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gedruckter Ueberschrift und einem Siegel versehene Bescheinigung genannten Inhalts vor. Die Erhebungen ergaben aber, daß es in dem kleinen Städtchen Indianapolis in Ohio gar keinen Professor des bezeichneten Namens und keine tierärztliche Schule gibt, noch gegeben hat. Luch in der gleichnamigen Stadt im Staat Indiana war kein Professor und keine Schule mit dem angegebenen Namen bekannt, und der Sekretär der dortigen tierärztlichen Schule erklärte die Bescheinigung für eine Fälschung. Das Gericht erkannte den Schein auch für eine Fälschung an und verurteilte Albrecht zu drei Wochen Gefängnis, von der Anklage der falschen Titelsührung wurde er freigesprochen. Die zuerkannte Strafe ist durch die Untersuchungshaft getilgt.
Singen 14. Dez. In dem Baumwoll- stock der Spinnerei Trötschler u. Ehinger ist gestern abend gegen 6 Uhr Feuer ausgebrochen, das sich auch auf die angebaute Scheuer ausdehnte. Wie man hört, ist das Feuer durch Fahrlässigkeit einiger Arbeiter entstanden. Der Versuch, das Feuer durch das Personal zu löschen, mißlang. Die Feuerwehr Singen mußte mit neun Schlauchleitungen eingreifen. Der Schaden ist, da ein großer Vorrat der Baumwolle, teils durch Feuer, teils durch Master zerstört wurde, ziemlich bedeutend. Dem Feuer fielen auch große Vorräte an Futter zum Opfer. Das Fabrikgebäude selbst ist verschont geblieben, der Betrieb nicht gestört.
Berlin 14. Dez (Reichstag) Am Bundesratstisch die Staatssckrktä e Delbrück w d Mermuth. Zunächst beschließt das Haus, die Gevekmigung zur Vernehmung des Abg. Schüler (Ztr) als Sachverständigen n'cht zu erteilen. Darauf beginnt die 2. Beratung des Nachtragsetats. Erzberger (Ztr.) erstattete den Bericht über die Kommissions- Verhandlungen und befürwortet d>e Annahme der Kommissionsbeschlüffe, wonach der Nachtragsetat auf 2'/, Mtüionen Mark erhöht werden soll zwecks weiterer Unterstützung der beschäftigungslos gewordenen Tabakarbeiter. Ever- ling (Histp. der Natl): Die Erd öhung der Forderung ist notwendig zur sofortig-n Unterstützuna «-s-v gr-r»,st--, ocn Armen. wrarcour (Z ): Wenn irgendwo, so ist hier das Wort am Putze: wer schnell gibt, gibt doppelt. Wir h ffen, daß das Gesetz möglichst wohlwollend ausgelegt wird. Staatssekretär Mermuth: Von den für die Tabakarbeiter bestimmten 4 Millionen find bisher erst 1'/« Mill an die Arbeiter ausbezahlt worden Wir find lebhaft bestrebt, die Unterstützungen so rasch und so wirksam als möglich ins Weil zu setzen. Empfehlenswert wäre es, den korrekien und meist auch wirksamen Weg der Landesinstanzen nicht zu übei sehen. Frhr. v. Richthofen (kons): Wir fordern, daß das Gesetz mit möglichstem Wohlwollen angewendet wird. Abg. Geyer (Soz): Die Zahl der arbeitslosen Tabakarbeiter ist wett g ößer als anfangs angenommen wurde. Der Staatssekretär möge den Zolldirektionen und unteren Behörden Anweisung erte'len. daß die Entscheidungen über d'e G suche
nicht so lange verzögert würden. Nicht mrr die Arbeiter, sondern auch die zu Grunde gerichteten kleinen Unternehmer muffen unterstützt weiden. Die Heim«' beit in der Tabaktndustrie muß beseitigt werden. Die Nmionalliberalen haben dem SchnopMock die Wege geebnet. (Präsident Graf Stolberg: Wenn Sie vom Schnopsolock sprechen, so nehme ich an, daß Sie kein Mitglied dieses Hauses meinen. — Große anhaltende H tterkeit aus allen Seilen.) Sie, — zu den Nationalliberalen — haben die Finanzreform verschuldet und jetzt stellen Sie sich als Wohl ä'er hin. Das ist Demagogie! (Präsident Graf Stolberg: Den Ausdruck „Demagogie" dürfen Sie nicht auf ein Mitglied dieses Hauses bez ehen) Pachnicke (frs Vgg): Wenn die Sozialdemokraten die Abschaffung der Tabakheimarbeit verlangen, sollten sie bedenken, daß diese Arbeiter meist krank find und schwerlich den Uebergang in die Fabrkurbelt finden können. Staatssekretär Mermuth: Auf die Frage, ob auch die Zigarettenindustrie für die Unterstützung heranzuziehen sei, kann ich keine endgiliige Antwort geben. Ter Finanzminister teilt die Auffassung, daß nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich die Tabakarbeiter im Sinne des alten Tabakgesetzes in Betracht kommen. Unter dcn 34 000 Unie>stützungsgcsuLen befinden sich sehr viele, die sich auf kurzfristige Entlassungen beziehen. Wenn Verzögerungen in der Erledigung der Untcrstützungsgesuche vorgekommen sind, mutz Remedur duich die vmaes-tzte Behörde