die Dienstzeit verkürzt werden muß. Wir verlangen die Zulassung jüdischer Militärärzte. Es find solche zahlreich vorhanden und besonders qualifiziert. (Beifall links). Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Rfpt.): Ausgaben, die die Kriegstüchtigkeit der Armee steigern, müssen bewilligt werden. Das Einjährigen-Privileg wäre am besten ganz abzuschaffen. Kriegsminister v. Heeringen: Den angeführten Fall werde ich untersuchen lassen und nötigenfalls Remedur schaffen. Gegen die vorher aufgestellte Behauptung, daß die Kriegsgerichte ihre Urteile je nach der Charge fällen, protestiere ich. Uebrigens ist diese Rechtssprechung gar nicht so drakonisch wie behauptet wurde. In den letzten Jahren kommen auf 10 000 Verurteilungen nur 150 mit Gefängnisstrafen von über 2 Jahren. Die Armee hält sich fern von Politik. Kriegervereine gehören nicht zur Armee, und ich bin daher nicht für sie verantwortlich. Abg. Werner (Rfp.): Die Mißhandlungen sind erheblich zurückgegangen. Einzelne werden in einer so großen Armee immer wieder Vorkommen. Den Militärbeamten, die wahlberecht sind, sollte die Erlaubnis gegeben werden, politische Versammlungen zu besuchen. Abg. Lehmann- Jena (fraktionslos): Die Zahl der Garnisonen in Sachsen-Weimar ist äußerst gering. Reuß ä. L. ist überhaupt ohne Militär. Hoffentlich löst der neue Kriegsminister das diesbezügliche Versprechen seines Vorgängers bald ein. Abg. Erzberger (Ztr.): Von Ersparnissen kann erst gesprochen werden, wenn der ordentliche Etat kleinere Ziffern aufweist. Wie kommt es, daß in Industrie- und Handelsgegenden Mangel an Offizieren besteht, während bei der Garde die zulässige Zahl weit überschritten wird. Das Beschwerderecht, besonders das ehrengerichtliche Verfahren, müßte bald reformiert werden. Ein Offizier des Beurlaubtenstandes wurde gemaßregelt, weil er bei den Landtagswahlen für den Zentrumskantidaten eingetrcten ist. Sparsamkeit ist nötig, besonders bei den Dienstreisen. Bei der Vergebung von Arbeiten sollte darauf gesehen werden, daß Monopole möglichst vermieden werden, so bei Krupp, Kontrollversammlungen sollten jährlich nur einmal vorgenommen werden. Kriegsminister von Heeringen: Für den Mobilmachungsfall sind die Kontrollversammlungen wie bisher nötig. Betreffs der Verdingungen suchen wir möglichst den Wünschen des Hauses nachzukommen. Erfahrungen darüber liegen noch nicht vor. Abg. NoSke (Soz.): Soldaten sollten in bürgerlichen Berufen überhaupt nicht verwendet werden, vor allem aber nicht zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Abnorm mild sind die Strafen für Soldatenschindereien. Wenn der Kriegsminister das Bestehen von Regimentern 1. und 2. Klasse bestreitet, so hat im Gegensatz dazu der Kaiser bei Rekrutenvereidigungen auf die besondere Ehre hingewiesen, in einem Garderegiment dienen zu dürfen. Geradezu unbillig ist es, die Mannschaften des Beurlaubtenstandes für den ganzen Tag der Kontrollversammlung unter das Militär- strafrecht zu stellen. Kricgminister v. Hee ringen wendet sich dann gegen einzelne Ausführungen des Vorredners und führt aus: Gegen das PÄgeln von Rekruten durch alte Soldaten kämpfen wir mit aller Macht an. Ebenso gehen wir den Unterschlagungen mit allem Eifer nach. Die Selbstmorde sind in der Armee nicht häufiger als beim Zivil. Wir machen zwischen Garde- und Linienregimentern keinen Unterschied. Für uns gibt es nur preußische und deutsche Offiziere. Das deutsche Volk hat nach wie vor Vertrauen zu seiner Armee und wird es auch in ernster Zeit, wie es die Jahre 1870/71 waren, bewahren. (Bravo!) Hierauf vertagt sich das Haus auf morgen mittag 12 Uhr.
