366
unschuldigen Verurteilung erwähnt, jedoch andererseits darauf hingewiesen, daß selbst im Falle der Freisprechung ein kirchliche« Disziplinarverfahren gegen Bauer Nachfolgen werde, und vor allem betont, daß man den Spruch des weltlichen Gerichts unter allen Umständen respektieren muffe. Diese Worte seien von keinem der vernommenen Zuhörer als einseitige Stellungnahme für Bauer aüfgefaßt worden, sie sollten vielmehr offensichtlich lediglich zur Beruhigung der durch den Fall aufs äußerste erregten Schramberger Bevölkerung dienen. Zu der Verhandlung waren als Zeugen geladen: Graf Ferdinand von Bisfingen-Nippenburg, Rentamtmann Haaga, Oberlehrer Bregenzer, Kauftnann Ludwig Eisenhardt, Stadlschultheiß Paradeis und Stadtpfarrer Gageur von Schramberg. — Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Heusel, gab zu Beginn der Verhandlung namens des Angeklagten die Erklärung ab, daß Bild und Text nicht von diesem herrühren, daß er aber die gesetzliche Verantwortung übernehme, daß er mit dem Text und Bild keine Beleidigung aussprechen wollte, sondern nur einen Tadel dafür, daß der Bischof für Stadtpfarrer Bauer eingetreten sei, und daß dieses Eintreten den allgemeinen Schluß rechtfertige, der Bischof sei sittlichen Verfehlungen von Geistlichen gegenüber zu mild. Es wurde sodann das Urteil der Rottweiler Strafkammer im Fall Bauer verlesen. Während der Verlesung war die Oeffentlichkeit ausgeschloffen. Rechtsanwalt Heusel hatte beantragt, wenigstens die Vertreter der Presse dabei zuzulaffen. Am Tag vor der Verhandlung gegen Bauer fand bekanntlich in Schramberg anläßlich der Firmung eine Männerversammlung statt, in der der Bischof eine Rede hielt und auf den Fall Bauer zu sprechen kam. Mehrere Zeugen, die der Versammlung angewohnt haben, sprachen sich über den Inhalt der Rede aus. Es wurde bekundet, der Bischof habe u. a. gesagt, daß er auch im Falle der Freisprechung sich veranlaßt sehen würde, die Gerichtsakten einzuverlangen und ein Disziplinarverfahren gegen Bauer einzuleiten. In dem Zeitungsbericht über die Versammlung war dieser Passus absichtlich weggelaffen. Generalvikar von Ege bekundete, dem Ordinariat sei über sittliche Verfehlungen des Stadtpfarrers Bauer vor Erscheinen der Zeitungsartikel lediglich nichts bekannt gewesen. Das Ordinariat sei von der Unschuld des Bauer überzeugt gewesen. Seine Suspension sei erst erfolgt, als ein Haftbefehl gegen ihn ergangen sei. Stadtpfarrer Bauer habe, als er vom Dekanat aufgefordert worden sei, sich auf die Anschuldigungen zu äußern, in Zeitungen erklärt, daß er unschuldig sei. Nach der Zeugenvernehmung wurde sodann verlesen, was in der Kammer der Ageordneten über den Fall Bauer ausgesprochen wurde. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Heusel, stellte den Antrag, Akten des Ordinariats und der Staatsanwaltschaft beizuziehen, angeblich zum Beweis dafür, daß das Ordinariat in einigen Fällen von behaupteten sittlichen Verfehlungen von Geistlichen nicht mit der nötigen Strenge vorgegangen sei. Das Gericht lehnte den Beweisantrag als ganz unerheblich ab. — Nach der Mittagspause begannen die Plaidoyers. Staatsanwalt Elwert beantragte, den Angeklagten wegen Beleidigung und übler Nachrede zu verurteilen. Dem Bischof werde der Vorwurf der Begünstigung von Sittlichkeitsverbrechen, der Pflichtverletzung und der Zeugenbeeinflussung gemacht. Daß der Bischof einseitig Partei für den damals wegen Sittlichkeitsverbrechens vor der Aburteilung stehenden Stadtpfarrer Bauer ergriffen habe, sei nicht erwiesen, vielmehr das Gegenteil. Der Bischof habe davon gesprochen, daß selbst im Falle der Freisprechung ein kirchliches Disziplinarverfahren gegen Bauer erfolge» werde. Das Bild habe nicht nur in katholischen, sondern auch in protestantischen Kreisen Aergernis hervorgerufen. Der Antrag des Staatsanwalts lautete auf drei Monate Gefängnis und Publikationsbefugnis. Der Vertreter des Nebenklägers, Rechtsanwalt Schilling, erhob gegen den SimplizissimuS den Vorwurf, daß er die Herabwürdigung jeder kirchlichen und staatlichen Autorität als Geschäftssache betreibe und wie» auf die Charakteristik des SimplizissimuS in dem Schauspiel „Oaha" von