eintreten. Vorbehaltlich einzelner M ßgr ffe kann ich den Behörden nur das Zeugnis ansstellen, daß sie bestrebt gewesen sind, nach MögUchkeil für die Erledigung derAngrle.enheitSorge-»tragen. Dr Burkardt (wictsch. Vag): Ich hoffe, daß, wenn die Summe nicht aus eichen sollte, dann noch weitere Mittel in den Etat ting st lll werden. Erzberger (Ztr): Die wirtschaftlichen Folgen des TabakstcuergesetzeS werden keineswegs so groß sein, als vielfach angenommen wird. Abg. Weber (natl) rechtfertigt das Verhalten seiner Partei und weist die Be- hai plurg n der Vorredner energisch zurück. Es en spium sich nun über die Unteistützungsstage eine längere Debatte, an welcher sich eine Reihe von Abgeordneten beteiligen, wo auf die Eiö terungen geschlossen werden. Der betreffende Titel wird nach dem Vorschlag der W dget Kommission genehmigt, ebenso der Rest des Nachtrags-Etats. Es folgt die Jntervellation von Hertling und Gen. (Ztr) betreff-nd den Zwernsnachweis der Arbeitgeber- Verbände im Rnhrr-Mei', ln Vs'bindvng mit der denselben Gegenstand betrefferden Int rpellation Albrecht und Gen. (Soz.) Staatssekretär Delbrück sei bereit heute zu antworten Abg. Gies- berts (Ztr.) begründet die Interpellation seiner Partei. Ec weist dabei namentlich aus dos System der Arbeitgeber im Ruhrrcvier hin, Arbeiter auf 6 Wochen auszusperren eine Sirafe, die zu dem Vergehen in gar keinem Verhältniß stehe. Es herrsche ungeheure Austegmg im rheinisck-westfälischen Bergbaurevier. Abg Bömelbvrg (Soz) kritisiert dos Ve-halten der Bergherren, schildert die uner quick iche Lage der Arbeiter und erklärt die Regierung für mitschuldig, wenn sie in diesem Moment und in dieser Sache nicht tue, was sie tun müsse. Redner verim gt ein sofortiges Gesetz, welches den Arbeitsnachweis regelt Dies sei auch die Voraussetzung für eine Arbeitslosenversicherung. Smmssekretär Dr. Delbrück erklärt: Ich
habe zu prüfen, ob der ZwangsnachweiS der Zechen mit den bestehenden Gesetzen im Einklang stehe und ferner, ob die Gesetzgebung einzuschreiten hat. Was die erste Frage anlangt, so steht fest, daß es dem Arbeiter frei steht, Arbeit zu suchen auf Grund der Freizügigkeit, daß die Arbeiter aber kein Recht haben auf eine bestimmte Arbeitsstätte. Der preußische Herr Handelsminister wird im Abgeordnetenhaus gew ß Anlaß nehmen, Rede und Antwort zu stehen über sein Verhalten. Es bleibt als die zweite Frage übrig, ob dos Reich Anlaß bat, gesetzgeberisch vorzugehen. Ein Vertreter des Zechenverbaudes im Ruhrrevier hat mir versichert, daß der Verband nicht daran denke, illoyal vorzu- gehe. Derselbe Gewährsmann versicherte mir: Glauben Sie nicht, daß wir irgend etwas tun werden, was einen Streck heraufbeschwören würde. In seinen weiteren Ausführungen kommt der Minister zu der Meinung, daß die Verhältnisse j.tzt noch nicht derart sind, um zu einem obiigatoreschen paritätischen Arbeitsnachweis zu gelangen. Aber ich sehe in einem solchen ein erstrebenswertes Ziel und ich habe deshalb auch in dem Arbeit?kammergesetzentwurf dahin gewirkt, daß den Kammern die Möglichkeit gegeben wird, die Errichtung paritätischer öffentlicher Nachweise zu fördern. Die Vertreter dir verbündeten Regierungen fühlen sich völlig frei von einer Abhängigkeit von den Unternehmern. Es wird dann in die Besprechung der Interpellation eingetreten, in welcher Abg. Meuchelt (kons.) dem Staatssekretär zustimmt. — Morgen 11 Uhr 3. Lesung des Nachtrags-Etat, dann Weiterberatung der Interpellation.
Berlin 14. Dez. Die Morgenblätter melden: Zur Ermittlung des Frauen Mörders haben gestern nacht eingehende Vernehmungen stattgefunden. Besonders der Arbeiter Hahn, der früher der Zuhälter der Ermordeten gewesen ist, wurde scharf vernommen. Wie der Lokalanzeiger hört, soll jetzt festgestellt sein, daß die Ermordete, die Protestituierte Arnhold, in der Nacht vom 28. zum 29. November in einem sogenannten Bouillonkeller des Südwestens in Gesellschaft mehrerer Männer sich aufhielt. Gegen 4 Uhr morgens wurde sie in einen Hinteren Raum gelockt, zu Boden geworfen, mit starken Holzstücken geschlagen und mit einer Bettdecke erstickt. Nachdem der Körper zerstückelt war, wurden die Arme gekocht. Später schleppte man die Teils fort. Der Inhaber des Bouillonkellers soll als Mithelfer in Betracht kommen. Es wird vermutet, daß die Arnhold Mitwisserin eines schweren Verbrechens gewesen ist und ihren Mördern mit der Preisgabe ihres Wissens ge- gedroht hat.
