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Motor getriebenen Schleifstein mit Schleifen von Briezmessern beschäftigt war, zersprang plötzlich der Stein. Durch eines der abgesprungenen Stücke wurde Rief im Gesicht schwer verletzt. Unter anderem wurden ihm die Vorderzähne des Oberkiefers fast sämtliche eingeschlagen. Es ist fast ein Wunder zu nennen, daß ihn die Wucht des Schlages nicht sofort tötete. Ein anderes zentnerschweres Stück des geborstenen Steines wurde zirka 80 Schritte weit geschleudert.
Friedrichshafen 28. Dez. Die durch die Blätter gehende Meldung, daß das preußische Kriegsministerium die Abnahme des III" abgelehnt habe, ist, wie Dr. Eckener in der „Frankfurter Zeitung" schreibt, in dieser bestimmten Form nicht völlig zutreffend. Eine endgültige, definitive Entscheidung ist vielmehr noch nicht getroffen worden. Richtig ist, daß die Militärverwaltung sich zur Abnahme des Luftschiffes schon jetzt und ohne Vornahme weiterer Prüfungsfahrten, die ein klares Bild von der Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs geben würden, sich nicht hat entschließen können. Man kann diesen Standpunkt wohl billigen, denn einwandfreie Fahrtergebniffe liegen bisher nicht vor, wenn auch über die vortrefflichen Qualitäten des „2111" ein Zweifel nicht bestehen kann. Wie man sich erinnern wird, wurde das Schiff infolge des Zusammentreffens einer Reihe von Momenten etwas eilig fertig gestellt und vorschnell mit verschiedenen Neuerungen auf die große Reise nach Berlin geschickt, ehe man die Abänderungen hatte genügend ausproben können. Havarien, die infolgedessen an den Propellern und Kraftübertragungen eintraten, ließen im Verein mit Defekten an dem durchaus nicht tadellosen neuen Motortyp die Form, in der das Fahrzeug seine Programmreise in die Reichshauptstadt erledigte, als nicht allzu glänzend erscheinen. Ebenso zeigte das Schiff sich auf dem Fluge nach Frankfurt und von hier in das rheinisch-westfälische Jndustrie- revier nicht auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit. Nach seiner Rückkehr aus Berlin schnell für den Besuch des Reichstags am Bodensee zurechtgemacht, war es mit nicht allerbesten Propellern und seinem noch immer unauSgeprobten neuen Antrieb dann sofort vertragsmäßig zur „Jla" gefahren, um den Besuch der rheinischen Städte damit zu verknüpfen. Einwandfreie Probefahrten waren das alle nicht. Gleichwohl mußte man diese in gewisser Hinsicht als lauter Siege ansehen. Das Individuum „2III" war zweifellos nicht ganz fertig gewesen, das System aber als solches bewährte sich glänzend. Trotz der mannigfachen Havarien, die bald hier, bald da vorkamen, die in'einem Falle sich sogar in der äußerst schweren Gestalt der Durchschlagung und Entleerung einer Gaszelle zeigten, gelangten Schiff und Bemannung stets glücklich in den Hafen. Die unvergleichliche Betriebssicherheit, die das starre System in der Verdoppelung und
Vervielfachung seiner wichtigen Organe besitzt, kam damit vortrefflich zur Geltung. Sehr bemerkenswert war es auch, daß das Luftschiff ohne jegliche Rücksicht auf die Wind- und Wetterlage ohne Zaudern stets planmäßig auf Fahrt ging, genau so, wie sein Bruder „2II" in den Sommermonaten es gemacht hatte. Im tollen Föhnsturm flog es nach Berlin ab, kämpfte dann im Sturm- bivak bei Bülzig erfolgreich gegen Böen von 20 bis 22 Sekundenmetern und machte sich später von Frankfurt aus in ganz außergewöhnlich schlimmem Regenweiter nach Düffeldorf und dem Ruhrgebiet auf die Reise. Die Leistungen sollten nicht vergessen werden! Sie stechen vorteilhaft gegen die Aktionsweise, in der die sicherlich ein wenig verkannten, jetzt aber dafür ein wenig überschätzten Lenkballons Halbstarren und unstarren Systems ihre Triumphe errangen. Ueber die hervorragenden Eigenschaften des starren Systems ist man im preußischen Kriegsministerium natürlich vollkommen orientiert nnd man weiß, daß die Beseitigung einiger Kinderkrankheiten, die der „ 21lI" in seinen Abänderungen noch aufwies, dieses Schiff befähigen wird, alle diese Eigenschaften, also vornehmlich Betriebssicherheit, Wettertüchtigkeit und langes Flugvermögen, zu bewähren. Es läßt sich dann auch die Frage der Eigengeschwindigkeit des Fahrzeugs,, die seinerzeit, als „2III" in Bezug aus Motoren und Propeller die bekannten Unzulänglichkeiten aufwies, der Gegenstand von Erörterungen war, in bestimmterer Weise als bisher lösen. Der große Spielraum, den die Tragfähigkeit des Fahrzeugs für konstruktive Abänderungen läßt, gestattet in dieser Beziehung übrigens, je nach Absicht mehr oder weniger Pferdekräfte einzubauen und somit ein schnelles oder länger fahrendes Schiff zu erhalten. Ueberlegt und würdigt man diese Momente, so leuchtet ein, daß die Entscheidung darüber, ob „2 III" an die Militärverwaltung übergehen soll oder nicht, schwerlich schon jetzt, sondern erst dann getroffen werden kann, wenn das Fahrzeug nach einer gründlichen Revision seines Vortriebsapparats die Fahrten wieder aufnimmt. Das wird im Frühjahr sein.
