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gebiete ein. Frhr. v. Gamp (Rp.): Für die nächsten 5 Jahre ist streng darauf zu achten, daß die Höhe der Matrikularbeiträge von 80 c) pro Kopf der Bevölkerung eingehalten wird. Etats­überschreitungen sollten möglichst vermieden werden. Frhr. v. Hertling (Ztr.): An den 80 ^ Matrikularbeiträge« pro Kopf muß festgehalten. Mehreinnahmen oder Ersparnisse sind zur Ver­minderung der Schuldenlast zu verwenden. Keine Neuausgabe ohne Deckung darf mehr gemacht werden. Die Abgg. Frhr. v. Richthofen (kons.) und Ledebour (Soz.) schließen sich dem an. Nach weiterer Debatte schließt die General­debatte. Der Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei wird bewilligt. Beim Etat des Auswärtigen Amts beantragt Abg. Frhr. v. Gamp (Rp.), den Geheimfonds auf 1200000 ^ zu bemessen und diesen Titel übertragbar zu machen. Staatssekretär v. Schön: Ich wäre für Widerherstellung des Fonds dankbar. Er wird nur für Zwecke des Auswärtigen Amts Verwendung finden. Der Antrag wird in namentlicher Abstimmung mit 149 gegen 93 Stimmen bei 3 Stimmenenthaltungen abgelehnt. Bei der Beratung des Etats des Reichsamts des Innern führt Abg. Becker (Ztr.) aus, der Stahlwerksverband erschwert durch seine Ver­kaufspolitik der Siegerländer Eisenindustrie ihre Existenz. Abg. Vogel (ntl.): Für die Sieger­länder Eisenindustrie sollte ein Zoll auf Eisen­erz geschaffen werden. Ein Antrag Gr äs (Wschftl. Vgg>), dem deutschen Schillerbund von Reichs wegen einen Unterstützungsbeitrag zu gewähren zur Abhaltung jährlicher nationaler Fest­spiele für die deutsche Jugend am Weimarer Hoftheater wird an die Budgetkommission ver­wiesen. Im Verlaufe der Debatte sagte Staats­sekretär Delbrück, das Reichsgesundheitsamt befasse sich z. Zt. mit der Frage der Milzbrand­verhütung. Ein Kurpfuschereigesetz sei für Preußen in Ausarbeitung begriffen. Der Etat des Jnnem wird hierauf bewilligt. Beim Militär-Etat bitten die Abg. Beizer tZtr.) und Haußmann (Fschr. Vpt.) um Berück­sichtigung der hohenzollernschen und württem- bergischen Interessen bei Errichtung eines Truppen­übungsplatzes für die badischen Truppen. Abg. Gothein (Fschr. Vpt.) beschwert sich, daß Juden zu Reserveoffizieren nicht befördert werden. Warum geschieht denn dies in der bayrischen Armee? Kriegsminister v. Heeringen: Die Rekonvaleszenten in den Straßburger Werk­stätten bildeten allerdings eine besondere Arbeits­gruppe, seien aber dadurch nicht benachteiligt. Die Beseitigung exklusiv adliger Regimenter wird seit 2 Jahren auf die Initiative des Kaisers ohne Zutun irgend einer Stelle, auch nicht des Reichstages, betrieben. Bayr. Generalmajor v. Gebsattel: In Bayern wird nicht jeder Jude Reserveoffizier, sondern nur derjenige, der dafür qualifiziert ist. Im weiteren Verlauf der Sitzung wünscht Abg. Oldenburg (kons.) Aufklärung darüber, ob der bayrische Kriegsminister gelegent­lich seiner Ausführungen zum Militäretat in der bayrischen Kammer ihn beleidigende Aeußerungen getan habe. Generalmajor v. Gebsat 1 el führt aus, der bayrische Kriegsminister habe von einer Geschmacksverirrung und Entgleisung gesprochen. Das seien aber nach seinen Erfah­rungen durchaus parlamentarische Ausdrücke, die eine persönliche Beleidigung nicht enthielten. Heute früh ist mir erst ein Erlaß zugegangen, wonach der Minister in den Aeußerungen v. Oldenburgs keine Beleidigung des bayrischen Heers erblickt und wonach auch aus dem ganzen Zusammenhang dieser Aeußerungen die Absicht einer Beleidigung nicht gefolgert werden könne. Abg. v. Oldenburg (kons.) erklärt damit den Zwischenfall für erledigt. Müller-Meiningen (Frisch. Vp.): Der. Unterschied den Frhr. v. Gebsattel zwischen Bayern und Preußen kon­struiert hat, ist der, daß in Bayern qualifizierte befördert werden und in Preußen nicht. Frhr. v. Gebsattel betont, es sei ihm nicht ein­gefallen, einen derartigen Unterschied zu kon­struieren. Nicht jeder Qualifizierte werde in Bayern zum Offizier gemacht. Es hänge von der Wahl ab, ebenso wie in Preußen. Außer dem Abg. Müller-Meiningen benutzen noch die Abgg. Haußmann (Frtschr. Vp.)und Noske

