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Wildbad 29. März. In der heute unter dem Vorsitz des Stadtschultheißen Bätzner stattgehabten Aufsichtsratssitzung der Bergbahn Wildbad A.-G. wurde die vom Vorstand, Fabrikdirektor Schnitzer vorgelegte Bilanz einstimmig genehmigt und beschlossen, der am 25. April im Rathaussaal in Wildbad stattfindenden Generalversammlung die Ausschüttung einer Dividende von 19 Prozent vorzuschlagen und das restliche Reinerträgnis neben Remunerationen wohltätigen Anstalten in Wildbad zu überweisen.
Leonberg 29. März. Auf dem gestrigen Bezirkskriegertag wurde beschlossen, für das Champigny-Denkmal p. Kamerad 20 beizusteuern. Bei einer Mitgliederzahl von annähernd 1500 ergibt das einen Betrag von etwa 300 außerdem sollen noch Sammelstellen im Bezirk errichtet werden, damit jedermann Gelegenheit geboten ist, sein Scherflein zu obigen Zweck beizutragen.
Stuttgart 29. März. Der Verkehr auf dem Stuttgarter Bahnhof während der Osterfeiertage war sehr lebhaft, ohne daß er den vorjährigen Osterverkehr nennenswert überschritten hätte. Der Hauptstrom der Ausflügler wandte sich dem oberen Neckartal zu zum Besuch der Alb, aber auch die Züge ins Remstal und ins Unterland waren gut besetzt. Der große Zudrang konnte ohne nennenswerte Verzögerung bewältigt werden.
Stuttgart 29. März. Aus Anlaß des hundertjährigen Bestehens des Seminars in Schöntal werden die ehemaligen Seminarangehörigen zur Sammlung einer Jubiläumsstiftung aufgefordert, deren Zinsen zur Unterstützung von Seminaristen und Hospites bei den
größeren Exkursionen, sowie zur Förderung von Spiel- und Leibesübungen und zur Anschaffung von Wandschmuck dienen soll.
Stuttgart 29. März. Bei den württ. Arbeitsnachweisen sind im Februar d. I. 15494 Arbeitssuchende, 11990 offene Stellen und 6463 Vermittlungen gebucht worden. Die schon im Januar hervorgetretene Besserung der Arbeitslage in Württemberg hat nach den Feststellungen der Arbeitsnachweise auch im Februar angehalten und zum Teil noch an Ausdehnung gewonnen. In der Landwirtschaft, ebenso im Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe gab es ziemlich reichliche Arbeitsgelegenheit, auch in der Metallverarbeitung und Maschinenindustrie, sowie in der Leder- und Holzindustrie, teilweise auch im Baugewerbe setzte eine lebhaftere Tätigkeit ein.
Stuttgart 29. März. Die Frage der Erhöhung der Warenhaussteuer von 20 auf 50 o/°, die schon früher öfters angeregt worden war, kam in der letzten Sitzung der Etatskommission zur Sprache. Dabei wurde festgestellt, daß die Erhöhung der Warenhaussteuer Stuttgart eine Mehreinnahmc von 5 bis 6000 ^ bringen würde. Auf der anderen Seite wurde aber auch darauf hingewiesen, daß von der erhöhten Warenhaussteuer der Mittelstand sich keine besonderen Vorteile versprechen dürfe, da eine solche Steuer, wie die Erfahrung lehre, nicht im Sinne des Schutzes des Mittelstandes wirke. Ein Beschluß darüber, wann die Steuererhöhung eintreten solle, wurde bis jetzt nicht gefaßt.
Stuttgart 29. März. (Luftschifffahrt.) In Wiener Hofkreisen wird, einem Bericht des Berliner Tageblatts zufolge, erzählt, daß Kaiser Wilhelm von seiner Absicht, den Zeppelinballon dem Kaiser Franz
Joseph vorzuführen, nicht abgehe. Wenn die Gesundheit des Grafen Zeppelin es gestattet und das Wetter anhaltend günstig ist, also im Spätfrühling, will Kaiser Wilhelm die Zeppelinfahrt nach Wien verwirklichen und bei der Ankunft des Luftschiffes in Wien persönlich anwesend sein. Für diese Zeit ist auch ein Besuch Kaiser Wilhelms in der Jagdausstellung geplant. Sollte die Ballonfahrt verschoben werden müssen, so wird die Ankunft Zeppelins am 18. August in Ischl erfolgen.
