358
einen Offizier und einen Burschen zugewiesen. Den Ortsvorsteher hatte man im Verdacht, daß er eigenmächtig Aenderungen bei der Verteilung getroffen habe. Der Amtsdiener hatte auch keine Einquartierung, obgleich er begütert ist. In einem in der „Schwäb. Tagwacht" erschienenen Bericht über eine Versammlung des Arbeitervereins Schwaikheim wurde dem Schultheißen Pfeiffer ungerechte Verteilung der Quartierlast vorgeworfen. Schultheiß Pfeiffer erhob Beleidigungsklage gegen den verantwortlichen Redakteur der „Schwab. Tagwacht", Karl Sauerbeck. Die Beweisaufnahme gestaltete sich aber zu Gunsten des Angeklagten. Der Nebenkläger mußte sich von dem Verteidiger, Rechtsanwalt Christlieb, sagen lassen, daß der Ortsvorsteher in erster Linie die Pflicht habe, solche außergewöhnliche Lasten auf sich zu nehmen. Der Vertreter der Anklage stellte auf Grund der Beweisaufnahme die Schuldfrage in das Ermessen des Gerichts. Das Schöffengericht erkannte nach kurzer Beratung auf Freisprechung unter Uebernahme der Kosten auf die Staatskasse.
Stuttgart 6. April. (Luftschifffahrt und Aviatik.) Aus Köln verlautet, daß die Militärverwaltung für Flurschäden nicht aufkommt, die durch das Betreten von Feldern bei den bevorstehenden Luftschiffübungen durch das Publikum angerichtet werden, ferner nicht für Unglücksfälle, die dadurch herbeigeführt werden, daß das Publikum den Aktionsraum der Luftschiffe nicht freiläßt. Insbesondere werden Ellern im Interesse ihrer Kinder gewarnt, diese nicht unbeaufsichtigt zu lasten, da sie erfahrungsgemäß sich nicht selten zu weit vorwagen und den Uebungsmannschaften lästig fallen. Die Vorbereitungen zu den Uebungen sind im Gange. Der Parseoal ist bereits gefüllt und das Militärluftschiff hat im Laufe des heutigen Tages sein GaS erhalten. Der Direktor des Aachener Observatoriums, Dr. PohliS, hat bereits hier eine Wetterwarte mit zwei Assistenten eingerichtet.
Herrenberg 6. April. Am Ostersonntag war ein Rechnungsrat vom badischen Mnisterium des Innern in Hildrizhausen, um '"Über den Ankauf der sog. Heiligen Quelle zu unterhandeln. Frühere Unterhandlungen des durch einen Lehrer geleiteten Verkaufs der Quellen zerschlugen sich wegen der Bedingungen, unter denen natürlich HaS Benützungsrecht der Gemeinde begriffen war. Die Quelle ist schon lange bekannt als ein gutes Mittel gegen Hals- sowie Blasenleiden; sie soll nach Untersuchung von Professor Engler in Karlsruhe auch Radium enthalten. Die Karlsruher Interessenten beabsichtigen, ein großes Kurhaus zu erbauen. Die Gemeinde wird, wenn der Kaufpreis auch für die Zukunft dem Heilwert annähernd entspricht, die Quelle verkaufen, da von Württemberg aus bis jetzt nichts geboten wurde. Man glaubt aber, daß vielleicht doch noch die Versicherungsanstalt Württemberg Wünsche äußert.
Besigheim 6. April. Gestern nachmittag 3 Uhr traf unerwartet der König in Begleitung eines Kammerherrn mit Automobil vom Husarenhof her hier ein, fuhr zum Rathaus und besichtigte die in dem altdeutschen Ratssaal unter- gebrachte Kunstausstellung des Malers UirtL äu treues aus München, der schon längere Zeit hier weilt. Nach kurzem Aufenthalt trat der König die Rückfahrt über Bietigheim an.
Aus dem Brackenheimer Amt 6. April. Die Saaten sind gut durch den Winter gekommen und stehen schön. Der Weinstock hat gesundes kräftiges Holz. Das Schneiden und Biegen der Reben ist im großen Ganzen beendet. Nun wird gefelgt und gedüngt. Auch die Pfahlhaufen werden nachgesehen, um rechtzeitigen Ersatz beschaffen zu können. Die Wiesen und Kleefelder entwickeln sich gut und lassen reiche Erträge hoffen. Auf den Meckern trifft man viele Mauslöcher an, weshalb jetzt schon von amtswegen auf die Bekämpfung der Schädlinge hingewiesen wird. Als bestes Mäusevertilgungsmittel wird der Löfflersche Mäusetyphus-Bazillus empfohlen.
