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mit Angehörigen im Gasthof z. „Bad. Hof" ab. Nach Beendigung der umfangreichen Gabenverlosung gelangten zwei militärische Theaterstücke, die flott gegeben wurden, zur Aufführung. Diesem folgten lebende Bilder aus dem deutsch- französischen Krieg von 1870/71. Letztere waren hauptsächlich geeignet, den Anwesenden in packender, lebendiger Darstellung Episoden aus Deutschlands großer Zeit in Wort und Bild vor Augen zu führen, und haben hiezu die Mitwirkenden sowie die schönen, paffenden Costüme der Firma Ernst Müller in Pforzheim wesentlich beigetragen. Alles in Allem darf der Militärverein, der nunmehr ca. 200 Mitglieder zählt, auch Heuer wieder mit hoher Befriedigung auf seine Weihnachtsfeier zurückblicken und wünschen wir dem Verein auch fernerhin Blühen und Gedeihen!
x. Hirsau 10. Jan. Ein schönes mit viel Fleiß einstudiertes Programm brachte der Liederkranz bei seiner Winterunterhaltung am letzten Samstag abend hier zur Durchführung. Sowohl die Chöre als auch die ernsten und heiteren theatralischen Aufführungen wurden mit entsprechendem Gefühlsausdruck tadellos und sicher vorgetragen und gebührt der kleinen Sängerschar alle Anerkennung, welche auch die hochbefriedigten Anwesenden durch reichlichen Beifall zum Ausdruck brachten.
Stuttgart 10. Jan. Heute vormittag 9'/- Uhr erfolgte an der Kreuzung der Schiller- und Taubenheimstraße in Cannstatt ein Zusammenstoß zwischen einem Straßenbahnwagen und einem Metzgerfuhrwerk. Der Besitzer des letzteren wurde vom Bock geschleudert und erlitt Quetschungen am Kopf. Am Straßenbahnwagen wurde die Laterne zertrümmert. — In dem Besitz von zwei als unterstandslos eingelieferten Burschen wurde ein schwarzer Damenpelz und ein Paar Glacehandschuhe gefunden, die offenbar auf strafbare Weise erlangt sind. Eigentumsansprüche wollen beim Stadtpolizeiamt gemacht werden. — In der Nackt zum Samstag wurde in einem Verkaufgeschäst in der Torstraße eingebrochen. Ein Wächter der Nachtwach- und Schließgesellschaft bewirkte die Festnahme eines Täters, ein zweiter entkam, wurde aber am darauffolgenden Morgen von der Polizei ermittelt und gleichfalls festgenommen.
Stuttgart 10. Jan. In der Brauerei Wulle brach heute früh im Mälzereigebäude Feuer aus, das zuerst einen gefährlichen Umfang anzunehmen drohte, von der Feuerwehr jedoch rasch bewältigt werden konnte, ohne großen Schaden anzurichten.
Stuttgart 10. Jan. (Oberlandesgericht.) Der Kampf des Frhrn. Oskar v. Münch um sein vermeintliches Recht gelangte abermals zur Aufrollung und zwar handelte es sich um die Berufsklage gegen die vom Amts
gericht Horb ausgesprochene und vom Landgericht Rottweil bestätigte Entmündigung. Frhr. v. Münch hat bekanntlich mehreren Gerichten — in Berlin, Stuttgart, München, Horb, Rottweil — während der letzten Jahrzehnte viel zu schaffen gemacht. Aus den verschiedensten Gründen hatte er seit Anfang der 90r Jahre gegen eine große Anzahl von Personen Klagen, besonders Entschädigungsklagen, angestrengt. Er zeigte eine unbesiegbare Antipathie gegen die an den Prozessen beteiligten Richter, wi^ auch teilweise gegen die Rechtsanwälte, die sich in zahllosen, im ganzen über 200 Beschwerden an die Gerichte äußerte. In diesen Beschwerden beschuldigte v. M. Richter — Landgerichtsdirektoren, Landgerichtsräte usw. — sowie einen Rechtsanwalt in Berlin, des Betrugs, der Urkundenfälschung und der Rechtsbeugung, den Rechtsanwalt des Meineids und beantragte, die in den Beschwerden Genannten zu verhaften. Frhr. v. Münch wurde schließlich am 1. Nov. 1901 in der Heilanstalt Winnental untergebracht, im Dezember dess. Jahres jedoch wieder entlassen. Im Jahre 1908 wurde er gerichtlich entmündigt und war daraufhin einige Zeit lang zur Beobachtung seines Geisteszustands in der Heilanstalt Weinsberg untergebracht. Frhr. v. Münch, der