Der Schöpfer des Niederwalddenkmals f. In seiner Villa in Klotzsche bei Dresden ist in der Nacht zum 32. März der Altmeister der Bildhauerkunst, Prof. Johannes Schilling, im 82. Lebensjahr einem Schlaganfalle erlegen. Leider waren seine letzten Lebensjahre nicht ungetrübt, da ein Augenleiden ihm fast völlig seine Sehkraft raubte. Sonst war er gesund und konnte noch am vorigen Sonntag der Konfirmation seines Sohnes aus zweiter Ehe beiwohnen. Schilling ist der Schöpfer des Germaniadenkmals auf dem Niederwald, welches seinen Namen in der ganzen Welt bekannt gemacht hat. Von seinen übrigen zahlreichen Werken sind die Modelle in einem Museum in Dresden vereinigt, das den Namen „Schilling- Museum" trägt. Schilling war am 23. Juni 1828 in Mittweida geboren. Schon mit 14 Jahren trat er in die Dresdner Akademie ein. Er war Schüler von Rietschel, Drake und Hähnel. Ihre auf eine ideale klassische Formen- gebung gerichteten Bestrebungen führte er weiter. Besonders bekannt wurde er durch die Gruppen der Tageszeiten auf der Treppe zur Brühl'schen Terrasse in Dresden, durch die Pantherquadriga am Neuen Theater daselbst und endlich durch die Figur der Germania und die Reliefs am Niederwalddenkmal. Er war Ehrenbürger der Stadt Dresden.
Das Ende des „denaturierten" Spiritus. So wäre denn endlich dem „denaturierten" Spiritus der Garaus gemacht — reichsgesetzlich und amtlich wenigstens. Das im Reichsschatzamt bearbeitete Branntweinsteuergesetz vom 15. Juli 1909 hat mit dem „Denaturieren" gründlich aufgeräumt. Nur da, wo das neue deutsche Wort zum erstenmal erscheint, hat man dem alten Fremdling zur Erläuterung noch ein Plätzchen in der Klammer gelaffen. Das ist im Z 21: „Die Vergällung (Denaturierung) des Branntweins erfolgt unter amtlicher Ueber- wachung." Damit ist aber sein Urteil gesprochen. Die weiteren Bestimmungen des umfangreichen Gesetzes kennen nur noch vergällten Branntwein aller Art, „vollständig vergällten" und „unvollständig vergällten", treffen weiterhin Vorschriften über die „Vergällungspflicht" usw. usw. — In erfreulicher Uebereinstimmung damit befindet sich eine unlängst ergangene Verfügung des preuß. Justizministerinms über die Verwertung einge- zogener Weine, die künftig auch nicht mehr „denaturiert" werden; vielmehr „sind Traubenmost, Weine, weinähnliche Getränke, Schaumwein und Kognak, die nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen, zu vergällen. Die Vergällung erfolgt durch Zusatz von ... ." — So wäre denn dank dem guten Sprachgefühl deutscher Behörden alles „Denaturieren" glücklich beseitigt. Aber freilich — so meint die Zeitschrift des Allgemeinen deutschen Sprachvereins — unser
fremdwortfroher lieber deutscher Michel wird sich an das „Vergällen" noch lange nicht gewöhnen, vielmehr, wie stets in ähnlichen Fällen, in seiner alten „denaturierten" Flüssigkeit behaglich weiter schwelgen.
Aeuderung des Gttichtsottfassllugssesktzk-.
Am 1. April 1910 tritt das Gesetz betr. die Aenderung des Gerichtsverfassungsgesetzes in Kraft, wonach die seither wegen Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche auf den Betrag von 300 -/L begrenzte Zuständigkeit der Amtsgerichte auf 600 heraufgesetzt wurde.
Hienach können künftig bei den Amtsgerichten Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche in der Höhe bis zu 600 des Streitwerts angebracht werden.
Ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts sind die Amtsgerichte auch künftig zuständig: bei Streitigkeiten zwischen Vermieter und Mieter von Wohn- und anderen Räumen wegen Ueberlaffung, Benutzung oder Räumung, sowie wegen der Zurückhaltung der vom Mieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
bei Streitigkeiten zwischen Dienstherrschaft und Gesinde, Arbeitgebern und Arbeitern hinsichtlich des Dienst- und Arbeitsverhältniffes; bei Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten u. s. w., welche über Wirtszechen, Fuhrlohn u. s. w., sowie bei Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, welche aus Anlaß der Reise entstanden sind;
bei Streitigkeiten wegen Viehmängel; bei Streitigkeiten wegen Wildschadens; bei Klagen wegen Ansprüchen aus einem außerehelichen Beischlafe; in Aufgebotssachen (Aufgebot zum Zwecke: der Todeserklärung von Personen, der Ausschließung des Eigentümers eines Grundstücks, der Ausschließung eines Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuld-Gläubigers, der Ausschließung von Nachlaß-Gläubigern, der Ausschließung von Schiffs-Gläubigern, und der Kraftloserklärung von Urkunden.)
