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Dienstag, den 8. Mär; 1910.
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Amtliche Bekanntmachungen.
An die Ortsarmeubehörderr.
Unter Bezugnahme ans den Min.-Ecl. vom 6. Februar 1910, Mtn.-Slmtsbl. S. 33 Abs. 1 Ziff 1 haben die OctSarmenbehörden zu berichten, ob sich in ihren Gemeinden pstegeaustaltsbedürfttge Geisteskranke befinden, deren Unterbringung in etner Anstalt versucht, aber wegen Platzmangels in den vorhandenen Anstalten nicht möglich war.
Die Berichte bezw. Fehlanzeigen find -iS t8. dS. MtS. dem Oberamt virzulegen.
Calw, 7. März 19l0.
^ K. Oberamt.
Amtmann Rippmann.
Tagesuevtgketterr.
Stuttgart 7. März. Ein erheblicher Diebstahl wurde dieser Tage in einem Hause der Kriegerstraße verübt. Gestohlen wurden aus einer Wohnung 4 goldene Broschen, 1 Damenring mit Diamanten, 1 goldene Damenuhr, 2 goldene Uhrketten, 1 Brillantbrosche, 1 Brillantbusennadel und eine Reihe anderer Gegenstände.
Stuttgart 7. März. Das Sportluftschiff Parseval V der Motorlustschiff-Studiengesellschaft hat bei seinem letzten Aufstieg unter Führung des Oberleutnants Stelling dem Wind von 10 m Stärke nicht Stand halten können. Der Ballon von 30 m Länge mit 1200 Kubikmeter Wasserstoffgas und einem Motor von 24 ?8 wurde vom Wind erfaßt und vertrieben. Schon nach einer Viertelstunde entschloß sich der Führer zur Landung, die in ziemlicher Entfernung vom Ausstiegplatz erfolgen mußte.
Stuttgart 7. März. Oberbürgermeister v. Gauß sieht sich durch die Erörterungen, die
an die Dauer seiner Amtszeit geknüpft worden sind, veranlaßt, seine Amtsniederlegung innerhalb eines engbegrenzten Zeitraumes anzukündigen. In einem Briefwechsel mit einem Stuttgarter Gemeinderatsmitglied teilt der Bürgermeister mit, seine Wahlrede, in der er versprach, aus seiner Gegnerschaft zum Prinzip der LebenSlänglichkeit die Konsequenzen zu ziehen, wenn die Gesetzgebung dieses Institut nicht beseitigen sollte, sei damals nicht ausführlich wiedergegeben worden. Er habe ausdrücklich kein Versprechen gegeben, sich nach einer gewissen Zeit wieder wählen zu lassen, weil ein solches Versprechen als ein Grund für die Versagung der Bestätigung bezeichnet worden sei. Eine solche Verpflichtung habe er also nicht übernommen, sie sei auch von niemand verlangt und erwartet worden. Könnte er annehmen, noch eine zehnjährige Wahlperiode sein Amt versehen zu können, so würde die Frage der Amtsniederlegung oder der Neukandidatur für ihn aktuell werden. Nun reichten seine Kräfte aber nur für eine viel kürzere Amtszeit aus. Er handle deshalb durchaus in Ueber- einstimmung mit dem, was er seiner Zeit ausgesprochen habe, wenn er innerhalb eines, durch seine Gesundheitsverhältnisse vorgezeichneten, wie er glaube, eng begrenzten Zeitraums den Zeitpunkt seiner Amtsniederlegung selbst wähle. Der „Schw. Merk." bemerkt dazu, das bisherige Ausbleiben einer solchen Aeußerung habe in der Bürgerschaft nicht günstig gewirkt und die Stellung des Herrn Oberbürgermeisters nicht verbessert. DaS Blatt stellt dann fest, daß in den von dem Wahlkomite für die Kandidatur herausgegebenen und mehreren Stuttgarter Blättern beigelegten Flugblatte an der Stelle, da von der Lebens- länglichkeit der Ortsvorsteher und dem freiwilligen Rücktritt vom Amte die Rede ist, jeder Hinweiß
darauf fehlt, daß weitere Ausführungen, als die im Druck wiedergegebenen, gemacht worden seien.
Stuttgart 7. März. Die Verhandlung in der Strafsache gegen den Redakteur des Simplizissimus, Gulbranßon, wegen Beleidigung des Bischofs Dr. von Keppler und der Geistlichen der Diözese Rottenburg findet am 8. April vor der hiesigen Strafkammer statt.
Stuttgart 7. März. Bei dem heutigen Verkauf von Rauchwerk im Kgl. Wildbretmagazin wurden erlöst für Fuchsbälge 15 für Edelmarder 40 für Steinmarder 28.50 für Iltis 8.60 Die Preise find zurückgegangen. Zum Verkauf kamen 148 Bälge.
Cannstatt 7. März. Die ledige 40 Jahre alte Friederike Hämmerle wurde am Samstag Nachmittag wegen Kindstötung verhaftet. Sie ist geständig, daß sie 2 unehelich geborene Kinder gleich nach der Geburt durch Ersticken getötet und die Leichen im Ofen verbrannt hat. Ihr Schwager und ihre Schwester wurden wegen Verdachts der Beihilfe gleichfalls in Hast genommen.
