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Amt»- und Anzeigtblatt für den SberamtrbeM Calw
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IrschstnunzSta»«: Montaa, DienSta», Mittwoch, ->«nn«r»tliz, Arettag und Samstag. znsertionSvreiS w Kfg, pro Zetl« skr Ltadt u. Lcziiliorte; außer Bezirk 1 L Pf».
Montag, den 7. Mär; 1910.
BezugSpr.i.d. Staüt'/tjLhrl.m.rrägerl.Mk. I.SS. Postbezuz-pr s. b. OrtS- u. NachbarortSverk. >/^LHrI. Ml. t.SO, im Fernoerkeh - Mk. l.Sv. Bestell», in Württ. 30 Psg., in Bayern u. Reich 42 Psg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Flwdmrtschastlilhe Kerufsgensssellschast für de« Mörtt. SchroarMuldkreLs.
Gemäß Art. 25 Abs. 2 bes Gesetzes vom 4. März 1888 (Reg-Bl. S. 89) wird ütemit bekannt gemacht, daß der Umlagefuß für das Jahr 1909 auf 3 66 A für 100 Steuerkapital
festgesetzt worden ist.
Reutlingen, 4. März 1910.
Der Vorfitzende des Vorstands:
I. V.: Regierungsrat Lau st er er.
Tagesuemkteiteu.
Calw 7. März. Am nächsten Mittwoch wird in einer Versammlung der Wasserkraftbesitzer von Calw und Umgegend im Hotel Waldhorn hier der Geschäftsführer des Verbands Württ. Wasserkraftbesitzer Dr. A. Marquard- Stuttgart einen Vortrag halten über „Schutz den Wasserrechten". Nachdem das neue Wassergesetz ungefähr ein Jahrzehnt in Geltung ist, haben sich eine Reihe von Wünschen herausgestellt, die im Interesse der Erhaltung mancher Betriebe Berücksichtigung finden müssen. Auch erscheint eine Verständigung unter den Wasserkraftbesitzern selber in mancher Hinsicht dringend notwendig. Ueber alle diese Dinge werden die Wasserkraftbesitzer in der genannten Versammlung sich aussprechen können, weshalb ein zahlreicher Besuch erhofft werden darf.
— Am 4. März ist von der Evangelischen Oberschulbehörde eine Schulstelle in Simmozheim, Bez. Calw, dem Unterlehrer Karl Schurr an der Taubstummenanstalt in Gmünd übertragen worden.
Die Handwerkskammer Reutlingen veröffentlicht soeben ihren Geschäftsbericht für das Jahr 1908—09, etwas später als sonst und einem Beschluß der Kammer zur 'Folge — auch in wesentlich
kürzerer Form. Weggeblieben ist insbesondere auch das Kapitel über die wirtschaftliche Lage des Handwerks, das künftig nur alle 3 Jahre Behandlung finden und auf diese Weise eine markantere Ueberstcht über die wirtschaftlichen Zustände und Bewegungen gestatten soll, als dies bisher bei den kurzen jährlichen Abständen möglich war. Neben den üblichen Notizen über die inneren Verwaltungsangelegenheiten der Kammer enthält der Bericht eine vergleichende Darstellung den Organisation im Handwerk, aus der ersichtlich ist, daß insgesamt 8700 Handwerker von rund 22000 den Organisationen angeschlossen sind. Davon entfallen auf 44 Gewerbeoereine 3678 Mitglieder, auf 69 Innungen 2793. Die Zahl der Lehrlinge hat gegenüber dem Vorjahr um 5°/» zugenommen und beträgt im ganzen Schwarzwaldkrcis 5243. An staatlichen Lehrlingswerkstätten bestehen zur Zeit 45 im Handwerkskammerbezirk. Der Bericht enthält sodann einen Abdruck der kürzlich neu festgestellten Gesellenprüfungsordnung und eine interessante Statistik über die Gesellenprüfungen des Jahres 1908. Darnach betrug die Zahl der geprüften Lehrlinge 1457, was gegenüber