B erlin 28. Jan. Das heftige Schneetreiben und der starke Nordoststurm haben für den Verkehr der in die Elbmündung einlaufen den Schiffe erhebliche Störungen im Gefolge gehabt. Der gestern nachmittag mit schwerer Havarie in Cuxhaven eingetroffene Schleppdampfer „Telegraph" verlor auf der Fahrt von Helgoland nach der Elbe die von ihm im Schlepptau geführte Bark Normannia. — Der seit 10 Tagen in Konstantinopel herrschende Sturm wurde in der vorvergangenen Nacht zum
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Orkan. Dabei erlitten fast alle Stationsschiffe der Großmächte Havarieen. Die Bojen des deutschen Stationsschiffes Loreley und des österreichischen Schiffes Tauros wurden entankert. Die Loreley hatte rechtzeitig Dampf aufgemacht und erlitt deshalb nur Havarie an einem Beiboot.
Wien 28. Jan. Gestern ist der Bruder der Frau des verhafteten Oberleutnants Hof- richter, der Kaufmann Gerasdorfer, am Herzschlag gestorben. Von der Unschuld Hofrichters überzeugt, hatte er die ganze Aktion zum Nachweis der Schuldlosigkeit seines Schwagers geführt.
Wien 28. Jan. Auf dem Transport von Serres nach Saloniki entsprangen aus dem Postzug 15 Häftlinge, darunter der berüchtigte Bandensührcr Simon, der zu 15 Jahren Kerker verurteilt worden ist. Vier Gendarmen hatten den Transport begleitet, sich aber in einem anderen Abteil aufgehalten und so die Flucht nicht bemerkt.
New - Uork 27. Jan. Die Vereinbarung des Handels-Abkommens zwischen Amerika undDeutschland mit gegenseitiger Gewährung des Minimaltaiifs sind dem Abschluß nahe. Amerika läßt die Forderung der Zulassung des Schlachtviehes fallen. Die Fleisch-Inspektion war überhaupt nie beanstandet worden.
Jur Hochillilfftt-Klltllstrophe i« Frankreich.
Paris 28. Jan. Die Nachrichten, die gestern bis spät abends im Bautenministerium eintrafen, lassen erhoffen, daß die schlimmste Zeit der Ueberschwemmung vorüber ist. Die Marne ist bei St. Maur seit gestern Abend nicht weiter gestiegen. Die beiden Hochwasserfluten, die für Paris noch erwartet wurden, sind vorüber. Seit gestern Abend steigt das Wasser nur noch um 1 mm, gegen 35 mm am Morgen. An der Austerlitz-Brücke erreichte der Pegel 8,5 m, am Port Royal 9,3 m. Unglücklicherweise ist ein neuer Baromelerslurz eingetreten. Das Barometer finkt sehr schnell und ein neues Minimum ist über den englischen Inseln zu verzeichnen, welches entweder Regen oder Schnee in Aussicht stellt. Diese Nacht regnete es wieder in Strömen. Alle Anstrengungen der Behörden sind darauf gerichtet, den Concordien-Platz und die Champs- Elysöe zu schützen. Pioniertruppen arbeiten fortgesetzt an der Errichtung von Mauerwerk, um die Champs Elysee zu sichern. Trotzdem dringt das Wasser bereits hinter dem kleinen Palais vor, desgleichen an verschiedenen Teilen des Concordien-Platzes, der nunmehr militärisch besetzt ist. Man hofft, daß es durch die errichtete Schutzwehr ermöglicht wird, das Fallen des Wassers abzuwarten. Ein Ingenieur der Metropolitan-Bahn teilte mit, daß die Umgebung des St. Lazare-Bahnhofes augenblicklich der gefährdetste Punkt sei. Infolge