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daher das Familienregister und die BSrgerliste
in der Richlung durchzusehen ist, ob nicht solche vorhanden sind, welche außerhalb des deutschen Reiches geboren find und die Württ. Staatsangehörigkeit noch besitzen.
Calw, 2. Januar 1910.
K. Oberamt. Voelter.
A« die Ortsbehördeu.
Auf den Kaiserlichen Werften wird stets eine größere Zahl von Lehrlingen in verschiedenen Handwerken ausgebildet, welche in erster Linie für die Marine ausgehoben werden sollen.
Die Ortsbehörden werden daher beauftragt, bei Anmeldung der militärpflichtigen Handwerker sestzustellen, ob sie nicht etwa auf einer kaiserlichen Werst gelernt haben und dies in die Stammrolle unter Bemerkungen einzutrageu.
Calw, 2. Januar 1910.
K. Oberamt.
Voelter.
Vekarmtmachung.
Diejenigen im Jahre 1890 geborenen jungen Leute, welche im Besitz gültiger (Schul-) Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst sich befinden und die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst erwerben wollen werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Gesuche um Erteilung des Berechtigungsscheines zum einjährig-freiwillige« Dienst spätestens diS zum 1. Februar 1910 unter Beifügung der in 8 89 Ziffer 4 lit. a—c bezw. Ziffer 5 iit. s der deutschen Wehrordnung vom 22. Juli 1901, (Reg.-Bl. Nr. 23. S 275) vorgeschrtebenen Papiere bei der K. Württ. Prüfungskommission für Einjährig-Freiwillige in LudwigSburg (Adresse: Kanzlet der K. Kreisreg erung) einzureichen sind.
Bemerkt wird, daß zu der Erklärung des Vaters bezw. des Vormundes Formulare beim Oberamt und auf dem Rathaus in Calw zu haben find.
Galw, 2. Januar 1910.
K. Oberamt.
Voelter.
Bekanntmachung,
betr. die Zurückstellung der zum einjährig-freiwillige« Dieust Berechtigten.
Nach 8 93 Z ffer 2 der Wehrorduung haben sich die zum eiujährtg-frciw lligen Dienst Berechtigten beim Eintritt in das militä pflichiige Aller, sofern sie nicht bereits vorher zum aktiven Dienst einge- treten sind, sowie diejenigen Militär pfltck igen, welche die Berechtigung zum einjährig freiwill'gen Dienst bei der Prüfungskommission nachgesncht haben, bei der Ersatzkommisston thrrS SestellungSortS schriftlich oder mündlich unter Vorlegung ihres Berechtigungsscheines, sofern ihnen derselbe bereits behändigt ist, zu melden und ihre Zu ückstellung von der Aushebung zu beantragen, und zwar auch diejenigen, welche sich schon früher bei einem Truppenteil zum Diensteivtritt gemeldet hoben und aus irgend einem Grund abgewiesen worden find.
Calw, 2. Januar 1910. K. Oberamt.
Voelter.
Tagesnenigkette«.
Calw. Am 7. Januar, abends 8 Uhr, wird Herr Dr. Reih len aus Stuttgart im Georgenäum berichten über seine Eindrücke aus den Ansiedlungsdörfern in Posen und Westpreußen, welche er an Pfingsten 1909 mit den Abgeordneten Hieber, Roth, Storz, Vogt- Hall, Vogt-Crailsheim, Ströbele und andern Herrn zu besuchen Gelegenheit gehabt hat. Bekanntlich hat die preußische Regierung im Jahr 1886 um dem Vordringen der Polen in diesen Grenzprovinzen entgegenzuarbeiten, angefangen auf dem Boden ehemaliger Rittergüter, die zu diesem Zweck angekauft wurden, deutsche Bauern unter sehr günstigen Bedingungen anzusiedeln und hat im Lauf von 23 Jahren 120 000 Deutsche, darunter 14000 Süddeutsche, in 500 neugeschaffenen Dörfern daselbst untergebracht. An der Hand von Lichtbildern wird der Redner zeigen, wie es in diesen bei uns mit Unrecht verschrieenen Gegenden aussieht und wird eine Reihe charakteristischer Ansichten von Dörfern und einzelnen Häusern und Höfen, von Kirchen und Schulen u. s. w.) vorsühren. Er wird berichten was ihm württembergische Landsleute, die er besucht hat, über ihr Fortkommen erzählt haben und nicht verfehlen auch mitzuteilen, mit welchen Kosten und Bedingungen Ansiedlungslustige dort zu rechnen haben. Es ist merkwürdig, wie wenig von diesem großartigen Unternehmen innerer Kolonisation, auf welches der preußische Staat schon 400 Millionen verwendet hat, bei uns bekannt ist, obgleich es in geradezu vorbildlicher Weise gelungen ist.
