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gebiets, in dem auch die Möglichkeit von Kohlen­funden bestehe, das aber in Tausenden von Jahren zunehmender Wüstenhaftigkeit verfalle, wofür bereits Anzeichen vorhanden sind, die sich praktisch fühlbar machen. Später besprach Redner auch die wichtige Siedlungsfrage. Die Kolonie sei entschieden von großem landwirtschaftlichem Wert. Die Menschenfrage und Eingeborenenfrage bilde das wichtigste zu lösende Problem. Bezüglich der Eingeborenen müsse ein Ausgleich geschaffen werden, zwischen der burischen-konservativen und der britischen oder liberalen Methode. Nach der Vorführung der Lichtbilder, dankte das Publikum dem Redner durch langandauernden Beifall.

Stuttgart 2. Febr. Die Nachricht über Beschädigungen des Feuerbacher Tun­nels und die Nichtbenützung eines Gleises da­selbst haben teilweise große Beunruhigungen her­vorgerufen, so daß ängstliche Gemüter es bereits vorziehen, in Feuerbach auszusteigen und mit der Straßenbahn nach Stuttgart zu fahren. Die Befürchtungen sind jedoch grundlos. Die Arbeiten an dem Tunnel bezwecken lediglich die Beseitigung von Verwitterungen an dem Gestein, die im Verlaufe der Jahre an einzelnen be­sonders feuchten Stellen des Tunnels eingetreten sind. Eine Kommission von Sachverständigen hat den Tunnel nachts zwischen 12 und 4 Uhr wiederholt genau untersucht und festgestellt, daß eine Gefahr für den Betrieb bis heute nicht be­steht. Die AuSbcsserungsarbeiten an dem Gemäuer des Mitte der vierziger Jahre erbauten Tunnels werden etwa 46 Wochen in Anspruch nehmen.

Stuttgart 2. Febr. Heute vormittag 11 2/« Uhr ist in einem Hause im Kanonenweg in der Wohnung eines Kaufmanns in Anwesenheit der Frau am Ofen aufgehängte Wäsche in Brand geraten. Zwei Knaben (Zwillings­kinder, sind durch den Rauch erstickt und vermochten trotz sofortiger Hilfe nicht mehr zum Leben gebracht zu werden. Ein anderer fünf Wochen alter Knabe, der ebenfalls im Zimmer anwesend war, ist außer Lebensgefahr. Das Feuer wurde von der Hauptfeuerwache und den Hausbewohnern gelöscht.

Böblingerftraße einen Kupferschmied mißhandelt haben, Rieg mit einem Gummiknüppel und Pfeiffer mit dem Säbel. Rieg machte Notwehr geltend, während Pfeiffer bestritt, den Säbel gezogen zu haben. Der Kupferschmied konnte nicht mit Sicherheit behaupten, daß ihn Pfeiffer mit dem Säbel geschlagen habe. Der Kupferschmied, der schon dreimal wegen Widerstands vorbestraft ist, ist ein aufgeregter Mensch und war in jener Nacht betrunken. Die Strafkammer sprach die Angeklagten mangelnden Beweises halber frei.

Großbottwar O.A. Marbach 2. Febr. Am Montag vormittag stieß infolge zu später Schließung der Schranken am Bahnübergang beim Südbahnhof Heilbronn ein Zug mit einem Lastwagen zusammen, wobei letzterer vollständig zertrümmert wurde. Der Fuhrmann und die Pferde sind mit heiler Haut davongekommen.

Althütte O.A. Backnang 2. Febr. Ein B u b enstü ck schlimmster Sorte wurde vorgestern nacht in der Nähe von Sechseiberg verübt. Dort fand man gestern früh zwei Telegraphen­stangen umgesägt, die Telephonleitung durch­schnitten und die Drähte umhergeworfen. Es ist dies in kurzer Zeit der zweite derartige Fall. Hoffentlich gelingt es der Täter habhaft zu werden. Wie unentbehrlich das Telephon selbst in kleinen Dörfern geworden ist, das kommt bei solchen Vorkommnissen zum Ausdruck, wenn nur auf Stunden die Leitung nicht benützt werden kann.

Vaihingen a. E. 2. Febr. Einen guten Fang scheint die hiesige Landjägermannschaft gemacht zu haben. Am Montag wurde ein Knecht Schlichter, der seit einigen Tagen bei Guts­pächter Hönes in Kleinglatibach bedienstet war, festgenommen. Eine Durchsuchung seiner Effekten ergab, daß man es mit einem gewerbsmäßigen Dieb und gefährlichen Einbrecher zu tun hatte. Es wurden verschiedene Brechweikzeuge, ein Schlüsselbund mit mehr als 30 Schlüsseln ver­schiedener Art vorgefunden. Auch wird er wegen mehrfacher Einbruchsdiebstähle in Offenburg steckbrieflich verfolgt. Schlichter stand im Verdacht, Nebenbediensteten verschiedene Sachen entwendet zu haben. Bei seiner Festnahme wurden sämt­liche fehlende Gegenstände bei ihm vorgefunden.

