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Bahn zur Erde und Sonne beschrieben. Die Venus braucht zu ihrem Umlauf 224,701 Tage, die Erde 365,256 Tage. Sie schickt nicht ihr eigenes Licht zur Erde, sondern nur das, das sie von der Sonne empfängt. Man nimmt an, daß der Abendstern in ein Wolkenmeer eingehüllt » ist und sich in einem Zustande befindet, in ^ welchem die Erde zur Steinkohlenzeit war; die Atmosphäre der Venus läßt auf einen reichen, üppigen Pflanzenwuchs schließen. Die Venus geht höchstens 3—4 Stunden vor der Sonne auf und ebensolange nach derselben unter. Die Kometen unterscheiden sich Hanz wesentlich von den Planeten. Sie sind Weltkörper, welche durch die weniger scharf abgegrenzten Umrisse ihrer Gestalt, durch einen Lichtschweif und durch die eigentümlichen Verhältnissen ihrer Bahnen charakterisiert sind. Kometen wurden schon lange vor Christi Geburt beobachtet. Ihre Helligkeit und scheinbare Ausdehnung wird bestimmt durch ihre Entfernungen von Sonne und Erde. Die Eigenarten der Kometen bestimmen auch die Verschiedenheit ihrer Bahnen. Zu den periodischen Kometen gehört der Halley'sche Komet, der im November vorigen Jahres sichtbar wurde und im April und Mai in vollstem Licht erscheinen wird. Die periodische Wiederkehr des Kometen wurde von dem englischen Gelehrten Halley berechnet. Der Komet erschien zuerst ick Jahr 12 vor Christi Geburt, die letzte Erscheinung war im Jahr 1835 und die neueste wird Heuer sein. Auf seiner Bahn wird der Komet sehr nahe an die Erde kommen und zwar wird am 18. Mai dieses Jahrs die Erde durch den Schweif des Kometen hindurchgehen. Es wurden schon Befürchtungen ausgesprochen, daß bei dieser Erdnähe der Komet Blausäure ausströmen und dadurch die Erde vergiften werde. Die Befürchtungen sind aber grundlos, denn selbst dies angenommen, werde die Blausäure so verdünnt sein, daß sie der Erde nichts schaden könne. Auch die öfters ausgesprochene Ansicht, der Komet werde mit der Erde zusammenstoßen und letztere vernichten, sei nicht stichhaltig und man könne ohne Schrecken der prächtigen Erscheinung im Mai entgegensetzen. Der ausgezeichnete und sehr interessante Vortrag wurde von den zahlreichen Zuhörern mit großem Beifall ausgenommen.
Stuttgart 4. Febr. Der König empfing heute Vormittag im Beisein des Ministerpräsidenten Dr. von Weizsäcker im Residenzschloß die belgische Sondergesandtschaft mit dem Senator Marquis de Beauffort an der Spitze zur Mitteilung der Thronbesteigung König Alberts. Heute abend wird die Sondergesandtschaft von der Königin empfangen, worauf im Residenzschloß K. Tafel stattsindet.
Stuttgart 4. Febr. Das Herabfallen eines Reisekoffers in einem Eisenbahnzug, das wie jüngst gemeldet, einem Reisenden eine schwere Gehirnerschütterung verursachte, ist, wie die Württemberger Zeitung meldet, darauf zuzuführen, daß der betreffende Zug, nämlich der Vormittags-V-Zug nach Rottweil, auf der Fahrt zum Westbahnhof durch einen Anprall der Schiebmaschine eine starke Erschütterung erlitt, so daß alle Reisende entsetzt aufsprangen, da sie glaubten, eine Katastrophe habe sich ereignet. Bei dieser Gelegenheit ist nun auch der Unfall mit dem Koffer passiert. Es ist aber noch einem Reisenden ein Unfall zugestoßen. Einer wurde nämlich am Knie ziemlich stark verletzt; andere wurden von den Sitzplätzen herabgeschleudert, ohne Schaden zu nehmen. Von den Mitreisenden wurde auch darüber Klage geführt, daß das Zugpersonal erst nach einigem Drängen sich bereit erklärt habe, den Zug auf dem Westbahnhof anhalten zu lasten, um den verunglückten Reisenden abzusetzen.
Stuttgart 4. Febr. (Strafkammer.) Der Mehlreisende Karl Geßwein war beschuldigt, innerhalb 6 Jahren zum Nachteil einer Eßlinger Firma 24000^, die er bei Kunden eingezogen hatte, unterschlagen zu haben. Der Angeklagte machte geltend, er sei durch unzulängliches Einkommen zu den Unterschlagungen veranlaßt worden. Er habe mit seinen Spesen nicht aus- kommen können, da er viele Wirte habe besuchen müssen. Er durste täglich 4.50 4.80
Spesen verbrauchen. Die Strafkammer erkannte gegen ihn aus 1 Jahr 6 Monate Gefängnis, abzüglich 2 Monate Untersuchungshaft.
