284 . Amts- und Anzeigeblatt für de» VberamtrbeM Calw. 84 . ZchiMg.
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ErscheirmnzStaye: Montag. Dienstag, Mittwoch, Donnerltaa, Freitag und Samstag. InkertionSpreiS l» Vsg.prs Aei!« für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 1 L Pfg.
Samstag, Sen 4. Dezember 1909
BezugSpr.i.d. Stadt'/^ührl.m.Lrägerl.Mk. 1 . 25 . PostbezugSpr s. d. Ort«- u. NachbarortSoerk. '/zjührl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. l.»o. Bestellg. in Württ. so Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung
betr. den einjährig-freiwillige» Militärdienst.
Diejenigen im Jahre 1890 geborenen jungen Leute, welche zurzeit ihren dauernden Aufenthalt im Königreich Württemberg haben, im Besitze gültiger (schnl-)Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst sich befinden und die Berechtigung zum einjährig- freiwilligen Militärdienst erwerben wollen, werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Gesuche*) um Erteilung des Berechtigungsscheines zum einjährigfreiwilligen Dienst alsbald und spätestens bis zum 1. Februar 1910 unter Beifügung der in § 89 Ziff. 4, lit. s—c, bezw. Zff 5 lit. s der deutschen Wehrordnung (f. Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahre 1901 S. 275 u. ff.) vorgeschriebenen Papiere, nämlich
s) eines standesamtlichen GebnrtSzeugniffe»,
b) der nach Muster 17 szuZ 89 der deutschen Wehrordnung ertetltkn EiuwilltguagSerllärung*) des gesetzlichen Vertreters,
c) eines UnbescholteuheitSzeuguiffeS (d. h. eines Leumundszeugiss-S vom Gcburls- und Aufenthaltsort und zwar je neuereu Datums),
ck) des (Schul.)ZeuguiffeS über die wissenschrft- liche Befähigung für den eiujährig-f eiwilligen Dienst,
bet der Kgl. Württ. PrüfuugSlommisfion für Einjährig-Freiwillige in LadwigSburg schriftlich eiuznretchen find.
Hiebei wird bemerkt, daß es zulässig ist, schon vom vollendeten 17. Lebensjahre an um Erteilung des Berechtigungsscheines zum einjährig-freiwilligen Dienst nachzusuchen und es sich für die Nachsuchenden empfiehlt, mit der Einreichung des Gesuchs nicht
*) Formulare hiezu können vom Stadtschultheißenamt hier bezogen werden.
bis zum Eintritt in das militärpflichtige Alter zuzuwarten.
Im übrigen wird auf die Bekanntmachung der Kgl. Prüfungskommission für Einjährig Freiwillige vom 15. Nov. 1909 (TtaatSauzeiger Nr. 276, Beilagr) hiagewiesen, worin das Nähere über die gedachte Berechtigung, ihre Nachsuchung und den dabei zu führenden Nachweis enthalten ist.
Calw, 3. Dezember 1909.
K. Oberamt.
Voelter.
Wanderaröeitsstälte.
Es ist das Bedürfnis hervorgetreten, die Be-' sucher der Wrnderarbeitsstätte, welche teilweise in äußerst mangelhafter Fußbekleidung uctd mit ganz ungenügender Leibwäsche hier ankommen, um sie vor den Unbilden der Witterung zu schützen, entsprechend auszurüsten.
Da für letztere Zwecke keine Mittel zur Verfügung stehen, ergeht an die Bezirksangehörigen die Bitte, alte noch brauchbare Kleider, Leibwäsche, Stiefel, Socken usw. der Wandrrarbeitsstätte zukommen lassen zu wollen.
Etwaige Zuwendungen nimmt der Verwalter der Wanderarbeitsstäite, welcher auch gerne bereit ist, d:e Gaben aus der Stadt abholen zu lassen, entgegen.
Calw, 3. Dezember 1909.
K. Oberamt. Stadtschultheißenamt.
Voelter. Conz.
Die Ortsbehör-en
derjenigen Gemeinden, in denen OrtSviehver- stchernngSoereine mit gedruckten Statuten vorhanden find, werden beauftragt, 4 Exemplare davon umgehend hieher vorzulegeu.
Calw, 2. Dezember 1909.
K. Oberamt.
Vo elter.
T«zesrrerriskette«.
8 Altheng st ett 2. Dez. Auf bedauerliche Weise verunglückte gestern beim Göpeldreschen ein 12jähriger Junge. Der Unglückliche brachte seine rechte Hand in das Triebwerk des Göpels, 3 Finger wurden ihm abgerissen, der kleine Finger mußte ihm noch im Calwer Krankenhaus, wohin er sofort verbracht wurde, abgenommen werden. Dem Bedauernswerten, der nunmehr an der rechten Hand nur noch den Daumen hat, und den Eltern wendet sich allgemeine Teilnahme zu.