Stuttgart 2. Febr. (Strafkammer.) Ein verheirateter Arbeiter wurde wegen schweren Diebstahls im Rückfall zu der gesetzlichen Mindcst- strafe von l Jahr Gefängnis verurteilt. Er hatte aus einem Neubau altes Eisen im Werte von etwa 20 ^ gestohlen. Das Gericht bedeutete dem Angeklagten, daß es ein etwaiges Gnaden­gesuch um Herabsetzung der Strafe befürworten werde. Die Schutzleute Rieg und Pfeiffer von hier standen unter der Anklage der Körper­verletzung im Amt vor Gericht. Sie sollen nach der Anklage in der Nacht zum 1. August in der

Geislingen 2. Febr. lieber der hies. Eislaufbahn waltet ein eigenartiges Ver­hängnis. Nach langjährigem Kampf hat sich die Stadtverwaltung endlich entschlossen, auf städtische Kosten den Platz zu einer Eislaufbahn zur Ver­fügung zu stellen und schon im Jahre 1908 wurden die Arbeiten begonnen, aber dann wieder eingestellt. Inzwischen wurde die Stadt Eigen­tümerin des Sportplatzes und nun wurde dieses Gelände, das wie zu einer Eislaufbahn geschaffen ist, mit ziemlichen Kosten in Stand gesetzt, auch eine hübsche Sckutzhütte mit einem Kostenaufwand

von 1800 ^ wurde erstellt. Nu» wäre alles da, bloß das Eis fehlt und wenn man anfängt die Bahn zu bespritzen, dann tritt wieder Tau­wetter ein, oder es regnet. Aus diesem Grunde ist es bis jetzt auch noch nicht gelungen, dem Eislaufoerein, der den Betrieb der Bahn über­nehmen soll, eine namhafte Zahl von Mitgliedern zuzuführen. Vielleicht ließe sich die Anlage im Sommer zu einem Schwimmbad umbauen, das fehlt hier noch und ist ein dringendes Bedürfnis.

Altenstadt OA. Geislingen a. St. 2. Febr. Gestern verunglückte Metzgermelster und Lamm­wirt D. im hiesigen Schlachthaus dadurch, daß ihm ein Schwein beim Stechen das Messer aus der Hand schlug, es fuhr ihm mit solcher Wucht gegen den Hals, daß er in unmittelbarer Nähe der Schlagader eine tiefe Wunde davontrug. Nach Anlegung eines Verbandes hatte er das Unglück, auf dem Glatteis zu fallen, sodaß die Wunde aufbrach und er infolgedessen einen bedeutenden Blutverlust erlitt.

Ulm 2. Febr. Gestern früh wurde auf dem Bahnkörper der Stuttgarter Linie beim Rotochsenkeller die Leiche eines in den mittleren Jahren stehenden, unbekannten Mannes gefunden, der den schwieligen Händen nach dem Arbeiter­stande angehörte. Verletzungen wies die Leiche am Kopf (eingedrückter Schädel), am Hals und am Knie auf. Ob ein Unfall oder Selbstmord vorliegt, ist noch nicht aufgeklärt. Der Unbekannte hat Glatze, blondes Haar, roten Schnurrbart und dürfte 4046 Jahre alt sein. Das blau­weiß karierte Hemd ist mit I. S., das Taschen­tuch mit A. R. gezeichnet.

Ulm 2. Febr. Die hies. Schützengilde begeht das Jubiläum des 500jährigen Bestehens durch ein großes auf den 5.-8. Mai anberaumtes Festschießen. Die Schützengilds führt ihre Ent­stehung auf die im Jahre 1410 erfolgte Gründung der Ulmer ArmbrustgesellsHaft zurück, die nach Einbürgerung der Handfeuerwaffen sich in eine Büchsengesellschaft verwandelte.

Ellwangen 2. Febr. Eine angenehme Ueberraschung wurde dieser Tage einer Bahn­wärtersfrau in dem benachbarten Schwabsberg zuteil. Diese hatte ein Los von der hiesigen Marienanstaltlotterie gekauft, hatte ihre Nummer aber, wie es scheint, in der Gewinnliste nicht gefunden und war eben im Begriff, das Los zu zerreißen, als gerade der Polizeidiener herein­trat, von dem sie das Los gekauft hatte und ihr die angenehme Mitteilung machte, daß sie damit tausend Mark gewonnen habe. Die Frau brauchte eine geraume Weile, bis sie begriff, daß sie eine riesige Dummheit gemacht hätte. Die Gewinne sind, wie man hört, fast alle in die Hände von Leuten gefallen, die sie gut gebrauchen können. So erhielt den ersten mit 15 000 ^ ein Fabrik-

wir allweil gemeint graue Haare müßt eins kriegen, eh' das sein könnte, und auf einmal ist's da!"

