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Freuden st adt 5. März. Bei der heutigen Laudtagsersatznachwahl wurden von 7571 Wahlberechtigten 6025 giltige Stimmen abgegeben. Die Wahlbeteiligung betrug somit 79,6 ° ° gegen 81,7 "o bei der Hauptwahl am 19. Februar. Bauwerkmeister Gaiser (Vp.), zu besten Gunsten der deutschparteiliche Kandidat Walther zurücktrat, erhielt 3421 St. gegen 4025, die bei der Hauptwahl für Gaiser und Walther (2211 -j-1814) zusammen abgegeben worden waren. Gauleiter Harder (Soz.) fielen 2604 Stimmen zu. Im ersten Wahlgang hatte er 2145 Stimmen erhalten. Gaiser ist sonach mit 817 St. Mehrheit gewählt. Ein Vergleich mit der Nachwahl von 1906 läßt sich nicht anstellen, weil damals die sozialdemokratischen Stimmen dem Kandidaten der Volkspartei zufielen. Aus dem Wahlergebnis muß die Schlußfolgerung gezogen werden, daß rund 600 deutschparteiliche Wähler den allerdings mit sehr geringer Majorität gefaßten Beschluß des Bezirksausschusses, die Kandidatur Walther zu Gunsten Kaisers zurückzuziehen nicht gebilligt und sich teils (etwa 150) der Wahl enthalten, teils (rund 450) auf die sozialdemo- k'atische Seite geschlagen haben.
Berlin 5. März. (Reichstag) Am BuudeSratstisch Staatssekr. Delbrück. Die zweite Beratung des Etats des Reichsamts des Innern wird bet dem Kapitel Unterhaltungskosten einer Anstalt für die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit fortgesetzt. Abg. Arendt (Rp) wünscht eine Erhöhung des Postens im nächsten Etat. Abg. Zietsch (Soz.) schließt sich di>sem Wunsche an. Eine Anzahl weiterer Redner spricht sich in demselben Sinne aus. Von nationalltberaler Seite wird eine Resolution auf Erhöhung des Betrages eingebracht. Staatssekretär Delbrück stimmt den geäußerten Wünschen zu und spricht sich für die Er- ricktung eines Zentralinstitutes aus. Jedenfalls müsse das Reich oder die Bundesstaaten eine weiter- gehcnde Kontrolle erhalten. Der Titel wird bewilligt. lieber die nationalliberale Resolution soll später abgekimmt werden. Ohne erhebliche Debatte werden alsdann angenommen Tlel Beitrag für das Deutsche Museum in München 350000 T tel Förderung zur Ei so i schung der Tuber kulose 120 OVO^L Der Titel Beitrag zur Förderung der ärztlichen Fortbildung 10000 wird abgelehnt, dagegen wird eine von der Kommisfion beantragte Resolution angenommen, wonach Maßnahmen getroffen werden sollen, um Studenten der M dizin und Aerzte in die soziale Medin einzuführen. Beim Titel: erste Rate für die Beteil'gung an der internationalen Kunstausstellung in Rom 10000 liegt eine Resolution Liebermann v. Sonnenberg (Rfpt.) vor, die Auswahl der auszustellenden Kunstwerke einer Jury zu übelasten, die sich aus der Deutschen Kunstgenossenschaft und dem D-Nischen Künstlerbund zusammens'tze. Staatssekretär Delbrück bittet, die Resolution obzulehnen, und weist darauf hin, daß die Inter«ssen der deutschen Ausstellung in genügendem Maße gewahrt seien. Tie Resolution wird abgelehnt. Der Titel Erweiterung des Kaiser Wilhelm-Kanals wird bewilligt. Es folgt die zweite Lesung des Marine-Etats. Abg. Graf v. Opperdorff (Ztr.): Der Marineetat gibt kein klares Bild; es wrd nicht genügend gespart. Das Kruppsche Monopol aus Panzerplatten kostet das Reich verhältnismäßig viel. Staatssekretär v. Tirpitz: Der Bau der großen Schiffe wird im Jahre 1916 anfhören. Ein Wechsel in den Depar- tementschefsstellen läßt sich aus dienstlichen Gründen nicht vermeiden. Im Vergleich zum