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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamkbezirk Calw.

84. Iahrglmg.

rrscheivungltag«: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag, Zniertionspreis ic> Ksg.pro Zeile für Stabtu. Bezirksorte; außer Bezirk 1 L Pfg.

Mittwoch, den 8. Dezember 1909.

r.i.d, Stadt V^iihrl-m.rräg-rl.Mk. 1.LS. Postbezugspr. s.d. Orts- u. Nachbarortsverk. >/^ährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Ilk. 1 .S 0 . Bestell,. in Württ. »o Psg.. in Bayern u. Reich 4L Psg.

Amtliche Bekanntmachungerr

Bekanutmachnug betr. die Schrsräude in Teinach.

Unter den Schafbeständen des Friseurs Edwin Nit sche. des Gastwirts Karl Walch und des Bäckers Gottlob Schwämmle, sämtlich inT-rnach, ist die Schafräude amtlich festgestellt worden, was hiemit zur öffentlichen Kenntnis gebracht wird.

Calw, 6. Dezember 1909.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

An die Ortsbehörden.

Wie schon früher bekannt gegeben, erscheint das Handbuch des ArmearechtS von Scharpf in II. Auflage, bearbeitet von Oaerverwaltungsqerichts- rat vr. Haller. Das Oberamt wird das Buch für sämtliche Gemeinden bestellen, wenn nicht binnen 4 Tagen Absage erfolgt.

Die Ortsbehörden wollen, im Falle ihnen das Buch anderswoher als vom Oberami zugesandt wird, es wieder zurücksenden, damit sie das Buch nicht doppelt erhalten.

Das Buch wird erst zur Versendung kommen, wenn beide Bände erschienen find.

Calw, 7. Dezember 1909.

K. OBeramt.

Voelter.

T»ses«Mi8reite«.

Stuttgart 7. Dez. Als der König sich gestern vormittag um ^11 Uhr vom Wilhelms­palast zu Fuß nach dem Reithaus begab, über­reichte ihm ein Mann eine Bittschrift. Der König erkundigte sich nach dem Inhalt des Bitt­gesuches und versprach, die Sache untersuchen zu lassen. Der Gesuchsteller wurde zur Feststellung seiner Persönlichkeit auf die Wache gebracht und sodann sofort wieder entlassen.

Backnang 7. Dez. Die hiesige Wan­derarbeitsstätte hat im Oktober 106 und im November 186 Wanderer ausgenommen. Durch den Arbeitsnachweis konnten vermittelt werden: dauernde Arbeit im Oktober 20 und im November 22 Wanderern, vorübergehende Arbeit im Oktober 10 und im November 12 Wanderern. Die Neueinrichtung hat sich bis jetzt als durchaus zweckmäßig und segensreich erwiesen, was schon daraus hervorgeht, daß die Zahl der Anzeigen wegen Bettels und Landstreicherei von 50 Per­sonen im Oktober und November 1908 auf ins­gesamt 7 Personen im gleichen Zeitraum des Jahres 1909 zurückgegangen ist. Die Wanderer wurden vorwiegend mit Zerkleinern von Brenn­holz beschäftigt.

Stetten i. R. 6. Dez. DieNeckar­werke Aktiengesellschaft Eßlingen" versorgt bereits einen großen Teil Württembergs mit Licht und Kraft. Ein Vertreter der Gesellschaft empfahl in einer Versammlung im Gasthaus zum Lamm mit Rücksicht auf die Annehmlichkeiten der elek­trischen Kraftübertragung die Einführung des elektrischen Lichtes auch für den hiesigen Platz. Größere gewerbliche und ausgedehntere landwirtschaftliche Betriebe fehlen jedoch, und so hielt am Samstag abend im Gasthof zum Ochsen ein Vertreter derGesellschaft für Hei- zungs- und Beleuchtungswesen in Heilbronn" auch einen Vortrag über die vielen Vorteile der Anlage einer Acetylenanlage. Schultheiß Möck brachte dem Redner den Dank der An­wesenden zum Ausdruck. Die bürgerlichen Kollegien werden sich erst nach der bevorstehenden Gemeinderatswahl mit der Frage beschäftigen.

Heilbronn 6. Dez. (Schwurgericht.) Ein Schutzmann als Milchfälscher, mit dieser immerhin seltenen Angelegenheit hat sich