mit seinem Verteidiger, R.A. Dr. Raiser-Stuttgart, zu der Verhandlung erschienen ist, verteidigt sich mit beredten Worten. Den Vorwurf der Geistesgestörtheit weist er entschieden zurück. Ein jeder reiche Mann habe eine Passion. Seine Passion sei eben zu klagen; eine andere kenne er nicht. Daraus gehe jedoch nicht hervor, daß er irgendwie geistig nicht intakt wäre. Im übrigen bleibt er dabei, daß er ein Opfer fälschlicher Rechtsprechung sei. Die ärztlichen Gutachten, soweit sie ihn für geisteskrank erklären, seien für ihn nicht maßgebend: Gallilei, Keppler und Mayer seien auch erst später anerkannt worden. Seine Verwandten wünschten die Entmündigung auch nicht; da er ein Vermögen von 5 Mill. ^ besitze, er also mit seinen Klagen keinem von ihnen schaden könne. Wie aus der Verhandlung hervorging, hat der Kläger bis jetzt etwa 18 000 Prozeßkosten bezahlt, während andererseits über 100 Mal der Gerichtsvollzieher die Gerichtskosten eintreiben mußte. Die Verhandlungen der Klage, die, nach der ganzen Vorgeschichte zu urteilen, wohl auch noch das Reichsgericht beschäftigen wird, dürfte wahrscheinlich mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Stuttgart 10. Jan. (Strafkammer.) Am 18. September ereignete sich am Neubau für das Medizinalkollegium ein schwerer Unglücks fall. Auf einem Gerüst kippte ein mit Backsteinen beladener Karren um. Ein Backstein fiel einem unten an einer Mörtelpfanne beschäftigten Arbeiter auf den Kopf. Der Mann
erlitt einen Schädelbruch und starb nach einer Stunde. Gegen den Bauführer und den Polier wurde nun Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Die Anklage ist der Ansicht, daß die beiden hätten dafür sorgen sollen, daß an der Stelle, wo die Mörtelpfanne stand, ein Schutzdach angebracht worden wäre. Die Mörtelpfanne stand Tags zuvor noch weiter entfernt vom Gerüst, sie wurde von Arbeitern näher an das Gerüst gerückt. Wer dies angeordnet hat, konnte nicht festgestellt werden. Die Angeklagten machten geltend sie hätten nicht gewußt, daß die Mörtelpfanne näher an das Gerüst herangerückt worden sei, es sei dies ohne ihr Wissen geschehen. Auf Grund der Beweisaufnahme stellte der Staatsanwalt die Schuldfrage in das Ermessen des Gerichts. Die Strafkammer konnte sich nicht überzeugen, daß die Angeklagten ein Verschulden an dem Tod des Arbeiters treffe und erkannte auf Freisprechung.
Stuttgart 10. Jan. Gegen den Direktor der Stuttgart er Ortskrankenkassen hatten zwölf Apotheker Strafantrag wegen Beleidigung gestellt, weil er ihnen in einem Schreiben Urkundenfälschung vorgeworfen hatte. Durch Beschluß der Strafkammer wurde Direktor Gramer außer Verfolgung gesetzt. In der Begründung ist ausgeführt, der Inhalt des inkriminierten Schreibens sei an sich nach tz 185 St.-G.-B. beleidigend; da dem Angeschuldigten aber nicht zu verwerfen sei, daß er gegen mißbräuchliche Abänderung der ärztlichen Rezepte haben kämpfen wollen, so sei er in Anwendung des H 193 St.-G.-B. außer Verfolgung zu setzen. — Gegen die zwölf Apotheker ein Verfahren wegen Urkundenfälschung einzuleiten, hat die Staatsanwaltschaft abgelehnt.
Ludwigsburg 10. Jan. Neben der Zichorienfabrik von Frank Söhne ist die Werkstatt des Küblers Graf, samt allen Holzvorräten in Brand geraten. Das Feuer konnte erst nach harter Arbeit auf seinen Herd beschränkt werden.
Heilbronn 10. Jan. Ein in einer hiesigen Eisenwarenhandlung beschäftigter und in Weinsberg wohnhafter Magazinier war vor einigen Tagen mit Jnventuraufnahmen im zweiten Stock des Magazins beschäftigt. Der Arbeiter, der mit Schwindelanfällen behaftet ist, machte in unmittelbarer Nähe der Ocffnung des Aufzugs einige Notizen, dabei verlor er das Gleichgewicht und fiel durch die Oeffnung ca. 10 Meter in die Tiefe, wodurch er sich außer einigen leichteren Verletzungen auch einen Knöchelbruch zugezogen hat.