englischen ist unser Etat klar ausgestellt. Bei der Lieferung von Panzerplatten hat die Firma Krupp uns einen erheblichen Nachlaß zugefichert, nachdem wir eine dreijährige Bestellung aufgcgeben haben. Jetzt sind wir bei einer solchen Vergebung vollständig frei. In den Verhandlungen mit der Firma Krupp haben wir dem Reich etwa 12 Mill. Mark gespart. Neuerdings hat Ttyssen wieder ein Angebot gemacht, aber viel strammere Kautelen verlangt. Z. B. Lieferung auf 10 Jahre, auch wenn anderswo bessere Panzerplatten hergestellt werden. Wir werden weiter versuchen, noch billigere und bessere Platten zu erhalten. Die Kontrolle der Materialverwaltung ist so sehr verstärkt, wie es nur irgend möglich ist. Tie Hauptaufpabe, die Kriegstüchtigkeit der Flotte, haben wir erfüllt. Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz (kons): Auch die Flotte hat einen Anteil daran, daß die Kriegsgefahren der letzten Zeit zerstreut wurden. Wir find immer für den Bau derselben eingetreten. Unsere Flottenbaupolitik wird auch von der ausländischen Presse als richtig anerkannt. Wir bringen unserer Marine-Verwaltung volles Vertrauen entgegen. Natürlich ist altprenßische Sparsamkeit auch hier nötig. Abg. Leonhart
(frs. Vp.)r Auf der Kieler Werst ist auf Anordnung des Staatssekrelärs eine Untersuchung darüber angestellt worden, welche Beamte mit Abgeordneten in Verbindung stehen. Ich verbitte mir jede Schnüffelet in meinen persönlichen Beziehungen. Vor allem sollte daraus gesehen werden, daß die Dtenstfreudigkeit gefördert wird. Staatssekretär v. Tirpitz: Ein Verbot an die Beamten mit Abgeordneten zu verkehren, ist von mir nicht ergangen. Abg. Südekum (Soz): Die Marine ist schuld an dem Finanzjammer des Reiches. Die Ausgaben find auf 462 Millionen gestiegen. Für Arbeiterwohnungen müssen wir um 3 Millionen feilschen. Wir können der gegenwärtigen Regierung unsere Unterstützung nicht gewähren. Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Unser Verhältnis zu England liegt klar und offen vor jedermanns Auge. Daß wir unsere Flotte nicht zu aggressiven Zwecken bauen, sondern lediglich, weil wir überzeugt find, zum Schutze unserer Küste und unseres Handels einer aktionsfähtgen Seemacht zu bedürfen, das ist so oft ausgesprochen worden, nicht nur hier vom Bundesratstisch, sondern auch aus der Mitte des Re chstags heraus, daß ich nicht wiederholen will, was nun einmal feststeht. Und weiter! Durch unser Flottengesctz ist jedermann bekannt, in welchem Umfang uud in weichen Zeitabschnitten wir Schiffe bauen. Nichts vollzieht fich dabei heimlich und ln Formen, die irgend einer Macht feindselig wären oder sie bedrohen würden oder auch nur den Verdacht solcher Feindseligkeit und Bedrohung erwecken könnten. (Sehr richtig.) Und schließlich liegt ebenso offen unser Wunsch zu Tage, ein freundschaftliches Verhältnis zu England zu pflegen. (Sehr richtig.) Ich habe mich darüber bereits bei der ersten Lesung des Etats ausgesprochen. Unsere ans wärtige Politik nicht nur England, so dern allen Mächten gegenüber ist lediglich darauf gerichtet, die wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte Deuischiands frei zur Entfaltung zu bringen. Diese Nicht inie ist nicht künstlich gewählt, sondern sie ergibt sich ganz von selbst aus dem Dasein dieser Kräfte. Ich kann nicht einsehen, daß sie ein freundliches Verhältnis zu einem Lande stören sollte, das uns wirtschaftlich und kulturell so nah verbunden ist. wie England. Den