8i.
Literarisches.
Die seit Anfang dieses Jahres bei A. Glane in Berlin erscheinende Monatsschrift „Vtutrch-Lvange lirch", die in diesen Blättern bereits besprochen wurde und hauptsächlich für gebildete Nichttheologen bestimmt ist. hat einen erfreulichen Anfangserfolg aufzuweisen, indem schon wenige Wochen nach dem erstmaligen Erscheinen die Redaktion sich genötigt sah, dem massenhaften Zuströmen von Beiträgen entgegenzutreten: der beste Beweis, daß diese Zeitschrift einem in weiten Kreisen sich fühlbar machenden Bedürfnisse entgegenkommt. Sie steht auf dem Boden des Evangeliums und der Reformation und will ebenso blinde Knechtung unter die Ueberlieferung wie unbesonnene
Neuerungssucht ausschließen. Für Lttegerelllchatte». deren Mitglieder Sinn für gediegene und ernste Lektüre haben, ist die Anschaffung empfehlenswert.
Nur auf zwei der zahlreichen bisher erschienenen Artikel sei aufmerksam gemacht, um darzutun, wie gerade auch Nichttheologen bei der Mannigfaltigkeit des Dargebotenen auf ihre Rechnung kommen.
Im Märzheft findet sich ein kleiner Aufsatz eines namhaften Naturforschers vr Hctolk Mayer in Heidelberg mit der Ueberschrift: „Warum er noch Protestanten geben murr?" Der Verfasser hat vor vier Jahren ein Buch geschrieben, in dem er das interessante Bekenntnis abgelegt hat, daß er in jungen Jahren mit vollen Segeln in die See der materialistischen Weltanschauung hinausgefahren sei und sich von den Fortschritten der Naturwissenschaft goldene Berge versprochen habe, aber in gereiften Jahren habe er erkannt, daß auf diesem Wege niemals das Glück des Lebens gefunden werden könne: er gab zugleich dem Wunsche Ausdruck, es möchte auf seine Leser von seinen Ausführungen dieselbe innere Beruhigung ausfliehen, die ihm in der Beschäftigung mit den wichtigsten Fragen zu Teil geworden sei. Hatte der wahrheitsliebende Mann damals die Eierschalen seiner früheren Denkweise noch nicht völlig abgestreift, so gibt der erwähnte Aufsatz erfreuliches Zeugnis von dem Fortschritt auf der Bahn vertiefter Forschung. Er vermißt am Ultramontanismus die innere Wahrhaftigkeit, an der Freigeisterei die sittlich-religiös fördernde Kraft und findet beides im evang. Protestantismus. Im neuesten Monatsheft kommt die Schilderung eines schwäbischen Originals Jakob fllsrs, Bauer und Schultheiß in Neckartenzlingen, später in Beuren. Der Verfasser, Pfarrer a. D. korrekt in Hirsau, hatte in den Jahren 1864—1867, als er die Pfarrei in Neckartenzlingen verwaltete, Gelegenheit, diesen bedeutenden Mann in regem persönlichem Verkehr genau kennen zu lernen und war somit in der Lage, auf Grund seiner Erinnerungen ein Charakterbild zu entwerfen. Klatz war nicht bloß ein vorzüglicher Schultheiß, dessen Amtsführung der ganzen Gemeinde zum Segen gereichte, sondern auch ein hinreißender Redner, dem jeden Sonntag ganze Scharen aus der Nachbarschaft zuströmten, eine kraftvolle Persönlichkeit, die eine mächtige, wenn auch ganz in der Stille verlaufende und nüchterne religiöse Bewegung hervorrtef. Dieser Mann, auf den sich die Worte anwenden lassen: „Ein Mensch Gottes, vollkommen, zu allem guten Werk geschickt" (2. Tim. 3, 17), ist ein lebendiger Beweis der wunderbaren Kraft, mit der das Evangelium auch ungelehrte Leute auf die höchste Stufe wahrer Bildung und innerer Freiheit erheben kann, wenn sie es in seinem wesentlichen Gehalt erfassen und mit ganzer Energie ergreifen.
Standesamt Calw.
Gestorbene.
24. März. Johann David Walker, Korbmacher, 68'/« Jahre alt.
Gottesdienste.