LudwigSburg 4. Febr. Seit Montag ist der Dragoner Miste le bei der 5. Schwadron abgängig. Seinen Dienstanzug fand man vorgestern in den Wöhrwiesen (Markung Asperg) er war zusammengebunden und mit Steinen beschwert in den dort durchfließenden Bach gelegt.
Vom Zabergäu 4. Febr. Die Tabakindustrie, die durch die vielen Filialen der Zigarrenfabrik in Laufen viel Arbeit und Verdienst brachte, geht bedenklich zurück. In den Zigarrenfilialen zu Cleebronn, Pfaffenhofen und Weiler mußte ein Teil der Arbeiter entlasten werden. Der Stillstand wird zwar nicht vollständig eintreten, doch wird immerhin kein kleiner Prozentsatz der Produktion Zurückbleiben. Die Lager find gefüllt, der Absatz dagegen nimmt nicht zu, und auf Vorrat arbeiten lasten, rentiert sich nach der Meinung der Fabrikleiiung nicht. Der Rückgang wird der erhöhten Tabaksteuer zugeschrieben.
Obereßlingen 4. Febr. Die Vermutung, daß die von dem Schurwald bis zum Neckar herab sich senkende Landzunge mit ihren breiten, freien Feldern von den Römern gekannt und bebaut gewesen sei, hat durch Ausgrabungen ihre Bestätigung gefunden. Es wurden in der Nähe der Kirche und des Fribdhoss die Grundmauern eines größeren Gebäudes entdeckt. Vorerst ist die nördliche Breitsette mit 25 Mir. bloßgelegt. Die Länge der anderen Mauer ist durch Ueberbau einer Gärtnerei verdeckt. Auf der nordwestlichen Eckseite findet sich ein wohlerhaltener Estrich, der aus 70 Ctmtr. hohen Säulen ruht. Düse unterirdische Heizanlage läßt auf ein öffentliches Gebäude oder einen wohlhabenden Besitzer schließen. An den 75 Ctmtr. starken Grundmauern fanden sich viele Reste von einfachen und verzierten Tongesästen, Wandziegel, Kalkverputz mit Linien, Nägel und Tierknochen. Die schon früher beim Baumsetzen gefundenen Steine und andere Zeichen weisen auf weitere Anlagen hin. Nachdem 1909 erschlossene Gräber einen Blick an die alemannische Zen gestattet, kommt nun auch neues Licht in die vorangegangene Römerzeit.
Crailsheim 1. Febr. Der Besuch der hiesigen Wanderarbeitsstätte steigert sich während des Winters von Monat zu Monat. Während sie im Dezember von 471 Wanderern und 35 Obdachlosen ausgesucht wurde, brachte der Monat Januar der Arbeitsstätte einen Besuch von 546 Wanderern und 45 Obdachlosen. In den 4 Monaten ihres Bestehens hat sie 1594 Wanderer und ca. 140 Obdachlose verpflegt. Gewiß ein sprechender Beweis für die Notwendigkeit und Nützlichkeit dieser Einrichtung. Seitens der Bürgerschaft gingen im ganzen 576,63 Mk. an Beiträgen für die Arbeitsstätte ein. Für 8 Mann konnten Arbeitsstellen vermittelt, an 40 Kleidungsstücke verschiedenster Art abgegeben werden.
Heidelberg 2. Febr. Obwohl die Aerzte des Sanatoriums Roggenau die Anwesenheit Cooks in ihrer Anstalt bestritten haben, erhält das Gerücht sich hartnäckig, daß Cook dort mehrere Wochen gewesen sei. So läßt der Berliner „Tag" sich von hier melden, der Nordpolfahrer habe sich unter dem Namen Günther dort aufgehalten. Ferner meldet das Blatt, daß Cook Freitag abend in einem verschlossenen Wagen zur Bahnstation Eberbach gefahren sei und dann die Reise nach Wien angetreten habe. „Um das Sanaterium", heißt es weiter in der Meldung, „patrouillierten in der letzten Zeit förmliche Kelten von Wächtern, die jedermann den Eintritt verwehrten, während sie rach der Abreise Cooks, alle Leute wieder hereinlassen. Die zahllosen Journalisten, die von der Anstaltsleitung Auskunft haben wollten, wurden mehr oder minder sanft und höflich hinauskomplimentiert. Cook war sogar polizeilich gemeldet; es war aber den amtlichen Stellen verboten, (!) diese Tatsache zu verraten. Wiederholt holte er sich vom Postamt seine Sachen unter einem fremden Namen ab, dabei wurde er einmal von einer Dame und
einem Postbeamten nach einem in der „Woche" reproduzierten Bilde auf das bestimmteste erkannt. Die Behörden hüllten sich in tiefstes Schweigen. Der^ Besitzer des Sanatoriums Roggenau, Dr. Führer, hielt sich während der Anwesenheit Cooks in Heidelberg auf, und seine Assistenten in Roggenau konnten sich bei Anfragen immer darauf berufen, daß der Besitzer der Anstalt krank in Heidelberg liege; ohne seine Erlaubnis könnten sie aber keine Auskunft erteilen. Dem Personal war das Verlassen der Anstalt aufs strengste verboten worden, da man befürchtete, daß sie den großen Besiechungs- summen, die besonders die amerikanischen Journalisten boten, nicht widerstehen würden."
