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«rschetnungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, »onnerStag, Freitag und Samstag. Ansertionsprek» >S Pfg. pro Zeile für Stadt u. Beznktvrte; außer Bezirk li ißfg.

Samstag» den 19. Jebruar 1910

vezugSpr.t.d. Stadt'/^ährl.m.rrüoerl.Mk. I.2S. Postbezugspr. s. b. Orts- u. Nachbarortsverk. ^/.jiihrl. Mk. I.L0, im Fernverkeh r Mk. I.S». Sestellg. in Württ. so Pfg., in Bayern u. Reich «L Pfg.

Tagesnenikkeiteu.

Calw 18. Febr. (Egsvt.) Der von Fräul. Baumann in der Brauerei Dreiß abgehaltene Kurs im Anfertigen künstlicher Blumen findet heute seinen Abschluß. Die Ausstellung dieser reizenden Blumen, die Fräul. Baumann in geschmackvollster Farbenzusammenstellung zu Bouquetten, Zweigen rc. sowie in Blumenkörben zu vereinen wußte, fand von Seiten der Besucher allgemeine Bewunderung. Der Kurs war stets gut besucht, zumal Fräul. Baumann sich viel Mühe mit ihren Schülerinnen gab und die Kosten äußerst gering waren.

Von der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen wurde zum Doktor promoviert: Karl Bozenhardt aus Calw.

Sindelfingen OA. Böblingen 18. Febr. Ein 6jähriger Knabe war in der Mitte des Sees eingebrochen und stand, jämmerlich um Hilfe rufend, bis an die Schultern im eiskalten Wasser. Verschiedene Versuche, dem Kinde bei­zukommen schlugen fehl, da das Eis keinen Er­wachsenen mehr tragen konnte. Schließlich wagte es ein beherzter Mann sich zu dem Kinde durch das brechende Eis durchzuarbeiten, und unter großer Spannung der am Ufer Stehenden ge­lang es ihm nach harter Mühe mit der wackeren Beihilfe eines jungen Mannes, den fast er­starrten Knaben herauszuholen.

Herrenberg 18. Febr. Eine Wirtin von Lustnau, die auf der Abreise nach Australien noch hier weilte, um Abschied zu nehmen, wurde verhaftet, da sie dem Gerichtsvollzieher allzusehr vorgearbeitet haben soll, als sie die gepfändeten Sachen ihres Mannes versilberte. 700 Reise­geld wurden ihr abgenommen.

Tübingen 18. Febr. Ein Eisenbahn­beamter, besten vorloren gegangenes Porte­monnaie nach Entnahme des Geldes mit über 100 leer am Postschalter abgegeben worden ist, erläßt in der Zeitung eine launige Er­klärung an den Finder, ihm auch den Inhalt wieder zuzustellen, doch scheint der Erfolg aus­zubleiben.

Stuttgart 18. Febr. Wie die Würt- temberger Zeitung mitteilt, hat ein Stuttgarter ein neues Luftschiffsystem erfunden.. Das System hält an dem starren Gerüst fest und stützt sich auf wissenschaftliche Berechnung. Bei einer Länge von 150 Mtr. und einem Durchmesser von 12,32 Mtr. ist eine Ausrüstung mit meh­reren Motoren von zusammen 6700 Pferde­kräften ermöglicht, wodurch bei einer Geschwin­digkeit von 1720 Sekundenmeter ein Aktions­radius von 2000 Klm. gewährleistet ist. Das System soll auch noch sonstige beachtenswerte Vorzüge haben, so eine Vorrichtung zur Regu- lierungbezw.Konstanterhaltung der Gastemperatur. Für die Erbauung des Luftschiffes das System liegt bereits dem deutschen Patentamt vor fehlt nur noch das nötige Geld.

Stuttgart 18. Febr. Aus Anlaß der nächsten Sonntag bei Baiersbronn statt­findenden Einweihung des neuen Sprunghügels für Skiläufer wird von der Generaldirektion der Staatseisenbahnen ein Extrazug mit Wagen vierter Klasse dorthin ausgeführt. Abfahrt in Stuttgart 6.30 Uhr, Ankunft in Baiersbronn

um 9.36 Uhr vormittags. Der Zug fährt um 6.50 von Baiersbronn nach Stuttgart zurück, wo er um 9.30 Uhr eintrifft.

Stuttgart 18. Febr. (Erdbeben). Von den Instrumenten der Hohenheimer Erdbebenw arte wurde heute früh um 6 Uhr 13 Minuten 7 Sekunden ein mittelstarkes Erd­beben ausgezeichnet. Der Herd liegt in einer Entfernung von etwa '1800 lrm, also wahrschein­lich auf europäischem Gebiet.

Bietigheim 18. Febr. Am Mittwoch abend zwischen 8 und 9 Uhr hörten Passanten der inneren Bahnhofstraße vom Wobachweg her­kommende Hilferufe. Beim Nachsehen fanden sie an einen Strauch sich klammernd in der Enz ein Mädchen in halb erstarrtem Zustand vor. Mit vieler Mühe gelang es, das Mädchen, das einige Meter vom Ufer entfernt war, ans Land zu schaffen. Es heißt Brodbeck, ist 16 Jahre alt und wohnhaft in Bissingen. Es gab an, nicht freiwillig in das Wasser gegangen zu sein, sondern in der Dunkelheit den Weg verfehlt zu haben.

Schramberg 18.^-Febr. Ueber -den- Bewerber um die hiesige Stadtschultheißenstelle Gerichtsassessor Priester wird bekannt, daß er in Tübingen wohnt und in letzter Zeit wieder­holt unangenehme Besuche der Polizei erhielt. Man dürfte es mit einem Kranken zu tun haben, der von sich reden machen will und des­halb als Bewerber aufgetreten ist.

