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liche Aufregung in unseren Ort. Durch übermäßigen Genuß von Alkohol wurde er in den Häusern, in denen Frauen allein im Zimmer waren und ihm nichts abkauften so grob, daß er sie nicht nur mit Worten gröblichst beleidigte und beschimpfte, sondern auch mit offenem Messer bedrohte. Dabei zerdrückte er aus Zorn einen Teil seiner Waren. Nur mit großer Mühe und Anstrengungen wurde der Bursche auf das Rat­haus gebracht, wo ihm sein Messer abgenommen wurde. Dabei geberdete er sich ganz rasend, so daß ihm Handfesseln angelegt werden mußten. Auch im Arrest zeigte er sich noch so wütend, daß man in der ganzen Nachbarschaft sein Schreien und das Schlagen gegen die Gefängnistüre hörte. Gestern morgen wurde er nun von einem Land­jäger nach Heilbronn transportiert und sieht wegen Hausfriedensbruch und Bedrohung seiner Strafe entgegen.

Großgartach OA. Heilbronn 13. Dez. Am Freitag nacht zwischen 11 und 12 Uhr wurde, wie dasNeckar-Echo" schreibt, die Familie Witwe Herrlinger wieder in großen Schrecken versetzt. Es ist schon öfters vorgekommen, daß jemand die Fenster eindrücken wollte, diesmal ist es dem Unhold gelungen, im Schlafzimmer parterre ein Fenster einzudrücken. Die Tochter der Frau Herrlinger hatte es gehört, schlug dem Täter auf die Hände, als er in das Zimmer einsteigen wollte und schrie um Hilfe, worauf er die Flucht ergriff. Die Polizei kam gerade dazu, verfolgte ihn, konnte ihn aber nicht mehr einholen. Im hiesigen Ort glaubt man, es mit einem bekannten geriebenen Gauner zu tun zu haben. Die Land- jägermannschaft fahndet nach ihm.

Heidenheim a. Br., 11. Dez. Vom 1. Januar 1910 an sollen hier besondere ortspolizeiliche Vorschriften auf Grund W 73 und 74 der Gewerbeordnung über die Bereitung von Backwaren und den Verkehr mitdenselben in Kraft treten, wie sie in anderen größeren Städten Württem­bergs bereits bestehen. Der vom Gemeinderat gutgeheißene Entwurf dieser Vorschriften trifft Bestimmungen über die Beschaffenheit des Mehls, Wassers, Salzes, Sauerteigs und der Hefe, über den höchsten zulässigen Wassergehalt des gut ausgebackenen Brotes, über die Reinlichkeit der mit der Bereitung und dem Verkehr des Brotes beschäftigten Personen, über die Beschaffen­heit der Lokale, über den Begriff von gewöhn­lichem Brot und Luxusbrot, das Gewicht und die Brotpreise. Die zu erlaffende Ortspolizei­vorschrift bestimmt, daß Gewicht und Preis durch einen von außen sichtbaren Anschlag am Ver­kaufslokal zur Kenntnis der Kunden zu bringen ist, daß von jeder Aenderung und Erneuerung des Anschlags und von der Erhöhung des Preises dem Stadlschultheißenamt Anzeige zu machen ist, !

welches ein Verzeichnis über Preise und Gewichte führt, daß in den Verkaufslokalen an einer den Käufern leicht zugänglichen Stelle eine Wage mit den erforderlichen geeichten Gewichten auf­zustellen und die Benützung derselben zum Nach­wägen erlaubt ist.

Friedrichshafen 11. Dez. Die Blaufelchenfischerei der deutschen Fischer ergab im Monat Oktober 30 067 Stück im Wert von 20571 Außerdem wurden gefangen: Gangfische 292 Kilo gleich 364 Sandfelchen 312 Kilo gleich 385 Kropsfelchen 793 Kilo gleich 670 Silberforellen 1495 Kilo gleich

4445 Rheinlachs 189 Kilo gleich 470 Hechte 728 Kilo gleich 1048 Barsche 2054 Kilo gleich 1974 Weißfische 1220 Kilo gleich 611 Aale 33 Kilo gleich 56

Nürnberg 13. Dez. In einem am Samstag neueröffneten Kinematographen- Theaterin Fürth geriet gestern Abend während der Vorstellung ein Film in Brand. Unter den dicht gedrängten Zuschauern entstand eine große Panik. Während die Menge fluchtartig nach den Ausgängen drängte, explodierten auch die übrigen Films, sodaß die Stichflamme auf die Straße herausschlug. Mehrere Personen darunter der Besitzer erlitten erhebliche Ver­letzungen.