freien Weist» werb aller Nationen kann keine Macht auf der Erde mehr aussckaltm oder unterdrücken. (Sehr wahr und lebhafter Verfall ) Wir sind darauf angewiesen, in drin Wetrb'werb nach den Grundsätzen eines ehrlichen Kaufmannes zu verfahren. Ich bin überzeugt, daß sich auf dieser Grundlage die vertrauensvollen Beziehungen, die wir zu der englischen Regierung unterbalten, künftig fortent- w ckeln und gleichreittg die Volksstimmung in demselben Geiste beeinflussen werden (L?bh. Beifall auf allen Seiten des Hauses.) Abg. Erzberger (Ztr.): Die Darlegungen des Reickskanzler?, wonach unsere Flotte nur für uns geschaffen ist und nicht als Angriffs Waffe dienen soll, billigen wir. Auch mir ist mitgetetlt worden, daß die Oberwerftdirektion ermitteln läßt, welche Beamten mit Abgeordneten verkehren. Der Staatssekretär sollte dieses Vorgehen verbieten, lieber Mißhandlungen von Matrosen können wir dem Staatssekretär umfang'eiches Material zustellen Die Firma Krupp hat vor 1902 das deutsche Volk eir fach übers Ohr gehauen. Stam Ssekretär v. Tirpitz: Das Zulagewesen in der Marine ist allerdings reformbedülf.ig und wir werden mit einer Vorlage kommen. Mit der Prozentzahl der Mißhandlungen steht es bei der Maiine sehr günstig. Die großen Ersparnisse in der Panzerplattenlieferung wurden nur möglich, weil wir eben langfristige Verträge abschlosftn, so daß Krupp billiger liefern konnte Wir haben unsere Schuldigkeit getan (Beifall) Ein Vertagungsantrag wird angenomm-n. Nächste Sitzung Montag Nachmittag 1 Uhr.
Hamburg 6. März. Der Hamburger Verein für Luftschiffahrt hielt heute zu Ehren des Grafen Zeppelin in dem festlich geschmückten Saale des Konvent-Garten? eine Festsitzung ab. Unter den Erschienenen befanden sich der Präsident des Senats, Bürgermeister Dr. Predöhl, eine große Anzahl von Senaiorev, der preußische Gesandte Graf v. Götzen und die Spitzen der Militär- und Zivilbehörden. Graf Zeppelin wurde bei seinem Erscheinen mit brausendem Beifall begrüßt und nahm aus den Händen eines kleinen Mädchens, freundlich dankend, einen prächtigen Nelkenstrauß entgegen. Nachdem der Vorsitzende des Vereins, Prof. Dr. Voller die Anwesenden begrüßt und den beiden Ehrengästen, Grafen Zeppelin und Prof. Dr. H er g e sell, für ihr E.scheinen gedankt hatte, betrat Graf Zeppelin das mit einem großen Lorbeerkranz geschmückte Podium und verbreitete sich in längerer Rede über die vielseitige Verwendungsmöglichkeit des LenkballonS, so für den Krieg, insbesondere für den Seikrieg, zur Hilfeleistung bei Unfällen bei der Handelsschiffahrt, sodann im Dienste der Wffen- schaft durch Vermessungen, kartographische Aufnahmen
und meteorologische Untersuchungen und schließlich über die beabsichtigte Einrichtung von Luft-Pastagter- verbindungen und ihre Vorteile gegenüber den Erdverbindungen. Nachdem Graf Zeppelin die mannigfachen Schwierigkeiten erwähnt hatte, die besonders der Finanzierung seines Unternehmens im Wege gestanden hätten, kam er auf die geplante arktische Lufischiffexpkdition zu sprechen, deren Gelingen Deutschland zum Ruhme gereichen würde. Eine Vorbedingung der Expedition sei der Bau von Lustschiffhallen in Hamburg, als dem besten Ausgangshafen für diese Expedition. Graf Zeppelin schloß mit einem Apppell zu taikräftiger unv opferfreudiger Mitarbeit an der Entwickelung der Lustsch ffahrt in Deutschland. Brausender Beifall lohnte den Redner, dem Bürgermeister Dr. Predöhl persönlich für seine Ausführungen dankte. Darauf