Vom Lande 28. Dez. Die gegenwärtige Witterung erinnert an einige alte Bauernregeln, die besagen: Grüne Weihnachten, weiße Ostern! Weihnachten naß, leert Speicher und Faß! Dezember kalt mit Schnee gibt's Korn auf jeder Höh! Je trüber und nasser an Wintertagen, je mehr Arbeit für den Leichenwagen !
Mannheim 27. Dez. Ein Bild des Elends — veranlaßt durch die Trunk- und Genußsucht des Mannes — entrollte die Verhandlung gegen die Frau des Kranensührers Grimm wegen Betrugs. Der Mann verdient pro Woche 35 Mark, verbraucht aber
„Ja — Deine Großmutter war sie, die Mirzl, und schier närrisch gern haben wir uns gehabt. Aber anders ist's halt nicht gegangen. Haben uns schon beide drein schicken müssen, daß uns das Glück nicht bestimmt war."
Er tritt an den Herd und macht sich dort zu schaffen. Dabei sagt er noch: „Und wenn mir damals eins gesagt hätt': Du wirst die Ursach' sein, daß zwei lebfrische, brave Dirnen zu Grund gehen — so wahr Gott im Himmel ist, ich hätt' nie ein Wort mit den zweien geredet. Nachher ist's zu spät. Hat's einmal gute Worte gegeben hinüber und herüber, dann findet man sich nicht mehr auseinander. Gleich zu Anfang muß man das End machen . . . und das Hab ich Dir erzählen wollen. Es schleppt eins hart sein Leben lang daran, wenn's Unfrieden gesäet hat.."
Lange sagt die Sanna nichts. Endlich ringt es sich stockend über ihre Lippen: „Aber — die beiden, die Ihr meint, Stini, der Kleekampbub und der Hobein sind doch nicht Brüder! Da steht die Sache anders?"
Stini stützt den Kopf in die Hand und starrt in die Ofenglut, über der kleine, blaue Flämmchen zucken. Die Antwort scheint ihm Kopfzerbrechen zu machen. Einmal blickt er scheu zu Sanna hinüber, dann zuckt er die Achseln: „Ist doch dasselbe. Am Unfrieden liegt's, an der Feindschaft, die man anstiftet, nicht an der Verwandtschaft."
Sanna legt den Kopf müde auf die Arme, die sie auf das Fensterbrett gestützt hat. Ihr ist auf einmal sonderbar zu Mut. Just, als wäre alles Licht rundum erloschen, so düster liegt das Friedauer Tal vor ihr; die Mutter, denkt sie, „wenn die noch leben täte, das wär' mir leichter. Aber so . . ."
Stini schielt zuweilen auf sie hinüber. Auf ihren lichtblonden Zöpfen liegt die Helle des klaren Wintertages. Wie Flachs sehen sie aus. Und der Stini denkt kopfschüttelnd: „Komisch — auch das wiederholt sich! Just so flachslichtes Haar hat die Mirzl gehabt . . ."
Dann nimmt er den Sack mit den Kletzen Schwartlingen, öffnet
das meiste für sich, läßt die Familie darben und zahlt auch keinen Hauszins. Die vor dem Gericht wehklagende Frau ist 26 Jahre alt und hat 10 Kinder. Von dem Haushalt der Familie entwarf der jetzige Hausherr ein Bild des Jammers und in dieser Not hat die arme Frau einige Waren erschwindelt. Das Gericht mußte zu einer Verurteilung der Frau kommen, sie bekam 3 Mk. Geldstrafe, das Minimum für Betrug.
