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Amü- und Anzrigeblatt für den VberamkbrM Lalw.

85. Jahrgang.

rrschtinungtrax«: Montaa. DitnStaz, Mittwoch, ««»llirttar. Freitag und kamStag. Jnsertiondpiei« .2 Sfg. pro Zen» für Stadt u. vezirktorte; außer BezirkIr pfg.

Dienstag, den 8. Kebruar 1910.

r.i.d. Stadt' ^jiihrl. m. LrLgerl.Mk. r.Sb. Postde>ug«Pr. s. d'. ört». u. NachbarortSverk. '/«jNhrl. Mk. l.go, im Fernverkeh r . I.8V. Bestellg. in WLrtt. »v Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg,

Tagesneaigkeite«.

X. Calw. Auf Einladung des BezirkS- volksvereinCalrv fand am Sonntag Nachmittag in der Restauration Mörfch bei der Station Teinach eine gesellige Unterhaltung mit nach­folgender Aussprache über das Einigungsprogramm der linksliberalen Parteien statt. Der Vorsitzende, Landtagsabgeordneter Staudenmeyer begrüßte die zahlreich sowohl aus Calw als auch aus Teinach und den umliegenden Orten erschienenen Mitglieder und Freunde der Volkspartei. Nach einer die Entwicklung der Einigungsbestrebungen darstellenden Einleitung brachte sodann Post­sekretär Kauffmann die einzelnen Abschnitte des Programms zur Verlesung und knüpfte an jeden derselben eine die wichtigsten Gesichtspunkte zusammenfassende mit großem Beifall aufgenom­mene Interpretation. An der sich bei einzelnen Fragen, wie: Zollpolitik, Heerwesen, Frauenfrage, Sozialpolitik u. a. anschließenden lebhaften Aus­sprache beteiligten sich neben dem Vorsitzenden Reichstagsabgeordneter Wagner, W. Dingler und P. Georgii von Calw. Mit großer Befrie­digung kann der Volksverein Calw auf diese in allen Teilen gelungene Veranstaltung zurückblicken, die ihm auch eine stattliche Anzahl neuer Mitglieder zuführte. Wohl alle Anwesenden waren mit dem Referenten einig, der derartige Versamm- luugen als absolut notwendig und für die liberale Entwicklung unseres Volkes als äußerst fruchtbar bezeichnete. Begeistert stimmte die Versammlung in ein vom Vorsitzenden am Schluß einer zün­denden Aussprache ausgebrachtes Hoch auf das deutsche Vaterland ein.

Calw 8. Febr. Am Donnerstag oder Freitag nachmittag 3 Uhr soll, wie uns mit­geteilt wird, einer Bürgerversammlung auf dem Rathaus Gelegenheit zur Kenntnis­

nahme von den bisherigen Verhandlungen über die Frage des Anschlusses der Stadtgemeinde Calw an denGemeindeverband Elektrizitätswerk für den Bezirk Calw" oder der Errichtung eines eigenen städtischen Elektrizitätswerks und zur Meinungsäußerung gegeben werden. Der end- giltige Tag wird noch bekannt gegeben.

Calw 8. Febr. Die verstorbene Frau Restaurateur Weiß Witwe hat der hiesigen Armenpflege ein Legat von 500 ^ zu Gunsten der Armeninsassen vermacht.

M Stammheim. Der Liederkranz hielt gestern seine Frühjahrsaufführung ab. Die sehr zahlreich erschienenen Gäste wurden erfreut durch gut vorgetragene Quartette, Männer- und gemischte Chöre, sowie durch 3 größere humori­stische Stücke. Besonders beifällig wurden aus­genommen ein QuartettErdenlos" von Opladen, sowie der heitere gemischte Chor's Mulle" von Braun. Die Glanznummer des Abends war Das Rosel vom Schwarzwald" von Church-Büh- ren, ein Stück mit sehr schöner, melodiöser Musik, die sehr abwechslungsreich als Solo, Duett und Terzett in die Prosareden eingeflochten ist. Welch erhebende Macht der Töne" liegt doch in dem SchlußgesangO Rosel vom Schwarzwald!" Aber auch edler Humor regt stets zu gespannter Aufmerksamkeit an. Wie herrlich ist die Szene des buckligen Rudi! Die Rollen wurden alle hübsch zur Darstellung gebracht. Ein lauter Beifallssturm lohnte deshalb auch die Darsteller für ihre aufgewendete Zeit und Mühe. Alles in allem hat der Verein wieder gezeigt, was er bei gutem Willen unter seinem rührigen Dirigenten zu leisten vermag.

x. Gechingen. Seine närrische Hoheit Prinz Karneval steht offenbar im Begriff, seine Herrschaft auf das platte Land auszu­

dehnen, wobei ihn sogar die konfessionellen Grenzen nicht mehr genieren. So hat der tolle Geselle in vergangener Nacht auch in unserem stillen weltfremden Gechingen seinen siegreichen Einzug gehalten. Die Veranstaltung, bestehend in Maskenspiel und Ball, ging vom hiesigen Liederkranz aus und wickelte sich in den Räumen des Gasthauses zum Lamm in durchaus gelungener und harmonischer Weise ab. Einen besonderen Genuß verschafften die musikalischen Leistungen der italienischen Künstler, die ihren Instrumenten die herrlichsten Töne entlockten. Den kostümierten Damen bot sich Gelegenheit, ihre Schönheit und Anmut in neuem Lichte glänzen zu lassen. Verschönt wurde das Fest durch die Teilnahme auswärtiger Gäste, be­sonders von Althengstett.