Frank Wedekind, der die Verhältnisse genau kenne, hin. Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Heusel, wies eingangs seines Plaidoyers die Angriffe gegen den Simpli- ziffimuS zurück und bezeichnet« in seinen weiteren Ausführungen den Stadtpfarrer Bauer als Wüstling. Die Tendenz, Bauer zu schonen, habe den Bischof veranlaßt, für ihn einzutreten. Der Bischof habe in die Rechtssprechung eingegriffen. Das Eintreten für Bauer sei geschehen aus kirchlich-politischen Gründen. Der Bischof hätte es unterlassen, durch seine Ausführungen Zweifel an der Rechtsprechung hervorzuheben. Er fei zu mild gegen Bauer gewesen. Der Verteidiger beantragte Freisprechung, da der Wahrheitsbeweis gelungen sei und eine formale Beleidigung nicht vorliege. Rechtsanwalt Schilling wies darauf hin, daß der Bischof vor der Verurteilung Bauers wiederholt um die Gerichtsakten gebeten, sie aber nicht bekommen habe. Des weiteren widerlegte er nachdrücklich die von Rechtsanwalt Heusel gegen das bischöfliche Ordinariat erhobenen Vorwürfe der Begünstigung Bauers und wies nach, daß es die Pflicht des Bischofs gewesen fei, durch eine Ansprache auf diejenige Kreise beruhigend einzuwirken, die an die Schuld Bauers nicht glaubte und heute noch nicht glauben. Das Urteil wird Freitag, 15. April, verkündigt.
Crailsheim 8. April. Ein skandalöser Auftritt hat sich in einem Hause der Spitalstraße abgespielt. Die dort wohnenden Schuhmachersleute waren mit einander in Streit geraten, in dessen Verlauf der verwitwete Schuhmacher B. zum Revolver griff und auf die in ihre Wohnstube flüchtende Ehefrau des andern einen Schuß abgab, der aber fehl ging. Die Kugel blieb in der Stubentüre stecken. Der Täter wurde ins Amtsgerichtsgefängnis eingeliefert.
Aus der Baar 8. April. Eine reichliche und dabei billige Fischmahlzeit suchten sich bei Pfohren Italiener, die an der Wasserleitung in Tiergarten beschäftigt sind, zu verschaffen. Sie warfen zu diesem Zweck Dynamit in die Donau, das denn auch seine Schuldigkeit tat. Die Fischdiebe waren so in ihre Arbeit vertieft, daß sie das Nahen von Personen nicht bemerkten und von diesen auf frischer Tat ertappt und zur Anzeige gebracht wurden.
Berlin 7. April. Im Befinden des Fürsten Eulen bürg, der sich z. Zt. in Liebenberg aufhält, ist wieder eine Verschlimmerung eingetreten. Seit einigen Tagen ist zu seinem sonstigen Leiden ein Gichtanfall gekommen, der den Patienten fast jeglicher Bewegungsfreiheit beraubt. Zunächst ist Fürst Eulenburg, der auch an einem Luftröhren-Katarrh leidet, an das Bett gefesselt und nicht in der Lage, das Zimmer zu verlassen.
^Hamburg 8. April. Der Färbereibes. Dankward aus Hildesheim hatte sich vor der Strafkammer unter der Anschuldigung zu verantworten, daß er während des vorjährigen deutschen Bundesschießens den Kaufmann Schmidt aus Gebesee fahrlässig getötet habe, weil er sein Gewehr nicht vorschriftsmäßig gehandhabt habe. Weil aber dem Angeklagten die Fahrlässigkeit nicht nachgewiesen werden konnte, kam das Gericht zu einem Freispruch.
London 8. April. Wie gemeldet wird, sollen die Heimatflotte und die atlantische Flotte in diesem Monat eine Kreuzfahrt in der Nordsee veranstalten. Die vereinigten Streitkräfte umfassen 22 Schlachtschiffe, 13 Panzerkreuzer, 10 geschützte Kreuzer und Spähschiffe, 50 Zerstörer, 6 Werkstattschiffe und 20 Unterseeboote. Unter den Schiffen sollen sich mindestens 10 Dreadnoughts befinden.
London 8. März. Auf dem neuen Paffagierdampfer Carmona, der nach Portland im Staat Maine fuhr, brach mitten im Aermel- kanal Feuer in den Kohlenkammern aus, das das Schiff, das 900 Passagiere an Bord hatte, zu zerstören drohte. Der auf der Fahrt nach Neufundland befindliche Dampfer Kamwah nahm die Paffagiere des bedrohten Schiffes auf. Dabei spielten sich aufregende Szenen ab. Aus Dover wird bekannt, daß viele der dort gelandeten Paffagiere Verletzungen aufwiesen.
