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der Isx Trimborn im Zolltarifgesetz näher ein. Seine, Redners Freunde seien, und zwar im Gegensatz zu dem neuen Entwurf der Reichs­versicherungsordnung stets von der Auffassung ausgegangen, daß die Kosten der Relikten-Ver- ficherung von den Unternehmern zu tragen seien eventuell mit Reichszuschuß und daß keinesfalls die Arbeiter zu dem Zweck mit Beiträgen be­lastet werden dürfen. Abg. Trimborn (Ztr.) Meine Freunde werden dieser Vorlage zustimmen. Die Hinausschiebung der Deliktenfürsorge ist zwar bedauerlich aber unabweisbar. Eine Kom­missionsberatung ist bei dieser Vorlage absolut überflüssig. Redner wendet sich weiter gegen die Angriffe von links und schließt, der § 15 habe die Reliktenversorgung erst ermöglicht und das genüge. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) Staatssekretär Delbrück bemerkt, der Abg. Molkenbuhr habe dem Hause empfohlen diese Gesetze abzulehnen weil dann wenigstens den Relikten ein klagbarer Rechtsanspruch auf Grund des § 15 zustehe. Ob wirklich ein solcher An­spruch klagbar sei das stehe aber doch wohl dahin. Abg. Linz (Hosp. d. Rp.) bedauerte zwar, daß die Rentenversicherung um ein Jahr verschoben werden müsse aber in diese Unvermeidlichkeit müsse man sich fügen. Nach weiterer unwesent­licher Debatte vertagt sich das Haus auf Vor­schlag des Präsidenten. Der Präsident teilt dann noch das Ergebnis der Schriftführerwahl mit. Es sind gewählt die Abgg. Rimpau, v. Thine- feld, Engelen, Rogalla v. Bieberstein, Heckscher, Pauli-Oberbarnim, v. Damm und Hermes. Morgen 1 Uhr Antrag Ablaß betreffend Ein­stellung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Hanßen, ferner stehen die verschiedenen Inter­pellationen auf der Tagesordnung und zum Schluß Fortsetzung der heute abgebrochenen Debatte sowie die dritte Lesung des Handels­provisoriums mit England.

Berlin 3. Dez. Heute nachmittag wurde auf den Oberpostassistenten Ebel in dem Post­amt in der Schwedenstraße von zwei jungen Leuten ein Schuß abgegeben, offenbar um die Postkasse zu berauben. Der Beamte, der zufällig allein anwesend war, wurde nur leicht verletzt und konnte schnell den Schalter schließen und um Hilfe telephonieren. Hierauf entflohen die Täter und verschwanden in der Dunkelheit.

Hamburg 3. Dez. In der Massen- vergiftungs-Affäre im Jrrenhause werden jetzt die gestern veröffentlichten Dementi als irre­führend bezeichnet. Auch über das Ergebnis der Obduktion der beiden Leichen sollen unrichtige Angaben gemacht worden sein. Es sollen sich Merkmale gezeigt haben, die eine Vergiftung als feststehend erscheinen lassen. Weiter scheint fest­zustehen, daß der Vergiftung böswillige Absicht zu Grunde lag, denn von 123 Kesseln, in denen das Essen gekocht worden ist, haben bei der chemischen Untersuchung 6 sich als nicht ganz einwandsfrei herausgestellt. Es sind in den Be­standteilen Veränderungen konstatiert worden, die nur durch Beimischung giftiger Substanzen herbei­geführt worden sein können. Man hat auch be­stimmten Verdacht gegen eine Person des Auf­sichtspersonals.

Helgoland 3. Dez. Das Rettungsboot der Station übernahm heute die Mannschaft des in Seenot befindlichen FischerkuttersFinken­wärder Nr. 187", wurde aber bei der Rückfahrt durch den heftigen Sturm auf die Seehunds­klippen zugetrieben. Der Hafendampfer rettete das Boot vor dem Zerschellen und brachte die Mannschaft, sowie die Besatzung dreier anderer Fischerkutter in Sicherheit.

Brüssel 3. Dez. Der gestrige Sturm hat verschiedene Schiffsunfälle verursacht. Wie aus Hey st gemeldet wird strandete vergangene Nacht eine Fischerbarke aus Coxde mit drei Mann der Besatzung, welche dabei ertranken. Ein anderes Fischerboot ist ebenfalls mit vier Mann Besatzung untergegangen, Man befürchtet noch weitere Schiffsunfälle, da noch mehrere andere Boote überfällig sind. Auch auf der Schelde sind Schiffsunfälle vorgekommen. Der englische Dampfer Monarch wurde auf eine

Sandbank geschleudert. Der Dampfer Sienna mit 50 Paffagieren an Bord mußte von einem Schleppdampfer nach Antwerpen zurückgebracht werden, wo er seine Passagiere landen konnte.