der Zahl 1232 vom Jahr 1907 einer Steigerung von 18"/» gleich kommt. Die Kosten der Gesellenprüfungen betrugen 7400 Mr langjährige treue Dienstleistungen in ein und demselben Handwerksbetrieb wurden an 13 ältere Gesellen Ehrenurkunden verliehen. An der Meisterp uifung nahmen 113 Kandidaten teil, wovon 12 die Prüfung nicht bestanden. Das Genossenschaftswesen im Handwerk hat, wenn auch langsam, so doch merkliche Fortschritte gemacht. Neu gegründet wurden 2 Genossenschaften, eine Einkaufsgenossenschaft für das Bäckergewerbe und eine für Schneider; beide entwickeln sich in befriedigender Weise. An gewerbliche Vereinigungen und an Besucher von Fachschulen wurden Geldbeiträge verwilligt. Sodann ist die übrige Tätigkeit» der Kammer kurz skizziert. Wir erwähnen daraus die Anregung zur Veranstaltung von Hafnerfachkursen im Setzen von Kachelöfen, die leider erfolglose - Stellungnahme gegen die geplante Besteuerung auf Beleuchtungsmittel; die wiederholte Tätigkeit in Submisstonsangelegenheiten; über die Verschärfung auf Fremdenpolizei gegenüber ausländischen Arbeitern, die Forderung auf Einschränkung des Hausierhandels u. a. m. Zur Frage der Neuordnung der Fernsprechgebühren hat die Handwerkskammer in der Art Stellung genommen, daß sie das Grundprinzip des I neuen Entwurfs d. h. die Ermäßigung der Pauschal
gebühren und die Bezahlung einer mäßigen Gesprächsgebühr auch für Ortsgespräche als gerecht begrüßte; hauptsächlich vom Standpunkt des Handwerkers aus, der vielfach einen Fernsprechanschluß einrichten läßt, nicht um selbst anzurufen, sondern lediglich um seiner Kundschaft die Möglichkeit telefonischer Verbindung zu bieten.
Eßlingen 4. März. Auch in hiesiger Stadt gingen unsere Aviatiker diesen Winter nicht müßig, so hatte Hch. Eipperle unter Beihilfe zweier Ingenieure einen ganz neuen Flugapparat gebaut, einen Eindecker nach den Typen Bleriot und Latham. Es ist ein gut gedachter und tadellos gearbeiteter Apparat, er hat eine Tragfläche von 23 gm, und eine Länge von 9 in und eine Breite von 8 m. Der Apparat ruht vorne aus 2 Rädern, hinten auf einer Kufe, vorne sind links und rechts oben Höhensteuer angebracht, die allgemeine Anerkennung gefunden haben und patentamtlich geschützt sind. Diese Art Querstabilitätssteuer sind von größter Bedeutung, da sie ein Umkippen nach vorne oder seitwärts verhüten; ferner befindet sich hinten ein Höhen- und Seitensteuer. Der Propeller, von Modellschreiner Klein hier ausgeführt, hat einen Durchmesser von 1.80 in, ist aus einem Stück Ahornholz in parabolischer Form gearbeitet.
Zuffenhausen 6. März. Am Bahnübergang der Korntaler Straße warteten die beiden 8 und 5 Jahre alten Knaben des Glasmachers Morlok hinter der geschloffenen Barriere auf das Vorbeifahren eines Zuges. Plötzlich, als der Personenzug von Korntal heranbrauste, schlüpfte der kleinere von den Buben durch das Gitter der Schranke. Er wurde vom Zug erfaßt und am Kopfe so schwer verletzt, daß er trotz sofortiger ärztlicher Hilfe starb. — Beim Steinbruch zwischen Kornwestheim und Stammheim ist ein mit drei Augsburger und Münchener Herren besetzter Ballon aus Augsburg glatt gelandet.
Wildwasser.
Gebirgsroman von Luise Cammerer.
(Fortsetzung.)