Sa lach OA. Göppingen 6. April. Die Arbeiter der Firma Neuburger stehen im Aus - stand. Gestern vormittag suchten die beiden Verbandsbeamten und Arbeitersekretäre Wimmer vom Christlichen und Keppler vom Deutschen Textilarbeiterverband, eine Einigung zu erzielen, die Firma lehnte er aber ab, mit ihnen in Verhandlungen einzutreten. Die Arbeiter nahmen daher in einer gestern mittag s/sl Uhr hier abgehaltenen Versammlung hierzu Stellung, worauf die Firma die Arbeiter aussperrte. Die Arbeiter beschlossen, heute morgen wieder eine Versammlung abzuhalten, in der eine Kommission von 7 Mann gewählt wurde zwecks Unterhandlung mit der Firma. Diese lehnte aber auch jetzt die Verhandlungen ab und hielt die Aussperrung der Arbeiter aufrecht. In einer weiteren Versammlung faßten die Arbeiter folgende Resolution: „Die Arbeiter erklären noch immer, zu Verhandlungen bereit zu sein und erwarten von der Firma Neuburger eine wohlwollende Prüfung ihrer Wünsche. Zugleich erklären sie aber auch, von ihrer Forderung von 30 Proz. Zuschlag nach Abschaffung des Prämiensystems nicht abgehen zu können, da diese Forderung das mindeste ist, was bei der fortwährenden Teuerung notwendig erscheint. Die Arbeiter versprechen, sich ruhig und geordnet zu verhalten, um die ganze Bewegung zu einem baldigen Abschluß zu bringen.
Ebingen 6. April. Die kathol. Stadtpfarrkirche hat sich für die Bedürfnisse der bedeutend gewachsenen Kirchengemeinde längst als zu klein erwiesen, es besteht die Absicht, durch einen Anbau das Gotteshaus im nächsten Jahre zu erweitern. Auf die Vergrößerung wurde bei dem Neubau der Kirche schon Rücksicht genommen, so daß sie ohne Schwierigkeiten durchzuführen ist.
Heidenheim 6. April. Bei dem erste« heurigen Frühlingsgewitter sind die Pferde a« einem Fuhrwerk, auf dem sich der Fuhrmann Ludwig und der Gärtner Hartmann au« Burgberg befanden, durchgegangen. Beide Insassen wurden überfahren und Hartman« lebensgefährlich verletzt, so daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird, während Ludwig mit leichteren Verletzungen davonkam.
Waldsee 6. April. Ein hübsches Stückchen, das zeigt, daß es im Zeitalter der Elektrizität doch noch gemütliche Menschen gibt,passierte am Sonntag früh auf dem Bahnhof eines Ober- amtsstädtchens im Allgäu. Als der erste Zug dort eintraf, lag das ganze Stationsgebäude in tiefster Ruhe. Die Türen waren verschlossen und keine Seele rührte sich im Hause, denn alles lag noch im tiefsten Schlafe. Die auf Weiterbeförderung harrenden Passagiere, die vergebens sich um Fahrkarten bemühten, hieß der praktische Zugführer „blind" einsteigen und dampfte davon. Auf der nächsten Station wurden dann die Billette nachgelöst. -
Heidelberg 5. April. Eine Massen- Petition deutscher Frauen betreffend das Ver - bot weiblicher Bedienung in Gastwirtschaften ist dem Reichstag zugegangen. Die Vorkämpferin, auf diesem Gebiet, Frau Jellineck dahier, hat 130 000 Unterschriften gesammelt. Ueber die Forderung der Frau Geheimrat Jellineck, die weibliche Bedienung in Gastwirtschaften ganz zu verbieten, gehen in den Kreisen der Frauenbewegung selbst die Meinungen weit auseinander. Ein allgemeines Verbot würde Tausenden von Frauen und Mädchen die Möglichkeit nehmen, in einem an sich durchaus achtbaren Beruf ihren Erwerb zu suchen. Die Reichsgesetzgebung sollte sich darauf beschränken, den Mißbräuchen im Kellnerinnenwesen, die namentlich in Norddeutschland häufig sind, vorzubeugen.
Rüdesheim 6. April. Der Kaiser und die Kaiserin sowie Prinzessin Viktoria Luise und das Gefolge trafen kurz nach 4 Uhr am Niederwalddenkmal ein und besichtigten dieses eingehend. Um 5 Uhr erfolgte die Weiterfahrt nach Wiesbaden, wo die Majestäten, die Prinzessin und das Gefolge um 5'/- Uhr hier eintrafen und im kgl. Schloß den Tee einnahmen.
Bielefeld 6. April. Unter Beteiligung vieler Tausender wurde heute nachmittag Pastor v. Bodelschwingh auf dem Zionskirchhof in Bethel beigesetzt. Ms Vertreter des Kaisers war der frühere Kriegsminister v. Einem erschienen, der einen prachtvollen Kranz am Sarge niederlegte. Ferner waren anwesend die Spitzen der Behörden, die gesamte Geistlichkeit und viele andere Persönlichkeiten. Die Trauerrede hielt Oberhofprediger Dryander.
