Uhr über Jülich und kreuzte gegen 5 Uhr in großer Höhe über Köln.

Erfurt 18. April. Wie jetzt bekannt wird, hatte der BallonErfurt", der gestern in Arnstadt aufgestiegen ist, eine sehr schwierige Landung. Zwei Insassen wurden aus der Gondel geschleudert, ohne, soweit bekannt, nennenswerte Verletzungen davonzutragen. Der Führer des Ballons, Direktor Hermann, erlitt einen doppelten Beinbruch.

Erfurt 16. April. Das Reicksgericht hatte zweimal das Todesurteil gegen den Glas­bläser L utz aus Fricdcrsdorf aufgehoben. Gestern abend würbe der Angeklagte nun zum dritten­mal zum Tod verurteilt. Er wurde für schuldig gefunden, den Forstaufseher Walter er­schossen zu haben und einen Wilddiebstahl im Forst Gehren ausgeführt zu haben. Das Schwur­gericht verurteilte den Angeklagten zum Tod und zu 3 Jahren Zuchthaus.

Eschwege 18. April. (Das Unglück be Reichensachsen.) Die Untersuchnng der Hülle des BallonsDelitzsch", die die gestern in Reichensachseneingetroffenen Vertreter des Vereins für Luftschiffahrt in Bitterfeld vorgenommen haben, ließ mit Sicherheit erkennen, daß das Unglück nicht durch Blitzschlag herbeigeführt worden ist. Der Ballon ist infolge der in der Nacht zum Sonntag im Werratale herrschenden Gewitter in eine starke vertikale Luftströmung geraten und von dieser zur Erde gerissen worden. Die Insassen versuchten, durch Auswerfen von Ballast aus dem Bereiche des Gewitters zu kommen. Dem starken Widerstand der Luft­strömung hielt aber die Ballonhülle nicht stand

hatte er doch dieses Gesicht früher gesehen? Vor vielen Jahren, als er noch ein Kind war?

Sie sehen das Bild meines Mannes an, Herr Baron", sagte Frau Gerard. Es ist sprechend ähnlich und von Lenbach gemalt. Sie scheinen Kunstkenner zu sein, da Sie es so eingehend betrachten.";

Wenn auch nickt gerade das, gnädigste Frau," entgegnete Bern­hard,so bewundere ich die karakteristische Auffassung, in der Lenbach Meister ist."

Es knüpfte sich an diese Aeußerung ein Gespräch, über Kunst und Malerei, das Ines unterbrach, indem sie sagte:

Herta müßte jetzt hier sein. Sie als Malerin könnte mehr mit­sprechen, als ich als armes, unwissendes Hausmütterchen."

Bernhard sah seine Schwester so liebevoll an, daß sie ihm gern um den Hals gefallen wäre.

Barry fühlte sich hier als verzogener Liebling. Er lag zu Frau Geralds Füßen und hob hin und wieder den Kopf zu ihr empor; dann streichelte die feine Frauenhand das weiche Fell des Hundes.

Wie ich sehe, ist Barry hier enkunk Aale", bemerkte Eiche.

Gewiß, Herr Baron. Neulich hat er Ines und mich auf einem Spaziergange gegen einen Italiener verteidigt. Der schwarze Kerl hätte leickt zudringlich werden können, ergriff aber schleunigst das Hasenpanier, als der braune Barry aus dem Gebüsch brach und ihn anfiel; wir hatten Mühe, ihn zurückzurufen."

Die Obstdiebe verscheucht er auch in der Nacht," sagte Ines,ich fürchte immer, daß sich einer oder der andere rächt."

Das könnte leicht sein," bemerkte Bernhard.Diesen Italienern traue ich es zu, daß sie schon aus Rache gegen mich mir den Hund ent­weder erdolchen oder vergiften."

Als die Geschwister sich empfahlen, bat sie Frau Gerard, zum Diner um sieben wiederzukommen."

Lassen Sie mir Ihre Schwester jetzt schon Heer, Herr Baron," bat

Frau Gerard.Ich hoffe, sie hilft mir beim Schmücken der Tafel und leistet mir Gesellschaft."

Aber gewiß, gnädige Frau," erwiderte Bernhard zuvorkommend.

Als der Hcchofcnchef nachmittags auf das Werk ging, sagte ihm der Generaldirektor, daß er in dringenden Geschäften sofort nach Köln reisen muffe.Ich bedaure wirklich, es nicht aufschieben zu können," bemerkte Müller,ich wäre heute abend gern in Mon RepoS gewesen, aber mein Zug geht um sieben fort, und ich muß ihn benutzen. Nun werden Sie wohl meine Stelle vertreten und Frau Gerard zu Tisch führen. Sie erwartet übrigens Besuch."

Als Bernhard schwieg, erzählte der etwas schwatzhafte alte Herr, daß der Vetter Irmgards, Graf Frauenfeld aus Livland, heute mit dem Fünf­uhrzuge aus Straßburg erwartet werde.

Er ist einer der reicksten Majoratsherren des Baltenlandes; man glaubt, daß er sich um seine schöne Cousine bewirbt. Nun, vielleicht nimmt sie ihn zum Galten, obgleich sie durch eine zweite Ehe ihr Vermögen nach des alten Gerard Bestimmung verlieren würde."

Bernhardt tat, als interessiere ihn diese Mitteilung nicht, aber die ganze Zeit beschäftigte er sich mit der Frage.Würde sie ja sagen? Könnte sie einen Mann so lieben, daß sie alles um seinetwillen aufgibt? Müßte derjenige, der dieses stolze Frauenherz zu erobern versteht, nicht grenzenlos glücklich zu preisen sein?"

Daß Irmgard unter der Maske kühler Zurückhaltung ein warm pulsierendes Herz barg, hatte ihr seelenvolles Klavierspiel verraten. Und zeigte es nicht der Blick ihrer Augen, wenn etwas sie erregte? Warum spielte sie eine Komödie, die Bernhard durchschaute, die ihn nicht täuschen konnte? Er war gespannt, den Grafen kennen zu lernen; er fürchtete, daß Frauenfeld Frau Gerards Tischherr sein werde. So nur als Nol- nagel zu dienen, war Eiche ein peinlicher Gedanke.

(Fortsetzung folgt.)