AM- Md Anzelgedlatt für den MersNkbezirk Calw
62.
85. Iahrgasg.
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Srschtinvngiitag«: Montag, Dienstag, Mittwoch, 4 snn«r»tag, ijrettrg und DamStag. JuskrttonSyrekS >?Bfx,prvK«u« ;vr Stadt u, vrzirkrorte; außer Bezirk!» Bfg.
Mittwoch, Len 16. May 1910.
vezugSpr.t.d. Stadt >/^LHrl.m. DrSgerl. MI. t, 2 S. PostbezugSor s.b. Ort«, u. NachbarortSverk. -/^jLhrl. Mk. 1.20, im Aernverkeh, M. I.so. Bestell-. in Württ. so Pfg., in Bayern u. Reich »2 Psz.
Amtliche Bekanirtmachurrge«.
Kekasutmachllng betr. Lev Schütz der Vögel.
Den Bezirksangehörigen werden die nachstehenden Bestimmungen betreffend den Schutz der Bözel auf Grund des Vozelschutzgesetzes vom 30. Mai 1908 und der Württ. Minist.-Verfügung vom 27. Februar 1909 Regierungsblatt S. 35 zur Kenntnis gebracht.
Verboten ist:
1) Das Zerstören und Ausheben von Nestern oder Brutstätten der Vögel, das Zerstören und ÄuS- nehmen von Eiern, das Ausnehmen und Töten von Jungen, das Feilbieten und der Verkauf gegen dieses Verbot erlangter Nester, Eier und Jungen.
2) Jede Art des Fangens und der Erlegung von Vögeln, soweit sie nicht zu den jagdbaren Vögeln gehören und soweit nicht das Oberamt für gewisse Vogelacten hiezu Ermächtigung erteilt hat.
3) Dem Fange« im Sinne des Gesetzes «ird jedeS Nachstelle» zum Zweck de- FangeS oder TötenS von Vögel», insbesondere das Anfstellen von Netze«, Schlinge«, Leimruten oder anderen Fangvorrichtungen gleich geachtet.
4) Wer Vögel, welche unbefugt gefangen worden sind, feilhält, verkauft oder ankauft, oder wer verbotswidrig feilg botcne Vögel oder verbotswidrig erlangte Eier oder Nester von Vögeln ankauft, ist strafbar und hat auf Verlang:» der Polizeibehörde die gefangenen Vögel in Freiheit zu setzen.
5) Strafbar ist ferner, w r Hunde oder Katze« im Walde oder ans freiem Felde umherschweifen läßt.
Etwaige Anzeigen sind zur Abrügung dem Oberamt anzuzeigen.
Da auch der Unfug häufig vorkommt, daß Hecken, die Ntstplätz: nützlicher Vögel, unbefugt ausgerodet oder Hecke» «nd Gras an Grenzrainen, Straße«, Wegen oder Grüben in Brand gesteckt oder sonst unerlaubter Weise entfernt werden, wodurch die beste Gelegenheit zum Nisten den nützlichen Vögeln genommen und hiedurch zum großen Scha
den für die Landwirtschaft und besonders dem Obstbau eine Verminderung der nützlichen Vögel verursacht wird, so ei halten die Ortsbehörden den Auftrag, für die Erhaltung der Hecken tunlichst Sorge zu tragen und diesem Unfug nachdrücklich entgegenzutreten. Auch werden Eltern und Lehrherrn veranlaßt, ihre jungen Leute auf dieses Verbot aufmerksam zu machen, wobei bemerkt wird, daß nach 8 832 des bürgerl. Ges.-BuchS die zur Aussicht über die Minderjährige« verpflichtete« Personen nicht nur für den etwa angenchteten Schaden prtvatrechtlich zu haften haben, sondern auch nach 8 361 Z. 9 d;S R-Str.-Gb. strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. AlS Strafbestimmungen kommen in Betracht 8 368 Z. 6 des R -Str.-Gb., Art. 34 Z. 5 und Art. 36s Z. 2 des Pol.-Str.-Ges., eventuell auch Art. 30 Z. 3 und A t. 32 des Forstpolizeigis. vom 19. Februar 1902 Reg.-Bl. S. 61.
Die Ortsbehörden werden beauftragt, Vorstehendes in ihren Gemeinden öffentlich bekannt z« mache«, das unterstellte Polizei-, Feld- und Waldschutzpersonal entsprechend zu instruieren und hierüber Eintrag in das Schnlth-Amt-Protokoll zu fertigen.
Die Herren OrtSschnlinspektore« und Lehrer werde» ersuK, vorstehende Vorschriften unter entsprechender Veiwarnung den Kindern in den Schule« einzuprägen und zu erläutern.
Calw, 14. März 1910.
K. Oberamt.
Voelter.
TagesrmügLeite«.
