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demokraten für Schnaidt, der mit 1541 Stimmen gewählt wurde, während dem deutschparteilichen Gegenkandidaten 941 Stimmen zufielen. Das Bemerkenswerte der heutigen Wahl ist, daß die Zahl der für den Sozialdemokraten abgegebenen Stimmen sich seit dem 5. Dezember 1906 um 272 vermehrt hat, während die Stimmenzahl für den Kandidaten der bürgerlichen Parteien ein Minus von 24 aufweist.

Heilbronn 23. März. Der Berlin- Mailänder Schnellzug, der um 6.54 früh in Heilbronn eintrifft, hatte heute eine fast zwei­stündige Verspätung. Dem Zug war in Möckmühl ein Unfall zugestoßen. An der Maschine brach ein Rad, sodaß von Heil­bronn eine neue Maschine herbeigeholt werden mußte. Nur der Umstand, daß das zerbrochene Rad mit weiter rollte, ist es zu danken, daß ein größeres Unglück sich nicht ereignete.

Tübingen 23.. März. Fahrplan und Preise für die neue Nebenbahn Tübingen- Herrenberg, die im Mai vollständig über­geben werden soll, liegen nun vor. Es sind nach jeder Richtung täglich 5 Züge vorgesehen, außerdem noch ein Zug bis Entringen und zurück. Eine Verbilligung des Verkehrs von Tübingen nach Stuttgart tritt allerdings ein, eine Beschleunigung aber durchaus nicht. Ein einziger Zug ist vorgesehen, mit dem man ebenso schnell, sogar noch ein wenig schneller nach Stuttgart gelangen kann als über Reutlingen- Plochingen. Zweifellos wird aber die Bahn von Leuten, die Zeit haben und billiger fahren wollen, dann vor allem auch von Ausflüglern, stark benützt werden. Der Weg über Herren­berg nach Stuttgart Hauptbahnhof vom Tübinger Hauptbahnhof ist etwa 11 Km. kürzer als der über Reutlingen-Plochingen, daher die Ver­billigung, die natürlich noch bedeutender wird, wenn man von Tübingen-Westbahnhof nach Stuttgart-Westbahnhof fährt.

Friedrichshafen 23. März. Ueber die Zeppelin-Werft, di^soeben fertig gestellt ist, bringt die erste Nummer der in Ullsteins Verlag erscheinenden neuen illustrierten ZeitschriftDie Bauwelt" interessante Mitteilungen. In dem Preisausschreiben war der Entwurf einer Halle von 43 Meter Breite und 20 Meter Höhe ge­fordert, die nichts von dem Düstern einer Bahn­hofhalle an sich haben sollte, sondern hell und luftig sein mußte; größte Feuersicherheit, gute Wärmeisolierung, und absolute Standsicherheit des Riesenbaues selbst gegen stärkste Windkräste waren die weiteren Bedingungen. Die Haupt­schwierigkeiten lag in der Konstruktion der Ab­schlußtore, die trotz ihrer gewaltigen Dimensionen schnell und leicht beweglich sein mußten, um den Luftschiffen nach beiden Seiten hin die Ein- .und Ausfahrt zu ermöglichen. Von den 74 Entwürfen wurde der der Brückenbau Flender Aktiengesellschaft Benrath preisgekrönt und aus­geführt. Auf schweren Betonfundamenten erheben

sich auf acht Meter Abstand die Zweigelenk­bogenbinder, zwischen denen sich die mit Isolier­schicht gemauerten Fachwerkwände spannen. Das Dach besteht aus einer 8 Zentimeter starken Betonplatte und ist mit Ruberoid abgedeckt. Auf der ganzen 200 Meter betragenden Länge der Halle ist im höchsten Punkte eine durchlaufende Laterne angeordnet, deren seitwärts angebrachten drehbaren Klappen für eine gute Entlüftung sorgen. Zahlreiche Oberlichter und die seitlichen Fenster dienen für die Belichtung und überall ist eine doppelte Verglasung vorgesehen, um auch hier durch die dazwischen befindliche Luft­schicht eine gute Wärmeisolierung zu erreichen. Zu beiden Seiten der Hallen befinden sich in 7 Meter Höhe 4 Meter weit ausladende Arbeits­galerien, welche Heruntergelaffen werden können, falls der Raum benötigt wird. Außerdem sind in verschiedenen Höhen noch vier feste Laufstege von 1,5 Meter Breite angebracht, um den Arbeitern überall den Zugang zum Luftschiff zu ermöglichen. Kranbahnträger mit zahlreichen Laufkatzen dienen für den Transport der Montage­stücke. Besonderes Interesse verdienen noch die beweglichen Tore. Im ersten Entwurf waren von der Brückenbauanstalt Drehtore vorgesehen, auf Wunsch der Baufirma kamen dann aber kombinierte Dreh- und Schiebetore zur Aus­führung. Die gesamte 20 Meter hohe Torfläche besteht aus vier Teilen, von denen die zwei mittleren oben auf Schienen mittelst Rollen gelagert sind, und sich beim Oeffnen hinter die seitlichen schieben, worauf sich dann die zusam­mengeschobenen Flügel um die Endachsen nach außen drehen. Der Antrieb erfolgt durch Elektro­motors, welche binnen 10 Minuten die ganze Giebelwand öffnen und schließen können. Ueberall ist von vornherein darauf Rücksicht genommen, daß im Bedarfsfälle die Halle verlängert und durch einen seitlichen Anbau vergrößert werden kann. Ein eigener Hauptgleisanschluß vervoll­ständigt die Ausrüstung der Werft, in der in Zukunft unsere Zeppelinkreuzer das Licht der Welt erblicken werden.