des Bruches eines Abfluß-Kanals dringt das Wasser mit lautem Getöse auf den Bahnkörper. Die Invaliden- Esplanade steht vollständig unter Wasser, desgleichen der St. Michel-Platz. Im Norden von Paris steigt die Seine noch, desgleichen die Loire. Dagegen ist ein Fallen der Flüsse May ne, Donne, Sarihe, Marne, Cher, und Doubs zu verzeichnen. Am Mittelmeer und an der Nordküste herrscht neuerdings Sturmwetter. — Aus allen Teilen der Welt laufen Teilnahmskundgebungen sowie Unterstützungsgelder ein. Der Papst sandte an den Nuntius 30000 Frs. für die Geschädigten der Hochwasser-Katastrophe, der Kaiser von Rußland 1000 Frs. — Dem „Petit Parisien" zufolge, wird der Schaden, der durch das Hochwasser angerichtet ist, auf hundert Millionen veranschlagt. Man glaubt jedoch, daß in Wirklichkeit diese noch übertroffen wird, wenn man den Schaden wird genau übersehen können.
Paris 28. Jan. Im Justizpalast versagte die elektrische Beleuchtung vollständig, sodaß man Petroleumlampen und Kerzen benutzen mußte. Zur Beförderung der Deputierten von und nach der Kammer ist ein regelrechter Dienst mit Booten eingerichtet worden. In Sevres haben sich die Mauern der zur ebenen Erde gelegenen Ateliers der Porzellanmanufaktur allgemein gesenkt. Das gesamte Personal ist entlassen worden. In Saint Quen ist ein großer Teil der Stadt überflutet. In Neuilly-Plaisance
hat die Ueberschwemmung den Umfang einer Katastrophe angenommen. Das Wasser hat hier bereits die zweite Etage der Häuser erreicht.
Paris 28. Jan. Da aus dem unterirdischen Bahnhof des Quai d'Orsay immer neue Wassermassen Hervordringen, nimmt die Ueberschwemmung in der Rue de Lille und den benachbarten Straßen zu. Die deutsche Botschaft ist von allen Seiten abgeschnitten und nur mittels Kahn zu erreichen. Das deutsche Konsulat mußte heute geräumt werden. Auch das Mädchenheim in der Rue de Lille wurde heute nachmittag geräumt. Die Parterrewohnungen in der Gegend sind völlig überschwemmt. Die Lage in der Nähe des Bahnhofs St. Lazare ist höchst bedenklich. Die Straßen gleichen hier einem reißenden Fluß. Das Hotel Terminus mußte geräumt werden. Ein Korporal stürzte bei der Hilfeleistung ins Wasser und ertrank. Viele Pariser Zeitungen befürchten, nicht weiter erscheinen zu können, da sich Mangel an Papier fühlbar mache, weil die Papierfabrik in Corbeille wegen Ueberschwemmung fast vollständig stillstehe.
Paris 28. Jan. Die Lage scheint für heute beruhigender zu werden. Die Verwaltung erklärt jetzt, die Seine werde noch etwas steigen, dann aber fallen. Gestern vormittag zwischen 11 und 12 Uhr stieg das Wasser um 17 Centimeter.
Standesamt Calw.
Geborene.
24. Jan. Helene Getrud. T. d. Gottlob Großmann, Jacquardwcbers.
G estorbene.
24. Jan. Christine Holzäpfel, geb Braun, Schuhmachers Ehefrau, 73 I 5 Mon. alt.
26. „ Emilie Sofie, T. d. Wilhelm Schurr,
Jacquardwebers, 5 Jahre alt.
26. » Paul Richard, S. d. Paul Heugle,Metzger
meisters 8 Jahre 4 Monate alt.
26. „ Klara, T d. Karl Schnitzer, Maurers,
1 Jahr 1 Monat alt.
Reklameteil.
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