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Kreitag, den 31. Dezember 1909.
BezugSpr.i.d.Ltadt'/zjLhrl.m.TrLaerl.Mk. I.SS. PostbezugSpr s.d. Orts- u. NachbarortSverk. '/.jiihr!. Mk. t.LO, im Fernverkehr Mk. t.30. Bestell^. in Württ. SO Pfg., In Bayern u. Reich 42 Pf, ,
Ln« neuen Mre 1910.
Von Alwin Römer.
Wandernde Tage! . . . Wie lang schon verklang Lerchengetriller und Nachtigallsang!
Alle die lenzfrohen Veilchen erblichen.
Als um Johannis die Rosen erblüht.
Längst nun sind auch die stolzen verglüht Und den Fanfaren des Herbststurms gewichen; Schnee deckt die Fluren rings . . . nichts hat Bestand : Neujahr! läuten die Glocken ins Land! . . .
Wandernde Tage! . . . Wess' Jugend verging Nicht wie ein gaukelnder Schmetterling?
Alle die Träume von lachenden Wonnen,
Keckem Erringen in wagendem Mut Auf deines Lebens einst stürmischer Flut,
Sind in des Werktags Sorgen zerronnen;
Stilles Bescheiden hält längst dich gebannt — Neujahr! läuten die Glocken ins Land! . . .
Wandernde Tage! . . . Was grübelst du drum? So viele Tausende kehrten schon um!
Aber wohl unter den nach dir Gebornen Wandelt einst glücklicher einer den Pfad,
Den deine irrende Sehnsucht betrat,
Stolz sich gesellend den Auserkornen.
Einer, im Blut dir und Herzen verwanvi: Neujahr! läuten die Glocken ins Land! . . .
Wandernde Tage! . . . O Jugend, Glück auf! Raste nicht träg' in der Monde Verlauf;
Reih' dich nicht ein vor der Zeit als Philister, Beug' dich nicht stumm jedem tückischen Streich; Weit ist die Welt und das Leben ist reich:
Hol' dir den Marschallstab aus dem Tornister,
Eh' dir die Weihe des Wollens entschwand ... Neujahr! läuten die Glocken ins Land!...
Wandernde Tage! . . . Unrastige Schar!
Wahrt uns den Frieden im kommenden Jahr,
Daß sich der Bürger nach seinem Gefallen Wacker mag regen in Werkstatt und Feld;
Ehrlicher Arbeit schenkt vollen Entgelt;
Frohsinn senkt in die Seele uns allen —
Und nun zum Reigen nehmt uns an der Hand: Neujahr! läuten die Glocken ins Land!. . .
TagesAerügkeiterr.
I-. Stammheim. Am 26. d. M. hielt der Liederkranz seine Weihnachtsfeier im „Bären". Der im Laufe des Sommers vergrößerte Saal vermochte die Erschienenen kaum zu fasten. Das ziemlich große abwechslungsreiche Programm wurde fließend abgewickelt. Unter den Gesängen waren es besonders wieder die eingelegten zwei gemischten Chöre, welche den Beifall der Zuhörer fanden. Nicht minder gefielen aber auch die sehr gefühlvoll ansprechend vorgetragenen Doppelquartette: „Erdenlos" und „Allein auf der Welt" von Opladen. Für den Humor war trefflich gesorgt durch verschiedene Couplets und namentlich durch die zwei größeren Gesamtspiele: „Der gepfändete Rock" und „Die Leitung ist gestört". Sämtliche Darsteller fanden sich vorzüglich in ihre Rollen, so daß alle Stücke von packender Wirkung waren. Alle Darbietungen zeugten von feinem Verständnis und tüchtiger Schulung des Vereins durch seinen eifrigen Dirigenten, unter dessen Leitung dev Verein sichtlich vorwärts kommt. Bei der vorzügliche» Harmonie zwischen Sänger und Dirigent wird der Verein bei fortgesetztem Eifer noch schöne Erfolge erzielen.
Nagold 30. Dez. Bei der Ziehung der Nagolver Kirchenbaulotterie fielen die Hauptgewinne auf folgende Nummern: 15 000 ^ auf Nr. 47 020, 5000 auf Nr. 41279,
2000 auf Nr. 57 219, je 1000 ^ auf die
Nummern 35 894, 85 884, je 500 ^ auf die
Nummern 3708, 77 615, 87115 und 87 683.
(Ohne Gewähr.)
Stuttgart 30. Dez. Der am Montag abend, aus dem Zuchthaus Ludwigsburg entsprungene Sträfling Franz Maier,
Schlosser aus Wien, ist gestern nachmittag hier fest genommen worden. Er hat vorgestern abend in einem Hause der Fischerstraße drei Dachkammern erbrochen und dabei 3 Anzüge, 1 Damenuhr und einige Mark Bargeld entwendet. Uhr und Anzüge sind beigebracht. Auch find zwei Helfershelfer, die als Hehler in Betracht kommen und der Mittäterschaft dringend verdächtig sind, festgenommen. Einen weiteren Einbruch hat Maier gestern nacht in eine Buchhandlung in der Kronprinzstraße und in einer Dachkammer eines Hauses der Gerberstraße verübt. In diesen beiden Fällen ist ihm nichts in die Hände gefallen. Der zweite, mit Maier entsprungene Zuchthausgefangene Karl Hübner, Schlosser aus München, hat sich heute früh beim Stadtpolizeiamt selbst gestellt.
