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zahlen, da» ist ein Irrt««, der dadurch entstanden sein mag, dcch da» Fehlen einer Invalidenversicherung als einziger Mangel in diesem Falle empfunden wurde. Nun ist aber zu sagen, daß der Dienstbube bei der Krankenpflege- Versicherung Beiträge zu entrichten hat und dadurch zunächst einmal Anspruch auf freie ärztliche Behandlung und Arznei hat, und zwar auf die Dauer von 13 Wochen. Danach kann der Geschädigte seine Ansprüche bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft geltend machen, bei der der Betriebsunfall ordnungsgemäß an- zumelden war, nur im Fall einer Versäumnis könnte der Arbeitgeber dafür in Anspruch genommen werden. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat neben freier ärztlicher Behandlung usw. die zur Sicherung des Heilverfahrens und zur Erleichterung der Folgen der Verletzung erforderlichen Hilfsmittel — im angeführten Fall z. B. eine künstliche Hand —, sowie eine dem Grade der Erwerbsunfähigkeit entsprechende Rente zu gewähren, und zwar unbeschadet des Alters des Geschädigten, sofern ein talsächlicher Betriebsunfall und nicht etwa eigenes Verschulden aus Mutwillen oder Spielerei vorliegt. Auch muß die Arbeit, während der der Unfall passierte, im ausdrücklichen Auftrag oder mit stillschweigender Zustimmung des Betriebsunternehmers verrichtet worden sein, der dann schadenersatzpflichtig wäre, wenn ihn ein vorsätzliches Verschulden an dem Unfall treffen würde. Ansprüche auf Grund des Jnvaliden- versicherungsgesetzes wären in vorliegendem Fall allerdings ausgeschlossen, weil die Versicherungspflicht erst vom vollendeten 16. Lebensjahr ein- tritt. Dafür ist aber in erster Linie die Krankenpflegeversicherung auf die Dauer der ersten 13 Wochen in Anspruch zu nehmen, während für den Betriebsunfall selbst die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft einzutreten hat. Ausgeschlossen von der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind nur die im Betrieb des Familienoberhauptes beschäftigten eigenen Kinder, solange sie das 12. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben.
Tübingen 10. Febr. VorderStraf- kammer wurde gestern gegen den'früheren Rechner der Darlehenskasse Altingen OA. Herrenberg, Gemeinderat Wilhelm Lutz, wegen Unterschlagung verhandelt. Lutz hat innerhalb der letzten 5 Jahre der Kasse rund 14000 unterschlagen, ging nach Entdeckung seiner Verfehlung flüchtig, ist in die Schweiz gereist, dann aber freiwillig zurückgekehrt und befindet sich seit 29. Juli in Untersuchungshaft. Ueber sein Vermögen wurde alsbald der Konkurs eröffnet und die Kasse wird nur zum Teil Befriedigung erlangen. Der ungetreue Rechner verstand es
meisterhaft, die Untersuchung zu verdunkeln und die Zeugen zu verwirren, sodaß zwei mehrtägige Verhandlungen nötig waren, um die Schuld im einzelnen festzustellen. Lutz wurde wegen Unterschlagung, Untreue und Urkundenfälschung zu 2 Jahren 4 Monaten Gefängnis verurteilt.
Pfalzgrafenweiler 9. Febr. Heute mittag wurde im Walde bei Oberwaldach ein jüngerer Mann erschossen aufgefunden. Wie man hört, soll derselbe von den Fildern stammen, da von dorther schon einige Tage nach einem Vermißten gefahndet worden ist. Auf den Sägmühlen im Waldachtal wollte der Aufgefundene Holz aufkaufen. Ob ein Verbrechen vorliegt, oder Selbstmord, ist noch nicht aufgeklärt.
Schwenningen 10. Febr. DieFalsch- münzerei scheint hier oder in der Umgegend betrieben zu werden. In letzter Zeit wurden in verschiedenen hiesigen Automaten falsche Zehnpfennigstücke vorgefunden, und ähnliche Stücke sind auch in dem benachbarten Baden ausgegeben worden. Infolge der eingeleiteten Untersuchung wurde gestern ein junger Bursche als der Tat verdächtig in Tu tlingen festgenommen, der ein Geständnis abgelegt haben soll.
Friedrichshafen 10. Febr. Vom 2 III. Heute vorm, zwischen 10 und 12 wurde unter Beihilfe von 60 Mann des Weingartener Regiments das Luftschiffgerippe des 2 III von der Zelthalle zur Luftschiffwerft getragen. Der Transport ging unter der Leitung von Oberingenieur Dürr glatt von statten. 2 III wird einer gründlichen Reparatur unterzogen.
