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und weiter in die Schweiz hinein bis an den Vierwaldstätter See veranstaltet werden.
Wangen i. A. 9. März. Gestern kurz nach 9 Uhr ereignete sich auf der Landstraße Ravensburg-Wangen an der Steige unterhalb der „Reichsdose" ein schreckliches Unglück. Ein mit drei Personen besetztes Automobil kam abwärts einem Fuhrwerk entgegen; auSweichen war nicht mehr möglich. Das Automobil Überschlag sich infolge zu starken BremsenS und beide Gefäbrte fuhren aufeinander. Von den drei Insassen des Automobils, Herren aus Leutkirch, wurde Maschinenfabrikant Fritz Mendler, Vater von vier Kindern, getötet; Rechtsanwalt Dr. Gut und Werkmeister Schilling erlitten mehr oder weniger schwere Verletzungen. Die beiden Insassen des Fuhrwerks wurden ebenfalls heraus- geschleudert, aber nur unbedeutend verletzt. Beide Gefährte wurden stark beschädigt.
Berlin 9. März. Prinz und Prinzessin Eitel Friedrich haben heute Abend vom Anhalter Bahnhof aus ihre Orientreise an- getreren.
Berlin 9. März. (Reichstag) Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um l'/t Uhr. Am Burdrsratstisch ist Staatsstkretär v. Tirpitz anwesend. Auf der Tagesordnung steht der Etat für Kiautschou und das ostasiatische Marinedetachcment. Abg. Erz- berg er (Ztr.): Erfreulich ist, daß die Marine- Verwaltung für 1909 erhebliche Ersparnisse, von 1 Mill. Mk. erzielte. Wir muffen in Kiautsckou auch auf Sparsamkeit sehen. Wir verlangen für Kiautschou die Selbstverwaltung. In Kiautschou ist viel zu reichliches Personal. Auch wird zu kostspielig gebaut. Es fehlt schließlich an genügender Unterstützung der Missionsschule. Staatssekretär v. Tirpitz: Der Ausfuhrhandel Kiautschous hat einen überraschenden Aufschwung genommen und damit auch die Schiffahrt. Wir sind in das chinesische Eisenbahngeschäft gekommen und dürfen auf weiteren starken Absatz rechnen. Wir schreiten auch in der Selbstverwaltung vorwärts. Der Etat ist recht sparsam ausgestellt und ich glaube nicht, daß hier bei den Beamten noch mehr Abstriche gemacht werden können. Die Bauten in Kiautschou entsprechen den dortigen klimatischen Verhältnissen. Die Hafenarbeiten finden allseilige Anerkennung. Die Missionsschulen zu unterstützen, halte ich auch für erwünscht. Abg. Dr. Paasche (ntl.): Es muß entschieden noch viel sparsamer gewirt- schaftet werden, namentlich hinsichtlich des Beamtenpersonals. Abg. Drö scher (kons.): Wir zollen dem Staatssekretär und seinen Mitarbeitern volle Anerkennung für das, was für die Entwickelung von Kiautschou getan ist. Die Marineverwaltung möge auf dem betretenen Wege
Weiterarbeiten. Staatssekretär Tirpitz: Die Verhältnisse in Kiautschou erfordert ein größere« Aufsichtspersonal. Abg. S1 orz (Fortschr. Vpt.): Die Entwicklung von Kiautschou hat unsere Erwartungen im allgemeinen nicht getäuscht. Wir wünschen größere Beschleunigung der Bahn- bauten. Sollen die Erzlager an der Eisenbahn verpachtet werden? Kann nicht eine Verminderung der Truppen eintreten? Am Personal läßt sich manches sparen. Die Gehälter sind zu hoch. Staatssekretär v. Tirpitz: Die Marinever- waltung wird den Anregungen, soweit dies möglich ist, Nachkommen. Abg. NoSke (Soz.): Die an die Verpachtung Kiautschous geknüpften Hoffnungen haben sich durchaus nicht erfüllt. Die Kolonie kostet viel zu viel Geld, weil wir dort Truppen halten müssen und doch können wir die Kolonie gar nicht halten, wenn, wie dies jetzt geschieht, die Chinesen ihr Heer reorganisieren. Wir verweigern die Mittel für diese kostspielige und unsichere Besitzung. Abg. Görcke (natl.): Wir wünschen, daß die Marineverwaltung alles tut, um die wirtschaftliche Entwicklung Kiautschous nach Kräften zu fördern. Abg. Nacken (Ztr.) wünscht, daß sich in der Verwaltung von Kiautschou kaufmännischer Geist entwickle. Staatssekretär v. Tirpitz: Kaufmännische Prinzipien lasten sich so schnell nicht einführen. Hierauf wird der Etat mit den dazu vorliegenden Resolutionen angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Postetats. Abg. Kämpf (Fortschr. Vp.): Wir bedauern die Abschaffung des Postankunstsstempels. Das Postscheckwesen muß ausgebaut werden, namentlich für den internationalen Verkehr. Das Ortsporto sollte baldigst wieder eingesührt werden. Eine Verbilligung des Postkartenveikehrs würde von allen gewerblichen Kreisen aufs freudigste begrüßt werden. Auch das Weltpostporto sollte, wie im direkten Verkehr mit Amerika, für de« Bereich des Weltpostvereins verbilligt werden. Abg. Lattmann (Wirtsch. Vgg.): Die Resolution auf Schaffung eines Postbeirats, bestehend aus Vertretern des Handels, der Jndnstrie, der Landwirtschaft und des Handwerks, begrüßen wir mit Freuden. Ein großer Teil von Unter- beamten ist nicht etatsmäßig angestellt, und wir erwarten eine Erklärung vom Staatssekretär, wie er sich deren Zukunft und die der weiblichen Hilfskräfte denkt. Es werden doch auch vielfach Leute entlasten, die schon seit Jahren beschäftigt sind. Staatssekretär Krätke: Die Verwaltung hat selbst ein Interests daran, bewährte Arbeiter möglichst lange zu behalten. Ob wir verdienten Arbeitern, die später in Unterbeamtenstellen einrücken, die Arbeitszeit anrechnen, geht auch andere Verwaltungen an. Wir prüfen die Frage aber. Den Ankunft?stempel haben wir abgeschafft, um die Abfertigung zu beschleunigen. Mit dem ständigen Ausschuß will man uns unter
gegenständ der Beratung bildete der Fahrplan- entwurf, der aus Gründen der Geschäftsvereinfachung und Ersparnis in Uebereinstimmung mit den übrigen deutschen Verwaltungen zum erstenmal für ein ganzes Jahr (1. Mai 1910 bis SO. April 1911) aufgestellt worden ist. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß die für die Oeffentlichkeit bestimmten Drucksachen (Aushangsahrplan, Taschenfahrplan und Kursbuch) nach wie vor zweimal jährlich zu den gewohnten Zeiten erscheinen sollen. Bei einmaliger Ausgabe im Jahre würden die Fahrpläne unübersichtlich. Zu dem Fahrplanentwurf wurde von den Vertretern der Eisenbahnverwaltung bemerkt, daß man in erster Linie bestrebt gewesen sei, die Kurslage der seither gefahrenen Züge dem Verkehrbedürfnis noch weiter möglichst anzuposten. Eine Vermehrung der Fahrten habe mit Rücksicht auf die Finanzlage nur in bescheidenem Umfange empfohlen werden können. Trotz dieser Zurückhaltung seien für alle Linien Verbesserungen zu erzielen gewesen. Der Beirat anerkannte dies ausdrücklich und billigte den Entwurf. Dabei wurde der Wunsch vorgetragen, es mögen auch künftig, wie dies bisher mit Erfolg geschehen, durch Fühlungnahme mit den Interessenten an Ort und Stelle die Verkehrsbedürfnisse der einzelnen Bezirke ermittelt werden. Die Berücksichtigung dieses Wunsches konnte zugesagt werden.
Tübingen 9. März. Im physikalischen Institut sind in den letzten Monaten den Studenten und Studentin» en während der Vorlesungenmehrfach die Portemonnaies gestohlen worden, ohne daß es gelang, den Dieb zu erwischen.
Waldsee 9. März. Ein schweres Unglück ereignete sich vorgestern abend in Mol- pertshaus. Drei dreizehnjährige Knaben, die tagsüber mit einem Terzerol geschaffen halten, wollten die Spielerei abends fortsetzen. Da die Waffe versagte, untersuchten sie diese. Plötzlich ging der Schuß los und traf den Zimmermanns- sohn Konrad Kern mitten in die Brust. Der Tod trat innerhalb 5 Minuten ein. Zu dem Schießwerkzeug kamen die Knaben durch einen Katalog, die gefährliche Waffe kam erst am Vormittag in ihren Besitz.