Werfest. 27. März. Vom Tmm- 170. Kirchenchor: Erstanden ist der heilge Christ re. Predigtlied 170, 1—3: Herzog der erlösten Sünder. 9'/« Uhr: Beichte in der Sakristei. 9'/- Uhr: Vorm.-Predigt, Dekan R oos. Abendmahl. 2Uhr: Nachmitt.« Predigt, Stadipfarrer Schmid.
Hstermontag, 28. März. 9'/- Uhr: Predigt, Kandidat Werner.
Ao»»«r«tas, 31. März. 8 Uhr abends: Bibelstunde im VereinShauS, Dekan Roos.
Bewundernd blickte Ines auf den Bruder.
„Kennst du das schöne Oelgemälde von Menzel: der Hochofen?"
Ines bejahte. Sie hatte seine Wiedergabe in einer Zeitschrift gesehen und war davon ergriffen worden.
„Siehst du, dann hast du eine schwache Vorstellung," sagte Bernhard. „Traurig ist es, daß noch so oft Unglücksfälle Vorkommen; die Arbeiter find allzu unvorsichtig. Neulich legte sich einer, ein Italiener, in der Nacht direkt auf die Schienen schlafen — er hatte einen Rausch — da fährt ihm die Lokomotive beide Beine ab. Die Schlacken werden nämlich auf einem schmalen Gleise auf den Schlackenberg gefahren und dort in rotglühendem Zustande ausgeschüttet. Verbrennungen kommen häufig vor unter den Leuten."
„Hardy, wie traurig das ist. Weißt du, ich möchte, ehe ich zu dir komme, einen Kursus in der Krankenpflege nehmen, dann könnte ich vielleicht etwas nützen."
Er sah bewundernd auf das zarte, junge Geschöpf. Ja, der Vater hatte recht gehabt, als er sagte, daß sein Liebling selbstlos und hilfsbereit wäre. Wie anders war doch Herta in ihrer Eitelkeit, ihrer Sucht zu glänzen.
„Du liebes, tapferes Kleines," sagte Bernhard gerührt, „aber wirst du es wirklich können? Es gibt viel Widerwärtiges dabei."
„Daran will ich mich nicht stoßen. ES gilt ja Schmerzen zu lindern, armen Menschen beizustehen."
Sie verabredeten, daß Ines, nachdem sie in der Forstei ein Jahr die Haushaltung erlernt hatte, nach Stettin ins Arbeitshaus gehen sollte. Die Oberin war mit Eiche» verwandt und würde sich gewiß gern des jungen Mädchens annehmen.
Die Geschwister waren im Gespräch am Ziel ihrer Wanderung angekommen. Das typische Bild eines Forsthause» bot sich ihren Blicken
dar. Vor der Tür stand der Förster Krause in hohen Stiefeln, grüne« Jägeranzuge, die kurze Pfeife im Munde, eine Flinte auf dem Rücken. Er war ein stattlicher Fünfziger. Sein braunes Gesicht war von einem mächtigen Barte umrahmt, fröhliche, blaue Augen blitzten unter den starken Brauen. Breitschulterig und behäbig stand er da und musterte einen prächtigen Hirsch, den ein Jägerbursche auf einem kleinen Handwagen herbeigebracht hatte. Neben dem Förster stand eine rundliche Frau in der weißen Latzschürze und im Hellen Waschkleid, ein Häubchen auf dem vollen, schon leicht ergrauten Haar.
„Blattsckuß, Alte!" rief der Förster stolz, „der Kerl hat es mir sauer genug gemacht. Seit acht Tagen pirschte ich mich heran; erst heute habe ich ihn zur Stelle gebracht."
Ueber das weinumrankte Geländer der Treppe bog sich ein brauner Mädchenkcpf. Es war Luise, des Ehepaares Tochter; sie erblickte auch zuerst die Nahenden.
Sogleich eilte sie die Treppe hinunter und sagte es der Mutter.
Bernhard und Ines wurden in herzlicher Weise willkommen geheißen. Schnell war das Geschäftliche erledigt. Tante Emma in ihrer mütterlichen Art gefiel Bernhard sehr. Er fühlte sich beruhigt; diesen freundlichen, warmherzigen Menschen konnte er sein Schwesterchen anvertrauen. Die beiden jungen Mädchen standen Hand in Hand dabei. Sie bildeten einen hübschen Gegensatz. Ines sah sehr zart aus neben der Freundin, sie war kleiner; ihr blondes Köpfchen stach gegen Luises dunkles Haar ab.
Die Tochter des Försters glich dem Vater. Etwas Gemeinsame» hatten beide Mädchen: den Zug von Herzensgüte und echt weiblichem Empfinden, der ein Frauengeficht so anziehend macht.
(Fortsetzung folgt.)