Mannheim 27. Dez. Daß allzu resolut nicht gut tut, mußte ein hiesiger Metzgermeister erfahren. Dieser hatte eine faule Kundin, die mit einer nicht unbeträchtlichen Schuldsumme im Rückstände war. Eines Tags traf die Frau des Metzgermeisters das Dienstmädchen der Kundin auf der Straße. „Wohin?" sagte die Meisterin und das Mädchen erwiderte harmlos: „Einen Hundertmarkschein wechseln lasten. „Geben Sie her, ich wechsle Ihnen", meinte die Meisterin, nahm dem Mädchen den Schein aus der Hand, zahlte ihm unter Abzug des Schuldbetrags der Herrschaft das übrige Kleingeld heraus und segelte triumphierend von dannen. Leider wird die Geschichte ein Nachspiel haben. Gegen die Meisterin ist ein Verfahren wegen — Straßenraubs im Gange.
Rheinau 27. Dez. Ein schönes Weihnachtsgeschenk hat die Direktion der Rheinischen Gummi- und Celluloidfabrik ihrer Arbeiterschaft gestiftet. Jeder Arbeiter, der Familienvater ist, erhielt für jedes seiner Kinder 6 Mark, die Meister und Aufseher desgleichen je 12 Mark als Geschenk. Es sind Väter mit reichem Kindersegen darunter, die bis zu 72 Mark erhalten. Die gesamte Geschenksumme dürfte 5000 Mark übersteigen.
München 28. Dez. Der „Münchener Post" zufolge ist die Polizei einer Engelmacherin in Erdingen auf die Spur gekommen, die sechs Kostkinder hatte. Das eine davon wurde nach 9 Tagen in völlig verwahrlostem Zustande nach München zurückgebracht. Wegen des zuletzt verstorbenen Kindes erstattete die Leichenfrau Anzeige. Der Staatsanwalt hat nun angeordnet, daß die Leichen aller Kostkinder dieser Frau ausgegraben werden.
Frankfurt a. M. 28. Dez. In der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember wurde in der Eilgutkasse auf dem Eilgüter-Bahnhofe eingebrochen und eine Kastelte mit 700 ^ gestohlen. Die leere Kasteite wurde Montag nachmittag in einem Garten in der Nähe des Eilgüterbahnhofes gefunden. Des Diebstahls verdächtig ist ein Assistent der auf der Eilgutkaffe beschäftigt war. Er wurde verhaftet.
Kaiserslautern 28. Dez. In der Station Neuhemsbach-Sembach stieß eine Nachschub- Maschine aus den letzten Wagen eines Zuges, dessen Insassen beurlaubte Militär-Personen
ihn und legt Stück für Stück bedächtig in den Kasten. Das dauert eine gute Weile. Als er fertig ist, tritt er zu Sanna und legt die krumme, arbeitsharte Hand auf ihren Kopf.
„Mußt nicht flennen, Dirndl! Am End, schau, kommt alles auf eins heraus. Deine Mutter und der Florus haben sich bekommen und wo sind sie heute? Draußen neben der Mirzl und der Jula. Es ist nicht anders in diesem Leben; für ewig verlieren kannst vieles, aber für ewig festhalten nichts. Nein gar nichts kannst festhalten . . ."
Der Sanna leuchtete diese Weisheit nicht ein. Sie rührt sich nicht. Zwischen ihren Fingern tropfen langsam Tränen herab. Seit sie vor mehr als sechs Jahren die Mutter begraben hat, sind ihr die Augen nimmer naß geworden, und es muß schon grob Wetter am Lebenshimmel stehen, ehe eins im Gebirge zu weinen anhebt. Dazu ist Leib und Seele bei diesen Menschen sonst viel zu gesund und abgehärtet. Aber diesmal ist in Sannas Leben grob Wetter eingetreten.
Ein Heller Jauchzer von der Straße her läßt sowohl den Stini, als die Sanna jäh auffahren.
„Der Kleekampbnb ist's", sagt Stini, einen Blick durch die Scheiben werfend. Sanna zuckt zusammen, trocknet sich hastig das nasse Gesicht und tritt vom Fenster weg.
„Was will er denn hier?" sagt sie stirnrunzelnd.
„Schwartling bitten wird er wollen", antwortete Stini, „eine ganze Schnasen voll hat er schon um die Schultern gehängt, wie einen Rosenkranz ..."
Da steht der Fried! auch schon mit einem fröhlichen „Grüß Gott" unter der Tür. Sein Blick sucht die Sanna, die halbabgewendet am Herd steht.
„Na, Sanna, wie ist's? Hast keinen Schwartling für mich?"
„Du weißt recht gut, daß wir keinen Klotzen backen," gibt Sanna