Petersburg 23. März. Bei dem Galadiner, das gestern in Zarskoje Sselo zu Ehren des Königs von Serbien stattfand, saß der König von Serbien neben dem Kaiser von Rußland, der den serbischen Weißen Adlerorden trug. Der König hatte den russischen Andreasorden angelegt. Kaiser Nikolaus sagte in seinem Trinkspruch unter anderem: Der Besuch Ew. Majestät ist eine neue Be­stätigung der Festigkeit der Freundschaft zwischen Rußland und Serbien. Diese Freundschaft wird zweifellos zur Festigung des allgemeinen Friedens und der Ordnung beitragen, was für eine ruhige Entwicklung Serbiens inmitten der anderen selbständigen Balkanstaaten so notwendig ist. Darauf erwiderte der König von Ser­bien: Der herzliche und glänzende Empfang ist

eine wertvolle Bestätigung der herzlichen und engen Bande zwischen Rußland und Serbien und ihrer treuen und festen Freundschaft. In Befolgung einer uralten serbischen Tradition besuche ich zuerst das uns verwandte Rußland, in dem festen Glauben, daß ich von hier meiner Heimat die frohe Botschaft bringen werde, daß es uns bei unserer selbständigen friedlichen Ent­wicklung inmitten der anderen Staaten des Balkans gestattet ist, auf die mächtige Freund­schaft Ew. Majestät und Rußlands zu vertrauen. Die unvergeßlichen Worte Ew. Majestät werde« einen begeisterten Wiederhall in allen serbische« Herzen finden. Der König trank sodann auf das Wohl des Kaisers und des ganzen kaiser­lichen Hauses. Die Musik spielte hierauf die russische Hymne.

Rom 20. März. Gestern wurde in Gegenwart des Kardinals Rampolla und anderer Kardinale von der Fabbrica di S. Pietro ein elektrischer Fahrstuhl für die Besteigung des Daches und der Kuppel der Peterskirche feierlich eingeweiht. Der Fahrstuhl geht inner­halb der zum Dach hinaufführenden Wendel­bahn vom linken Seitenschiff aus und führt bis zur Höhe von 44 Mir. über dem Boden der Kirche. Den Rest des Weges über das Dach hinweg und in der Trommel und Kuppel auf­wärts bis zur Laterne muß man wie bisher zu Fuß zurücklegen, so daß die Besteigung auch künftig noch manchen Schweißtropfen kosten wird. Die bei allen päpstlichen Bauten seit Menschen­gedenken übliche lateinische Inschrift auf einer weißen Marmortafel erinnert, wie dieKöln. Ztg." berichtet, an die Ausstellung eines Llse- Irieuin ^nabatkl um auf Befehl des Papstes Pius X., und damit hat der elektrische Fahr­stuhl auch seinen Platz im lateinischen und griechischen Wörterbuch erhalten.

Vermischtes.

