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Jork: Drei Theaterbrände haben gestern nach­mittag Nerv-Jork heimgesucht. Das Theater Murry Hill war mit ca. 1600 Besuchern gefüllt, als auf der Bühne ein Brand ausbrach. Die Besucher stürzten panikartig den Ausgängen zu, wobei 40 Personen schwer verletzt wurden, darunter viele Kinder. Der durch das Feuer angerichtete Schaden ist unbedeutend. Im Windsor-Theater kam Abends während einer Kinematographen-Vorstellung ein Brand aus, der durch das Theater-Personal alsbald gelöscht werden konnte, während das Publikum ruhig den Saal räumte. Der Schaden ist bedeutend. Endlich wurde das Broadway-Theater durch eine Feuersbrunst vollständig zerstört.

Paris 20. Dez. (Leopold in San Remo nicht getraut.) Der Matin meldet aus San Remo: Eine Untersuchung, welche in 21 Kirchen von San Remo gestern vorgenommen wurde, ha t ergeben, daß keine Spur in den Kirchenbüchern von einer Trauung des Königs Leopold mit der Baronin Vaughan zu finden ist. Man glaubt, daß die Trauung in Monacco vollzogen worden ist.

Brüssel 20. Dez. Es erweckt hier große Befriedigung in der Bevölkerung, daß Kaiser Wilhelm seinen Bruder, den Prinzen Hein­rich mit seiner Vertretung bei der Beisetzung des Königs Leopold beauftragt hat. Der König von England sendet als Delegierten den Prinzen Arthur von Connaugth. Auch der König von Bulgarien wird vertreten sein. Es wird viel darüber gesprochen, daß die Vertretung der sachsen-koburg-gotha'schen Familie der Baron von Eppinghofen übertragen erhielt. Dieser ist ein Sohn der Baronin Mayer, die die Maitresse des ersten belgischen König Leopold war und die der jetzt verstorbene König unmittelbar vor seinem Tode hat aus Belgien ausweisen lassen.

Brüssel 20. Dez. (Prinzessin Luise.) Es verlautet hier, Prinzessin Luise habe das Schloß Balincourt bei Paris, das Besitztum der Baronin Vaughan, versiegeln lasten. Die Baronin hatte bis gestern nachmittag noch nickt die Villa Vandemborne verlassen, an der sie bekanntlich kein Eigentumsrecht hat, sondern wo sie nur als Gast des Königs weilt. Sie wird jedoch, bevor die Prinzessin Luise eintrifft, die Villa verlassen. Die Hofverwaltung hat gestern bereits nach Paris die dringende Ordre gegeben, daß alle Automobile König Leopolds sofort nach Brüste! zu schicken sind, um einer Beschlagnahme durch die Gläubiger der Prinzessin zuvor zu kommen.

B rüssel 20. Dez. Prinzessin Luise ist heute abend um 7 Uhr auf dem Bahnhof Schaerbeck in Begleitung zweier Damen an- ge kommen. An der deutschen Grenze er­wartete im Aufträge des Königs Albert, General Dony die Prinzessin, die sofort nach ihrer Ankunft in das Schloß Belvedere fuhr.

Innsbruck 20. Dez. Bei einer mili­tärischen Schießübung wurden mehrere See­soldaten von einer Lawine verschüttet. Ein Kaiserjäger wurde bisher als Leiche geborgen. Ob die anderen gerettet sind, ist noch nicht bekannt.

Turin 20. Dez. DieStampa" meldet aus Rom, daß in vatikanischen Kreisen das Gerücht, der Papst habe zu Gunsten der Baronin Vaughan sich in Brüssel durch den Nuntius verwendet, große Entrüstung erregt habe. Der Vatikan habe nicht das geringste Interesse an der Baronin.

Kopenhagen 20. Dez. Bezüglich der Papiere Dr. Cooks über seine Nordpolreise ist entgegen einer Meldung eines auswärtigen Blattes bisher kein Entschluß gefaßt worden. Das Er­gebnis der Untersuchung ist frühestens in 14 Tagen zu erwarten.

St. Petersburg 20. Dez. Rußland nimmt im fernen Osten umfangreiche Truppenverlegungen vor. Von Irkutsk sind 50000 Mann nach dem Osten verschoben worden. Die Gesamtstärke der dort stehenden russischen Truppen beträgt nunmehr ungefähr 250 000 Mann.