Graz 14. Dez. Aus Obersteiermark und dem Salzkammergut werden große Lawinenstürze gemeldet. Vom Hochtor, vom Traunstein und vom Sarnsteingebiet werden kolossale Schneefälle berichtet. Viele Straßen sind verlegt, mehrere Schutzhütten wurden weggeristen und sind gänzlich verschwunden. Soviel bisher bekannt, wurden 4 Menschen verschüttet, deren Leichen noch nicht aufgefunden werden konnten. Die Feuerwehren arbeiten an der Bergung der Leichen und der Freilegung der Straßen.
sehen, er muß bei den nächsten Schritten an dem geschmückten Grabdenkmal der Aebtissin vorbei.
Ihr Herzschlag setzt fast aus, die Hände schlingen sich fest ineinander, ihr ganzes Leben, Fühlen und Empfinden liegen in ihren Augen, die an dem sich Nähernden hängen. — Jetzt noch ein Schritt und noch einer, er sieht auf und bleibt sekundenlang vor dem blumengeschmückten Heiligenbild stehen — dann wendet er den Kopf nach rechts, und links — die Blumen find ja ganz frisch — und nun, nun hat er sie gefunden.
„Inge!"
Sie hört den Ruf, der jubelnd, jauchzend zu ihr herüberklingt, aber sie ist unfähig, sich zu bewegen, er ist ihr so nah, und sie findet nicht den Mut, seinem Rufe, seinem zärtlichen, jauchzenden Ruf zu folgen. Ob er darauf wartet? Jetzt noch, in dieser Stunde?
Er stürzt auf sie zu. Ueber versunkene Gräber, an halbverfallenen Leichensteinen vorüber führt der Weg. Ein grausiger Brautweg! Gleichviel, er ist neben ihr und breitet die Arme aus und nennt zum zweitenmal ihren Namen, halblaut, bittend, beschwörend; das ganze, heiße Flehen seines Herzens liegt in dem einen kleinen Wort:
„Inge!"
Eine furchtbare wahnsinnige Angst überkommt ihn, wäre es möglich,
denkbar, daß sie dem Ruf nicht folgte, daß-Da fühlte er zwei
Arme um seinen Nacken, und eine schlanke zitternde Gestalt an seinem Herzen, er drückt sie an sich, er hält sie fest, fest umschlungen, um sie nie mehr zu lasten.
„Inge, meine Inge!"
„Ich liebe Dich, o ich liebe Dich", flüstert sie leise, fast erstickend unter seinen Küsten. Durch die Seele des Mannes geht es wie seliges
Erschauern, er schließt die Augen — nichts Aeußerliches in diesem Moment!
— Er hält ja das Glück in seinen Armen, an seinem Herzen.-
„Inge, Geliebte!"
Sie haben sich soviel zu sagen, so unendlich viel, und sie sagen es sich, während sie durch die Gräberreihen dahinschreiten, diese Gräber, unter denen die ruhen, die der irdischen Liebe entsagt.
„Sieh, Markus", ruft Inge, lächelnd zu ihm aufsehend, wie sie am Denkmal der Aebtissin stehen, „herrje habe ich der Maria und dem Jesuskind Blumen gebracht — sie hat's eilig gehabt, sich dankbar zu erweisen
— nicht wahr? Ich will ihr von heute immer an diesem Tage einen Kranz bringen und dem Kindlein einen Strauß."
„Du Süße, Du Süße."
Er küßt sie nicht. Er streichelt leise das holde Gesicht; sie haben sich dem Kreuzgang genähert. — Ein Ton, gleichmäßig, einförmig, leise plätschernd, trifft sein Ohr. — Er kennt ihn gut genug, er hat ihn ja schon gehört in seinen Kinderjahren — er wird ihn nie vergessen — nie
— trotzdem bleibt er wie horchend stehen, in seine Augen tritt ein starrer, toter Ausdruck — Inge erschrickt.
„Was ist, Markus, Lieber, Teurer?" fleht sie, sich an ihn schmiegend und zu ihm aufsehend. „Worauf hörst Du?" fährt sie fort, der Richtung seiner Augen folgend. „Aber Schatz, das ist ja das heilige Brünnlein, weißt Du nicht?"
Das kurze lähmende Gefühl ist in ihm verflogen, überwunden.
„Ja, freilich, weiß ich's, Liebchen, es ist das heilige Brünnlein."
— Und dann verstummen sie beide. Es ist etwas zwischen ihnen auf
erstanden, etwas unsagbar Schmerzliches, Trauriges, ein Stück Vergangenheit, die sie nie aus ihrem Leben streichen können. (Forts, folgt.)