Stuttgart 29. März. Die Leiche der am letzten Freitag aus dem Neckar geländeten Frauensperson wurde als diejenige einer Missionarswitwe festgestellt. — In der Nacht auf Sonntag flüchtete sich eine Frauensperson, die in einer Wirtschaft der Leonhardstraße wegen Stadtverbots festgenommen werden sollte. Bei der Verfolgung wurden die Polizeibeamten von einer Anzahl Burschen aufgehalten, die sich ihnen widersetzten. Ein Teil der Burschen wurde festgenommen. — Gestern nacht 11 Uhr fuhr ein mit 6 Personen besetztes Fuhrwerk an die geschloffene Barriere des Bahnübergangs in der Waiblingerstraße an. Die beiden Pferde überschlugen sich und fielen auf das Bahngleise, so daß sie von dem herankommenden Zuge überfahren und getötet wurden. Der Wagen blieb vor der Barriere stehen. Die darauf sitzenden Personen blieben unverletzt. — Heute früh wurden in einer Fabrik in Heslach zwei Arbeiter in dem Kanal, welcher von dem GaserzeugungS- in den Maschinenraum führt, erstickt aufgefunden. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.
Stuttgart 29. März. Die heute morgen in einer Fabrik in Heslach erstickt auf- gefundenen beiden Arbeiter heißenSchöll- kopf und Nuding. Sie waren in der Eisen-
Sernhard von der Eiche.
Roman von Baronin Gabriele v. Schlippenbach.
(Fortsetzung.)
Herta entschlüpfte seiner Umarmung. Von ihm abgewendet stand sie am Fenster. Sie atmete beklommen, ihre weißen Zähne gruben sich tief in die rote Lippe.
„Lassen Sie mir Zeit", bat sie, „es — es ist noch so neu, ich — ich muß mich erst daran gewöhnen, Herr v. Randen."
„Verzeihen Sie", sagte er, „es hat mich übermannt. Sie so nahe zu sehen, so schön und rührend in ihrer tiefen Trauerkleidung, das brachte mich einen Moment aus der Fassung."
„Wenn doch Bernhard und Ines bald kämen", dachte Herta, „ich wäre froh, dieses Alleinsein unterbrochen zu sehen." Sie klingelte dem Dienstmädchen und bestellte ihr leise, den Kaffee zu besorgen, dann wendete sie sich an Randen. -MU
„Bitte", sagte sie, auf einen Stuhl gegenMer dem Sofa deutend, „wollen Sie nicht Platz nehmen? Mein Bruder wird wohl bald von seinem Gange zur Forstei zurück sein."
Herta lehnte sich weit in die Kiffen des Sofas zurück. Der Tisch war zwischen Randen und ihr. Sie sprachen, wie man bei einer Visite spricht: über Kunst und Theater, über die letzten literarischen Erzeugnisse. Das heißt, Herta fällte ihr sicheres Urteil darüber, er warf nur ab und zu ein Wort dazwischen.
„Ich glaube, sie will mir auf den Zahn fühlen", dachte Randen, „ich bestehe das Examen schlecht. Mein Himmel, wenn man in Ostpreußen das runde Jahr auf seinem Gute sitzt, so verliert man die Fühlung mit der übrigen Welt."
Herta gewann dieselbe Ueberzeugung. —
Die Magd hatte alles zum Kaffeetisch bereitet. — Randen und seine Braut gingen in das Speisezimmer, beide dachten dasselbe.
„So werden wir in Zukunft unsere Mahlzeiten einnehmen, wir beide, ganz aufeinander Angewiesene."
Ihn erfüllte der Gedanke freudig; sie verscheuchte ihn bald wieder. Warum schon jetzt daran denken? Dazu war später genug Zeit. Später, wenn das schwerwiegende „Ja" gesprochen war, wenn der kleine, goldene Reif, das Symbol der ehelichen Treue, den Finger schmückte. Sie waren verstummt. Ein drückendes Schweigen lastete auf beiden. Randen drehte an seinem Schnurrbart, Herta blätterte in einem Album. Er hätte ihr so viel zu sagen gehabt, so voll zum Ueberfließen war sein Herz, aber das Wort erstarb auf seinen Lippen angesichts der kühlen Zurückhaltung.
„Da sind die Geschwister!" rief Herta wie erlöst.
Im nächsten Augenblick traten Bernhard und Ines ins Zimmer.
„Hardy, das ist Baron Randen, mein Verlobter."
Die Männer reichten sich die Hand. Schon bei diesem ersten Begegnen merkten sie: „Wir werden Freunde sein."
Auch Ines begrüßte in ihrer spontanen, warmherzigen Art den Bräutigam der Schwester. Er gefiel ihr mit diesem freundlichen, offenen Gesicht, und mit den guten, dunklen Augen, in denen so viel Liebe lag, sobald er Herta ansah.
Nachdem Friedrich v. Randen von seinen neuen Verwandten als Mtglied der Familie ausgenommen war, wurde die Stimmung weniger gezwungen, als vorher beim Alleinsein mit Herta.
Sie gab sich natürlicher und trat mehr aus sich heraus. ES gelang ihr, die beobachtenden Blicke des Bruders zu täuschen, einen wenn nicht gerade strahlend glücklichen, so doch zufriedenen Eindruck hervorzurufen. JneS fand es sehr interessant, zum ersten Male eine ihr so nahestehende Person als Braut zu beobachten. Nur war sie sehr enttäuscht urü> äußerte es in ihrer kindlich harmlosen Art.