Balzholz OA. Nürtingen 18. Febr. Eine aufregende Nacht liegt hinter uns. Etwa um */s1 Uhr ertönte der Feuerruf und als­bald bemerkte man, daß es an zwei Stellen brenne. Die beiden Anwesen des Bauern Hartlieb und des Joh. Fessler mit der Scheuer und einer besonders stehenden kleinen Scheuer wurden ein Raub der Flammen. Die Feuerwehr verhütete das Umsichgreifen des Schadenfeuers und rettete auch einen Teil des Mobilars. Es wird wohl mit Grund ein Brandstifter vermutet, der beide Anwesen auf dem Gewissen hat.

Ulm 17. Febr. Der Inhaber des be­kannten Schinkengeschäfts Hötsch, Hoflieferant Wilhelm Hötsch, ist in Konkurs geraten.

Vom Lande 18. Febr. Zugtieren die länger im Freien halten müssen, werden von vernünftigen Fuhrleuten stets Schutzdecken übergebreitet. Das ist auch sehr gut, solange die Decken trocken sind. Wenn sie aber naß oder halbfeucht sind, dann wärmen sie nicht mehr, sondern entziehen sogar noch die Wärme und können zu Erkältungen und Lungenentzündungen Anlaß geben. Bei anhaltend nassem Wetter kommt man ohne Reservedecken nicht aus. Die Fuhrwerkbesitzer sollten diese Ausgabe nicht scheuen, sie kommt durch Gesundheit ihrer Tiere wieder ein. Decken, die während der Arbeitszeit naß geworden sind, müssen zu Hause in einem geheizten Raume völlig auseinandergeschlagen, aufgehängt und vollständig getrocknet werden, ehe sie wieder in Gebrauch zu nehmen sind.

Aus Baden 18. Febr. Eine Leichen­verwechslung in der Freiburger chirurgischen Klinik wird gegenwärtig stark kritisiert. Am 6. Februar starb dort die Frau eines Land- manneS aus Uehlingen, Amt Bonndorf. Ohne

Wissen und gegen den Willen des Mannes wurde an der Leiche am Tage darauf eine Sezierung vorgenommen. Als der Witwer die Verstorbene noch einmal sehen wollte, wurde ihm eine andere Leiche als die seiner Frau gezeigt. Dem Mann kamen jedoch Zweifel und bei genauer Unter­suchung wurde er am Tage darauf gewahr, daß man ihm eine fremde Leiche als die seiner Frau in den Sarg gelegt hatte. Auf energische Reklamation fand sich dann unter einer Anzahl nackter Leichen die richtige. Eine Untersuchung der Angelegenheit ist eingeleitet.

Berlin 18. Febr. (Reichstag.) Vize­präsident Dr. Spahn eröffnet die Sitzung um 1'/« Uhr. Am Bundesratstisch ist Staatssekretär Delbrück anwesend. Das Haus lehnte zunächst in namentlicher Abstimmung den Zusatzantrag der Sozialdemokraten zu dem Toleranzantrag des Zentrums mit 233 gegen 89 Stimmen ab. Des weiteren wurde in namentlicher Abstimmung der Zentrumsantrag selbst mit 160 gegen 150 Stimmen bei 8 Stimmenenthaltungen abgelehnt. Auf der Tagesordnung steht sodann die sozial­demokratische Interpellation betr. die von dem Reichskanzler am 10. ds. Mts. im preußischen Abgeordnetenhaus gemachten Ausführungen, die das Reichstagswahlrecht herabzusetzen oder zu bedrohen geeignet seien. Staatssekretär Del­brück erklärt, der Reichskanzler werde die Inter­pellation morgen beantworten. Das Haus kommt zur 2. Lesung des Etats des Reichsamtes des Innern. Hierzu liegen 38 Anträge und Re­solutionen vor. Mayr-Kaufbeuren (Ztr.): In diesem Jahre stehen die wirtschaftlichen und politischen Fragen infolge der Stellung Deutsch­lands zum Weltmarkt für uns im Vordergrund. Wir müssen dahin wirken, daß unsere Export­fähigkeit und unser Absatzgebiet erweitert werden und unsere Industrie vom Ausland unabhängig gemacht wird. Durch Schleuderpreise in Rohstoff und Halbzeug ist die ausländische Konkurrenz gestärkt und die inländische Produktion erschwert worden. Zur Beseitigung dieses Uebelstandes wünschen wir stärkere Heranziehung von Handels­sachverständigen. Bei großen deutschen Betrieben sind Konkurrenzmanöver mit Kapitalserhöhungen zu beobachten gewesen, die an die ungesunden amerikanischen Verhältnisse erinnern. Wir ver­langen daher in einer Resolution die Vorlegung eines Gesetzes zur Errichtung eines Reichskartell­amtes. Erfreulich sind die Maßnahmen des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats zur Herab­setzung der Kohlenpreise. Erwünscht wäre eine Auskunft über die Resultate der Konferenz, die die den Zweck hatte, den Reims-Walzwerken die Produktion und den Absatz ihrer Waren zu er­leichtern. Das Verhalten der Standard Oil Company erfordert durchweg energische Maß­nahmen. Die kleinen und mittleren Müller müssen konkurrenzfähig erhalten bleiben. Der Hansabund mag an sich berechtigt sein, aber Handwerker und kleine Kaufleute gehören nicht hinein. Das Zentrum wird seine Wirtschafts­politik verfolgen, ohne, mit oder gegen den Hansabund. Staatssekretär Delbrück: Auf die angegebenen Einzelpunkte werde ich im Laufe der Debatte noch eingehen. Ich will mich jetzt zunächst auf eine Darstellung der allgemeinen Aufgaben meines Reffort und die Ziele unserer