Odessa 20. Dez. Es verlautet, daß die Leiche des in Cannes verstorbenen Groß­fürsten Michael Niko l aj e witsch auf dem Seewege hierher gebracht werden wird, um dann nach Petersburg weiter befördert zu werden. Wegen der Durchfuhr russischer Kriegsschiffe durch die Dardanellen sollen deshalb zwischen Rußland und der Pforte Verhandlungen angeknüpft worden sein.

London 20. Dez. (Gerettete Schiff­brüchige.) Der in Bristol gelandete Dampfer Port Kingston" führt die Besatzung des bei Jamaika gestrandeten DampfersAdena" mit sich. 9 Mann davon hielten sich 20 Stunden hindurch an einem Wrackstück angeklammert, das nur 4 Fuß lang war und kaum 1 Meter über die Wasserfläche ragte. Bei dem heftigen Sturm schlugen die Wellen unausgesetzt über die Schiff­brüchigen. Einem Manne wurde ein Bein ab­geschlagen, sodaß seine Gefährten ihn stützen mußten. Endlich sichtete ein Fischerfahrzeug die Verunglückten und nahm sie auf.

London 2o. Dez. (Cook's Nordpol- Entdeckung zweifelhaft.) Nach lOtägigen Untersuchungen der Cook'scken Beobachtungen am Nordpol hat die Kommission dem Konsistorium der Universität erklärt, daß das vorliegende Material nicht ausreichend sei, um ein definitives Urteil abgeben zu können. Es wird wahrscheinlich demnächst ein Bericht veröffentlicht werden, in dem dargelegt wird, daß die Universität nach dem vorliegenden Material nicht zu urteilen im Stande ist, ob Dr. Cook tatsächlich den Nordpol erreicht hat. Die dänischen Forscher haben ihren Glauben an Cook jedoch immer noch nicht verloren.

wohnende 32jährige Kellner Georg Lösch, der voriges Jahr einen großen Lotteriegewinn ge­macht hatte und seitdem sich dem Trünke ergab, versuchte heute morgen, sich und sein Kind durch Leuchtgas zu töten. Er hatte sich mit dem Kinde in der Küche eingeschloffen und den Gas­hahn geöffnet. Die von einem Ausgange zurück­kehrende Frau alarmierte die Nachbarschaft und man fand den Mann nach Aufsprengen der Tür mit dem Kinde am Boden liegen. Das Kind war bereits tot, während der Mann noch bei vollem Bewußtsein war. Er wurde verhaftet.

Berlin 20. Dez. Wie dasBerliner Tageblatt" meldet, soll das neue Militär- luft sch iss LI III heute vom Tegeler Schießplatz aus seine erste Probefahrt unternehmen. LI III stellt einen ganz neuen Typ dar und hat eine Länge von 86 Metern und eine lichte Höhe von 13 Metern bei einer Tragfähigkeit von 160 Zentnern. Die Höhensteuerung wird durch dyna­mische Wafferverschiebung, die in das starre Gerüst eingebaut ist, bewirkt. Die Gondel ist 10 Meter lang und bietet trotz der 4 eingebauten Motore für 15 Personen Platz. LI III ist mit Funkentelegraphie und elektrischer Beleuchtung ausgerüstet. Das Luftschiff U III, das vom Reich übernommen werden soll, wird heute von Bitterfeld eintreffen und im Laufe der Woche seine Abnahmeprüfungsfahrten absolvieren.

Berlin 20. Dez. (Berliner Frauen­mord.) Frau Schreck, die Geliebte des bereits wegen der Frauenmord-Affäre in Haft befindlichen Arbeiters Hahn, wurde gestern nach einer langen Vernehmung, bei der sie sich mehrfach in Wider­sprüche verwickelte und bei der sie auf Unwahrheiten ertappt wurde, in Haft genommen. Bei der zweiten Haussuchung, die in ihrer Wohnung vorgenommen wurde, wurden mehrere verdächtige Spuren gefunden. Eine Spur, die im Interesse der Untersuchung noch geheim gehalten wird, läßt die Annahme zu, daß an der Arnholtz ein Giftmord verübt, und daß die Leiche erst nach dem Tode zerstückelt worden ist. Dafür spricht auch der Umstand, daß aus dem Rumpf der Ermordeten der Magen, an dem sich Giftspuren am leichtesten Nachweisen lasten, ausgeschnitten worden war.

Posen 20. Dez. (Urteil im Kwilecki- Prozeß.) Das Urteil im Prozeß Kwilecki ist heute vormittag 11 Uhr vom hiesigen Oberlandes­gericht verkündet worden und lautet: Es wird festgestellt, daß der junge Graf Josef Kwilecki nicht der Sohn des Grafen Ignatius Kwilecki und besten verstorbener Ehefrau, der Gräfin Kwilecka ist, sondern der Sohn der Bahvwärterssrau Meyer. Graf Ignatius Kwilecki wird zur Herausgabe des jungen Kwi­lecki verurteilt. Die Kosten des Prozesses werden dem verurteilten Grafen auferlegt.

