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Sichtlich ein Stück eigenen Lebens des Entschlafenen nahm daher der vor bald 2 Jahren diesem im Tode vorausgegangene — hier ebenso geschätzte Bruder „Fritz" damals schon mit sich, die frühere Gesundheit und Fröhlichkeit wollte seitdem nimmer ganz mehr wir der kehren.
Geachtet und geehrt von Jedermann, bedeutet nun sein f.üher Hingang für die verlassenen Angehörigen, für alle Hilfsbedürftigen, für die ganze Gemeinde und nicht zuletzt für die als eifriges Mitglied von ihm so hoch gehaltenen Schützenvereine einen fast umrsetzlchen Verlust. Von Calw, N uenbürg, Pforzheim und Wildbad rc. waren letztere in großer Zahl herbeigeeilt um mit dem „Traucrverein Hirsau" dem unvergeßlichen Schützenbruder den letzt, n Dank mit umflorten Fahnen und Lorbee k änzen dazubringen.
Mit den trauernden Hinterbliebenen wird aber in Allen, die sich um den lieben Freund, den angenehmen, vielcrfahrenen Gesellschafter stets so gern und freudig scharten, so manchmal dessen weiche Hand drücken und in sein immer gütiges Auge blicken durften, sein Angedenken treu und unvergessen fortleben. Er ruhe im Frieden!
):( Deckenpfronn 6. Jan. Gestern wurde der 61jährige Veteran Rohm, welcher den Feldzug von 1870/71 durchmachte, mit militärischen Ehren unter Teilnahme der Nachbar- Kriegervereine beerdigt. Die Reihen der tapferen Kämpfer aus dem deutsch-franz. Krieg sind auch hier schon stark gelichtet. — Heute wurde der 44jährige Küfer Jakob Aichele, an welchem schon seit Monaten Spuren von Schwermut beobachtet wurden, und welcher deshalb freiwillig den Tod suchte, zur Erde bestattet. Allgemeine Teilnahme wendet sich der schwergeprüften Familie zu.
Herrenberg 5. Jan. Die sehr ausgedehnten und abbaufähigen Steinbrüche in Entringen hiesigen Oberamts locken eine ganz erhebliche Gipsindustrie dorthin. Eine Fabrik entsteht nach der anderen, oder wird in diesem Jahre erstehen. So plant eine Tübinger Firma den Bau einer solchen, eine Untertürkheimer Firma, die für 100 000 Mk. Brüche erworben hat, ebenfalls. Die Lager sind mächtig und garantieren auf Jahrzehnte hinaus eine gute Rentabilität. Das kommt natürlich auch dem Orte selbst zu Gute, da die Steinbrüche viele Arbeiter beschäftigen können. Auch die Steuer- krast wird gehoben, was sehr erfreulich ist. Die Tübingen-Herrenberger Bahn wird dieser Industrie sehr zu statten kommen.
Freuden st adt 5. Jan. Wie der „Grenzer" nachträglich erfährt, ist bei der kürz- lichen Beerdigung des Landtags-Abgeordneten Schmid nur durch Zufall ein folgenschweres Unglück verhütet worden. Dem Verstorbenen als Veteranen zu Ehren wurden bei
der Versenkung des Sarges drei Böllerschüsse abgefeuert. Gleich der erste Schuß war viel zu stark geladen. Bei dem zweiten Schuß soll die Hülse stecken geblieben sein und der dritte Schuß war derjenige, der leicht schlimme Folgen hätte haben können. Das Verschlußstück an der Kanone wurde weggerissen und durchschlug im ersten Stock des gegenüberliegenden Hauses das Schindelgetäfer und zerbröckelte das Maverwerk. Das Zimmer war bewohnt und um die Kanone herum war die schaulustige Jugend in großer Zahl. Wir glauben, für künftig sollten strenge Vorschriften beim Böllerschießen erlaffen werden.
Freuden st adt 5. Jan. Letzten Sonntag hat eine Vertrauensmännerversammlung des Bezirksvolksvereins mit Stimmenmehrheit beschlossen, zum Kandidaten der Volkspartei deren Parteivorstand, Professor Ho ff mann in Stuttgart, vorzuschlagen. Weitere Stimmen fielen in dieser Versammlung dem Bauunternehmer Gaiser-Baiersbronn zu, der im Bezirk und namentlich in dem für den Wahlausfall wichtigen Baiersbronn, großen Einfluß besitzt. In weiten Kreisen würde man einem Kandidaten, der im Bezirk ansässig ist, den Vorzug geben. Die Deutsche Partei wird am nächsten Sonntag die Kandidatenfrage .entscheiden. In bürgerlichen Kreisen nennt man auch den Stadtschultheißen Hartranft von Freudenstadt als Kandidaten der Deukschen Partei.
