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Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtsbezirk Calw
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»rsq«Inu»L»taze: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und LamStag. Jnsertionspreis >0 Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk I» Pfg.
Iceitag. -en 10. Dezember 1909.
Bezuaspr.i.d, Stadt'/^ührl.in.Lrügerl.Mk, 1.2b. Postbezugspr' s.b. Orts- u. Nachbarortsverk. '/ejührl. Mk. l.SV, Im Fernverkehr Mk. l.so. Bestellg. in Württ. SO Pfg., in Bagern u. Reich 42 Psg,
TrzesrreNizkeiteu.
— Calw 9. Dez. Auf den auf Veranlassung des Liberalen Vereins am Samstag abend in der Brauerei Dreiß (siehe Anzeige) stattfindenden Vortrag von Gewerbelehrer Frank in Heilbronn über Mittelstandsfragen wird an dieser Stelle noch ganz besonders aufmerksam gemacht. Möchten doch die Vertreter des Mittelstandes zahlreich erscheinen und von dem Recht der Aussprache über ihre Angelegenheiten ausgiebig Gebrauch machen!
Stuttgart 9. Dez. Heute vormittag 10 Uhr ist der Vorstand der Verwaltungsabteilung der K. Generaldirektion der Staatseisenbahnen, Direktor Wilhelm v. Stierlin, -auf seinem Dienstzimmer an einem Herzschlag verschieden, Direktor v. Stierlin, geboren am 22. Dezember 1850 in Welzheim, hat der württembergischen Verkehrsanstalten- Verwaltung seit dem Jahre 1867 angehört. Nachdem er zuerst bei der Postoerwaltung Dienste geleistet, wurde er im Jahre 1882 als Sekretär ans K. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten berufen, wo er bis zum Jahre 1889 verblieb. Am 3. August 1889 trat er als Finanzassessor zur Generaldirektion der Staatseisenbahnen über, wurde dann im Jahre 1904 Ministerialrat und übernahm am 14. Mai 1907 als Direktor die Leitung der Verwaltungsabteilung der Generaldirektion. Ein besonders tüchtiger und arbeitsfreudiger Beamter von lauterem Charakter ist mit ihm aus dem Leben geschieden. Für die württembergische Eisenbahnverwaltung bedeutet sein Hingang einen schweren Verlust. Auch außerhalb Württembergs war er wegen seiner Sachkenntnis in allen Verkehrsfragen, seines gesunden Urteils und seines liebenswürdigen einfachen Wesens hoch geschätzt.
Stuttgart 9. Dez. Das große Hamburger Explosionsunglück veranlaßt die „Schwäb. Tagwacht" darauf hinzuw eisen, daß im Städt. Gaswerk in Gaisburg Zustände herrschen, bei denen ein ähnliches Unglück nicht ausgeschlossen ist. Es wird uns mitgeteilt, daß am Block I und II mehr als ein drittel aller Steigrohre defekt ist und daß täglich weitere Rohre defekt werden. Mit diesem Zustande ist eine dauernde Explosionsgefahr verbunden. Im alten Gaswerk kamen solche Defekte viel seltener vor. Die Firma, die die Oefen baute, scheint kein Verschulden zu treffen. Aber gleichgültig, wie dem auch sei, es muß mit größter Eile für die denkbar weitgehendste Betriebssicherheit gesorgt werden. Am besten wäre, wenn der Gemeinderat einen unerhofften Besuch im Gaswerk machen wollte.
Stuttgart 8. Dez. (Strafkammer.) Ein alter Zuchthäusler stand in der Person des 52 Jahre alten Kellners Friedrich Betz old von Neunkirchen vor der Strafkammer. Er hatte auch schon über 20 Jahre im Zuchthaus gesessen. Am 20. Oktober wurde er aus dem Zuchthaus entlassen und bereits anfangs November brach er wieder in einer Magdkammer in Ludwigsburg ein und stahl eine Uhr mit Kette und einen Geldbeutel mit 1 Mk. Inhalt. Wegen dieses Diebstahls erhielt er 2 Jahre 6 Monate Zuchthaus, außerdem erkannte das Gericht auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht.