Stuttgart 30. Dez. An die hiesige Staatsanwaltschaft ist eine Anzeige gemacht worden, wonach der Buchhalter und Kassier eines Anwaltsbureaus, Herm. Hoppe, einem Dritten gegenüber sich selbst beschuldigt hat, innerhalb einiger Jahre 30 bis 40 000 -A der ihm anvertrauten Gelder unterschlagen zu haben. Hoppe machte diese Mitteilung, kurz bevor er heute nacht 12.50 Uhr nach Zürich abreiste. In dem Bureau sollte in den nächsten Tagen eine Bücherrevision vorgenommen werden.
Ludwigsburg 30. Dez. Die letzte, sehr bewegt verlaufene Gemeinderatswahl hat eine Anfechtung zur Folge gehabt. Diese richtete sich gegen die Wahl des Fabrikanten Wilhelm Barth, zu besten Gunsten etwas sehr freigebig mit Bier und Wein operiert worden sein sollte. Indessen hat die vorgenommene Untersuchung keine genügenden Ansaltspunkte ergeben und so gelangte der Gemeinderat zu einer Abweisung der Einsprache.
Vir Leute vom Uleekamphos.
Roman von Erich Ebenst ein.
(Fortsetzung.)
Cenz, ist eine Magd, welche ehedem mit Bibiana und deren Vater, einem verarmten Kleinbauern, aus Oesterreich nach Amerika ausgewandert ist. Der Bauer hatte auch drüben nicht viel Glück und starb bald, kurz nachdem es Bibiana gelungen war, das Herz des wohlhabenden Hobein für sich zu gewinnen. Der alte Hobein war damals schon kränklich, und Franz bewirtschaftete die kleine Farm allein. Der Alte sehnte sich nach weiblicher Pflege, und Bibiana, deren Vater sich neben den Hobeins angesiedelt hatte, stellte sich willig und liebevoll dazu an. Als sie die Hobeinin geworden war, ließ sie beide Eigenschaften als überflüssig fallen.
Dafür nahm sie nachher die alte Cenz ins Haus, die ihr besonders jetzt am Habererhof vorzügliche Dienste leistete. Denn auf eine geradezu rätselhafte Weise sieht, hört und entdeckt Cenz immer alles, was die Bäurin wissen möchte. Auch das Verhältnis der Eva zum Felir hat die Alte ausspioniert.
Jetzt flüstert sie hastig:
„Er ist wieder drin bei ihm, der Stini. Grad wie Du in den Stall gegangen bist, hat er sich hineingeschlichen zum Bauern. Und ich sag Dir's, Du: gib acht! Da spinnt sich was an, was Dir nicht passen wird!"
Die Bäurin steht mit finsterem Gesicht neben der Magd. Verbissen fragt sie: „Wieso? Hast was erhorcht?"
„Freilich, wenn ich auch nicht ganz verstanden Hab'. Ein neues Testament will er machen, der Hobein, wo alles dem Franz zufällt. Dann war wieder vom Kleekamp die Rede. Du — damit ist's auch nicht ganz richtig . . . was er nur hat mit dem Kleekamp? „Nicht sterben kann ich", hat er zum Stini gesagt, „eh er nicht Frieden gemacht hat mit ihm .."
Die Bäuerin achtet nicht mehr auf diese Worte. Sie hat nur das
eine vernommen, daß ein neues Testament zu Gunsten des Franz gemacht werden soll. Heimlich, hinter ihrem Rücken . . .
Ungeduldig schiebt sie Cenz zur Seite und schleicht mit lautlosen Schritten durch die Stube hin zur Kammertür, hinter welcher der totkranke Hobein liegt. Die beiden drinnen, ihr Mann und der Stini, sprechen leise, aber die Bibiana hat scharfe Ohren.
„Du weißt, wie's steht," sagt der Bauer mit seiner kurzatmigen Stimme, „und das ist das wenigste, daß ich'S an dem Buben wenigstens gut zu machen such' ... 's braucht auch nicht unter die Leute zu kommen, und das wird ihm das liebste sein."
„Freilich," meint der Stini dazwischen, „auf seine Ehr', da hat er alleweil große Stücke gehalten. Glaub' schier, daß er's nicht verwinden könnt', wenn da ein Flecken drauf wäre."
„Ja, ja . . . freilich," stimmt der Hobein hastig zu, „aber es muß ja nicht sein. Wie Du Dir's ausdenkt hast, ist's gut. Weiß selber nicht, wie ich nicht gleich darauf verfallen bin. Und jetzt, Stini, zu tausendmal bitt' ich Dich: geh' noch einmal zu ihm und bring' ihn her!"
„Wird sich nicht tun lassen, Hobein. Zweimal bin ich ihn hart angegangen deswegen, aber er will partout nicht."
Die Bäurin an der Tür hört einen tiefen, schweren Seufzer. Lange ist es drinnen still. Dann beginnt der Bauer wieder leise, aufgeregt, fiebernd: „Also weißt was, Stini? Erst will ich das andere in Ordnung bringen ... Du weißt schon, wie wir'S ausgeredet haben . .. und wenn dann alles fertig ist, dann gehst noch einmal zu ihm und sagst ihm an meiner Statt, wie's hergegangen ist. Ich mein' immer, wenn er das erst einmal weiß, und was ich durchgemacht Hab', dann kann er mir den Frieden nimmer weigern. Oder glaubst, wenn er so hineingekommen wär', er hätt' anders getan? Anders tun können?"
„Glaub'S nicht, Hobein. Was einen trifft, das ist ihm halt vom Herrgott schon so bestimmt. Gut oder bös — tragen muß er's".