KuLomatenschrvindel.
Seit einigen Jahren, besonders aber in der letzten Zeit, lassen gewisse Berliner Firmem durch Reisende oder Agenten Warenautomaten in der Weise vertreiben, daß zwar der Automat unentgeltlich geliefert wird, daß aber von den Abnehmern die Füllungen zu bezahlen sind. Der Automat bleibt bis zur Abnahme der bestellten Füllungen Eigentum der .liefernden Firma. Darin wäre an und für sich noch keine unlautere Handlung zu erblicken. Aber der Schluß- schein, den die Abnehmer bei der Bestellung unterschreiben muffen, lautet über ein so großes Quantum der zur Füllung der Automaten bestimmten Waren, daß es Jahre lang dauert, bis die Abnehmer, bei denen der Automat aufgestellt ist, die nach dem Schlußscheine abzunehmenden Füllungen verkauft oder — nicht verkauft haben, wenigstens stellt der Kaufpreis der gesamten bestellten Füllungen einen außerordentlichen hohen, für die Abnehmer meist unerschwinglichen Betrag dar, der meist in unverhältnismäßig kürzerer Zeit, als im regelmäßigen Geschäftsgänge die gelieferten Waren verkauft werden können, und zwar nach einer kurzen Zahlungsfrist in ungeteilter Summe oder unter Einhaltung mehrerer, zu dem Absatz der Waren in keinem Verhältnisse stehenden kürzeren Zahlungsfristen zu bezahlen ist. Die Abnehmer dieser Automatenfüllungen, meist kleinere Gewerbetreibende, besonders alleinstehende Frauen, die ein kleines offenes Geschäft betreiben, lerne» beim Abschluffe des Geschäfts den Inhalt des Schlußscheines nicht kennen. Der Schlußschein wird ihnen von dem Reisenden oder Agenten nicht ordnungsgemäß vorgelesen; wenn jemand ihn aber selbst lesen will, wird er fortgesetzt von dem Reisenden unterbrochen, damit er die in dem Schlußscheine aufgeführten großen Warenmengen oder die versteckten Geschäftskniffe — u. a., daß Berlin als Erfüllungsort zu gelte« habe — nicht wahrnimmt. Es wird den Leuten meist versprochen, daß der Automat unentgeltlich geliefert werde, und ihnen die Sache so dargestellt, als ob sie nur wenige Tafel» Schokolade — um solche handelt es sich zumeist — täglich zu verkaufen brauchten, um Eigentum an dem Automaten zu erwerben.
ES sind dem Deutschen Zentralverbande für Handel und Gewerbe (mit dem Sitze in Leipzig) eine Anzahl Fälle bekannt geworden, wo derartige kleine Gewerbetreibende, durch die drückenden Zahlungsverpflichtungen, die zu ihren Einnahmen in gar keinem Verhältnisse stehen, um ihre Existenz gebracht worden sind. Von den Berliner Gerichten — in Berlin pflegen die fraglichen Firmen zu klagen, weil Berlin als Erfüllungsort in den Schlußscheinen bezeichnet ist — sind, soweit uns bekannt ist, die beklagten Gewerbetreibenden fast immer zur Abnahme der Waren und zur Zahlung der über ihre Mittel hinausgehenden Kaufsumme verurteilt worden. Der Einwand, daß ein solches Geschäftsgebaren gegen die guten Sitten verstoße und darum das Kaufgeschäft als nichtig anzusehen sei, wird in der Regel als unbeachtlich zurückgewiesen. Auch die Staatsanwaltschaften versagen meist gegenüber diesen GeschäftSmani- pulationen geriffener, gewissenloser Elemente. Es sei deshalb jedermann gewarnt, sich mit derartigen Automatenschwindlern in Geschäfte ein- zulaffen. (Geschäftswehr.)
Standesamt Calw.
Geborene.
1. April. Margarete Wilhelmiue, T. d. Karl
Waidelich, RößleSwirtS.
7. „ Adolf, S. d. Gottlieb Schroth, Marmor
schleifers.
Getraute.
2. April. Josef Stoßberger, Sattler und Emma
Karoline Beißer von hier.
2. „ Eugen Gengenbach, Goldarbetter und
Amalie Schlaich, beide von hier. Gestorbene.
3. April. Friederike Emilie, T. d. Wilhelm Engel
hardt, EisenbahnbremseiS, 2 Jahre 5 Monate alt.
4. „ Theodor Voelter, RegierungSrat, 62
Jahre alt.