H ei lbro'nn 10. Jan. Eine Schießerei gab es am Freitag nacht im Gasthof z. „goldenen Anker". Dort bekam der Händler Reutter Streit mit der Kellnerin, seiner Freundin. Der
„Du, Stini — in die Stube draußen ist einer getreten. Schau nach, wer's ist ... ." vielleicht ist er heimgekommen endlich ..."
Stini erhebt sich, nimmt den Leuchter vom Tisch und öffnet die Kammertür. Gleich darauf fängt das Licht in seiner Hand an zu schwanken. „Bauer", stammelt er fassungslos. „Bauer . . ."
Der Hobein richtet sich mühsam im Bett auf.
Da tritt an Stini vorüber der Kleekamphofer über die Schwelle in die Kammer.
Mit einem Aechzen sinkt der Habererbauer in die Kiffen zurück.
„Du bist's, Sixtus . . . Jesus Maria . . . endlich kommst zu mir . . . endlich . . .!"
Der Kleekamp sieht ihn nicht an. Er nimmt Stini das Licht aus der Hand und herrscht ihn an: „Allein laß uns. Und bleib' draußen in der Stuben, auf daß keins im Haus horchen geht an die Kammertür."
Dann schließt er die Tür. Stini setzt sich beklommen auf die Ofenbank. Finsternis liegt um ihn, nur unter der Kammertür ist ein Heller Lichtstreifen. Ab und zu raschelt das Stroh in des Hobein Bett, wenn der Kranke sich bewegt und leise Worte, halb gc flüstert, huschen an Stinis Ohr vorüber. Er sucht sie nicht festzuhalten. Was da drinnen ausgeredet wird, weiß er ja. So faltet er nur still die Hände und dankt seinem Herrgott, daß es endlich so weit ist.
Einmal öffnet sich leise die Stubentür und Cenz will hereinschleichen. Da ruft Stini laut: „Mach, daß Du weiter kommst, Du. Horchen laß ich Dich doch nicht."
„Marand Josef, wie Du einen schrecken kannst! Wer hat denn horchen wollen? Grad fragen Hab ich wollen, ob der Bauer nichts braucht. . . ."
„Der hat alles, was er braucht. Mach Dich fort."
Sie zögert noch an der Schwelle.
„Mir scheint gar, es ist einer drin bei ihm?"
„Kann schon sein."
„Jetzt weiß ich nicht — hat mir's geträumt, oder ist der Kleekamp richtig in's Haus herein?"
Stini steht langsam auf.
„Wenn Du nicht gutwillig gehst, dann meiner Treu, helf ich Dir . ."
Da ist sie auch schon draußen. Durch die Tür ruft sie noch zurück: „Wart nur, Du! Der Bäuerin sag ichs, wie Du da auftrittst!"
„Hab nichts dawider."
Nach einer halben Stunde tritt der Kleekamp aus der Kammer. Er hält ein versiegeltes Schreiben in der Hand, das er jetzt in die Tasche steckt. Auf der Schwelle wendet er sich noch einmal um und sagt zu dem Hobein, der mit merkwürdig verklärtem Gesicht auf ihn blickt: „Was ich Dir versprochen Hab, halteich. Aber mehr nicht. Was war, muß begraben bleiben für alle Zeit, vergiß das nicht, Ambros."
„Amen. Ich hoff', es wird alles in Ordnung sein. Das Testament Hab' ich wohl verwahrt — das weitere liegt in Gottes Hand und in Deiner, Kleekamp. Und ich dank Dir zu tausendmal, daß Du gekommen bist. . . ."
„Keine Ursach'. Hab mir's nicht denkt, daß wir je wieder Freund werden könnten ... aber jetzt seh' ich's wohl, daß ich Dir in der Hauptfach' Unrecht getan Hab'. Leb' wohl, Ambros."
„Leb wohl."
Der Kleekamp wollte gehen, da ruft ihn der Kranke noch einmal zurück und sagt, während er angstvoll seine Hand drückt: „Und nicht wahr — wenn ich nicht mehr bin und der Bub braucht einen, der ihm zur Seite steht ... auf Dich kann ich mich verlassen, Sixtus?"
„Kannst es. Ein guter Nachbar will ich ihm sein ... und aber mehr nicht." (Forts, folgt.)