Rotterdam 3. Dez. In der vergangenen Nacht wütete hier ein orkanartiger Sturm, der vielfach Schaden anrichtete. Man erwartet mit banger Sorge Meldungen von der See. Auf der Maaß unweit Perms über­rannte der infolge starker Strömung nicht steuer­bare russische DampferEstonia" das holländische kriegsuntaugliche KanonenbootBulgia", das unterging. Die Besatzung wurde von einem anderen Kanonenboot gerettet.

Zürich 3. Dez. Bei dem Komplott in Geppenstein handelt es sich, wienunmehr bestimmt ist, nicht um Mitglieder der Maffia sondern der sogenannten Societe Nera, der wohl organisierten Diebes-Gesellschaft, deren Verbindungen überall hinreichen und denen es gelang, zahlreiche gestohlene Gegenstände in Italien zu Geld zu machen. Bis gestern Abend wurden 13 calabresische Arbeiter verhaftet. Weitere Verhaftungen stehen bevor.

Wien 3. Dez. Im Abgeordneten­haus erklärte gelegentlich eines tschechischen Dringlichkeitsantrages der Abg. Wolf: Wir wären Narren, wenn wir jetzt, wo der Staat, der vor einer fürchterlichen Krisis stand, durch die deutsche Bündnistreue gerettet wurde, dulden würden, daß ein deutschfeindlicher Kurs in der inneren Politik beibehalten würde. Den Rücken hat uns vor kurzer Zeit, als wir in schwere Verwickelungen geraten waren, das Deutsche Reich gedeckt. Die slavische Politik in Oesterreich richtet sich vor allem gegen den Dreibund. Nach weiterer Debatte wurde die Dringlichkeit des Antrags abgelehnt.

Wien 3. Dez. Der Divisionär Feld- marschalleutnant Weigel in Linz gab auf die Frage über seine Ansicht zum Falle des Ober­leutnants Hofrichter die Antwort, er halte den Oberleutnant für unschuldig. Hofrichter begründet den Kauf der Oblatenkapseln damit, er habe die Oblaten zur Verabreichung eines Pulvers für seinen Hund gebraucht. Der Kriegshund des Oberleutnants hat tatsächlich anstandslos einige Oblaten in der tierärztlichen Hochschule angenommen.

Wien 3. Dez. Großes Interesse erweckt die Aussage des Zugführers des Zuges, in dem Hofrichter am 14. November von Linz nach Wien fuhr. Der Zugführer wurde bereits mehrmals von der Polizei vernommen, seine Aussage schien aber bisher ziemlich belanglos. Die Wiener Arbeiterzeitung veröffentlicht nun Aeußerungen, die der Zugführer einem Mitarbeiter des Blattes gegenüber machte. Nach dieser An­gabe hat er den Oberleutnant während der ganzen Fahrt von Linz nach Wien beobachtet. Er sah Hofrichter in Linz einsteigen und in Wien aus­steigen. Er behauptet mit aller Bestimmtheit, daß Hofrichter bei dieser Reise gelbe Aufschläge gehabt habe, während das Regiment Hofrichters schwarze Aufschläge trägt.

Rom 3. Dez. Eine Juwelendiebin namens Elisabeth Wehrfrite aus Hornau in Baden hatte sich in Paris an eine reiche Süd­amerikanerin als Gesellschafterin vermietet und diese nach Marienbad begleitet. Plötzlich war sie mit dem ganzen Juwelenschmuck der Dame verschwunden. Jetzt wurde sie durch die hiesige Kriminalpolizei verhaftet. Die Juwelen wurden aber nicht mehr bei ihr vorgefunden.

Petersburg 3. Dez. Nach einer Meldung der Telegraphenagentur aus Livadia ließ sich Kaiser Nikolaus vor einem Monat aus einem Schützenregiment die vollständige feldmarschmäßige Ausrüstung eines Soldaten bringen, legte sie an und unternahm damit mit einem Dienstgewehr und 120 Patronen allein einen dreistündigen Spaziergang. Dasselbe wiederholte der Kaiser 14 Tage später in der Uniform eines Unteroffiziers des ersten Leib­gardeschützenbataillons. Er erprobte so persönlich die volle Feldausrüstung der Soldaten.