gab Professor Her ge sell in längerer Darlegung Kenntnis von den Einzelheiten der projektierten arktischen Expedition. Der definitiven Entscheidung würden Versuchsfahrten der Luftschiffe nach den nordiscken Küsten vorangehen, sowie eine Vorexpedition auf dem Re- gierungsdampfer „Poseidon", die dazu dienen solle, den für eine Station geeignetsten Punkt an der Spitzbergener Bucht aus findig zu machen. Im Falle eines günstigen Ergebnisses dieser Vorarbeiten werde die Expedition unter Benutzung von 2 Luftschiffen unternommen werden. Während eines derselben in Spitzbergen stationiert bleibe, solle das andere die Forschungsfahrt unternehmen. Im Falle einer Gefahr solle das in Reserve stehende Luftschiff, das mit dem auf der Fahrt befindlichen Schiff ständig durch Funkentelegraphte verbunden sein werde, zu Hilfe eilen. Die Expedition von Spitzbergen aus, während welcher mittels zweier bis dreier Landungen Vermessungen vorgenomwen werden sollten, werde auf etwa acht Tage berechnet. Mit der Ausarbeitung der Details der Expedition sei der unter dem Vorsitz des Prinzen Heinrich von Preußen stehende Arbeitsausschuß betraut worden. Der Redner sprach die Hoffnung aus, daß die Weiterentwicklung der Lufrsch ffe, insbesondere hinsichtlich des Motors in den ein oder zwei Jahren, nach denen die Expedition ausgehen dürfte, sich erfreulich gestalten weide. Äon den Vorversuchen ließen sich günstige Resultate erhoffen. Sollten sie aber kein befriedigendes Ergebnis zeitigen, so werde man den Mut haben, wenn auch schweren Herzens, das Projekt fallen zu lassen. Die Versammlung spendete dem Vortragenden reichen Beifall. Dr. Mönkeberg, Vorstandsmitglied des Hamburger Vereins für Luftsckx ffahrt, dar kte den beiden Ehrengästen für ihre interessanten Ausführungen, appellierte an die Opferbereitschaft der Hamburger Bevö.kerung und schloß mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf den Grafen Zeppelin. Dieser dankte kurz in bewegten Worten für den überaus warmen Empfang, den er in Hamburg gefunden habe. Ein zahlreich! sPub- likum bereitete dem Grafen Zeppelin bei seiner Abfahrt vom Konvent-Garten begeisterte Ovationen.
(Ans stellungs schwinde!.)' Von fragwürdiger Seite wird z. B. auch in Deutschland für eine sogenannte „Exposition Internationale" in Brüssel, April November 1910 Propaganda gemacht. Die Agenten verlangen eine außergewöhnliche hohe Gebühr in einem bekannt gewordenen Falle nicht weniger als 800 wovon, wie es in den betreffenden Anmelde- Formularen lautet, „die erste Hälfte bei Erhalt des Zulassungs-Zertifikates und der Rest nach erfolgter Diplomierung mit Goldener Medaille oder Grand Prix zahlbar ist." Im Einvernehmen mit dem „Reichskommiffar für die Weltausstellung Brüssel 1910" warnt die „Ständige Ausstellungskommisston für die deutsche Industrie" dringend vor dem Unternehmen, das zu den regelmäßig im Gefolge großer Weltausstellungen auftretenden bekannten schwindelhaften „Nebenausstellungen" gehört und lediglich auf eine Irreführung von Gewerbetreibenden und Publikum abzielt. Der öffentliche Gebrauch, der von dieser „Ausstellung" etwa verliehenen Auszeichnungen würde übrigens strafbar sein. _
Marktberichte.
Herrenberg5. März. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 90 St. Milchschweine, Erlös pro. Paar 40—50 48 St. Läuferschweine, Erlös pro Paar 60—90 Verkauf bei Milchschweinen gut, Läufer waren weniger begehrt.
Reklameteil.
äss Lesie -für- Xinäe,-'u. Ki-sntce.