(Soz.) den Zwischenfall Oldenburg-Gebsattel zu Ausführungen, worin sie ihre Befriedigung darüber auSdrücken, daß Oldenburg in dieser Weise abgeführt worden sei. Abg. v. Olden­burg (kons.) erklärte, die Kritik dieser Herren stimme ihn nur heiter, da sie in persönlichen Sachen überhaupt keinen Standpunkt hätten. Infolge dieser Aeußerung entsteht große Unruhe und Bewegung und darauf ungeheuerer Lärm auf der ganzen Linken. (Vizepräsident Dr. Spahn rügt diesen Ausdruck. Dröhnende Rufe:Zur Ordnung!"). Die Abgg. Hauß­mann (Frtschr. Vpt.), Mugdan (Frtschr. Vpt.), Ledebour (Soz.) und Paasche(ntl.) nehmen in schärfster Form gegen den Abg. v. Olden­burg Stellung, der Mitgliedern des Hauses die Ehre abgeschnitten habe und erklären, daß eine Rüge nicht genügend sei und ein Ordnungsruf hätte erteilt werden müssen. Vizepräsident Dr. Spahn, der während der Debatte unter stürmischem Widerspruch der Linken und Lärm auf der Rechten, eine Rüge für genügend er­achtet hatte, erteilt hierauf dem Abg. v. Olden­burg nachträglich einen Ordnungsruf, damit der Zwischenfall erledigt sei. Hierauf wird der Militäretat bewilligt. Beim Militäretat erklärt Staatssekretär v. Tirpitz auf eine Anregung, die Verwaltung habe mit den Behauptungen in der Presse, daß wegen der Abstriche im Etat in Kiel 500 bis 600 Arbeiter entlasten werden müßten , nichts zu tun. Er bestätige, daß die Abstriche in keinem Zusammenhang mit den Ent­lassungen stünden. Hierauf wird der Marine- Etat bewilligt, sowie der Justizetat und der Etat des Reichsschatzamtes. Beim Etat für die Schutz­gebiete regt Abg. Erzberger (Ztr.) an, die Kontrolle des Reichstages bezüglich der Einnahmen und der Ausgaben der Schutzgebiete zu erweitern und eine entsprechende Kolonialverfassung aus­zuarbeiten. Die weitere Debatte drehte sich um die Frage der Nachverzollung der während des Aufstandes in Südwestafrika nicht verzollten Waren. Staatssekretär Dernburg erklärt: In der Ausstandszeit sind die Zölle im Interests der Kaufleute und Gewerbetreibenden nicht erhoben worden. Im Herbste 1906 war aber die gesamte Bevölkerung in Südwestafrika darüber klar, daß nunmehr wieder Zölle eingeführt werden müßten, da es andere Einnahmen für die Kolonie nicht gebe. Gegen den vom Gouvernementsrat an­genommenen Zolltarif ist ein Widerspruch nicht erhoben worden; im Gegenteil haben die Herren, die sich jetzt dagegen äußern, sich damals für die Nachverzollung erklärt. Es ist meine Pflicht, den Kolonien Einnahmen zuzuführen, die das Reich entlasten. Hierauf wird der Kolonialetat bewilligt und ohne Debatte der Etat des Reichs­eisenbahnamtes, der Reichsschuld, des Rechnungs­hofes, des allgemeinen Pensionsfonds und des Reichsinvalidenfonds. Ohne Debatte wird alsdann der Postetat bewilligt, ebenso der Hauptetat und das Etatsgesetz, sowie eine Anzahl zum Etat vor­liegender Petitionen gemäß den Kommissions- beschlüffen erledigt. Beim Postetat hatten die Abgg. Zubeil und Scheidemann (Soz.) ihre früheren Behauptungen betr. Beeinflussung von Unterbeamten in schärfsten Worten aufrecht erhalten. Staatssekretär Krätke: Auf die Ausführungen der Vorredner, die jeden gesell­schaftlichen und parlamentarischen Tones ent­behren, zu antworten, halte ich unter meiner Würde. Abg. Scheidemann (Soz.): Das ist ein alter Trick. Kann man ein erbärmliches System nicht verteidigen, so lehnt man die Ant­wort ab. Vizepräsident Erbprinz zu Hohen­lohe ruft den Redner zur Ordnung und erteilt ihm einen zweiten Ordnungsruf, als er den Ausdruckerbärmliches System" wiederholt. Abg. Scheidemann (Soz.) ruft: Ich pfeife darauf! Große Unruhe. Abg. Zubeil (Soz.): Alles, was ich gesagt habe, halte ich aufrecht. Staatssekretär Krätke: Wenn Sie Ihre Wahr­heitsliebe so hervorheben, sollten Sie auch die Widerrufe beachten, die in der Presse laut ge­worden sind. Abg. Wiemer (Frtschr. Vp.) fragt, ob die konservative Partei die heutigen Aeußerungen ihres Mitglieds v. Oldenburg billige. Abg. v. Normann (kons.): Wir verstehen, daß der Abg. v. Oldenburg schwer gereizt war. Wir erklären aber außerdem, daß wir den Ordnungs­