Felix setzt sich mit ihr auf die Bank vor der Hütte. Und während die Sterne auf sie niederfunkeln und alles totenstill ringsum ist, bis auf ein Wässerlein, das leise glucksend in einer Wiesenmulde rieselt, malt er ihr aus, wie schön die Zukunft sein werde. Und etwas von dem großen, stillen Frieden der webenden Sommermacht dringt dabei in Beider Herz.

Zur selben Stunde sitzt oben auf der Mitterbodenalm Sanna vor der Hütte und wartet auf Stini, der gegen Abend nach Frieda» hinunter ist, um Salz, Brot und Mehl zu holen.

Das Mondlicht gleißt gespenstisch an den verwitterten Kalkfelsen hin und flimmert auf den Schutthalden. Nichts ist zu hören als der Wind, der hier oben nie zur Ruhe kommt, und das Knistern der roten Herd­glut in der Hütte drin.

Die Nacht ist bitterkalt, wie eine Märznacht im Tal unten. Fröstelnd hüllt sich Sanna in ihr Umschlagtuch. Auch sie denkt an die Zukunft, aber die ihre liegt nicht klar und rosig da wie jene EvaS.

Franz hat da und dort versucht, eine selbständige Stellung zu be­kommen, aber bis jetzt schlug alles fehl. Er hat weder Taufschein noch Zeugnisse oder Arbeitsbuch und dieser Mangel ist ihm hinderlich. Zum Ankauf eines eigenen Heimes reichen seine Ersparnisse nicht aus, und wenn auch sein Verdienst bei dem Holzherrn zur Not für beide ausreichen würde in den Dullinggraben will er Sanna um keinen Preis bringen. Schon nicht wegen des roten Lenz der ihr immer hartnäckiger nachstellt.

Jetzt hat er erfahren, daß sein Brotherr einen Pächter sucht für ein ehemaliges Holzknechthaus im Sulzgraben, sechs Stunden von St. Egydi entfernt. Die Holzarbeiten find dort zu Ende, Haus und ein Stück dazu gehörigen Grundes stehen unbenützt. Der Holzhändler möchte e» am liebsten verkaufen, oder, da dazu wenig Aussicht ist, um ein Geringes verpachten.

Es wäre ganz, was Franz sich wünscht. Einsam, ohne Nachbarn, der Grund erst zur Hälfte urbar gemacht. Heute ist er in aller Frühe fort, um mit dem Holzherrn darüber zu reden, und wollte noch gleich nach der Heimkehr Sanna Bescheid bringen. Aber sie wartet vergebens auf ihn und so wird wohl nichts aus der Sache geworden sein.

Traurig sitzt sie auf der Bank und denkt der Sache nach. Welcher Unterschied zwischen einst und jetzt! Damals, als sie Franz zum erstenmal sah, war er der einzige Sohn des reichen Hobein und galt als dessen Erbe. Heute suchte er verzweiflungsvoll ein bescheidenes Dach für sich und sie.

Aber das ist's nicht, was Sanna traurig macht. Ihre Liebe ist nur gewachsen dadurch, und sie wollte gerne warten und entbehren, wenn sie nicht sehen müßte, wie der Bursche sich heimlich abhärmt über sein Schicksal.

Ueber seine Herkunft grübelt er nach und schämt sich seiner Namen­losigkeit. Jetzt weiß er wohl, daß es das war, was der alte Hobein nicht hat mithinüber" nehmen wollen. Sagen wollte er ihm, wie das alle« so gekommen war, daß er Franz adoptierte und in dem Glauben ließ, er sei sein rechtes Kind.

Und wenn er daran dachte, daß der einzige Mund, der ihm Auf­klärung hätte geben können über die längstverstorbenen Eltern, nun für immer geschloffen war, packte ihn wilde Verzweiflung. Als die Mutter starb, war Franz sechs Jahre alt. Dunkel nur erinnerte er sich ihrer als einer blassen, schönen, traurigen Frau.Am Heimweh ist sie gestorben", hat ihm der Hobein einmal gesagt.

Sanna ist die Einzige, mit der Franz über diese Dinge je gesprochen hat, und sie fühlt die Last mit ihm, als sei es ihre eigene. Aber helfen kann sie ihm nicht, und das ist der Tropfen Wehrmut im Freudenbecher ihrer Liebe.

(Fortsetzung folgt.)

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