-X- Calw 15. März. Wer eine geistige Bewegung kennen und verstehen lernen will, muß ihre Quellen aufsuchen. Das bloße Hörensagen giebt ein sehr ungenügendes und unzuverlässiges Bild. Morgen Donnerstag abend bietet sich Gelegenheit, Stadtpfarrer Umfrid-Stuttgart, einender ersten internationalen Vertreter der modernen
Friedensbewegung, zu hören und dadurch in persönliche Berührung mit dieser Geistesrichtung zu gelangen. Schon das Thema seines Vortrags: „Der Kampf ums Dasein und die Humanität im Krieg" deutet diebreite wissenschaftliche Basis an, auf welcher die Friedensbewegung unserer Tage ruht. Die Beziehungen der Friedensidee zu den verschiedenen Gebieten des Wissens und der Bildung sind erforscht worden und werden immer mehr ergründet. So hat diese Idee eine sichere und klare Stellung im heutigen Geistesleben erhalten, ihre umfassende und erhabene Bedeutung für die Kultur und das Glück der Menschheit erstrahlt immer Heller. Auf diese Weise ist ihr die Bahn bereitet, auch ihrerseits das geistige Leben und Streben der Gegenwart befruchtend zu durchdringen. In steigendem Maße wird sie sich daher der Gedanken und Gefühle, des Wollens und der Sehnsucht der Menschen in ihrer Masse bemächtigen. Unaufhaltsam ist ihr Vorwärtsdringen und unabänderlich ihr einstiger Sieg. Selbst die entschiedensten Gegner geben jetzt unumwunden zu, daß die Friedensbewegung in den letzten 10 Jahren auch in Deutschland stetig an Boden gewonnen habe und nicht mehr einfach ignoriert werden könne. Und dies, obgleich sie von Anfang an bei uns einen besonders harten Kampf zu führen hatte. Sie wird siegen, weil sie die Macht der Tatsachen, die Ergebnisse der Wissenschaft, das Suchen der heutigen Menschheit, die Mächte der Sittlichkeit und der Religion für sich hat. Davon wird in seinem Teil auch der morgige Vortrag zeugen. Möge er ein zahlreiches und empfängliches Publikum finden.
L. Calw 15. März. Der Liberale Verein hat am Montag abend im „Adler" seine letzte Mitgliederversammlung abgehalten.
Wildwasser,
Gebirgsroman von Luise Cammerer.
(Fortsetzung.)
„Meinem Vater gehts akurat so, Lindhammerbas", sagte Gundi schüchtern. „Dem fehlt das beste und erst heut hatS einen Verdruß geben mit dem Sepp, weil der dem Vater verschwiegen hat, daß der Schneidmüller im vorigen Herbst einmal zu ihm auf den Raintalerhof hinaufgekommen wär, und der Sepp deinen Mann nit zu uns eingelassen hält. Der Vater hat nachher dem Oberknecht seine Meinung beigebracht und er tät von Herzen gern mit dem Lindhammer aufs Gleiche kommen.
„Der Sepp, der hat den Raintaler mit samt seinem Hof im Sack!" lächelte die Bruckbräuerin spöttisch. „Hättest dich als einzige Haustochter schon auf festere Füß stellen sollen, Gundi, mit den nichtsnutzigen Männerleuten bist all deiner Lebtag verraten und verkauft. Darfst mirS nit verübeln, wenn ich von deinem Hochzeiter nit gut red und denk, aber in der ganzen Gegend um und um weiß man vom Breitmosersepp nit viel Gutes zu erzählen und sein Vater ist froh, daß er den Burschen los und in ein warmes Nest hineingebracht hat!"
„Der Sepp — mein Hochzeiter — na, was dir nit alles einfällt, Bruckbräuerin", zürnte Gundi empört. „An dem Gered ist ja gar kein wahres Wort. Denselbigen, den ich gern gehabt Hab, der hat mir aufs Herz getreten und einen andern will ich nit, und der Knecht von meinem Vater der wär der allerletzte, der zählt gar nit bei der Gundi. Gelt Lindhammerbas, du hast das auch nit geglaubt von mir?"
„Nein, Gunderl, ich nit?" Die Schneidmüllerin legte den Arm um« Dirndel und drückte es an ihr mütterliches Herz. „Es hat ein biffl lang gedauert, bis du den Weg auf die Schneidmühl gefunden hast und
in einer trüben Stund kimmst zu mir, aber es ist mir doch ein Trost, daß du da bist und den Frieden bringst — trägst doch den Frieden selbst in dir, du liebes Kind du. Ein Kind hat mir der Herr genommen, ein anderes schickt er mir zum Trost ins Haus, so will ich nit verzagen und mein Kreuz mit Geduld ertragen."
Gemeinsam begaben sich die Frauen in das Sterbezimmer, in dem eben die Geistlichkeit zur Aussegnung eingetroffen.
Inzwischen hatte Lindhammer mit dem Sepp gleichfalls eine Meinungsauseinandersetzung gehabt und beide waren dabei scharf aufeinander geraten. Mit breiter Umständlichkeit und sehr wortreich war der Oberknecht auf Lindhammers vorjährigen Besuch im Raintalerhof zu sprechen gekommen und hatte sein damaliges anmaßendes Verhalten gegen ihn zu entschuldigen und zu beschönigen und alle Schuld und Verantwortung für seine eigene, freche und eigenmächtige Handlungsweise seinem Herrn aufzubürden versucht.
„Kannst es gar nit glauben, wie schwer es einem gemacht wird, bei dem alten, zuwidern, kritischen Bauern auszuhalten, Lindhammer", sagte er mit erheuchelter Freundlichkeit, „weißt, da« Kranksein macht den Mann ganz närrisch. Bald sagt er so, bald so, daß man sich selber nimmer auskennt, wie er es gehalten haben will, und nachher, wenn etwas nit recht einschlägt, will er alle Schuld mir in die Schuhe schieben. Bi« oben hinauf Hab ichs satt in seinem Dienst, und sobald mir etwa» Besseres ansteht, nachher bin ich die längste Zeit im Raintalerhof gewesen."
„ES wird sich um und um nit leicht ein besseres Plätzl für dich finden, Sepp", erwiderte Lindhammer trocken. „Hast eS dort recht gut angetroffen, im Raintalerhof, mußt halt noch Geduld haben, noch ein biffl zuschauen, bis der Raintalerpauli die Augen zumacht. Der Mann hat ja so wie so nichts mehr zu sagen in seinem Zeug, der arme Tropf ist der Niemand geworden. Du bist ein feiner Gauner, das muß man einge-