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waren. 13 Soldaten erlitten leichte Kopfverletzungen. Der Materialschaden ist unbedeutend. Der Unfall hat seine Ursache wahrscheinlich in einem Mißverständnis in der Signalgebung. Der Zug war mit etwa 400 Militärpersonen besetzt, die von ihrem Urlaub nach Straßburg zurückfahren wollten. Sie gehörten verschiedenen Waffengattungen an, meistens jedoch dem 143. Jnf.-Reg. Die Verletzungen bestanden zum größten Teil in Stirn- und Schädelverletzungen. Ein Arzt leistete die erste Hilfe. Die Verletzten konnten ihre Weiterreise mit dem nächsten Zuge antreten. Nur ein Soldat, der eine Rippen-Quetschung erlitt, mußte in das Neustädter Krankenhaus überführt werden.
Berlin 28. Dez. (Um König Leopolds Erbe). Nach einer Brüsseler Drahtung der Voss. Zeitung fand gestern vor dem Notar des verstorbenen Königs Leopold in Anwesenheit der beiden Testamentsvollstrecker, der Brüder Barone Goffinet, und der Rechtsbeistände der Prinzessinnen Luise, Stefanie und Clementine die erste Sitzung statt, die sich mit der Erbteilung von König Leopolds Nachlaß beschäftigen sollte. Baron Goffinet machte die Mitteilung, daß sich König Leopold über das Vermögen, das ihm von seinem Vater überkommen war, getäuscht habe. Es beträgt nicht 15, sondern 18 Mill. Fr. Die Testamentsvollstrecker erklären ferner, daß sie sich einer Kontrolle über alles das, was König Leopold besessen habe, nicht entziehen und gerne Erläuterungen geben würden über die Art und Weise, wie der König sein Geld anzulegen pflegte. Man einigte sich deshalb zunächst dahin, daß sofort ein Inventar aufzunehmen ist und daß sich dasselbe auf alle Besitztümer erstrecken solle, die König Leopold im In- und Ausland habe. Auf diese Weise muß also auch näher untersucht werden, was in den drei Aktiengesellschaften enthalten ist, die König Leopold jüngst in Deutschland, Frankreich und in Belgien gegründet hat. Man nimmt nämlich an, daß das Vermögen, das die Töchter König Leopolds erben werden, mindestens 40 Mill. Fr., wenn nicht bedeutend mehr sein wird. Die Freunde des Königs Leopold scheinen, wohl unter dem Drucke der öffentlichen Meinung, nachgeben zu wollen und bereit zu sein, alle Vermögensstücke zur Verfügung zu stellen, die überhaupt vorhanden sind. Man führt diese Nachgiebigkeit auf den Einfluß des Königs Albert zurück, der unter allen Umständen einen Erbschaftsprozeß vermieden haben will. König Albert wird dieser Tage provisorisch bis nach Fertigstellung des Stadtschloffes in Brüssel nach Schloß Laeken übersiedeln. Der König, dessen Zivilliste 3 300 000 Fr. beträgt, hat es übrigens abgelehnt, sich vom Staat das dem König Leopold gelehnte Schloß renovieren zu lasten. Er wird dies auf eigene Kosten tun.
Allenstein 28. Dez. Bei der Allen- steiner Staatsanwaltschaft schwebt gegen Frau v. Schönebeck, um derentwillen Hauptmann Göben, den Major v. Schönebeck ermordet hat und sich später im Gefängnis den Tod gab, immer noch ein Verfahren wegen Anstiftung zum Morde. Ein Obergutachten stellt Frau v. Schönebeck nicht so krank hin, daß hier der § 1 in Anwendung kommen könne. Die Sache ist jetzt spruchreif und dürfte voraussichtlich in der im März stattfindenden Schwurgerichtsperiode zur Verhandlung kommen.
Zürich 28. Dez. (Sturmschäden.) Die Folgen des schweren Sturmes vom 22. auf den 23. Dezember im Jura sind sehr beträchtlich. Im Juxtale ist enormer Schaden angerichtet worden. Die Wälder sind allenthalben verwüstet. An mehreren Stellen wurden Dächer bis zu hundert Meter weit fortgetragen.