München 13. Dez. (Straßenbahn- Zusammenstöße.) Infolge des dichten Nebels, der in den heutigen Morgenstunden herrschte, fanden auf verschiedenen Linien der Straßen­bahn insgesamt 17 Zusammenstöße statt, bei denen mehrere Personen mehr oder minder schwer verletzt wurden. Der verursachte Schaden ist ziemlich bedeutend.

Berlin 13. Dez. Wie die Morgenpost erfährt, fand gestern Abend bei dem Staats­sekretär v. Schön ein Diner statt, zu dem der Kaiser sich gestern Morgen unerwarteter Weise angesagt hatte. Unter den Gästen waren der Reichskanzler, der Staatssekretär des Reichs­marineamts v. Tirpitz und der Reichsschatzsekretär Wermuth. Ursprünglich waren zu einem parla­mentarischen Diner 26 Einladungen ergangen. Infolge der Ansage des Kaisers mußte den ein­geladenen Parlamentariern in letzter Stunde wieder abgesagt werden.

Berlin 13. Dez. In Potsdamer Hof­kreisen erzählt man, wie eine Korrespondenz meldet, eine niedliche Geschichte von der Kron­prinzessin. Der Kronprinz hatte nach einem Aufstieg mit Orville Wright der Kron­prinzessin gegenüber den Wunsch ausgesprochen, selbst eine Flugmaschine zu kaufen. Als er am nächsten Tage vom Flugfelds nach dem Palais zurückkehrte, zeigte ihm feine Gemahlin einen j Artikel, der in einem dem Hofe nahestehenden

Handel und Industrie die Rede als Flugblatt bei, die der Präsident des Hansa-Bundes Geh. Justizrat Prof. Dr. Rießer aus Berlin am 12. November 1909 zu Stuttgart unter dem Beifall Tausender gehalten hat. Wir machen unsere Leser auf diese Beilage noch besonders auf­merksam.

Stuttgart 13. Dez. Auf der europäischen Fahrplankonferenz sind eine Reihe von Verbesserungen des über Württemberg führenden internationalen Verkehrs beschlossen worden, darunter eine Beschleunigung des Orient-Expreß­zuges, ferner eine Beschleunigung der Nachmittags­verbindung zwischen München und Straßburg um 53 Minuten, außerdem eine Beschleunigung der Verbindung London-Stuttgart um 2 Stunden und durch eine Verbesserung durch Einführung eines direkten Wagens zwischen Hoek-Stuttgart. Der in Berlin abends 8.25 Uhr abgehende Schnell­zug nach Stuttgart, sowie der in Stuttgart ab 9.12 Uhr nach Berlin sollen auf der ganzen Strecke die 3. Wagenklaffe führen. Ueber ver­schiedene weitere Verbesserungen sind die Ver­handlungen noch nicht abgeschlossen worden.

(Schwab. Merk.)

Stuttgart 13. Dez. Vor dem Schöffen­gericht gelangte am Samstag die Belei­digungsklage, die Bäckermeister und Ge- meinderat Kälber er und die Vorstandsmitglieder der hiesigen Bäckerinnung gegen Redakteur West mayer von der Schwäbischen Tagwacht angestrengt haben, zur Verhandlung. Redakteur Westmayer hatte gegen Gemeinderat Kälberer Widerklage erhoben. Das Schöffengericht ver­urteilte Westmayer zu 600 ^ Geldstrafe und Gemeinderat Kälberer zu 75 Geldstrafe. Die Kosten werden verteilt, Redakteur Westmayer wird Berufung gegen das Urteil einlegen.

Stuttgart 13. Dez. Der gestrige, sogenannteSilberne Sonntag" rief nachmittags und abends in den Hauptstraßen der Stadt, namentlich am Bahnhof, in der König- und in der Marienstraße einen recht regen Verkehr hervor. Obgleich die Witterung sehr ungünstig war und ein feuchter Nebel über dem Talkessel lagerte, war der Besuch von auswärts sehr groß. Die Vormittags und in den Nachmittagsstunden eintreffenden Eisenbahnzüge waren stark besetzt und brachten viele Kauflustige in die Stadt, die ihre Weihnachtseinkäufe in der Stadt besorgten. Auch die Abendzüge, die die Fremden wieder heimbeförderten, waren zumeist überfüllt, und die vielen Pakete, die die Reisenden mit sich führten, machten sich in den Wagen zum teil recht unangenehm bemerkbar. Die Geschäfts­leute können mit dem gestrigen Tag zufrieden sein.

