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Cannstatter Wasen wieder aufnehmen. Wie wir hören, will sich der jüngere Bruder zum Avia­tiker ausbilden.Die französische Regierung denkt ernstlich daran, im Jahre 1911 in Paris eine inter­nationale LuftschiffahrtS-AuLstellung zu veranstal­ten, die nach dem Frankfurter Beispiel, auf einem großen freien Gelände stallfinden soll und mit Flugvorführungen, Wettflügen und Passagier­fahrten mit Lenkballons der verschiedensten Systeme verbunden sein wird. In Frankreich hat sich bereits ein Verband der Luftschiffahrts­industriellen unter dem NamenChambre Syn­dikate des Jndustriel Aeronautiques" gebildet. Auch in Italien ist unter dem Vorsitz des Herzogs der Abruzzen die Gründung eines Aeroklubs von Italien erfolgt. In Florenz findet Ende März und Anfang April das nächste größere, inter­nationale Wettfliegen statt.

Stuttgart 3. März. Der Kaufmann H. Hoppe, der vor einiger Zeit nach Unter­schlagung von 40000 ^ flüchtig ging, ist in London verhaftet worden. Hoppe hat die Unterschlagungen als Angestellter eines hiesigen Patentanwalts begangen.

Staigacker OA. Backnang 3. März. Das hiesige Haus der Barmherzigkeit wurde gestern von der Herzogin Wera von Württem­berg besucht, die den Pfleglingen Erinnerungs­zeichen in Form von Schriften und Bildern gab.

Spiegelberg OA. Backnang 3. März. Seit Monaten herrscht in der Nachbargemeinde Jux wegen verschiedener Vorkommnisse eine wachsende Aufregung. Unter anderem wurden dem Jakob Gogel zwei Ueberrücke samt Strängen gestohlen, der Witwe Wallenmaier in ihrem Walde mehrere Fichten abgegipfelt und ca. 50 Stück zusammengebundene Wellen wieder aus­einandergerissen, dem Gemeinderat Weller ein Pflug gestohlen, die Holzteile zersägt, die Eisen­teile auseinandergeschlagen und alles in die Lochklingen geworfen, dem Löwenwirt und Ge­meinderat Nägele ein Kegelspiel samt Kugeln gestohlen, Fenster eingeworfen, in der Nacht vom 25. bis 26. Februar d. I. 4 Stück ofen­rohrdicke Obstbäume bis über die Hälfte des Stammdurchmessers und 2 schwächere Obstbäume bis auf etwa 1 Ztm. durchgesägt, dem neu- gewählten Gemeinderat Spörle das Wohnhaus mit Menschenkot beworfen, dem Fabrikarbeiter Christian Hofmann desgleichen, einschließlich Fenster und Läden. Leider ist es bis jetzt noch nicht gelungen, die Täter ausfindig zu machen.

Göppingen 3. März. Um den Ver­wechslungen zwischen Geislingen und Eis­lingen ein Ende zu machen, die schon öfters zu unliebsamen Vorkommnissen Anlaß gegeben haben, wird vom 1. April ab die Station Eis­lingen die BezeichnungGroßeislingen" und Geislingen die BezeichnungGeislingen an der Steige" erhalten.

Ulm 3. März. Ein 10 jähriger Knabe hatte am 1. März eine schlechte Note in der Schule erhalten und aus Furcht, zu Hause be­straft zu werden, den Entschluß gefaßt, sich in der Donau zu ertränken, wobeb es ihm aber doch zu kalt wurde und er um Hilfe rief. Es gelang einem Vorübergehenden, den Jungen aus dem Wasser zu befreien und ihn seinen besorgten Eltern wieder zu überliefern.

Berlin 3. März. (Reichstag.) Prä­sident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um I'/« Uhr. Am Bundesratstisch ist Staatssekretär Delbrück erschienen. Die 2. Beratung des Etats des Innern wird bei Kapitel 9: Behörden für die Untersuchung von Seeunfällen fortgesetzt. Abg. Schwartz (Soz.) wünscht Errichtung eines ReichsschiffahrtSamts. Wie in der Industrie durch Fabrikinspektoren, so sollte auch den Rhedern gegenüber schärfer vorgegangen werden zum Schutze ihrer An­gestellten. RegierungSkommifsar Lewald erwidert in der von dem Vorredner auf den Tisch des Hauses niedergelegten Statistik fehle die Rück­sicht auf die in der letzten Zeit eingetretenen außerordentlichen Verbesserungen. Im Vergleich mit der französischen Seegesetzgebung stehe die deutsche noch immer oben an. Die Be­hauptung, die Unfälle seien auf die unsin­