Paris 28. Dez. (Giftmischerin.) Gestern Abend wurde eine Angestellte des Louvre- Warenhauses namens Bouret verhaftet. Bei ihr wurden verschiedene Giftstoffe gefunden, die den Verdacht erwecken, daß sie aus Rache einer Familie Doudieux Näschereien hat zukommen lassen, die sich als vergiftet erwiesen. Kürzlich nahm ein Gast dieser Familie, ein junger Opernsänger, von Migräne geplagt, eine Dosis aus einer angeblich mit Antipirin gefüllten Schachtel. Wenige Stunden später starb er, ohne daß die Todesursache festgestellt werden konnte. Die Leiche wurde zur Untersuchung exhumiert. Das angebliche Antipirin stammt von der Bouret.
Paris 28. Dez. (Streikende Balletteusen.) Gestern abend gegen 11 Uhr, als in der Oper das Ballett beginnen sollte, erklärten die Mitglieder des Ballett-Korps, daß sie nur dann ihre Tätigkeit aufnehmen würden, wenn einige von ihnen gestellte Forderungen angenommen würden. Der Direktor versprach, die Wünsche wohlwollend zu prüfen, worauf nach einer Viertelstunde die Vorstellung fortgesetzt wurde, nachdem bereits das Publikum seiner Ungeduld lebhaften Ausdruck gegeben hatte.
Wien 28. Dez. (Affäre Hofrichter.) Wie verlautet, wurde in der Linzer Wohnung Hofrichters verschiedene Gegenstände beschlagnahmt, die für den Angeklagten belastend sind. Auch soll hinsichtlich der noch offenstehenden Frage, auf welche Weise er sich das Cyankali verschafft haben könnte, eine wichtige Spur gefunden worden sein. Hofrichter soll mit der Frau eines Apothekers in Beziehungen gestanden haben.
Prag 28. Dez. Gestern nachmittag legte der verhaftete Bahnassistent Zer» ein Geständnis ab und gab zu Protokoll, daß er die Ueberführung des Güterzuges 251 vollständig vergessen habe. Während der Bergung der Verunglückten war es aufgefallen, daß man bei ihnen fast keine
Ausweispapiere und Fahrkarten und nur geringe Geldbeträge vorfand. Die Staatsanwaltschaft erhielt neuerdings bestimmte Anhaltspunkte dafür, daß während der Bergungsarbeiten von verbrecherischen Händen Effekten und Wertsachen gestohlen wurden. Ebenso sind Geldbriefe und Einschreibbriefe, die der verunglückte Zug im Postwagen mit sich führte, verschwunden.
Moskau 28. Dez. (Massenverhaftungen.) Durch die Mastenverhaftungen von betrügerischen Intendantur-Beamten sind alle Offiziers-Arrestlokale überfüllt. Die Hauptwache im Kreml wird renoviert, um einen Teil der Verhafteten dort unterzubringen. Unter den Verhafteten befindet sich der Oberst Giers, der Jntendanturchef Moskaus.
Petersburg 28. Dez. Die hier an- kommenden Fremden werden von jetzt ab einer besonders strengen Kontrolle unterworfen. Sie müssen der Polizei sofort gemeldet werden, widrigenfalls hohe Geldstrafen und Gefängnis bis zu 3 Monaten verhängt werden.
Tula 28. Dez. Der Zustand des Grafen Tolstoi, der am 26. ds. Mts. nachmittags von starkem Schüttelfrost befallen wurde und abends hohes Fieber hatte, wird jetzt als im allgemeinen befriedigend bezeichnet. Tolstoi befindet sich in Behandlung zweier Aerzte.
Portsmouth 28. Dez. Ein Zeichner der hiesigen Staatswerft ist unter der Beschuldigung verhaftet worden, einen Empfangsapparat für drahtlose Telegraphie und große Mengen von Plänen, die sich auf die Verwendung der drahtlosen Telegraphie in der englischen Marine beziehen, gestohlen zu haben. Eine Mitteilung der gestohlenen Pläne an dritte Personen ist bisher nicht nachgewiesen.
Lissabon 28. Dez. (Ueberschwemmung in Portugal.) Die große Ueberschwemmung in Portugal hat insbesondere die Hafenstadt Oporto hart mitgenommen Die ganze Unterstadt ist meterhoch überschwemmt, unzählige Häuser sind weggeriffen. Eine Anzahl Schiffe wurden zertrümmert, andere auf das hohe Meer abgeschwemmt. Große Weinlager sind zerstört. Da auch die Gasfabrik überschwemmt ist, ist die Stadt schon mehrere Tage ohne Licht. Auch die Aussichten auf die Ernte sind vernichtet. Einzelne Ortschaften sind vom Wasser blockiert. Man schätzt die Zahl der Toten auf etwa 50. Viel Vieh ist ertrunken. Im ganzen sind etwa 300 Fahrzeuge verloren gegangen. Der Schaden wird auf 40 Millionen Mark geschätzt.
