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«rschiinunsltagr: Montaa. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. JnsertionSpreiS !s Pfg. pro Zone für Stabt u. Bezirksorte! außer Bezirk IS Psg.
Samstag, den 15. Januar 1910.
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Tagesrrenigkeiterr.
Stuttgart 14. Jan. Der König hat an den um die bevorstehende Errichtung eines Museums für Länder- u. Völkerkunde besonders verdienten, langjährigen Vorsitzenden des Vereins für Handelsgeographie, Oberkammer- herrn, Grafen Karl v. Linden ein huldvolles Dank- und Anerkennungsschreiben gerichtet und ihn aus die II. Stufe der Rangordnung erhoben. Der Vorstand des Württ. Vereins für Handelsgeographie hat wegen der schweren Erkrankung des Grafen von einer feierlichen Grundsteinlegung des bereits im Bau begriffenen Museums Abstand genommen, dagegen beschlossen, dem Museum den Namen Lindenmuseum zu verleihen. Die philosophische Fakultät der Universität Tübingen hat den Grafen wegen seiner Verdienste um die geographische Forschung zum Ehrendoktor ernannt.
Stuttgart 14. Jan. Eine für Grund - und Gebäudebesitzer und nicht weniger für die Geometer wichtige Entscheidung hat neuerdings der Verwaltungsgerichtshof getroffen. Der Tatbestand war folgender: Ein Gebäude- besttzer ließ sein Wohnhaus durch einen Anbau vergrößern und hierüber eine Meßurkunde von einem Privatgeometer anfertigen. Die Gemeindeverwaltung lehnte jedoch diese Meßurkunde ab mit der Aufforderung, eine neue durch den für die Gemeinde bestellten Katastergeometer gefertigte Meßurkunde vorzulegen. Dagegen beschwerte sich der Hausbesitzer, wurde aber von dem Steuerkollegium und dem Finanzministerium abgewiesen und legte nun die Rechtsbeschwerde bei dem Verwaltungsgerichthof ein. Diese wurde abgewiesen, da die Entscheidungen der Vorinstanzen begründet seien und der Beschwerdeführer nicht mit einer ihm nicht obliegenden Verbindlichkeit belastet werde. Die durch eine Veränderung an den Eigentumsgrenzen, an den Markzeichen, an den Grundflächen der Gebäude, Hofräume und Feldgüter oder in den Kulturarten bedingten
geometrischen Neuaufnahmen und Flächenberechnungen, die sogenannten Handrisse und Meßurkunden dürfen, wenn ihnen für Erhaltung der Flurkarten und Primärkataster amtliche Geltung zukommen soll, nicht von jedem geprüften oder ungeprüften Feldmesser nach freier Wahl der beteiligten Grundeigentümer, sondern ausschließlich nur von dem für den betreffenden Gemeindebezirk zur Behandlung der Katastervermessungsgeschäfte aus der Zahl der geprüften und verpflichteten Geometer bestellten Katastergeometer hergestellt werden.
Stuttgart 14. Jan. Blättermeldungen zufolge hat die Regierung die Absicht, eine genaue Aufnahme der im Lande vorhandenen Torfmoore zu veranlassen und die dabei gewonnenen Ergebnisse so weit als möglich praktisch zu verwerten. Die Zentralstelle für die Landwirtschaft wird zu diesem Zweck einen wissenschaftlich gebildeten Landwirt oder Kulturtechniker, der womöglich einige Kenntnisse im Moorwesen hat, zunächst auf die Dauer von 3—4 Jahren anstellen.
Ludwigsbürg 14. Jrn. Der volksparteiliche Abgeordnete für die Stadt Ludwigsburg, Bankdirektor Schnaidt, ist heute im Alter von 69 Jahren gestorben. Er gehörte dem Landtag seit 1883 an. Von 1890—1898 nahm er auch einen Sitz im Reichstag ein. Er war geboren in Hohenhaslach und hatte ursprünglich die untere Verwaltungskarriere eingeschlagen, in der er es zum Polizeikommissär in Ludwigsburg, Schultheißen in Thamm und städtischen Verwalter in Ludwigsburg brachte, bis er an die Spitze der Ludwigsburger Spar- und Vorschußbank berufen wurde.
Göppingen 13. Jan. Eine frivole Brandstiftung verübte der 25 Jahre alte Viehtreiber Vörling von Tuttlingen. Er begehrte vor dem Hause des Viehhändlers A. Regensburger Einlaß; als ihm abends dieser nach zweimaligem Anruf verweigert wurde,
zündete er Stroh, das aus der Stalltür herausragte, an und setzte dadurch den Stallanbau in Brand, der alsbald in Hellen Flammen stand. Die sofort alarmierte Feuerwehr hatte Mühe, das benachbarte Wohnhaus vor dem Uebergreifen des Feuers zu schützen. Der Stall wurde vollständig zerstört. Durch den Brand ist ein Schaden von ca. 3000 ^ verursacht worden. Der Brandstifter wurde sofort in Hast genommen; er ist geständig.