(Luftfchiffahrt und Aviatik.) Der Verein deutscher Flugtechniker und Genoffen hat den Reichstag und Bundesrat in einer Petition ersucht, zur Förderung der Aviatik in Deutsch­land bereits für das Etatsjahr 1909/10 einen einmaligen Betrag von 300000 einzustellen, mit der Maßgabe, daß dem Reichskanzler die Verfügung über diese Summe zustehen soll. Der Reichstag hat in seiner Sitzung vom 2. März d. I. einstimmig den Antrag angenommen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine mit allen Hilfsmitteln der Technik ausgestattete Versuchsanstalt für Luftschiffahrt zu errichte«. In dem Schreiben wird u. a. ausgeführt, daß die Entwicklung der Flugtechnik in Deutschland dringend der Förderung bedarf und zwar in erster Linie dadurch, daß den Konstrukteuren Gelegenheit gegeben wird, brauchbare Maschine« auszuprobieren und in Konkurrenzen, bei denen die Gewinnung von erheblichen Preisen winkt,

So traust du deinem Talent wirklich zu, sich Bahn zu brechen?"

Sie hörte den leisen Zweifel heraus. Ihre Eitelkeit bäumte sich dagegen. Sie blitzte den Bruder aus ihren großen Augen an. Den Fuß vorgeschoben, den Kopf erhoben, stand sie ihm gegenüber. Ungeduldig rief sie:Täte ich es nicht, so rührte ich nicht an dieses Thema, von dem ich weiß, daß es dir unangenehm ist, Bruder."

Um in München zu studieren, braucht man aber Geld," entgegnete Bernhard trocken.Du täuschest dich, wie ich glaube, wenn du voraus­setzest, daß unser lieber Vater so viel hinterließ, um dir deinen Wunsch zu erfüllen. Daß ich auf mein geringes Erbe für Euch beide verzichte, ist selbstverständlich und bedarf eigentlich keiner Erwähnung. Ich bin ein Mann und fühle die Kraft in mir, selbst meinen Weg zu gehen. Im­merhin ist die Summe, die nach der langen Krankheit Papas auf dich und Ines fällt, so klein, daß es kaum der Rede wert ist; nach Begleichung einiger Rechnungen und der Kosten der Beerdigung bleibt wenig übrig."

Wie von einer eisigen Dusche getroffen, fühlte Herta ihre hoch­fliegenden Träume in nichts zusammensinken. Entgeistert stand sie da, ihre Zähne nagten heftig an der Unterlippe, und die feinen Brauen zogen sich finster zusammen.

Sie tat Bernhard so leid. Er erfaßte ihre schlaff herniederhängende Rechte und sprach liebevoll mit ihr. Er bat sie, wieder ihre Stelle an­zutreten, bis er im stände wäre, ihr ein bescheidenes Heim zu bieten. Er sagte ihr, daß er alle seine Kräfte daran setzen werde, um dieses Ziel bald zu erreichen.

Herta schüttelte den Kopf dazu. Sie dachte an Randens Werbung. Trieb das Schicksal sie nicht in seine Arme? Welcher Ausweg blieb ihr?

Denn eine abermalige abhängige Unfreiheit wollte sie um keinen Preis erleben. Dachte sie denn nicht daran, daß sie als Frau eines ungeliebte« Gatten tausend Mal mehr gebunden war, daß sie an sich und an ihm frevelte, wenn sie zusagte?

Am andern Tage schrieb sie an Friedrich v. Randen, daß sie seine Werbung annehme. Sie bat ihn jetzt nicht zu kommen; erst müßte einige Zeit vergehen wegen der Trauer um den Vater.

Bernhard", sagte Herta,ich habe mich mit Baron Friedrich von Randen auf Schloß Randenhagen verlobt. Er fragte mich, ehe ich hier- herreiste, ob ich seine Frau werden wolle; heute habe ichja" gesagt/

Diese Mitteilung kam so plötzlich und in so übermäßigem Ton, daß Bernhard sich davon peinlich berührt fühlte.

Liebst du Randen?" fragte er die Schwester und sah sie durch-

iringend an.

Eine jähe Röte schoß ihr ins Gesicht. Sie zuckte die Achseln.Mein Gott," versetzte sie,Liebe ist ein weiter Begriff. Meiner Ansicht nach braucht man sie nicht zur Ehe. Jedenfalls liebt er mich mehr als genug."

Dann tut er mir leid!" rief Bernhard heftig.Ach lrebe Schwester, bedenke dich, ehe du den goldenen Reif trägst, der oft zur schweren Fessel vird. In meinen Augen darf die Frau sich nicht dem Gatten ohne wahre Liebe zu eigen geben. Du könntest es zu spät bereuen, deinem Herzen )as Recht, mitzusprechen, verweigert zu haben."

Ich weiß, was ich will," lautete Hertas kühle Arttwort.

So erzähle mir von Randen", bat Bernhard.Sert wann kennst du ihn? Ist er in der Lage, eine Frau zu ernähren .

Herta lächelte.Er ist sehr reich", sagte sie stolz. (Forts, folgt.)