Mannheim 9. Febr. Eine Lustbarkei Isst euer plant die Stadtverwaltung zur Aufbesserung ihrer Finanzen, doch dürfte diese im Bürgerausschuß nicht so glatt zur Annahme gelangen. Der finanzielle Effekt der Steuer ist als 80000 veranschlagt. Leitender Gedanke bei dem Aufbau der Steuer war das Bestreben, die Steuer so auszugestalten, daß sie mit ihrem Schwergewicht nicht auf der breiten Masse der unbemittelten Bevölkerung lastet, sondern die zahlungsfähigen Schichten in überwiegendem Maße zur Tragung heranzieht. Insbesondere aber ist auf diesen Gesichtspunkt zurückzuführen, daß man Vergnügen, die einem höheren Interesse der Kunst oder Wissenschaft dienen, trotz der Bedenken, die bei der gesetzgeberischen Beratung gegen die Besteuerung dieser Lustbarkeiten erhoben wurden, der Besteuerung unterwarf.
Berlin 9. Febr. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der „Standard" erzählt eine alberne Geschichte, daß der Kronprinz, als er ein Theater
besuchen wollte, die Kaiserloge durch andere Gäste besetzt fand und unverrichteter Weise umkehre» mußte. Er habe sich selbst in diese Verlegenheit gebracht, weil er der Direktion seinen Besuch nicht rechtzeitig angekündigt habe. Der Vorfall habe den Kaiser geärgert und er habe über den Kronprinzen 46 Stunden Stubenarrest verhängt. Wir sind zu der Feststellung ermächtigt, daß die Erzählung des „Standard" von Anfang bis Ende erfunden ist.
Berlin 10. Febr. (Reichstag.) Vizepräsident Dr. Spahn eröffnet die Sitzung um 1 Vt Uhr. Am Bundesratstisch sind Kriegsminister v. Heeringen und Staatssekretär Dernburg anwesend. Die zweite Lesung des Militär-Etats wird beim Kapitel: Höhere Truppenbefehlshaber fortgesetzt. Abg. Müller-Meiningen (Frs.Vp.): Der Kriegsminister lehnte die Bevorzugung des Adels i« Offiziersstande ab. Die Statistik beweist aber das Gegenteil. Abg. Zubeil (Soz.) verlangt Berücksichtigung der Forderung der Anwohner des Schießplatzes Sperenberg auf Ankauf oder Sicherung ihrer Grundstücke vor hinüberfliegenden Geschossen. Kriegsminister v.Heeringen führt aus, die berechtigten Klagen werden ohne Nachteil für die Beschwerdeführer erledigt. Ei« Gegensatz zwischen adeligen und bürgerlichen Offizieren besteht beim Avancement nicht. Die Bildung von Klassenregimentern billigen wir nicht. Bezüglich des Sperenberger Schießplatzes liegt mir das Material momentan nicht vor. Abg. Gothein (Frs. Vgg.): Ein Bedürfnis für Besserung der Bezüge der kommandierenden Generale lag nicht vor. Oberst Wandel tritt dem entgegen. Abg. Müller-Meiningen (Frs. Vp.): Der Offizier muß das Recht haben, sich an Abgeordnete zu wenden. Viele Kreise der bürgerlichen Offiziere sind tief erbittert über die bestehenden Zustände. Wir verlangen Rechtsgleichheit für alle Teile. Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz (kons.): Von einer Bevorzugung des Adels in der Armee kann keine Rede sein. Nirgends wird so wenig Nepotismus getrieben als in Deutschland und bei der preußischen Verwaltung. Abg. Gothein (Frs. Vgg.): Die Generale treiben unnötigen Aufwand. Abg. Erzberger (Ztr.): Die Eltern unserer Soldaten müssen an dem Ernst der Bekämpfung der Mißhandlungen zweifeln, wenn beispielsweise ein Hauptmann, in dessen Kompagnie zahlreiche Mißhandlungen vorgekommen sind, befördert wird. Bei dem Kapitel „Geldverpflegung der Truppen" wünscht Abg. Nehbel (kons.), daß die Beschickung der Reitschule ausgedehnt werde. Abg. Gothein (Frs. Vgg.): Der jüdischen Einjährigen wird es immer noch unmöglich gemacht, Reserveoffizier zu werdm. Treten die Anwärter aber
Adern auf seiner Stirn hoch ausschwcllen und wie Stränge über der Haut , liegen. „Dein Lebtag warst eine Heimliche, Verlogene, und den macht ich sehen, der Dir glaubt!"