Großgartach OA. Heilbronn 13. Dez. Am Samstag mittag brachte ein mit Christbaum­schmuck hausierender junger Mann ungewöhn-

Rosen um den Preis, und zwischen weißen Herbstfäden gaukeln Schmetter­linge in der warmen Luft.

Inge kommt den Weg am See entlang, sie trägt nicht mehr tiefste Trauer; einen kurzen, schwarzen Rock, gelbe Lederstiefelchen, einen eben­solchen Gurt und eine weiße Bluse von schmiegsamem Wollenstoff und einen weißen Matrosenhut. Auf ihrem Gesicht liegt ein stiller, ruhiger Ausdruck, aus den Augen leuchtet ein klarer Blick, klar, wie wir ihn nur bei Menschen finden, bei denen alles Klarheit ist, innerlich und äußerlich. Und in Inge ist's klar geworden. Armands Tod hat sie auch seelisch frei gemacht, ihre Gedanken dürfen fliegen, wohin und zu wem sie wollen, und ihr Herz braucht die Gefühle nicht mehr zu unterdrücken, die es so ganz erfüllten. Sie sind keine Sünde und kein Treubruch mehr, und Inges Leben liegt wieder so einfach und durchsichtig vor ihr, wie einst. Die Nachrichten, die von Markus in die Heimat gelangten, waren gewissen­haft geteilt zwischen Gräfin Lie, Anna und Inge und enthielten kein Wort, das nicht jede hätte lesen können. Trotzdem waren sie Lichtpunkte in Inges Dasein, trotzdem band jeder Brief sie mit unsichtbaren Fäden fester an ihn, bis in ihrem Herzen diese große, warme Liebe aufgeblüht war, diese reine, große Leidenschaft, die in unendlicher Sehnsucht nach ihm verlangte.-

Anna liest die Briefe, die Markus an Inge schreibt, und liest die, die Inge fortschickt, sie fügt hin und wieder einige Worte, einen Gruß bei. Eines Tages aber als sie gerade ins Zimmer trat, wo Inge über ihren Schreibtisch gebeugt saß, bemerkte sie, daß diese rasch eine Träne vom Auge wischte, und als sie später fragte:Kann ich noch ein paar Zeilen beifügen?" da sagte Inge zwarja", aber es schien, als ob das ja" zögernd komme und sie wurde rot. Wie meistens und so auch heute las Anna den Brief, es war ja so zwischen ihnen vereinbart. Von Armand stand nichts darin, zum ersten Mal nichts, aber Tränenspuren

waren sorgfältig fortgetupft an einer Stelle, die daran erinnert, wie Callein ihr das Leben gerettet, und daß sie die Gefahren fürchte, die ihn dort in der Nähe umgeben-

Anna ließ den Brief sinken, stille Wehmut im Auge, hinaus in den Vorfrühlingstag.

Sie liebt ihn," sagte sie leise,es unterliegt keinem Zweifel." Und Anna denkt an jenen Tag, wo Callein bei ihnen gespeist, und an den eigentümlichen Blick, der auf Inge geruht, als sie am Klavier gesessen. Er liebt sie. Mein Gott!" Es klingt wie ein leises schluchzendes Auf­stöhnen. Der Brief gleitet von ihrem Schoß zur Erde, sie lehnt den Kopf zurück und deckt die Hände über die Augen; dann sieht sie das Bild Marianne Fernis an, das auf dem Schreibtisch vor ihr steht.

Liebe, gute Mutter, uns glücklich zu sehen, Armand und mich, das war der Hauptwunsch Deines Herzens. Er hat sich nicht erfüllt. Armand ist tot und mein Leben wird einsam bleiben."

An diesem Abend kam Anna nicht zum Tee hinunter, sie klagte über Kopsweh und legte sich zeitig nieder. Als Inge spät noch einmal zur Tür hineinlauschte rief sie sie an ihr Bett.

Weißt Du, was ich mir in diesen langen Stunden überlegt habe?" sagte sie.Wir wollen hier im Klosterhof irgend ein Heim bauen für Menschen, die das Schicksal stiefmütterlich behandelt hat. Ob es nun Kinder sind, die wir für ein gesegnetes, arbeitsames Leben erziehen, oder solche, die lebensmüde sich nach einem stillen Ruheplätzchen sehnen, daß weiß ich noch nicht, aber irgend etwas soll geschehen und dabei brauche ich sehr Deine Hülfe, kleine Inge, und Du darfst dann gar nicht mehr an Fortgehen denken für's erste. Und nun, gute Nacht, Liebling, schlaf wohl." Sie streichelte ihr sanft die Wangen.Da liegt auch der Brief für Markus, sorge dafür, daß er morgen fortkommt."

(Fortsetzung folgt.)