Köln 6. April. In einem Straßenbahnwagen entdeckten Angestellte eine Aschenurne mit
zierten den Raum, in dem Herta malte. Sie klagte fortwährend über Mangel an Anregung und konnte der Landschaft keinen Reiz abgewinnen.
„Ich denke, das Meer mit seiner großartigen Majestät ist ein dankbares Motto für den Pinsel das Malers," bemerkte Randen einmal.
„Wasser ist nicht mein Genre", versetzte Herta unfreundlich, „ich werde es immer bedauern, daß ich nicht dem Rat meiner Freundin folgte, und nach München ging. Dort wäre ich glücklich geworden."
Er zuckte bei ihren Worten zusammen. „Daß du es an meiner Seite nicht bist, wußte ich, es aber von dir so kaltaussprechen zu hören, bringt mir den Fehlgriff zum Bewußtsein, den ich beging, als ich dich zu meiner Frau machte." Er sagte es nicht heftig, nur traurig, dann fuhr er fort: „Ich hatte gehofft, dein Herz mit der Zeit zu erobern, es war mir eine Freude, dir alle«, was der Reichtum gewähren kann, zu bieten."
„Du erinnerst mich daran, daß ich ein armes Mädchen war!" rief sie. „Wahrlich, das ist nicht zartfühlend von dir! Nun, ich kam trotzdem nicht mit leeren Händen in dieses Haus, ich brachte dir meine Jugend und meine Schönheit."
„Du überschätzest sie", entgegnete Randen ruhig. „Wohl habe ich mich an ihnen berauscht, aber das sind äußere Vorzüge, die vergänglich sind; es gibt innere Güter, die ich höher stelle und — vermisse."
Sie schnellte von ihrem Sitz empor.
„Das soll heißen, daß sie mir fehlen!" rief sie außer sich.
„Herta", sagte er, noch immer sich beherrschend, „noch ist es nicht zu spät, um einen andern Weg einzuschlagen. Willst du versuchen, ihn zu gehen? Was an mir liegt, soll geschehen, um es dir zu erleichtern. Wir gehen nebeneinander her, wie zwei Fremde, und doch vereint uns das engste, heiligste Band, wir sind Mann und Frau. Es gibt kein vollkommeneres Glück, al» das einer harmonischen Ehe."
Sie schien bewegt, aber sie wollte es ihm nicht zeigen. Deshalb erwiderte sie nichts. Sie zuckte blos die Achseln und blieb stumm. Was das stärkste Wort nicht vermocht hätte, das rief dieses höhnische Verstummen hervor. Er glaubte eine Nichtachtung herauszufühlen. Seine Geduld verließ ihn, immer wieder wurde sie auf eine harte Probe gestellt. Ein Gefühl des Zornes bemächtigte sich des ruhigen, selbstbeherrschten Mannes, mit rauhem Griff packte er ihre Hand und hielt sie fest.
„Dir erscheint wohl lächerlich, was mir als höchstes Ideal vorschwebt!" rief er. „Du verstehst es, in mir die Liebe langsam zu töten, vergiß nicht, daß sie sterblich ist!"
Sie blieb allein. Wenn er sich so als Herr und Meister ihr gegenüber zeigte, kam ein sonderbares Empfinden über sie, war es Furcht? War es Unzufriedenheit mit sich selbst? Nach solchen Szenen pflegte Randen oft tagelang von zu Hause fort zu sein; er war entweder auf der Jagd oder auf dem ziemlich weit entfernten Nebengut. Kehrte er heim, so war nie mehr von dem die Rede, was sich zwischen ihm und seiner Frau abgespielt hatte, nur wurde sein Benehmen gegen sie um eine Schattierung kälter. Schon nach dem ersten halben Jahr bezog Randen seine früheren Zimmer, die er als Junggeselle bewohnt hatte; sie lagen im linken Flügel des weitläufigen Schlosses. Herta behauptete, am Morgen in ihrem besten Schlafe gestört zu werden, wenn ihr Mann sich oft schon um sechs Uhr vom Lager erhob. Sie schlief bis weit in den Tag hinein. Dann stand sie auf, kleidete sich in ein elegantes Negligee und schlürfte ihre Schokolade, blätterte in irgend einem französische« Roman und besah die angekommenen Modezeitungen. Es war ja entsetzlich, daß man hier auf dem Lande sich nicht einmal ein feines Kleid bestellen konnte, selbst in Tilsit gab es nach Hertas Ansicht keine einigermaßen gute Schneiderin. (Forts, folgt.)