Sulzbach OA. Freudenstadt 6. Jan. Von einem schweren Unglück wurde die Familie des Wilhelm Keller betroffen. Die Frau Keller "wollte am-Ofen Wäsche trocknen und entfernte sich dabei auf einige Zeit aus der Wohnung. Die Wäsche fing Feuer und bei dem dadurch entstehenden Zimmerbrand erstickten zwei Kinder der Familie im Alter von 2 und 4 Jahren.
Tübingen 4. Jan. Die Seeanlage in der Kastanienallee ist nun vollendet; auch die Anpflanzungen sind fertiggcstellt. Das dortige Landschaftsbild hat sich wesentlich gehoben, besonders günstig ist, daß auch größere Bäume in die Anlage mit Erfolg verpflanzt sind. Das städtische Gymnasium, die Turnhalle und das neue, nun ebenfalls vollendete Oberrealschulgebäude nehmen sich jetzt viel vorteilhafter aus denn zuvor; der See dient gleichzeitig dem Eissport und zur Fischzucht, auch ist er mit Wassergeflügel bevölkert; ein Schwanenpaar und einige Enten haben allerdings bereits das Weite gesucht und konnten nicht wieder eingebracht werden. — Dem Rudersport wird sich nach Ausführung der Neckarkorrektion und der Stauanlagen ein weitgehendes Feld eröffnen. — Auch dem hier besonders in Blüte stehenden Reitsport
soll durch Anlage neuer Reitwege weitere Bahn geschaffen werden.
Gmünd 5. Jan. In Böhmenkirch hiesigen Oberamts kam es letzter Tage vor, daß die Bienen einen Reinigungsausflug machten. Da Böhmenkirch sonst eine nicht allzuwarme Witterung hat, ist dies gewiß ein Beweis für den heurigen milden Winter.
Ulm 5. Jan. Der hies. Altertums- Händler Julius Bayer hat in Westheim auf der Alb eine romanische Georgstatue für 4 ^ gekauft und sie für 2400 ^ einem hiesigen Kunstfreund verkauft. Der Kauf soll an- gefochten werden.
Friedrichs Hafen 5. Jan. Durch einen hiesigen Landjäger wurde vorgestern ein Wilddieb in dem Augenblick verhaftet, als er bei einem hiesigen Metzger einen im Seewald erlegten Rehbock veräußern wollte. Es handelt sich um den erst zwanzigjährigen Ziegler David Nägele von Heiming (Oesterreich). Er wurde ans K. Amtsgericht nach Tettnang eingeliefert.
München. Die Prinzessin Louise von Belgien reiste gestern nach Paris ab. Von dem Ankauf eines Grundbesitzes in der Umgebung wurde nichts bekannt.
Berlin 5. Jan. Heute mittag 1 Uhr empfing der Kaiser im königlichen Schloß die chinesische Marine-Studien ko mmission. Dabei hielt Prinz Tsai Hsün an den Kaiser eine Ansprache, auf die der Kaiser u. a. antwortete : Ueberzeugt, daß Euer kaiserlicher Hoheit Besuch in Deutschland dazu beitragen wird, die zwischen China und dem deutschen Reich bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu fördern und zu festigen, heiße ich Eure kaiserliche Hoheit und Ihre Begleiter in unserer Mitte von Herzen willkommen. An die Audienz schloß sich eine Frühstückstafel. Der Kaiser verlieh dem Prinzen Tsai Hsün das Großkreuz des Roten Adlerordens. Der Prinz überreichte dem Kaiser drei Vasen von hohem Wert.
Posen 5. Jan. (Gefährliche Landung eines Luftballons.) Gestern abend zwischen 6 und 7 Uhr mußte ein Luftballon der Dresdener Luftsckiffs-Gesellschast infolge großen Sturmes bei dem Dorfe Darzyn in der Nähe von Kroto- schin scharf landen. Dabei schlug der Korb äußerst heftig auf und alle drei Personen wurden ziemlich schwer verletzt. Zwei von ihnen erlitten Knöchelbrüche, der dritte einen Unterschenkelbruch. Die verunglückten Herren sind die Professoren Seifert und Dosch von der Fürstenschule in Meißen und der Kaufmann Walter aus Danzig.