Horb 13. Jan. Eine höchst unwillkommene Bescherung erhielt die Nachbargemeinde Isenburg und mit ihr sämtliche benachbarten Orte. In besagter Gemeinde wurde infolge eines Gants eine höchst überflüssige Wirtschaft geschloffen. Einem Kaufmann aus Rottenburg, dem das Gebäude pfandhalber zufiel, wurde die Schenkberechtigung nicht gegeben. Rache ist süß! So er das Haus nicht an den Mann bringen konnte, ließ er eine Herde Zigeuner mit über ein Dutzend Köpfen die Wohnung unentgeltlich beziehen. Dieselben haben sich scheints gut angewöhnt; allenthalben kört man von fehlendem Geflügel, fehlendem Holz und anderen Sachen. Die ganze Umgegend wird ausgebettelt und auS- gestohlen, und es ist eine drückende Last, diese Gesellschaft fortwährend ohne jeglichen Schutz in Haus und Hof zu haben. Die Zigeunerin, welche gestern in Horb Kaffee mitlaufen ließ, gehört auch dieser Bande an.
Winnental OA. Weinsberg 14. Jan. Am Sonntag, den 9. ds. Mts., hat die 21 Jahre alte Krankenpflegerin Jda Bender von der Kgl. Heilanstalt Weinsberg bei ihren Eltern hier einen Besuch gemacht. Abends gegen 6 Uhr kehrte sie über Grantschen nach der Heilanstalt zurück. Auf dem Fußweg zwischen der Brückenmühle und Bensenmühle wurde sie plötzlich von einem in den 30er Jahren stehenden unbekannten Manne am Arm gepackt mit den Worten: „Euer Geld her!" Die Bender versuchte zu entfliehen.
Die Leut« vom Uleekamphof.
Roman von Erich Ebenstein.
(Fortsetzung.)
Brummend langt Fried! nach dem dicken Wettermantel und fährt mit dem Kopf durch das Loch in der Mtte. Die anderen sind schon voraus. Als letzter verläßt der Bauer die Stube.
Draußen herrscht wirklich ein wildes Wetter, wie man's seit vielen Jahren nicht erlebt hat. Zu dem reichlichen Schnee, der in diesem Winter schon gefallen ist, hat der Himmel im Laufe der letzken Nacht noch ein Erkleckliches dazugetan, so daß ganze Berge auf Weg und Steg sich türmen. Und immer noch ist ringsum ein Flockenmeer im Niedergehen, das den Blick nicht einmal bis zum Wald gehen läßt.
Dazu pfeift und saust und donnert der Sturm vom Göll niederwärts, als wollte er das ganze Friedauer Tal im Schnee begraben. Wo eine freie Berglehne ist, packt er den Schnee und wirft ihn anderswo zu häuserhohen Wällen zusammen.
Es ist ein arges Gehen und die Kleekampleute brauchen für den halbstündigen Weg heut mehr als eine Stunde. Endlich sind sie glücklich beim Dorf angelangt, schweißdurchnäßt trotz der eisigen Kälte.
„Spaßig", sagt der Kleekamp und schüttelt sich ein wenig, damit die auf Kopf und Schulter angewehten Schneelasten herunterfallen, „gleich zehn Uhr ist'S und noch Hab ich nicht Zusammenläuten hören! Wird doch der Herr Pfarrer am Lichtmeßtag nicht das Hochamt verschlafen haben?"
„Du," frägt er gleich darauf einen Jungen, der vor dem ersten Haus im Schnee herumpuddelt, „Du — ist leicht die Kirchen heut schon aus?"
„Noch gar nicht angefangen hat sie. Der Pfarrer ist noch nicht da."
„So? Und wo ist er denn?"
„Um vier Uhr früh haben sie ihn geholt nach Hinterberg zur Kamplbäuerin. Im Sterben liegt sie und hat zu tausenden Malen bitten lassen, der Pfarrer möcht ihr die Wegzehrung reichen. Von dort ist er noch nicht zurück."
Der Kleekamp schüttelt den Kopf und geht langsam weiter.
„Ist ein böser Weg über den GemSgrat zum Kamplhof," sagt er, „wenn der Pfarrer den Fahrweg geht, braucht er in guten Zeiten zwei Stunden ..."
„Und heut vier, bei dem Wetter!" nickt Fabian, „aber über den Gemsgrat kann er schon gar nicht. Da weht ihn der Sturm schier herunter, den alten Mann."
„Ist ja der Mesner auch dabei!"
„O je der! Erstens ist er auch schon an die sechzig, der Ignatius Kleesham, und zweitens so einen Furchtsamen gibts gar nicht mehr in Frieda». Der ist nicht über den Grat zu bringen heute, und wenn schon, dann kann ihn der Pfarrer festhalten, anstatt umgekehrt."
„Ich, am Pfarrer seiner Stelle wäre überhaupt nicht gegangen," wirft Fried! ein, „bei so einem Wetter! Die beste Ausrede hätt' er gehabt, daß er am Lichtmeßtag nicht fort kann von Frieda»."
Der Kleekamp runzelt die Stirn.
„Daß Du nicht gegangen wärst, glaub ich selber", sagt er scharf. „Dir wär die Pflicht freilich feil um eine Ausrede. Aber der Pfarrer ist halt ein anderer, der sucht keine Ausreden, wenn ihm einmal auch was hart ankommt."