Weinsberg 9. Dez. In Bretzfeld fanden sich dieser Tage mehrere Leute ein, um einer Beerdigung beizuwohnen. In einer Heil- bronner Zeitung hatte ein Mann den Tod seiner Frau angezeigt. Diese Anzeige war aber nicht von dem Manne selbst, sondern von einem Unbekannten aufgegeben worden, der einen schlechten Scherz machen wollte. Die Trauergäste waren sehr erstaunt, als sie die Totgeglaubte in der Scheuer antrafen, wo sie fleißig mit, Dreschen beschäftigt war.
Pforzheim 9. Dez. Ein hiesiger kleiner Fabrikant, der 39jährige Goldarbeiter Karl Redinger aus Bauschlott, dem zur Last gelegt war, daß er in den letzten vier Jahren für mindestens 3000 gestohlenes Gold und Silber aus hiesigen Fabriken als Hehler angekauft habe, wurde von der Strafkammer wegen Hehlerei zu 1 Jahr 3 Monaten Zuchthaus und zu 3 Jahren Ehrverlust verurteilt.
Pforzheim 9. Dez. Dem Steinhändler Kuno Wehe von hier kamen letzter Woche auf seiner Reise nach England in London seine Koffer mit Edelsteinen im Werte von 70 000 ^7 abhanden. Wehe ist versichert. Die Angelegenheit ist noch nicht ganz aufgeklärt.
München 9. Dez. Prof. Hermann Kaul- bach, Ehrenmitglied der bildenden Künste, ein Vetter von Fritz August v. Kaulbach, ist heute früh '/-2 Uhr an einer Gehirnhautentzündung gestorben. Der Künstler stand im 64. Lebensjahr. Seine Historienbilder und seine Kinderstudien, seine religiös-philosophisch gedachten Werke hatten dem reifen und abgeklärten Künstler und liebenswürdigen Menschen aufrichtige Verehrung aller Kunstfreunde gesichert. — In der neuen Pinakothek in München hängt von ihm das Bild „An der Grabstätte des Freundes".
Berlin 9. Dez. (Reichstag) Präsident Graf Stolberg eröffnet die Sitzung um 1ff«Uhr. Das HauS und die Tribünen sind sehr gut besetzt. Am Bundesratstisch haben Platz genommen: Reichskanzler v. Bethmann-H o llweg, sowie die Staatssekretäre Frhr. v. Schön, Wermuth, Delbrück, v. Tirpitz, Krätke und Dern- burg. Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung des Etats. Reichskanzler v. Beth- mann-Hollweg: Der Eiat, in dessen Beratung wir heute eintreten, ist mit Vorsicht aufgestellt. Die Einnahmen sind so veranschlagt, daß sich nach menschlicher Voraussicht das „Ist" mit dem „Soll" deckc. In keiner Beziehung ist das Maß der unbedingten Notwendigkeit überschritten worden. Der Anleihebedarf ist nach Möglichkeit eingeschränkt worden. Dem Reiche eine solide Finanzgebahrung zu sichern, ist unsere erste Aufgabe und bei der Lösung dieser Aufgabe werden auch die Parteien wieder zusammenarbeiten müssen, die bei der Steuer auseinandergeraten find. Die Regierungen sind in diesem Kampf nicht untätig geblieben, sondern der unrichtigen Berechnung über die Besteuerung einzelner Artikel nachdrücklich entgegengrtreten. An Mut, für die Vorschläge der Mehrhettsparteien einzutreten, hat es den Regierungen nicht gefehlt, aber sie du ften den Kampf nicht v.-rschärfen. Sie sind auch heute überzeugt, daß nur ihre Zustimmung zu diesen Beschlüssen die Entwicklung der Reichsfinanzen auf den rechten Weg zu bringen vermochte. (Lebh. Beffall rechts und in der Mitte) Die Frage, auf welche Parteikonstellation die Regierungen sich stützen werden, ist falsch gestellt. Niemals wird eine deutsche Re