nigen Seewetten zurückzuführen, ist nicht er­wiesen. Die großen Rhedereien dürften sich hüten, ihre Schiffe für solche Zwecke herzugeben. Bei Nebel fahren die Kapitäne schon aus eigener Rücksicht langsamer, anderenfalls träfen sie schwere Strafen. Heckscher (frs. Vgg.): Die gegen die Seeberufsgenoffenschaft erhobenen Vorwürfe bestehen zu Unrecht. Erzberger (Ztr.): Wie steht es mit den Veröffentlichungen der amerikanischen Regierung über die Erfah­rungen einer als AuSwanderin verkleideten Dame. Sind die dort erwähnten Mißstände auch auf deutschen Schiffen konstatiert worden? Mi­nisterialdirektor Jonquiöres: Die deutschen Schiffe werden von diesen Berichten nicht be­rührt. Beim Kapitel: Statistisches Amt be­merkt der Abg. Dove (Frs. Vgg.): Es ist eine Denkschrift erschienen, in der auf Grund stati­stischen Materials die Wirkung unserer neuen Handelsverträge nachgewiesen werden soll. Selbst die amtlichen Statistiken beweisen aber nichts, wenn sie nicht einheitlich gehandhabt werden. Auch die internationalen Handelskammerkongresse haben mehrfach eine einheitliche Handhabung der Statistiken verlangt. Staatssekretär Delbrück: Eine Statistik muß natürlich fehlerlos sein. Die Denkschrift hat aber nicht die ihr zugeschriebene Bedeutung. Ein Abweichen zwischen den Statistiken einzelner Länder wird sich nicht ganz beseitigen lassen, solange nicht alle Fehlerquellen einwandfrei festgestellt sind, insbesondere die große Fehler­quelle, die in der Zollgesetzgebung der verschiedenen Länder liegt. Eine Emmissionsstatistik kann ohne genügende Vorarbeiten nicht aufgestellt werden. Wir verfolgen alle diese Streitfragen mit großer Aufmerksamkeit. Bassermann (natl.): Die Sonntags- und Nachtruhe für Binnenschiffer ist dringend zu fordern ; dabei sind natürlich Aus­nahmen zugelassen, welche die Rücksicht auf besondere Verhältnisse fordern z. B. Eisgang. Staatssekretär Delbrück: Das bisherige Material ist nicht zureichend. Wir erwarten noch ein Gut­achten des Reichsgesundheitsamtes; dann werden wir sogleich an die Arbeit gehen. Brey (Soz.): Die Arbeiter der chemischen Industrie bedürfen dringend der gesetzlichen Beihilfe für ihre Gesund­heit und die von uns beantragte Untersuchung über die Arbeitsverhältniffe in der chemischen Industrie ist dringend notwendig. Abg. Faß- bender (Ztr.): Eine genaue Statistik über die Tätigkeit und Wirksamkeit der Genossenschaften wäre erwünscht. Abg. Gothein (Frs. Vgg.): Es würde genügen, für die Binnenschiffer eine Mindestruhezeit festzusetzen; anderenfalls würde der Verkehr geschädigt werden. Abg. Legien (Soz): Die Formulare über die Statistik der Streiks und Aussperrungen geben ein unzu­verlässiges Bild. Wie beantragen Abänderung. Nach weiterer unerheblicher Debatte wird die Resolution der Sozialdemokraten betr. die Ar­beitsverhältniffe in der chemischen Industrie an­genommen, diejenige der Sozialdemokraten betr. Streikstatistik abgelehnt, dagegen die Resolution des Zentrums betr. Streikstatistik angenommen. Beim Kapitel Gesundheitsamt begründet Abg. Dr. Jäger (Ztr.) eine Resolution des Zentrums, in der Ueberlaffung von Gelände des Reichs­fiskus für Arbeiterwohnungen, Bauerleichterungen usw. verlangt werden. Abg. Junck (natl): Ich empfehle die Annahme der von mir eingebrachten Resolution betreffend Fürsorge des Reiches für Beamtenwohnhäuser. Staatssekretär Delbrück: Es wird schwierig sein, die Angelegenheit der Wohnungsfrage für das Reich gewissermaßen durch ein Blankettgesetz zu regeln. Die Ein­richtungen der einzelnen Bundesstaaten würden im Wege stehen. Man sollte die Angelegenheit also diesen überlaffen. Ein gesetzliches Ein­greifen würden ferner die Boden- und Finanz­politik, sowie die baupolizeilichen Vorschriften der einzelnen Städte stärker als erwünscht be­einflussen. Ein Erfolg könnte nur erzielt wer­den, wenn die Kommunen vorbildlich Vorgehen in der Erbauung kleinerer Wohnungen. Damit könne erst die Grundlage für ein weiteres Vor­gehen geschaffen werden. Abg. Kobelt (wild- lib.): Eine reichsgesetzliche Regelung betr. die Verwendung von Konservierungsmitteln ist nötig, da große Unklarheit darüber herrscht, was er­laubt ist oder nicht. Wünschenswert wäre die