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abwehrend zurück. „Müßt erstens nicht woher und zweitens nicht — wohin damit?"
„So! Steht nicht gerad' einer vor Dir, der Dir sagen tät, wohin Du sollst damit?"
Sie lachte kurz und spöttisch auf.
„Meinst es so? Dann nimm nur auch gleich die Antwort drauf: „Leid wär' mir um jedes Stückl Kletzenbrod für ein Mannsbild!"
Stirn kichert vor sich hin und verzieht sich dann in seine Kammer. Friedl steht wie aus den Wolken gefallen und starrt stumm auf die Sanna. Ist das die sanfte Sanna, die sonst wie ein Heiligenbild in die Welt schaut? Mit einem Sprung ist er neben ihr.
„Du — was soll das heißen? Red' nicht so daher, sonst . . ." er verstummt. Ihre verweinten Augen fallen ihm auf. Gleich ist er verändert.
„Sanna — Dirndl, was ist Dir denn passiert? Hat Dir wer was zu leid getan?"
„Mir? Kein Mensch."
„Geflennt hast! Man sieht Dir's an .... vor Freud wirst nicht geflennt haben?"
Sie wirft den Kopf stolz zurück.
„Gehl's Dich leicht was an, Kleekampbub? Und daß ich DirS ein für allemal sag : das Nüchsteigen ist mir zuwider und das Gefrag' und das Gered' und überhaupt und alles! Wär mir schon lieber, wenn ich Dich nicht mehr sehen müßt' auf meinem Weg."
Sanna hat es heftig herausgesprudelt. Friedl hört zu wie erstarrt. Dann blitzt es wild und bös auf in seinen braunen Augen.
„Zuwider bin ich Dir?" sagt er endlich langsam, das hält' ich mir freilich nicht denkt. Aber wenn's Dir lieber ist . . . brauchst mich ja nimmer zu sehen." Er geht mit ungleichen Schritten zur Tür, just, als
ob er etwas schweres nach sich ziehen müßte. Und so ist's auch. Zorn und Enttäuschung lasten schwer auf ihm.
An der Tür wendet er sich noch einmal um und stößt mit verbissenem Hohn heraus:
„So — jetzt hast den Weg frei für den — andern. Jetzt wirst wohl zufrieden sein?"
Jetzt ist es die Sanna, die mit zwei Schritten neben ihm steht und verbissen herausstößt:
„Welchen andern meinst — Du?"
„Wen sonst als den Hobein Franz? Glaubst, ich bin blind oder müßt nicht, daß er alle Augenblick da herunter kommt in den Rettengraben?"
Sanna atmet schwer. Die Fäuste hat sie fest an die Brust gedrückt, als gälte es was zu ersticken da oder festzuhalten. Die blauen Augen funkeln beinahe schwarz. Dann sagt sie langsam:
„Der Habererbub geht mich so wenig an wie Du, daß Du's nur weißt! Und so wenig wie Dich, will ich ihn auf meinem Weg sehen. Kannst's ihm sagen, wenn Du ihn triffst."
„Der und ich haben das Miteinanderreden schon lange eingestellt!"
„Dann werd ich's ihm selber sagen. Und jetzt geh!"
Sie wendet sich von ihm ab. Der Kleekamp Friedl verläßt stumm die Hütte. Ihm ist ein wenig wirr im Kopf. Er hat sich's anders vorgestellt, als er zur Rettengrabenhütte emporgestiegen ist. Und die Augen, wit welchen ihn die Sanna heute angeblickt hat, sind ihm ganz fremd an ihr. „Das ist eine Besondere," fährt es ihm durch den Sinn, „ganz eine Besondere . . . ."
Abgekühlt hat ihn ihre Art nicht. Nur desto bester gefällt sie ihm jetzt.
Drin steht die Sanna am Fenster und schaut so lang in den klaren Winterhimmel, wo auf atlassenem Grund rosa Wölkchen hinziehen, daß ihr zuletzt die Augen übergehen. (Forts, folgt.)