Da tritt die Habererbäurin ganz dicht an den Klerkamp heran und sagt, indem ihr Blick sich boshaft in sein Gesicht bohrt: „Eine Heimliche, Verlogene heißt Du mich? Nachher muß ich schon die Friedauer stlber fragen, wie sie einen heißen, der zwanzig Jahr mit einer Lug unter ihnen umgeht? Der ihnen vorredet, sein Weib wäre abgestürzt, wo sie derweil mit einem anderen nach Amerika gegangen ist? Der sein leibliches Kind verleugnet, bloß damit sein Lug nicht aufkommt und kein Fleck auf seine Ehre fallt ..."
Einen Moment wankte der Kleekamp unter diesen Worten und den Blicken, die sich von allen Seiten in sprachlosem Erstaunen auf ihn heften, und sein Gesicht verzerrt sich wie unter einem schmerzhaften Krampf
Dann wirft er den Kopf stolz in den Nacken zurück und läßt die Blicke frei über die Menge gehen. Und als die Hobeinin ihm jetzt von neuem höhnend zuruft: „Ja, gelt, jetzt ist Dir der Hockmut vergangen und Du studierst auf eine Ausred? Wenn er noch ehilich war, Tein verleugneter Bub! Aber daß sie Dir ihn als Mörder zurückgcbracht haben, das hast nicht vorgesehen?", da gleitet sogar ein unendlich überlegenes Lächeln über sein Gesicht.
„Gar nicht", sagt er ruhig, „tu ich mich schämen. Wenn ich dazumal gesagt Hab, die Kathrine wär oben vom Hochgöll abgcstürzt, so Hab ich'S nicht bloß wegen mir getan. Es war ihre letzte Bitte an micb, die sie ausgeschrieben hat vor dem Weggehen; wegen ihr und der Kmder sollt ich nicht die Wah, heit sagen. Und schuldig war ich ihr das, denn wel Freud hat sie nicht finden können neben einem, der sie ohne Willen geheiratet hat und im Herzen einer anderen treu war . . . von mir aus sollen'S alle hören: ich Hab ihr nie einen Stein nachgeworfen, der Kaibrin, wie sie mit dem Hobein-Ambros heiolich fort ist. Nur den Buben kalt sie mir lassen sollen . . ." er fährt sich mit der Hand über die Stirn
und streift Franz mit scheuem Blick, der dasteht, wie aus Erz gegossen und geradeaus blickt.
„Der Hobein-Ambros hat ihn nachher für sein eigen erzogen und schon als Kind adoptiert. Meine Rechnung mit dem Hab ich gemacht, und es war auch sein Wille, daß alles so bleiben sollt, wie's gekommen ist. Wenn's eine Sünd war, daß ich, auch wie der Bub wieder zurück war, still geschwiegen Hab, dann ist das allein eine Sache zwischen dem Franz und mir. Im Herzen war er mir lieb . . und unser Herrgott weiß es, wie hart mich das Schweigen angekommen ist, denn", hier hebt sich die Stimme des Kleekamp zu trotziger Gewalt, „wenn Ihr ihn auch zehnmal für einen Mörder anseht, ich sag's frei heraus: Just so wie er ist, bin ick stolz auf ihn, denn er ist mehr wie der andere, ein richtiger Kleekamp. Gib mir die Hand, Bub —" wendet er sich an Franz, „damit sie's alle sehen, daß wir zwei zusammengehören ..."
Franz legt seine Hand scheu und zögernd in die des Alten. Dabei murmelt er halblaut: „Schämen braucht Ihr Euch nicht . . . Ihr . . . ich bin unschuldig an dem, was sie mir aufreden."
„Und jetzt," sagt der Kleekamp mit lauter Stimme zu den Umstehenden, „könnt Ihr denken, wie Ihr wollt von mir. Ehrlich Hab ich's Euch gesagt, wie's war — wer mich nimmer kennen will, der kann künftig am Klee kam Phaser vorübergehen ohne Gruß. Ich werd's ertragen."
Da drängten sich alle um ihn und hundert Hände streckten sich nach der seinen aus, allen voran der Bürgermeister.
„Nickt einmal denken, Kleekamphofer, daß eins geringer von Dir denken möcht," sogt er laut, „hast alleweil zu den Braven gehört und wirst auch weiter dazu gehören." Und er schüttelt des Kleekamp Hand Herzbast. Dann sagt er verlegen : „Und wegen dem da . . . dem Franz, n ußi's halt nicht für übel nehmen, wenn wir ihn in den Arrest setzen ... Oidnung muß sein . . . es soll mich freuen, wenn der Bezirksrichter ihn für unschuldig findet."
(Fortsetzung folgt.)