Stuttgart 3. Jan. Ein böses Abenteuer mit tragischem Ausgang erlebte in der Nacht zum 17. Oktober hier ein auswärtiger Eisenbahnbediensteter. Der Mann hatte seine Güter verkauft und wollte bei einer hiesigen Bank sein Geld anlegen. Ehe er sein Vorhaben ausführte, kehrte er in einer berüchtigten Wirtschaft in der Altstadt ein. Dort traf er die übelbeleumundete Kellnerin Mathilde Koffler von Ulm und die vorbestrafte Schreinersehefrau Lina Kalmbach von hier. Der Mann trank mit den beiden Frauenzimmern mehrere Flaschen Wein und schenkte ihnen auch noch Geld. Beim Verlassen der Wirtschaft stürzte der Spender des Weines und dabei fiel ihm sein mit Goldstücken gespickter Geldbeutel, in dem sich über 1000 ^ befanden, heraus. Die Koffler nahm den Geldbeutel an sich und verschwand mit ihrer Begleiterin. Den Mann ließen sie hilflos liegen. Die Diebin schenkte ihrem Zuhälter, Wilhelm Rheimer, noch in der gleichen Nacht 100 ^ und der Kalmbach 200 Das übrige Geld verbrauchte die Koffler mit Rheimer in Heidelberg und Augsburg, wo sie am 27. November festgenommen wurde. Bei ihrer Festnahme hatte sie von dem gestohlenen Geld keinen Pfennig
vie Leute vom llleekamphof.
Roman von Erich Eben st ein.
(Fortsetzung.)
Franz schwindelt. Gewartet hat Sanna auf ihn. Am liebsten möcht er sie gleich in die Arme nehmen und ihr ins Ohr stammeln, wie er sie mehr lieb hat als alles sonst auf der Welt. Aber er traut sich nicht. Nur ihre Hand packt er stürmisch und drückt sie so fest, daß weiße Flecken werden, wo seine Finger liegen. Dabei stößt er fast atemlos heraus:
„Sanna . . . Dirndl ... der erste Mensch bist, der mir heut' unterkommt .... wenn das kein glückseliges neues Jahr wird, dann gilt schon gar nichts mehr in der Welt! Und schau .... Du wartest da auf mich, und ich denk' den ganzen Weg von Haus nur an Dich ..."
Sanna erwidert nichts. Langsam löst sie ihre Hand aus der seinen. Er merkt es gar nicht, daß etwas Fremdes an ihr ist, so hell schaut ihn die ganze Welt an.
„Sanna", er beugt sein braunes, hageres Gesicht nahe an ihr weißes, „vorgesetzt Hab' ich mir's die ganze Zeit her: am Neujahrstag sag ich Dir's. Da soll das neue Leben anheben für uns beide. Keine andere will ich zum Weib als Dich! Und Du? Willst mich?"
„Nein", sagt sie laut und fast heftig.
Sein Gesicht wird plötzlich fahl wie das alte Holzwerk am Dach der Kapelle. Wirr blickt er um sich. Ihm ist's gewesen, als ob die Berge rundum einen Augenblick in's Wackeln gekommen wären. Dann bleibt sein Blick auf der Sanna ihrem Gesicht liegen:
„Nicht?" wiederholt er ungläubig, „Du willst mich nicht?"
„Nein."
mehr. Der Bestohlene nahm den Verlust seines Geldes so tragisch, daß er sich das Leben nahm. Die Strafkammer verurteilte die Angeklagte Koffler zu 1 Jahr 2 Monaten Gefängnis, wegen Hehlerei den Angeklagten Rheimer zu 8 Monaten und die Angeklagte Kalmbach zu 2 Monaten Gefängnis.