Altensteig 3. Dez. Die Frau des Küfers Roh war auf der Bühne beschäftigt und hatte zu diesem Zweck den Bühneladen geöffnet. Das dreijährige Söhnchen beugte sich zu weit hinaus und stürzte vor den Augen seiner Mutter in den Hof hinunter, es war nach kurzer Zeit eine Leiche.
Stuttgart 3. Dez. (Schwurgericht.) Ein Racheakt bildete den Gegenstand der heutigen ersten Sitzung der außerordentlichen Schwurgerichtsperiode. Angeklagt der Brandstiftung war der verheiratete 29 Jahre alte Schreiner Gottlieb Eisele von Uhlbach, wohnhaft in Cannstatt. Der Angeklagte war im Oktober beim Abbruch der Festtribüne auf dem Volksfestplatz beschäftigt. Am 12. Oktober wurde er entlassen, weil er sich ungebührlich gegen den Bauführer benommen hatte. Im Aerger trank er dann den ganzen Tag in Wirtschaften herum und verbrauchte fast seinen ganzen Lohn. Nachts ging er auf den Wasen und zündete eine der Zentralstelle für Landwirtschaft gehörige Bretterhütte an, um sich wegen seiner Entlassung zu rächen. Die Hütte brannte größtenteils nieder und es entstand ein Schaden von 1300 Mk. Eisele wurde noch
Im Llosterhof.
Roman von B. v. Lancken.
(Fortsetzung.)
Armand bestellte zwar für die drei Damen und für sich ohne weiteres Plätze in der Fremdenloge und begleitete sie dorthin, verabschiedete sich aber nach dem ersten Akt trotz Inges flehendem Blick und ging in den Klub; wann er von dort zurückgekommen, erfuhren sie natürlich nicht, aber als sie sich am andern Morgen beim Frühstück wiedersahen, hatte er ein so übernächtiges Aussehen, daß alle drei erschraken; sein Wesen war unruhig und verstört, und er fuhr vom Hotel vor der Abreise noch einmal zur Bank. —
Er machte ganz den Eindruck eines innerlich zerfahrenen, haltlosen und unglücklichen Menschen. Als er von der Bank zurückkommt und in den gemeinsamen Salon tritt, findet er Inge allein dort, sie geht langsam hin und her, ihr Gesicht ist totenbleich, und um den jungen, roten Mund liegt ein weher, schmerzlicher Zug. — Er kommt sich plötzlich so erbärmlich vor.-
„Jngk!"
Langsam wendet sie den Kopf und sieht ihn an.
„Es war gestern kein glücklicher Abend für mich," sagte er.
„Du hast gespielt?"
„Ja."
„Und verloren?"
„Ja."
Die Hände sinken langsam an ihrem Körper herab, sie schlingen sich in einander wie zum Gebet.
„Wie traurig, Armand! Wie schrecklich! Warum spielst Du, Lieber, warum?"
Er zerrt ungeduldig, den weichen, gut gepflegten blonden Schnurrbart und tritt mit einer Fußspitze den Boden.
„Warum? Ja mein Gott, warum tut man dieses und jenes? Tust Du nie etwas, was Du lieber unterlassen solltest?"
Damit wandte er ihr den Rücken und ging, die Hände in den Hosentaschen vergraben, von ihr fort ans Fenster. In früherer Zeit würde Inge vielleicht ein schärferes Wort gesagt haben, jetzt fühlte sie sich innerlich nicht mehr frei genug dazu, so ging sie ihm leise nach, legte die Hand auf seine Schulter und sagte:
„Armand, ich tue gewiß sehr oft, was ich nicht tun sollte und was Du nicht billigst; wenn Du es bemerkst, bitte, sage es mir, wie ich'S Dir sage. Wir wollen uns doch gegenseitig helfen zu dem, was wir als gut und recht erkennen. Nicht wahr?
Trotz und Nachgiebigkeit kämpften noch in ihm, aber Inges Sanftmut und sein besseres Gefühl siegten; einem impulsiven Empfinden folgend, kehrte er sich ihr rasch zu und sie umfassend und an sich ziehend, flüsterte er ihr ins Ohr:
„Du bist mein guter Engel, Inge, verlaß mich nicht."
Sie barg ihr Gesicht an seiner Schulter und drückte leise und fest seine Hand. Einen Kuß, wie das sonst unter Brautleuten bei Versöhnungen üblich, tauschten sie nicht — es wäre Inge unmöglich gewesen, sich von ihm küssen zu lassen, und auch er verlangte nicht danach.-
Aus Graf CalleinS Aufzeichnungen.
Neudeck, d. 18. 4. 19 . .
Das Leben schleppt sich für uns alle so weiter als eine große Lüge, eine große, lächerliche Tragikomödie, aber ich habe die Komödie satt. Ich kann und will sie nicht länger mit ansehen, nicht länger mittun. Einer muß handeln, wo keiner den Mut dazu findet, wo sie sich nur vom Schicksal vorwärts schieben und zerren lasten.-