gierung Parteiregierung sein. (Lärm bet den Soz.) Nur der Radikalismus hat ein Interesse daran, Deutschland in zwei scharf getrennte Lager je nach der Stellung zu den neuen Steuern zu spalten. (Sehr richtig rechts und in der Mitte.) Die Vorlagen die des Reichstages harren, sind nicht so interesselos, wie es vielfach dargestellt wird. ES gibt weite Kreise des deutschen Volkes, die nicht auf die Dauer von politischer Sensation leben wollen. Die werktätige Arbeit des Volkes verlangt eine Politik der Stetigkeit und Festigkeit nach innen und außen, keine Politik, die nichts anderes kennt als die Schlagworte „Radikalismus" und „Reaktion". (Beifall.) Das verträgt auch ein Volk auf die Dauer nicht Wer wie Deutschland seine Stellung in nüchterner Arbeit errungen hat, kann sie auch nur in solcher Arbeit behaupten. Und wie dabei alle zusammengewtrkt haben, so soll eS auch in Zukunft bleiben. ES gibt einen Zwang zum Schaffen, den die Volksgemeinschaft jedem auferlegt und ich lebe der Gewißheit, daß diese Wahrheit auch die gegenwärtigen Wirren überdauern wird. (Lebh. Beifall.) Staatssekretär Wermuth: Der Nachtragsetat ist erforderlich geworden, durch die Besoldungs- Nachzahlungen der vergangenen Jahre. Es verbleibt ein Gesamtanleihebedarf von 520 Mtll. ML. ES wird meine Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß eine solche Ftnanzgebahrung in Zukunft vermieden wird. Die Matrikularbeiträge sind so zu gestalten, wie es die Leistungsfähigkeit und dle Leistungsbereitschaft der Bundesstaaten zuläßt. Die gesamt, n Matrikularbeiträge betrugen 1906 28
Mtll , 1907 38 Milk., 1908 80 Mill. Mk.,
1909 die ungedeckten und die 80 Pfg -Beiträge, das ist gleich 242 Mell. Mk. (Hört, hört!. Dieses Verfahren birgt die schwere Gefahr in sich, daß man die Ausgaben auf Einnahmen einrichtet, die gar nicht eiakommen. Die wirklich eingehenden Matrikularbeiträge müssen eine feste Mauer bilden, an die sich die Etatsaufstellung anzulehnen hat. Auf diesem Wege allein werden wir zu einer Gesundung der Reichsfinanzen kommen'können. Mit dem Jahre 1908 haben wir cs mit einem besonders ungünstigen ErtrogSjahr zu tun gehabt, da seine Erträgnisse auf die vorangegangenen festen Jahre aufgkbaut waren. In den letzten Monaten machte sich ein gewisses Anziehen der Einnahmen, sowie eine langsame Aufwärtsbewegung unserer Konjunktur bemerkbar. Mit der Abschätzung der Zölle und neuen Steuern müssen wir vorsichtig verfahren. Von der Gesamtsumme von 500 Mill. Mk. gehen 87 Mill. Mk. für Matrikularbeiträge und andere notwendige Ausgaben ab, so daß 413 Mill. Mk. verbleiben. Für das Jahr 1910 ist diese Summe auf 300 Mill. herabgesetzt, während wir für 1909 85 Mill. Mk. von den neuen Steuern erwarten. Was die Anleihen aus dem Nachtragsetat von 1909 im Betrage von 522 Mill. Mk. betrifft, so will ich zur Beruhigung des Geldmarktes Mitteilen, daß diese Anleihen nicht auf einmal auf den Markt geworfen werden, sondern daß der große Betrog möglichst verteilt werden soll. Den Mehrausgaben für 1909 der Heeresverwaltung stehen außeretatS- mäßige Einnahmen aus dem Verkauf eines Teiles des Tempelhofer Feldes gegenüber. Bei dem Etat für 1910 haben wir vor ollem Sparsamkeit walten lassen. Der Etat steht streng auf dem Standpunkt: keine Ausgaben ohne Deckung Unsere Finanzwirtschaft befindet sich an einem Scheidewege. Ich hoffe. Sie wählen einen Weg, der zwar nicht ohne Dornen und Entbehrungen ist, der aber auf festen Grund und Boden führen wird. (Beifall.) Akg Frhr. v. Hertling: Meine Freunde find der Anficht, daß der vorgelegte Etat im großen und ganzen einen günstigen Eindruck macht. Bedenklich ist das starke Anwachsen der Ausgaben für die Marine, dem in erfreulicher Weise Minderforderungen, z. B. für das