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Amts- und Anzeigeblatt sür den Gderamtsdezirk Calw
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85. Jahrgang.
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IrsqiimingSta»«: Montag, »ienStaa. Mittwoch, S»nn«r<raa, Kreitag und KamSta». Jnsert>onSpr«S IS Ufy. pro Z«u» für Stabt u.Bezirklorte; außer Lejirk lü Pfg.
Donnerstag, Len 17. Mär; 1910.
Bezualpr.i.d.Stadt>/^LHrI.m.Lrügerl.Mk. i.ss. PostbezugSpr f-b. OrtS- u. NachbarortSoerk. '^jährl. Mk. 1 . 30 , im Fernverkehr Mk. t.so. Bestell», in Württ. so Pfg., in Bayern u. Reich «L Pf».
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung.
Der Termin für die Anmeldung von Tieren zur Mast- vad SchlachtatehauSstellung in Stuttgart ist bis zum 26. März verlängert worden, s. landw. Wochenblatt Nr 11.
Die H-rren Ortsvorsteher werden ersucht die betreffenden Tierbefitzer zur Anmeldung zu veranlassen.
Bemerkt wird, daß der Landw Bez.^Verein für die Kosten der Eisenbahnfracht für die Stiere bis zum Gesamtbetrag von 300 aufkommt.
Calw, 16. März 1910.
K. Oberamt.
Voelter.
Tsgesnmigketten.
-X- Calw 17. März. Das neue Schuljahr der Volksschule, das Heuer am 1. Mai beginnt, bringt die Einführung von neuen Lesebüchern für sämtliche Klaffen der Volksschule. Die alten Fibeln und Lesebücher sind nicht mehr verwendbar. Die neue Fibel für das 1. Schul- ^ jahr kostet 55 -Z, das Lesebuch für das 2. und --*>-—.^3. Schuljahr 80 dasjenige für das 4. und
5. Schuljahr 1 dasjenige für das 6. und
7. Lchuljahr 1.20 Die Ausgaben werden für Manchen unbemittelten Familienvater, der eine' kinderreiche Schuljugend hat, etwas schwer fallen. Es dürfte deshalb eine Unterstützung armer Kinder aus öffentlichen Mitteln für Lernmittel angezeigt sein. Nach dem neuen Gesetz kommt der Schulfonds hiefür nicht mehr in Betracht.
'^Ca liv, Die K. Regierung des Schwarzwaldkreises hat am 15. März 1S10 die Wahl des Bauern und Gemeindepflegers Johann Georg Lutz in Hornberg, Oberamts Calw, zum Ortsvorsteher der Gemeinde Hornberg bestätigt.
Wildbad 16. März. Ein 17jähriges Mädchen von hier, die Tochter des Müllermeisters Kuch, die in Donaueschingen als Ladnerin bedienstet war, ist von dort auf dem Heimweg von der Fortbildungsschule spurlos verschwunden. Von Pforzheim sind zwei Polizsibeamte mit zwei Polizeihunden abgegangen, um nach der Spur zu suchen.
Stuttgart 16. März. Wie die Württembergs! Zeitung berichtet, sind bei der Daimler- Motorenfabrik in Untertürkheim zwölf Automob i le, die im vorigen Jahre im Kaisermanöver Verwendung gefunden hatten, für das Heer angekauft worden. Sie werden als Lehrwagen zur Ausbildung der Mannschaften der Kraftfahrabteilung dienen. Der Ankauf dieser Automobile bedeutet einen beachtenswerten Erfolg unserer einheimischen Automobilindustrie.
Stuttgart. Dem Gemeinderat ist eine Eingabe zugegangen auf Erhöhung der Warenhaussteuer bis zum gesetzlich zulässigen Maß. Bis jetzt wird in Stuttgart ein 20prozentiger Zuschlag zur Gewerbesteuer erhoben. Der Höchstsatz wäre 50 Prozent.
Stuttgart 15. März. D r. Stolberg aus Straßburg hielt heute abend im Oberen Museum einen Vortrag über die deutsch- schweizerische Expedition nach Grönland im Sommer 1909. Erst mit dem 19. Jahrhundert hätten die Forschungsreisen in die Polargegend begonnen. Mit dem Hinweis auf die Expeditionen, die zur Erforschung des Pols ausgerüstet wurden, bezeichnet Redner Peary für denjenigen, der am wahrscheinlichsten den Pol erreicht habe. Grönland sei ein Gebiet, das 2 200000 Quadratkilometer bedecke. Nur ein schmaler Küstenstreifen sei schwach bewohnt, während die ungeheure Fläche des Jnnenlands noch kein menschlicher Fuß betreten habe. Unge
heure Eismaffen bedeckten das Land, die nach Norden ansteigen. Die Eisdecke steige zu beträchtlicher Höhe hinan und werde im Sommer von zahlreichen Wasserläufen, Seen und Eislöchern unterbrochen. Die Eingeborenen selbst wagen sich nicht ins Innere, da der Aberglaube, daß jeder Eindringling von Gespenstern umgebracht werde, sie von allen Reisen abhalte. So mußten die drei Forscher mit ihren Schlitten, Zelten und Proviant allein das unwirksame Innern betreten und unter großen Schwierigkeiten über Gletscherspalten und Klüften mußte der Vormarsch angetreten werden. Bei günstigem Wetter und warmer Temperatur wurde die Reise zurückgelegt. Immer blieben sie allein, ohne Vegetation, ohne auf ein menschliches, Wesen zu stoßen. Doch zeigt die Vereisung Grönlands eine rückläufige Tendenz. Nachdem Redner noch die wissenschaftlichen Erfolge und die Windverhältnisse der Polargegend besprochen, streifte er nur flüchtig die Aussichten der arktischen Luftschiffexpedition, wobei er sich größter Vorsicht befleißigte und jede Prognose vermied. Die sehr interessanten Lichtbilder gaben ein prächtiges Bild der grönländischen Eisregionen und der Eskimos. Lebhafter Beifall brachte den Dank der Erschienenen dem noch jugendlichen Forschungsreisenden zum Ausdruck.