„Da darfst dir halt das Warten nit verdrießen lassen, Sixt", erwiderte Direktor Schön, die Gelegenheit benützend, dem hoffärtigen, selbstgefälligen Burschen einen festen Dämpfer zu geben. „Dein Vater ist noch ein gesunder, kräftiger Mann, der noch fest beim Zeug ist und die Zügel noch nicht sobald aus den Händen geben wird, und auch zudem allem Anschein nach nicht besonders gut auf dich zu sprechen ist. Für Euch beide dürfte eine längere Trennung nur gut sein, um die fehlende Einigung herbeizuführen. Bei uns bist du frei und selbständig, Herr aller deiner Handlungen. Geh mit uns Sixt, du siehst ein Stück Welt, verschaffst dir eine gute Bildung und verdienst ein Stück Geld. Wir beabsichtigen, eine Tournee durch ganz Deutschland zu machen und werden vor den höchsten Herrschaften spielen!"
Geschmeichelt lauschte Sixt dem verlockenden Anerbietsn.
Die Welt, Bildung, Geld, das waren Schlagwörter, die heute eine ganz besondere Anziehungskraft auf ihn ausübten. Unruhig fuhr er sich einige Male durch das dichte, dunkle Kraushaar.
„Ja, was redet Ihr denn alleweil fort, Ihr närrischen Leut", sagte er, nachdenklich werdend. „Ich versteh doch das Komödienspielen nit, und wenn die Kunst für Euch selber schon so schwer ist, dann bin ich doch erst recht zu lappig dazu."
Frau Direktor Schön schaute mit ihrem verführerischsten Lächeln zu ihm auf.
„Du trägst die Kunst in dir selbst, Sixt", sagte sie schmeichelnd. „Ein bischen Schulung, um bühnengerecht zu werden, wird freilich noch
nötig sein, aber dafür sorgt mein Mann. Er hat schon manches schlummernde Talent ans Tageslicht gezogen und zur Reife gebracht, wie du zum Exempel gleich an mir sehen kannst. Ich bin seine Schülerin gewesen."
„Na, Weiberl, dieselbige Gaude mußt schon du mit mir probieren", lachte Sixt keck, „weißt du gefällst mir und bist allerdings ein sakrisch liebes Weiberl! Aber bevor ich „ja" sag, zu der Geschichte, müßt ich mit meiner Mutter darüber reden. In etlichen Tagen da könnt ich Euch sagen, ob es sein könnt oder nit!"
Direktor Schön fing an, ungeduldig zu werden. Wenn Sixt erst zu einer Rücksprache mit seinen Angehörigen kam, wurde jede Aussicht auf einen günstigen Erfolg im vornherein abgeschnitten und dann hatten sie beide ihre Unterredungskunst umsonst verschwendet. Anderseits stieg auch über den leichten freien Verkehrston, den seine Frau gegen den Naturburschen anschlug, ein leichtes Unbehagen in ihm auf.
Die keck vertrauliche Art SixtS mißfiel ihm augenscheinlich, wenn er auch der Umgebung und der Urwüchsigkeit des Burschen viel zugute hielt.
„Wir reisen morgen mit dem Frühzug, da mein neu engagiertes Personal sich bereits unterwegs auf der Reise nach München befindet, von wo aus wir unsere Tournee beginnen. Für den Herbst habe ich mich mit meiner Truppe kontraktlich für Wien und Berlin verpflichtet. Willst du auf mein Ansuchen eingehen und dich meinem Personal anreihen, verlange ich eine kurze bündige Antwort." Er sagte es im bestimmten kategorischen Ton. „Du befindest dich doch in den Jahren, in denen die elterliche Bevormundung aufhört und die Selbstbestimmung anfängt, und wo man die Zuchtrute des Vaters leicht entbehren kann."
„Ein jeder weiß selber das Seine und wo ihn der Schuh drückt", entgegnete Sixt im frostigen, zurückweisenden Ton, den Direktor mit finsteren Blicken messend.
(Fortsetzung folgt.)