das Schwurgericht in seiner letzten Verhandlung des vierten Quartals zu befassen. Angeklagt ist der frühere Schutzmann Wilhelm Janns von Heilbronn, der beschuldigt wird, daß er in elf Fällen die Milch, zu deren Kontrolle er bestellt war, selbst mit Wasser verfälscht hat, um auf diese Weise sich einen Vorteil zu verschaffen. Er wurde nämlich in diesen Fällen in die be­treffenden Orte hinausgeschickt, um Nach- und Stallproben zu nehmen und erhielt hierfür Diäten. In neun von diesen Fällen kam es infolge seiner Anzeigen und Ermittlungen zur gerichtlichen Verurteilung der betreffenden Milch­produzenten und Händler, hauptsächlich auf das eidliche Zeugnis hin. Er ist daher in neun Fällendes Meineides angeklagt. Nicht uninteressant ist, auf welche Weise man schließlich dem Treiben des Angeklagten auf die Spur kam. Man hatte wegen seiner zahlreichen Milchfälschungsanzeigen 'Verdacht gegen ihn selbst geschöpft, und um ihn bei seinen Untersuchungen der Milch im städt­ischen Laboratorium beobachten zu können, hatte man ein kleines Loch in die Türen gebohrt und einen Laboratoriumsgehilfen dahinter postiert. Dieser hat denn auch in zwei Fällen gesehen, wie Janns von der Milch etwas austrank und das Glas dann mit Wasser wieder füllte. Er bestreitet dies allerdings und behauptet, er habe das Glas außen etwas abwaschen wollen, da es schmutzig war. Für die Verhandlung sind über 80 Zeugen geladen; sie wird daher mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Friedrichshasen 7. Dez. Ein hiesiger Weichenwärter hat nachts eine Flasche Lysol ausgetrunken und schwebt nun in Lebens­gefahr. Schon vor einigen Wochen versuchte er in seiner Wohnung einen Selbstmord durch Er­schießen, doch konnte er noch rechtzeitig daran verhindert werden. Der Mann hat sieben uner-

Im Llosterhof.

Roman von B. v. Lancken.

(Fortsetzung.)

Im Souterrain saß die Dienerschaft angstvoll und schreckensbleich zusammen, im Vestibül wanderte der tadellose Kammerdiener auf und ab, und im Salon stockte das Gespräch. Die Herren zogen die Uhr, Baronin Evelin rieb nervös die Hände, trat ans Fenster man sprach nur noch halblaut, Tante Carolin trank im Boudoir einen kleinen Chartreuse, eine Gänsehaut überlief sie.-

Eine Viertelstunde verrann, eine halbe. Wieder der leise, silberne Klang, wieder sehen die Herren auf ihre Uhren.

Eine halbe Stunde Verspätung", sagt Rittmeister v. Neumann.

Das ist bei dem Sturm leicht möglich," sagt einer der jungen Offiziere.Wir müssen unter diesen Umständen sogar noch eine Viertel­stunde zugeben."

Baronin Evelin sendet Leute mit Laternen an das Ufer in den sogenannten Hafen hinunter; die Herren schließen sich an. Den Paletot zugeknöpft, den Kragen hochgeschlagen bis an die blaffen Wangen, den eleganten, schwarzen Filshut auf dem Kopf, die Hände in den Taschen vergraben, die Gestalt ungebeugt, der Gang elastisch, so schreitet Markus Callein den anderen voraus. Der Wind hat sich noch verstärkt. Orkan­artig braust er daher, schon von Feme hört man die brandende Flut, der Mond verschwindet zeitweise ganz hinter grauem Gewölk, vereinzelte Sternlein blitzen hie und da auf; ob einer dieser kleinen, glitzernden Weltkörper dem Tollkühnen den Weg zeigt zurück zum sicheren Hafen, ob ihr zarter, matter Glanz ihm leuchtet zur Heimkehr oder zum schreckens­vollen Kampf und Untergang, draußen, draußen ganz allein, verladen von

aller Welt, wo die empörten Gewässer ihn umbrausen, um ihn hinab zuzwingen in das kalte, feuchte Grab?

Von denen, die am Ufer warten, hat niemand mehr viel Hoffnung, und die Hoffnung schwindet von Minute zu Minute die Zeit verrinnt. Ein Uhr halb Zwei Zwei!

Baronin Evelin hat ihre Juwelen abgelegt und ihr Seidenkleid gegen ein schlichtes, dunkles Gewand vertauscht, sie folgt den anderen zum Hafen; Callein bietet ihr seinen Arm zur Stütze, sie lehnt ihn ab und nimmt den des Rittmeisters von Neumann, mit einer kühlen Verbeugung tritt der Graf zurück. Da stehen sie nun, alle diese Menschen, vor inne­rer Erregung zitternd, vom Sturm zerzaust, kaum imstande, sich aufrecht zu erhalten, von Kälte durchschauert, von wahnsinniger Angst gemartert.

Halb Drei, Drei.

Alle Bedienstete des Schlößchen, die fremden Kutscher, alles ist drunten am Hafen, alle starren angstvoll hinaus in die dunkle Nacht, auf die sturm- gepeitschen Wogen des Sees, alle von der einen angstvollen Frage bewegt: Wird er wiederkehren?"Gibt es eine Wiederkehr aus diesem Aufruhr der Elemente?"

Keiner will als erster der Hoffnungslosigkeit und bangen Sorge Worte leihen, keiner zuerst an eine Rückkehr ins Schloß erinnern, wo doch das Warten hier so aussichtslos, so aufregend, so zum Verzweifeln ist. Endlich ist es Neumann, der die Baronin dazu zu bewegen sucht, die Offiziere schließen sich an, und die Kutscher werden zum Anspannen fort­geschickt. Die Herren und die Baronin, letztere noch immer an Neumanns Arm, folgen.

Der Gärtner und noch einige andere Bedienstete bleiben unten, auch Callein. Er geht abseits von den anderen am Ufer entlang, sein scharfes Auge spät in die Dunkelheit hinaus, der Gischt sprüht auf seine