Berlin 4. Febr. (Reichstag.) Am Bundesratstisch sind die Staatssekretäre Delbrück und Dernburg anwesend. Zur Erörterung steht zunächst der Etat des Reichstags. Singer (Soz.) begründet einen Antrag Albrecht und Gen., nach welchem die Geschäftsordnung dahin abgeändert werden soll, daß bei Besprechung von Interpellationen die Stellung von Anträgen zuzulassen sei und kurze Anfragen beträchtlicher Art über Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Reiches gehören, an die Regierung gerichtet werden können. Der Reichstag muß selbständig sein, das zu tun, was zu tun er im Interesse des Reiches für notwendig halt und was zugleich seine Gleichberechtigung mit den anderen Faktoren der Gesetzgebung erweist. Ein nationalliberaler Antrag deckt sich inhaltlich mit dem sozialdemokratischen. Außerdem beantragen die Nationalliberalen freie Eisenbahnfahrt für die Abgeordneten n ährend der ganzen Legislaturperiode. Müller-Meiningen (frs. Vp.): Eine allgemeine Revision der Geschäftsordnung ist allerdings wünschenswert und die Bestimmungen über die Initiativanträge sind verbesserungsbedürftig. Junck (natl.): Wir beantragen, daß die freie Eisenbahnfahrt für die Reichstogsmiigliedcr sich auf die ganze Legislaturperiode erstreckt, nicht nur auf die Sessionszeit. Abg. Roeren (Ztr.) spricht sich für völlige Revision der Geschäftsordnung aus. Abg. Graf Westarp (kons.): Dem Antrag, die Freifahrts- karten auf die ganze Legislaturperiode auszudehnen, vermögen wir uns nicht anzuschließen. Durch den sozialdemokratischen Antrag soll dem Reichstag die Berechtinung gegeben werden, einen ihm nicht gefallenden Reichskanzler abzusetzen. Dieses Recht muß aber nach der Verfassung allein dem Kaiser überlassen bleiben. Abg. Gröber (Ztr.): Die Antragsteller wollen keine Verfassungs.- änderung, sondern nur eine bessere Ordnung der Geschäfte des Reichstages. Unser Antrag auf Revision der Geschäftsordnung will der Kommission keine bestimmten Richtlinien verzeichnen. Es bleibt ein Mißstand, daß bei Interpellationen der Wille des Hauses nicht durch einen Beschluß zum Ausdruck kommen kann. Uebrigens wäre es gut, wenn der Begriff Legislaturperiode genau fest- gestellt würde. Auf eine Anregung des Abg. Görcke (ntl.) erwidert der Abgeordnte Bassermann (ntl.) als Referent, daß die Verwaltung den Luftverhältnissen im Hause reges Interesse entgegenbringe. Abg. Kömp f (Frs. Vgg.): Kurze Angaben sind im Interesse der dem Reichstage verfassungsmäßig zustehenden Kontrolle notwendig. EineVerbesserung der Kommissionsberichterstattung ist sehr nötig. Eine amtliche Berichterstattung wird freilich kaum durchführbar sein. Seit Wochen wissen wir, daß unser hochverehrter Präsident unter einer sckweren Krankheit leidet. Wir hoffen ihn hier bald wiederzusehen. (Lebh. Beifall auf allen Seiten.) Abg. Ledebour (Soz.): Diesem Wunsche schließen wir uns an. Wir wollen absolut freie Eisenbahnfahrt für die Abgeordneten. Mißtrauens- und Vertrauens- Voten erteilt der Reichstag heute schon. Abg. Dirksen (Rchspt): Wir teilen den Wunsch, daß der Präsident recht bald wieder hergestellt werden wird. (Lebh. Bravo.) Dem Verlangen nach freier Eisenbahnfahrt während der ganzen Legislaturperiode können einzelne meiner Freunde nicht beistimmen. Dagegen werden wir für den Antrag Gröber auf Revision der Geschäftsordnung stimmen, außerdem sehen wir in dem sozialdemokratischen Antrag den ersten Schritt, Initiativanträge in die Form von Interpellationen zu kleiden. Damit würde in das politische Leben