Paris 20. Dez. (Drei Theater- Brände.) Ncw-Dork Herald meldet aus New-

Und du solltest das Mädel zu Dir nehmen. Es wäre schade, wenn sie zugrunde ginge."

So behaltet sie im Pfarrhof."

Das geht nicht. Die alte Leni ist noch rüstig genug für das bißchen Arbeit. Was sollte ein junges Dirndl im Pfarrhof?"

Soll sie sonstwer nehmen."

Wer denn? Du kennst doch die Friedauer! Hat der Mäuler genug an seiner Schüssel. Du, der reiche Kleekamp, spürst es ja gar nicht . . . und schaffen kann sie tüchtig, die Sanna. Wirst sehen, es ist ein anderes Hausen, wenn ein Frauenzimmer in Küche und Keller zugreift."

Bin nicht neugierig. Hab' mich allweil gut gestanden mit meine Mannsleut. Der Fabian versteht die Wirtschaft und der Felix kocht so gut wie ein Frauenzimmer."

Der Pfarrer wurde ungeduldig.

Wirst mir doch das nicht antun, Kleekamp! Wär' ja auch keine Ehre für Dich, wenn ich eins aus Deiner Freundschaft in der Gemeinde ausbieten müßte wie ein Stuck Hausrat!"

Ist mir alles eins. Wenn's ein Bub wär', dann in Gottesnamen. Aber Frauenzimmer kommt mir keins auf den Hof. Und das ist mein letztes Wort in der Sache, Hochwürden."

Der Pfarrer trocknete sich den Schweiß von der Stirn. Da sagt der Stini, der unvermerkt an den Tisch zurückgetreten ist, schüchtern: Wenn Hochwürden nichts dagegen hätten, möcht' ich die Sanna zu mir nehmen. Sie wäre einverstanden."

Du?!" rufen beide Männer wie aus einem Munde. Dann lacht der Kleekamp laut auf:

Der Stini will sich auf seine alten Tage ein junges Dirndl nehmen!"

Stini bleibt ganz ruhig. Seine blauen Augen haften bittend auf

dem Pfarrer. Versagt halb gerührt, halb ungläubig:Aber Stini, was fällt Dir ein? Hast ja selber kaum zu beißen! Was sollte denn die Sanna bei Dir?"

Im Winter kann sie mir Korbflechten helfen, und im Sommer, wenn ,ch die Ochsen auftreibe, geht sie halt mit mir auf die Mitterbodenalm. Wird mir so schon mühselig die Arbeit oben allein. Zu Medardi war ich siebzig... ."

Und die Sanna will?" staunte der Pfarrer.

Ja. Sie ist keine wählerische und kennt mich. Hab' ihre Mutter selig als Kind im Arme gehalten, und der Sanna ihr Vater, der FloruS, hat alleweil in Freundschaft mit mir gelebt."

Aber werdet ihr denn auskommen? Mit den Körben verdienst Du nicht viel und für das Ochsenhüten gibt Dir die Gemeinde auch wenig genug. . . ." Der Stini lächelte seltsam.

Ich bin kein starker Esser. Ist immer noch ein Stück Brot übrig. Und der liebe Herrgott wird, schon das Seinige tun; wo er ein Haserl gibt, schenkt er auch das Graserl dazu. Gclt Sanna?"

Er nickt ihr lächelnd zu. Sanna tritt schüchtern an den Tisch und bittet den Pfarrer um seine Einwilligung. Sie ist ein großes, schlankes Mädchen mit blonden Zöpfen, die gleich einer Krone über dem feinen, blaffen Gesicht liegen. Nichts bauernmäßiges ist an ihr. Ihre Augen sind tief und klar wie Bergseen, mit einem verträumten Ausdruck darin, die Züge zart, fast krankhaft weich.

Der Pfarrer steht auf. Wenn die Sanna will, hat er nichts dagegen. Und vielleicht ist es ganz gut, wenn sie ein wenig auf die Alm hinauf­kommt und der würzige, starke Atem des hohen Göll ihre bleichen Wangen umweht. Heute Abend noch soll sie der Stini mit hinaufnehmen, damit sie die letzten acht Tage vertraut wird mit dem Ort, an dem sie künftighin die Zeit vom Mai bis Ende September verbringen soll. (Forts, folgt.)