Bremen 5. Jan. Kapitän von Letten- Petersen meldete gestern durch drahtlose Tele-
Der Kleekamp guckt das Mädchen eine Weile an, dann dreht er sich achselzuckend ab und läßt sie stehen. Zu anderen Zeiten wäre er zornig geworden und hätte sie nötigenfalls mit Gewalt fortschaffen lassen. Aber heut' ist er dasig.
Später kommen noch die Trautwein'schen und wollen Viktl bewegen zur Heimkehr. Aber auch sie müssen unverrichteter Dinge abziehen und es wieder einmal inne werden: es ist nicht auszukommen gegen das Dirndl, wenn es sich etwas in den Kopf gesetzt hat.
Der Kleekamp läßt sich von den Knechten sein Bett hinüber ins Austragstöckl tragen, das seit dem Tode seiner Eltern geschloffen dasteht und weilenweise als Kornkammer benutzt wird. „Denn unter einem Dach mit dem Weibsbild schlaf' ich nicht", erklärt er.
Mit dem Schlafen sieht's überhaupt windig aus in dieser Nacht.
Stini und Viktl wachen bei dem Kranken und dem Kleekamp kommt erst recht kein Schlaf in die Augen. Kaum färbt sich's im Osten grau, steht er auf, geht hinüber ins Haus und ruft den Stini zu sich in die Stube.
Die Knechte schlafen noch. Der Kleekamp holt eine Flasche Wachholderschnaps aus dem Wandschrank und hält sie Stini hin.
„Da — trink eins. Wirst übernächtig sein."
„Gar nicht, Bauer. Ein alter Mensch braucht nicht viel Schlaf."
„Wie steht's mit dem Buben?" frägt der Kleekamp und stützt den Kopf in die Hand.
„Durchkommen wird er mit Gottes Hilfe, so hoff' ich." Erst hat's ihn freilich wild gepackt, das Fieber, aber dann ist er ruhiger geworden. Jetzt schläft er."
Der Bauer atmet erleichtert auf. „So hat er doch ein Einsehen, der Herrgott dort oben . . .", murmelt er.
Stini geht unruhig in der Stube hin und her. Endlich bleibt er neben dem Kleekamp am Tisch stehen und wirft unsicher hin: „Wenn schon unser Herrgott ein Einsehen hat, Kleekamp, solltest Du's halt auch eins haben! Ich mein schier, der Fried! läg' nicht so da, wenn Du von
Anfang an der Wahrheit die Ehre gegeben hättest." Ein Ruck geht durch des Kleekamp Leib. Er hebt den Kopf, reißt die Augen wie in plötzlichem Schreck auf und stiert den Stini an.
Dann ringt es sich von seinen Lippen: „Was willst sagen damit? Was weißt?" Stini blickt an ihm vorüber hinaus in die Morgendämmerung.
„Ich hab's halt nur so gemeint, Bauer ... Deine ganze Gescheitheit nutzt Dir nichts, wenn unser Herrgott anders will . . . und er will es auch anders!"
Der Kleekamp ist aufgestanden und geht in der Stube herum. Seine breite Reckengestalt sieht merkwürdig schlotterig aus in dem Zwielicht. Endlich bleibt er vor Stini stehen und mustert ihn scharf.
„Was hat er Dir ausplauscht der . . . der schlechte Kerl? Red', sag ich!"
„Ausplauscht. Nichts, Kleekamp. Aber wissen tu ich's seit zwanzig Jahren. Und daß ich's weiß ... von ungefähr weiß ... da draus kannst sehen, daß es nicht dem Herrgott sein Willen ist, wenn's geheim bleibt."
Der Bauer atmet schwer. Sein Leib fällt förmlich in sich selbst zusammen, grau, wie die Nebel draußen, die über den Matten liegen, ist sein Furchengesicht, den Stini starrt er an wie ein Gespenst.
In der Stube ist eine dumpfe, schwüle Stille. Als der Kleekamp endlich wieder zu reden anfängt, klingt es tonlos und abgehackt durch den kleinen Raum.
„Und jetzt? Was wirst tun? Möchr' doch wissen . . . was sich eins zu versehen hat von Dir?"
„Nichts, Bauer. Hab's zwanzig Jahr mit mir Herumgelragen, kann'S auch weitertragen. Deswegen brauchst keine Angst haben. Nur Dich selber sollst fragen, ob's auch recht ist so, wie Du's im Sinn hast? Mir scheint, es geht einer um in Deiner Nähe, der sein Reckt zu fordern hätt' von Dir ..."
„Von mir hat keiner was zu fordern!"
(Fortsetzung folgt.)