Stuttgart 16. März. Bei der heute auf der Stadtdirektion vorgenommenen Ziehung der Geldlotterie zu Gunsten des Umbaues der Liederhalle fielen die Hauptgewinne auf folgende Nummern: 30000 ^ auf Nr. 41625, 8000 auf Nr. 48397, 2000 ^ auf Nr. 13297, je 1000 ^ auf Nr. 29811, 7302, je 500 ^ auf Nr. 445, 70208, 46 206, 42250. Je 200 ^ fielen auf die Nummern: 11252, 11483, 51583, 53473, 9963, 59 963, 67529, 68612, 27 783, 11303. (Ohne Gewähr.)
Wildwasser.
Gebirgsroman von Luise Cammerer.
(Fortsetzung.)
„Kannst das Richtige erraten haben", pflichtete Lindhammer ernst bei. „Mit eurer Sach steht es nit so, wie es stehen sollt, der Martl, den der Sepp voriges Jahr hinausgeworfen hat, und der jetzt in meinem Dienst steht, der könnte ein Lied singen von dem braven Oberknecht. Der Martl hat grad genug gehört und gesehen, aber nur nichts guts. Erst in der letzten Woch hat dem Sepp sein Vater eine schwere Hypothek, die auf seinem Zeug gestanden ist, mitsamt dem Zins heimgezahlt, und von ihm selber und von seinem kleinen Zeug hat er das viele Geld nit zusammengebracht, und bei euch, da werden die Rösser, das Vieh und das Getreide und Futter allweil weniger. Es ist zwar nit meine Sach, um die es geht, aber sobald das Bübchen, der arme Tonerl, in die Erd eingegraben ist, werd ich auf dem Raintalerhof zusprechen und meinem alten Freuud Pauli ein biffl die Augen aufmachen, daß er dem schlauen Fuchs auf die Gäng schaut, und ihm eine Falle legt."
„All meiner Lebtag will ich dirs danken, Lindhammer, gelt, tu ein biffl an mich denken," bat Gundi warm, „schau, bist mir zuvor ja auch gut gesinnt gewesen und ein unverlaffeneres Dirndel gibts nit auf Gottes Erde weiter. Weißt, und wenn du selbst in einer Bedrängnis bist, ich helfe dir aus, dann kommst zu mir", fügte sie mit inniger Kindlichkeit hinzu. „Im Herbst, da werd ich mündig, da krieg ich mein Muttergut ausbezahlt, einen hübschen Brocken Geld, an die 30000 Mark sind's, die gehören mir, darüber Hab ich allein die Verfügung und davon kannst du haben, so viel du brauchst, und mit dem ZinS, da hats gute Weil!"
Lindhammers Blick verdunkelte sich.
„Mir kann niemand helfen, Gundi", sagte er hart. Ich will dein Geld nit, es wär doch hin. In der Schneidmühl, da gehts abwärts, da ist kein Segen mehr, und ich kämpf auch gar nimmer dagegen an, weil« doch nichts hilft. Mir fehlt der Willen und die Kraft und der Mut dazu. Ich geb es auf und halt still."
„Lindhammer, so darfst nit daherreden", entgegnete Gundi mit tiefer Innigkeit. „Das kann ich gar nit hören, weil mirs zu weh tut. Weswegen wär denn nachher unser Herrgott da, glaubst und vertraust denn du gar nimmer auf ihn? Er sorgt doch allweil wieder für ein jedes Geschöpf auf seiner Gotteserd. Diesmal hats dich halt ein biffl schwer angefaßt", tröstend streichelte sie seine schwieligen Hände, „aber es wird auch wieder Vorbeigehen, das Unglück, Schneidmüller, weißt, auf einen Regen folgt der schönste Sonnenschein und nach einem Donnerwetter blüht ein jedes Blümerl nochmal so frisch in die Höh und duftet nochmal so gut, und dir selbst wirds auch so gehen. Bist doch ein Mann von gutem Schlag, wie deine Lindenbäum, voll Kraft und Frische, und'darfst doch deinen Kopf nnd dein Gottvertrauen nit verlieren."
„Wie lieb du trösten kannst und wie gut dus mit dem Vater meinst," sagte Veferl, die dem Gespräch still und dankbar gelauscht. „Ganz ruhig wird's in einem, so gut und freundlich ist deine Red. Mußt halt recht oft auf Besuch kommen zu uns, weißt, da kommt ein Frieden und ein biffl warmer Sonnenschein mit, und die Trübsal hat keinen Bestand mehr."
Es nachtete bereits, als Gundi ihre Heimfahrt antrat. Die Lust war schwül und trocken, das ganze Firmament von schweren Wetterwolken verhängt. Ein Hochgewitter stand im Anzug. Ganz vergeblich hatten Lindhammers sie zu längerem Bleiben aufgefordert, Gundi hatte sich aber trotz des immer näher und dräuender heranziehenden Unwetters nicht halten lasten, einmal weil ihr das Alleinsein des Vaters Sorge machte und sie anders im Hofe genug Arbeit fand.