Tübingen 7. Febr. Ein frecher Diebstahl wurde hier in dem Bureau einer Druckerei verübt. Auf dem Tische stand ein Kästchen mit ca. 30 Briefmarken. Nach dem Besuch eines den besten Kreisen angehörenden Herrn war das Kästchen mit dem gesamten In­halt vollständig entleert. Der Diebstahl wurde so raffiniert ausgeführt, daß keine der anwesen­den Personen etwas davon merkte. Die Staats­anwaltschaft hat die Sache in den Händen.

Tübingen 7. Febr. DieWirtever- solgungen" wegen Glücksspiel durch Auto­maten dauern fort. Wieder stand eine Anzahl Wirte aus den Bezirken Herrenberg, Urach, Rottenburg und Neuenbürg wegen unerlaubten Glücksspiels vor der Strafkammer. Soweit die Sache noch nicht verjährt war oder Freisprechung nötig war, wurde den Angeschuldigten 3 ^ Geld­strafe zudiktiert.

Stuttgart 7. Febr. Wie dieWürtt. Zeittung" meldet, sind die im Anschluß an den

vk reute vom LIeelamphos.

Roman von Erich Ebenst ein.

(Fortsetzung.)

Franz kniet nieder und starrt auf den Toten. Der rote Lenz ist's. Zwei tiefe Wunden, wie von Messerstichen, hat er im Rücken . . .

Und plötzlich, ehe Franz zur Besinnung gekommen >ist, und weiß, was er tun soll, ruft eine vor Schrecken heisere Stimme ihn an:Jesus Maria was hast getan? Jetzt hast ihn richtig umgebracht, den Lenz!"

Franz springt auf und blickt in wirrem Entsetzen auf den Sprecher. Eine fahle Helle liegt über dem Platz. Er kann ihn deutlich sehen, den Sepp, wie er halb gelähmt vor Schrecken unter der Haustür steht.

»Ich ?" stammelte Franz und erhebt sich langsam in halber Bewußt­losigkeit.Ich ... Hab ihm nichts getan ..."

Er merkt nicht einmal, daß seine Hände und Kleider rot vom Blute des Gemordeten sind, er denkt nur immer: Wer hat das getan?

Aber die anderen, die jetzt hinter Sepp zur Tür hinaus drängen, sehen es und da er immer ein Fremder unter ihnen gewesen ist, regt sich in keinem eine Stimme der Sympathie. Nur den Toten sehen sie, und der war ihnen kein Fremder, sondern der Kamerad . . .

Der Steingruber Toni ist der Erste, bei dem das allgemeine Gefühl in Worten zutage tritt.

Willst es etwa leugnen, daß Du ihn umgebracht hast?" ruft er laut,da schaut ihn an, wie er über und über voll Blut ist! Und alle haben wir'S gehört, wie Du ihm beim Fortgehen das Erschlagen gedroht hast . . . haltet ihn fest, Buben, daß er sich nicht davon macht!"

Und ehe Franz aus seiner dumpfen Betäubung erwacht, sieht er sich umringt und gefesselt, und wird unter Püffen und Flüchen ins Haus gebracht, wo Sepp seine Bewachung übernimmt.

Franz sitzt zusammengekauert in einer Ecke der Stube. Was da um ihn geschieht und geredet wird, geht wie ein schwerer Traum über ihn hin. Er hörte Worte, ohne sie zu verstehen, sieht Menschen, ohne sie zu kennen. Einmal ist ihm, als stände die Lori vor ihm mit weißem Gesicht und sähe ihn flehend an, aber was sie spricht, kann er nicht fasten.

Später ermannt er sich und will reden, erklären, beteuern, aber sie lachen ihm laut ins Gesicht, da schweigt er und sieht verbissen zu Boden.

Einer ist fort nach Frieda», um die Anzeige zu machen. Dort soll heute eine große Hochzeit sein, etliche haben davon gehört. Die Traut­weintochter heiratet. Die werden Augen machen, wenn er mit dieser Schreckensnachricht kommt.

Inzwischen fügt es ein sonderbarer Zufall, daß am Vormittag zwei Gäste in das Holzknechthaus kommen. Gäste, die sich selten dort blicken lassen und wenn sie einzeln gehen, den Ort lieber meiden. Aber heute hat der Friedauer Gendarm den Jäger aus Pankratzen oben am Kar getroffen und zu zweien könnten sie es schon wagen, einmal das Nest der wilden Burschen im Dullinggraben aufzusuchen. Der Morgen aber war kalt und ein Gläschen Enzianbitter wird wohl zu finden sein.

Statt dessen finden sie eine Leiche und den gefesselten Franz, der als Mörder bezeichnet wird. Die Holzknechte, welche sonst Jäger und Gendarmen als ihre Erbfeinde bettachten, tun heute sehr erfreut über den Besuch.

Da kann der Gendarm denMordbuben" ja gleich mitnehmen nach Frieda» und sie brauchen ihn nicht länger zu bewachen.

Wohl flüstert Lori diesem heimlich zu:Gewiß ist's nicht, Du, daß der den Lenz umgebracht hat! Es sind noch andere da, die's imstande gewesen wären ..."

Aber der Gendarm blickt aus die blutigen Kleider des Burschen, läßt sich von Sepp erzählen, wie er ihn getroffen hat und lächelt überlegen.

Gegen Mittag bricht er mit seinem Gefangenen auf. Der Jäger