New-Aork 3. Dez. Das gesamte Ge- schastsviertel Baltimores steht in Flamme«.

Die unglückliche Stadt, die bekanntlich vom 7. bis 8. Februar 1904 von einer furchtbaren Erd­bebenkatastrophe heimgesucht war, erleidet jetzt noch einmal ein schweres Schicksal. Der größte Teil der Banken, Zeitungen und Ge- fchästsgcbäude steht in Flammen. Die Feuer- » wehren Baltimores und der umliegenden Ort­schaften sind mit der Bewältigung des Feuers beschäftigt, während die Feuerlöschboote von der Seeseite her den Brand bekämpfen. Der Schaden beträgt jetzt bereits über 2 Millionen.

Vermischtes.

Ein Messina im Kleinen. Eine eigenartige Katastrophe verbreitete in einer der letzten Nächte unter den Dorfbewohnern der schottischen Gemeinde Dalkeith, Mid Lothian, Entsetzen und panischen Schrecken. Durch ein furchtbares Getöse wurden die Schlummernden aus dem Schlafe geschreckt; über ihren Häuptern begann das Dach zu schwanken und zu brechen und krachend stürzten Ziegel und Balken hinab in die Häuser. In wenigen Sekunden waren die Straßen von halbbekleideten Flüchtlingen ge­füllt, die angsterfüllt auf das unerklärliche rätsel­hafte Bild der Verwüstung starrten, das sich ringsum ihren Blicken darbot. Erst später erfuhr man den Ursprung der Katastrophe. In der Nachbarschaft war die Fabrik von Arniston, in der größere Mengen von Pulver und Spreng­stoffen lagerten, explodiert. Das Gebäude wurde völlig gesprengt, aber obgleich es weitab entfernt in der Einsamkeit lag, reichte die Wucht der Ex­plosion doch aus, um im Umkreis von mehreren Kilometern nicht weniger als 12 Bauernhäuser völlig zu zerstören und 90 schwer zu beschädigen. Bei allem Unglück aber waltete doch ein gütiges Schicksal; wenn auch viele Dorfbewohner leichte Verwundungen von den einstürzenden Mauern und Dächern davontrugen, so wurde doch nie­mand getötet oder lebensgefährlich verletzt. Nur einige Greise sind von dem jähen Schreck aufs Krankenlager geworfen. Daß keine Menschen­leben zu beklagen sind, ist der entschlossenen Tatkraft, mit der man sofort in den Trümmern nach Halbverschütteten grub und sie aus ihrer gefahrvollen Lage befreite, zu danken.

(Ein neues Tuberkulose-Serum?) Prof. Vallee von der Tierarzneischule in Alfort bei Paris hat eine neue Methode zur Behand­lung der Tuberkulose mittelst eines neuen Serums in Anwendung gebracht. Die Methode, die der Gelehrte vorläufig nur einem kleinen Kreise von Gelehrten unterbreitet hat, besteht nach der Wiener Allg. Ztg.", darin, daß Pferde durch Ein­spritzung von stark giftigen Präparaten lebender Tuberkelbazillen durch mehr als 2 Jahre völlig immunisiert werden. Das den Pferden entnommene Serum soll bis zu einem gewissen Grund ein Heil­mittel gegen die Tuberkulose darstellen. Wenn es bei jungen Tieren, die angesteckt worden sind, zur Anwendung gebracht wird, hat es eine deutlich er­kennbare, wenn auch nur geringe Wirkung. Vor der Ansteckung in 45 starken Dosen einge­spritzt, wirkt es vollständig immunisierend. Tier­versuche sind bisher nur in geringem Umfange vorgenommen worden. Dr. Roux, Leiter des Instituts Pasteur, rät auch zu Versuchen an Menschen, an die sich Vallee bis jetzt aber noch nicht wagte. Er fordert vielmehr alle Spezia­listen zur Mitarbeit auf, um erst eine sichere Grundlage für die Spitalsbehandlung zu ge­winnen.

Standesamt Calw.

Geborene.

30. Nov. Mathilde Luise, T. d. Georg Karl Rappold, Heizers.

29. Luise, T. d. Wilhelm Friedrich Necker, Kutschers.

Gestorbene.

1 . Dez. Pauline Mathilde Schnaufer, geb. Wagner,

RotgerberS Witwe, 81 Jahre 10 Monate alt.

2. Ludwig Jakob Hammer, Bäckermeister,

50 Jahre alt.