ruf des Präsidenten für berechtigt halten und daß wir den Ausdruck des Abg. v. Oldenburg nicht billigen; aber ebenso mißbilligen wir die Ausdrücke die von den Abgg. Müller-Meiningen und Haußmann dem Abg. v. Oldenburg gegen­über gebraucht worden sind. Abg. Wiemer (Frtschr. Vp.): Die Aeußerungen meiner Frak­tionskollegen sind vom Präsidenten nicht gerügt worden, verstoßen also nicht gegen die parla­mentarische Ordnung. Wir nehmen mit Genug­tuung von der Erklärung der konservativen Partei Kenntnis. Da der Abg. v. Oldenburg seine Aeußerung nicht zurückgenommen hat, kann ihm gegenüber die unter Kollegen übliche Form nicht mehr gewahrt werden. Abg. v. Olden­burg (kons.): Wenn Sie nach links Ihre Aeußerungen zurückgenommen hätten, so hätte ich es meinerseits auch getan. Abg. Müller- Meiningen (Frtschr. Vp.): Meine Aeußerungen geben dem Abg. v. Oldenburg kein Recht, den Reichstag als einen Ort anzusehen, wo er einen Ehrenhandel mit dem bayerischen Kriegsminister ausmachen kann. Er war nicht berechtigt, drei Mitgliedern des Hauses in solcher Weise die Ehre abzuschneiden. Abg. v. Oldenburg (kons.): Der Abg. Müller-Meiningen wußte, daß es sich um die Belegung eines Ehrenhandels handelt. Selbstverständlich stehe ich den Abgg. Müller-Meiningen und Haußmann jederzeit zur Verfügung. Abg. Bebel (Soz.): Der Abg. v. Oldenburg hat sich auch unserem Freunde Noske gegenüber in gleicher Weise geäußert wie den beiden anderen Abgeordneten gegenüber. Wir sind an die Formen des Abg. v. Oldenburg ge­wöhnt. Er kann uns in keiner Weise verletzen. Abg. Haußmann führt aus, der Ton des Abg. v. Oldenburg sei geeignet, das Haus zu verrohen, und weist darauf hin, daß die Erklä­rung Oldenburgs nicht anders als wie eine Herausforderung angesehen werden könne, wie sie bisher im Hause nicht üblich sei. Der Prä­sident ersucht wiederholt, derartige Ausdrücke nicht zu gebrauchen, und ruft schließlich den Abg. Haußmann zur Ordnung, als er den Abg. v. Oldenburg einen Don Quixote nennt. Damit ist der Zwischenfall erledigt. Der Präsi­dent beraumt die nächste Sitzung auf Dienstag, 12. April, nachmittags 2 Uhr an. Tagesord­nung: Kleinere Vorlagen, darunter Vorlage betr. Entlastung des Reichsgerichts und RechtS- anwaltordnung. Der Präsident wünscht den Abgeordneten gute Erholung und schließt die Sitzung mit Osterwünschen.

Petersburg 17. März. Drei junge Mädchen vergifteten sich gestern gemein­schaftlich mit Cyankali: eine Schülerin am Kon­servatorium, eine Studentin der höheren Frauen­kurse und eine Gymnasiastin. Sie waren des Lebens überdrüssig geworden. Außerdem haben sich gestern in 11 verschiedenen Stadtteilen 6 Frauen und 2 Männer vergiftet.

Vermischtes.

Zahnpflege in der Schule. In dem ersten Jahresbericht der Stuttgarter Schul- Zahnklinik wird hervorgehoben, daß nach den durch den Schulzahnarzt gemachten Wahr­nehmungen die Zahnpflege bei den Kinder« meist sehr zu wünschen übrig läßt. Es konnte insbesondere festgestellt werden, daß nur ver­einzelte Kinder den Gebrauch von Zahn­bürsten kannten. Gesunde Gebisse waren nur bei 3,2°/° der zur Untersuchung gekommene« Kinder vorhanden, und zwar von den Knabe» 4,6°/°, von den Mädchen nur 2,2°/°. Im ganzen hatten bei nur 0,9°/° der untersuchten Kinder die Eltern früher schon einen Versuch zur Er­haltung der kranken Zähne ihrer Kinder gemacht. Von den 18 744 Kindern, welche im verflossene« Jahr die Volksschulen Groß-Stuttgarts besuchte«, wurden durch den Schulzahnarzt behandelt 1906 Kinder oder 10,16°/°

(Peary ... ein Schwindler.) Man schreibt ausNewyork: Nach der großen Blamage mit dem falschen Nordpolentdecker Dr. Cook brach die Begeisterung für Peary umso stärker hervor und er ist bis jetzt in zahllosen Banketten beinahe in allen Städten der Vereinigten Staaten als unsterblicher Mitbürger gebührend gefeiert