Stuttgart 3. Jan. Das Postamt in London sendet fast täglich eine mehr oder weniger große Zahl von Warenproben, Geschäftspapiere und Drucksachen an die deutschen Grenzausgangsstellen zurück mit der Begründung, daß die Sendungen den für die Beförderung gegen die ermäßigte Taxe erlassenen Vorschriften nicht entsprechen. Diese Beanstandungen müssen zumeist anerkannt werden, weil entweder die gewählte Verpackung der Muster usw. eine Prüfung des Inhalts ohne Zerreißen der äußeren Umhüllung unmöglich macht, oder weil die „Muster ohne Wert" bei näherer Prüfung erkennen lassen, daß sie nicht als Probe oder Muster einer Ware dienen sollen, sondern zum Gebrauch oder für eine handelsmäßige Verwertung bestimmt sind. Briefumschläge und Briefbogen mit aufgedruckter Adresse, die als Drucksache versandt werden, läßt die britische Postverwaltung dabei grundsätzlich wieder zurückgehen in Befolgung ihres auf dem Weltpostkonkresse in Washington gemachten, von den Vereinspostoerwaltungen angenommenen Vorschlags, Schreibpapier und Umschläge mit gedruckter Adresse nicht als Drucksachen anzusehen. Den Versendern wird deshalb im eigenen Interesse empfohlen, die für Warenproben und Drucksachen gegebenen Bestimmungen genau zu beachten, besonders aber den Warenproben keinerlei Gegenstände von Handelswert beizupacken.
Stuttgart 3. Jan. Die Sylvesternacht ist anfangs ziemlich ruhig verlaufen, wozu bei getragen haben mag, daß der wässerige Schneefall, der etwa um 10 Uhr einsetzte, den Aufenthalt im Freien nicht angenehm machte. Aber gegen Mitternacht belebten sich doch die Straßen, besonders die Königstraße und Umgebung, und an manchen Stellen veranlaßte das Johlen und Schreien halbwüchsiger Burschen die sonst sehr schonend vorgehende Polizei zum Einschreiten. Vielfach krachten auch Schüsse, Kanonenschläge und Feuerwerk aller Art. In allen großen Restaurants wurde das neue Jahr bei Musik erwartet. Bis in den Morgen hinein waren die Kaffeehäuser belebt. — Nach dem Polizeibericht wurden in der Neujahrsnacht insgesamt gegen 205 Personen polizeilich eingeschrieben.
Nürtingen 3. Jan. Der 16 Jahre alte Joh. Reutter schoß gestern nachmittag mit einer Schlüsselbüchse, die explodierte und den jungen Mann an die Schläfe traf, sodaß der Tod sofort eintrat. Der Familie
„Dann . . . dann..." er würgt verzweifelt an den Worten, „hast einen andern gern!"
Nein."
"Lüg nicht, Du!"
„Ich lüg nicht."
„Warum willst mich nicht?"
„Weil ich nicht mag. Gar keinen mag ich. Ledig will ich bleiben mein Lebtag."
Er blickt einen Augenblick ratlos auf sie nieder. Dann packt ihn der Zorn. Wild schüttelt er sie an den Schultern.
„Das," keucht er, „das glaub ich Dir nicht! Ein schlechtes Dirndl bist, die mich zum Narren gehalten hat . . . aber ich bin keiner, der so was hinnimmt. Wenn Du einen andern gern hast ... in Gottesnamen . . . aber so ... so laß ich Dich nicht!"
„Was willst machen?" sagt sie völlig unbewegt unter seinem harten Griff. „Zwingen kannst mich nicht zur Lieb . . ."
Er läßt sie plötzlich los und tritt einen Schritt zurück. Sein Blick bohrt sich in sie hinein wie ein Messer und zum erstenmal kommt es dabei wie ein leises Aechzen über ihre Lippen.
„Warum, wenn Du mich nicht magst, hat da gewartet auf mich?"
„Weil ich Dir das Hab' sagen wollen ... daß Du nicht mehr denken sollst auf mich ... gar nicht mehr . . . hörst?" Wie tot ruhen ihre Augen auf ihm.
Er antwortet nicht mehr. Auf den Holztritt vor der Kapelle hat er sich gesetzt und den Kopf zwischen den Händen vergraben. Ihm ist, als könne er sie nicht mehr ansehen.
Als er nach einer langen Weile wieder aufblickt, ist die Sanna fort. Franz blickt scheu um sich. Nichts ist da, als die blendend weißen Schneemalten, der Sonnenschein darüber und die Stille des Feiertages.