Zuffenhausen?. März. Eine Schreckenskunde durchlief gestern die Stadt. Ein erwachsener Sohn, die Stütze der Familie, hat gestern Nacht in fürchterlichster Aufregung seine verwitwete Mutter niedergeschossen. Für die Letztere war schon einmal vom Arzt die Aufnahme in eine Irrenanstalt beantragt wordm, aber leider noch nicht vollzogen. Der Familie wendet sich allgemeine Teilnahme zu. Ueber das Familiendrama wird von anderer Seite noch gemeldet, daß die Zimmermeisters Witwe Mößner periodisch dem Trünke ergeben war und dadurch öfters Szenen mit ihren schon zum Teil erwachsenen Kindern herbeiführte. Am Samstag Abend kam sie betrunken nach Hause. Auf der
Wildwasser.
Gebirgsroman von Luise Cammer er.
(Fortsetzung.)
„Mein Vater, der Lindhammer," fuhr Sixt fort, „derselbige ist ein braver, ein richtiger Mann, mit dem ich mich nit messen darf. Manchmal ist er wohl ein Bissel von der herrischen Seite, aber er hat Ursach genug dazu, und was im Zorn geredt ist, das hat keine Kraft und keine Bedeutung. Ich selber bin halt auch der beste nit und darf auf eine Aenderung bedacht sein. Aber Komödiespielen — und den Stadtleuten eine Gaudi vormachen, daß sie grad lachen und weinen können, wie sie wollen, na, das tut der Lindhammersixt nit!"
„So komm, Angela und verliere kein weiteres Wort." Direktor Schön zog seine Frau am Arm mit sich fort. „Laß den störrischen Bauernkopf laufen. Der Bursch würde vielleicht eine etwas zu gefährliche Errungenschaft für mein Ensemble, der hatte nur Augen für dich und spielte den Liebhaber, bevor er noch die Rolle dazu einstudierte."
Angelas Blick begegnete ihm mit einem tiefen Vorwurf.
„Gab ich dir seit unserer Verheiratung jemals Gelegenheit, meine Treue anzuzweifeln, Oswald?" fragte sie leise.
„Gewiß nicht", entgegnete er schnell besänftigt, „doch sorge auch Liebste, daß mir jeder Zweifel erspart bleibt."
Ihr warmer Blick, ihr warmer Händedruck beruhigten ihn vollends.
Indes die beiden ins Herrenstübchen zurückkehrten, war der Bruck- bräuer und der Wachtmeister aus dem Lokal abgerufen worden; und nun kamen beide Männer schneebleich und mit verstörten Zügen wieder zurück.
„Beim Lindhammer in der Schneidmühl ist eingebrochen und die Vroni, die brave Oberdirn, bei der Gelegenheit erschossen worden", erzählte der Wirt während des Eintretens. „Der Hütbube von der Schneid
mühl ist gerade mit dem Wagen auf die Gendarmeriestation gekommen und hat die Anzeige gemacht. Der Wachtmeister reitet gleich zu Pferde fort. Sixt, ich mein, jetzt hältst genug von der Gaudi und lässt heimfinden."
Die Vroni tot — in der Schneidmühl eingebrochen! Vor Sixts Augen nachtete es, wie haltsuchend griff er nach dem zunächst stehenden Tisch. Finstere, argwöhnische Gedanken durchkreuzten sein Gehirn. Die
Vroni-war sie dem Schneidmüller nicht ein Dorn im Auge,
hatte der Vater ihm nicht jeden Umgang mit ihr streng verwiesen und sich geäußert, für sie sei kein Raum mehr unter seinem Dach? Siedend heiß überlief es Sixt, und darauf wieder eiskalt. Das Blut wallte und wogte in seinen Adern und machte ihm den Kopf schwül. Eilig zog er seine Joppe an, legte den Stutzen um und richtete sich zum Gehen. Doch ehe er. das Wirtshaus verließ, suchte er nochmals den Direktor Schön au', nahm ihn rur Seite und raunte ihm mit heiserer Stimme zu: „In d., Schneidmü' ist cu« Unglück geschehen. Wenn ich mit meinem Vater cht zucechtkon -i nnd nicht alles in der Ordnung antreffe, nachher findet Ihr mich mor« <n io aller Herrgottsfrüh am Bahnhof. Nachher will ich Komödi«. Spielen und nie mehr ans Heimgehen denken!"
sehr gereuten Empfindungen stimmte Direktor Schön zu. cn Hut lief in die Stirn gedrückt, folgte der Sixt beim Morgen- graudes kommenden Tages in aller Stille dem Leichenwagen, der die sk. büche Hübe der ehrengeachteten Vroni Söllbacher, der Oberdirn in der Schrieidmühle, in den nächstgelegenen Dorffriedhof verbrachte, um sie dor. in der Leichenhalle aufzubahren. Frau Therese hatte der Toten ihren schmucken Sonntagsstaat angelegt und sie reich mit Blumen ge- schmück:. W-.e eine Schlafende ruhte sie auf der Bahre, vor der Sixt, nachdem die Leichenträger sich entfernt, lange Zeit im stillen Gebet kniete. Sein Herz zerschmolz in Rührung und Wehmut und mit den zärtlichsten Kosename» -edete er auf sein Dirndel ein, — doch das blieb starr und still. Als er sich erhob, war alle Lebensfreudigkeit aus seine» Zügen