Schaffung eines Gesundheitsbeirats, der über diese und ähnliche Fragen zu entscheiden hätte. Abg. Baumann (Ztr.): Zweckmäßig wäre die Einsetzung von Fachkommissionen in den Wein­gegenden. Geh. Rat v. Stein: Nach Erle­digung des Weingesetzes sollten die alljährlichen Weindebatten als abgeschlossen gelten. Für energische Kontrolle im ganzen Reich ist Sorge getragen. Ausländische Weine werden im In­land einer gleich scharfen Kontrolle unter­worfen. Abg. Dr. Rösicke (kons.): Das Wein­gesetz ist erst zu kurze Zeit in Kraft, so daß wir erst Erfahrungen sammeln müssen. Abg. Lehmann (Soz.): Die Fabrikinspektion hat in den Industrien, die Blei verarbeiten, ganz versagt. Ein Einschreiten ist absolut nötig. Darauf wird die Weiterberatung auf morgen nachmittag 1 Uhr vertagt.

Altona. Als der Kassier des hiesigen Rennklubs vom Eintreffen der Kaffenrevisoren erfuhr, nahm er sich durch Erhängen das Leben.

St. P etersburg 3. März. In hiesigen politischen Kreisen wird ein schwerer Konflikt zwischen China und Japan einerseits und Rußland andererseits als unvermeidlich be­trachtet. Gegen den Bau der Bahnlinie Kintschou- Aigun erhob der russische Vertreter in Peking Protest, den China unbeachtet läßt. Der Bau der Linie soll, wie in Peking beschlossen worden ist, schleunigst durchgeführt werden. China rechnet auf Japans Beihilfe. Dieses Vorgehen der gelben Macht wirkt in Petersburg wie eine Herausforderung.

Falkenstein i. Erzg. 28. Febr. Dem Falkenst. Anz." wurde dieser Tage der Brief eines Falkensteiner Kaufmanns vorgelegt, der sich in Frankreich aufhält und sich in Lyon um eine Stellung beworben hatte. In dem Briefe heißt es: ... Ich erhielt neulich von einer französischen Firma mein in einem echt französisch höflichen Ton gehaltenes und sehr sauber geschriebenes Bewerbungsschreiben mit folgenden Randbemerkungen zurück:Genug Deutsche in Frankreich, um unsere Industrie zu kopieren! Wenn wir Ihre Frechheit besäßen, hätten wir 1870 nicht verloren Unsere 5 Milliarden erlauben Ihnen wohl, ein derartig schönes Papier für unsere Bewerbungen zu benutzen usw." Ihr seht aus diesen Bemerkungen, daß den Franzosen von 1870 der Hosenboden noch weh tut ..."

Marktberichte.

Heilbronn 3. März. (5. Heilbronner Pferdemarkt am 28. Februar und 1. März.) Der Zutrieb von Pferden betrug etwa 520 Stück, von denen etwa 275 mit einem Gesamtwert von etwa 250000 ^ verkauft wurden. Der Handel ging besonders am ersten Markttag sehr lebhaft. Die zugetriebenen Pferde bestanden vorwiegend aus Arbeitspferden, Nor- männer, Belgier, Bayern, Franzosen und Land­schlag. Der Wagen- und Sattlerwarenmarkt war auch Heuer wieder reich beschickt mit Luxus- und Arbeitswagen, landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte aller Art. Der erzielte Absatz hierin wird sich auf etwa 22 000 ^ belaufen, einschließlich den Einkäufen zur Lotterie mit 5750 Verschiedene Bestellungen auf spätere Lieferung sind im Betrage von etwa 4000 erfolgt.

Gottesdienste.

Könnt«s ^ätar«, 6. März. Vom Turm: 417. K rchen- chor: Herzliebster Jesu re. Predigtlied: 40t, Herzog unserer Seligkeiten rc. 9Y, Uhr: Vormitt. Predigt. Dekan Roos. 1 Uhr: Christenlehre nit de« Töchtern. 5 Uhr: Adendpredigt im Vereinshaus, Stadlpfarrer Schmid

Aannerrtag, 10. März 8 Uhr abends: Bibelstunde iw VereinShauS, Dekan Roos.

Reklameteil.

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