Friedrichshafen 9. März. DasFlug- schiff 24 ist im Gerippe fertiggestellt und auch die äußere Umhüllung ist umgeknüpft. Demnächst werden die beiden Motorgondeln montiert. Die ersten GaSzellen sind fertiggestellt und werden gegenwärtig eingepaßt. Bezüglich der Propellerform und der Antriebsvorrichtung weiden noch weitere Untersuchungen gemacht. 2 4 dürfte anfangs Mai flugbereit sein und dann seine Fahrten von Friedrichshafen aus beginnen. Sie werden, nach einer Blättermeldung, zunächst vorzugsweise nach dem Rheinfall (Schaffhausen)
und gemieden. Gundi gefiel ihm, noch mehr aber imponierte ihm der reiche Besitz, allein er gefiel ihr nicht, was sie ihm auch ganz unverhohlen zu verstehen gab, damit jede keckvertrauliche Annäherung zurückzuhalten suchend. Der große Hof brachte Arbeit in Hülle und Fülle, und da sie stet» auf den Haushalt und auf das Wohl des Vaters bedacht blieb, so schaffte sie ohne Unterlaß, damit es nirgends an Ordnung fehle, niemand über irgend eine Vernachlässigung zu klagen fände. Dabei versäumte sie die Pflege des alten, verdrossenen Mannes keineswegs und dank ihrer aufopfernden Fürsorge und der heilkräftigen Kräuterbäder, die sie für seine kranken Füße zubereitete, stellte sich allmählich eine Besserung seiner Schmerzen ein.
„Das nichtsnutzige Ding, das ihm der Herrgott zum Aerger auf die Welt geschickt," avancierte denn allmählich zum „lieben Dirndel" zum „Gottessegen" ohne den er sich nicht mehr zu behelfen wußte. Nur ab und zu, wenn er aus seiner Diät heraustrat und sich beim Weine gemütlich tat, wenn es in den Füßen zu rumoren anfing, dann kehrte stundenweise wohl auch der alte Berserkerzorn zurück, doch die Berserkerkraft, die fehlte und die Zornausbrüche verkrachten schadlos wie Feuerwerkskörper in der Luft.
Gundi blieb ganz still dabei. Einmal war sie in dieser schweren Zeit dem Vater näher getreten und unentbehrlich geworden, beim Gesinde stand sie als Haustochter im Ansehen und mit der Zusammengehörigkeit zugleich war auch warmes Heimatsgesühl gekommen.
Der Winter trat in seine Rechte ein. Ein frostiger, schneereicher Winter, der Berge und Täler in ein unabsehbares glitzerndes Weiß einhüllte. Hoch oben in dem Bergforst hatte der Schneesturm einen bedeutenden Waldbruch verursacht, nun mußte da« Holz in Schlitten zu Tale geführt, im Holzhof gesondert und geschlichtet werden. Trotz neu auftretender Schmerzen ließ Raintaler sich nicht abhalten, überall selbst Hand anzulegen und die Anstrengung mit einer neuerlichen starken Erkältung
zogen ihm einen Rückfall seines Leidens zu, einen Rückfall, der ihn monatelang ins Bett und in den Lehnstuhl fesselte, wenig Aussicht auf seine Herstellung bot und seine Galligkeit in verstärktem Grade zum Ausdruck brachte.
Gundi suchte ihn nach Kräften zu zerstreuen und ihm die peinliche Lage erträglich zu machen, doch alle Liebesdienste erwiesen sich als machtlos. Die Einsamkeit und Langeweile plagten den kranken, an rastlose Tätigkeit gewöhnten Mann, dazu belastete ihn das Zerwürfnis mit Lindhammer, mit dem ihn ein Lebensalter hindurch die ungetrübteste Freundschaft verbunden und mit dem er sich in allen wichtigen Lebensintereffen stets ein» gefühlt. Er vermißte das warme FreundrSwort, den vernünftigen Meinungsaustausch vom Mann zu Mann, und wenngleich Gundi ihm viel unverdiente Liebe gab, wenn er ihr auch täglich zugetaner, verpflichteter wurde, so blieb sie in seinen Augen eben doch nur Halbheit, ein Dirndel.
Die Versöhnung anzubahnen, das erste Friedenswort zu sprechen, dazu ließ ihn der Stolz nicht herbei, obgleich er sich sagte, daß WendÄ an der eingetretenen Verfeindung völlig schuldlos sei, daß er selbst durch feine unzeitigen Späste de« Sixt herausgefordert habe, dem Dirndel schln zu tun und es vor den Leuten bloß zu stellen. Dennoch stieg ihm noch jetzt das Blut zu Kopf, wenn er an das Scheibenschießen dachte, auf de« ihm, dem reichen, angesehenen Großbauern, von dem „lappigen Burschen" eine derbe Abfertigung zuteil geworden war.
Mit Gundi darüber zu reden, wagte er nicht mehr, seitdem sie ihm einmal mit aller Entschiedenheit begegnet und ihn dringend ersucht hatte, ein für allemal nicht mehr auf die Sache zurückzukommen soforn er nicht wollte, daß sie bei Nacht und Nebel wie sie gehe und stehe, den Hof »erlasse, um nie mehr dahin zurückzukehren.
(Fortsetzung folgt.)
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