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Amts- und Anzeigeblatt för den Oderamtsbezirk Calw

84. Jahrgang

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Lrscheinllnzrtage: Montag. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Eamstag. Jnsertionsprels tt! Ssg. pro Zeile für Stadt u, «ezirlsorte; außer Bezirk I» Psg.

TsßesNMiZkeitLN.

Calw. (Georgenäum,) Dieser Tage find 12 Jahre verflossen, seitdem Herr Rektor Dr. Weizsäcker die Vorstandschaft des George- näums übernommen hat. Nur Eingeweihte ver­stehen zu beurteilen, wie viel Hingebung die Verwaltung der Stiftung, namentlich die Er­gänzung der Bücherei erfordert, und wie viel Mühe im besonderen die Gewinnung der Redner für die stiftungsgemäß unentgeltlichen Vorträge jeden Winter verursacht. Herr Rektor Dr. Weiz­säcker hat sich diesen Aufgaben mit vieler Hin­gebung gewidmet und es ist sehr zu bedauern, daß er sich nunmehr veranlaßt gesehen hat, sein Amt niederzulegen. Der Gsmeinderat ließ ihm seinen herzlichsten Dank für seine Geschäftsführung aussprechen. Durch die am 4. November vom Gemeinderat vorgenommene Ergänzungswahl, bei welcher die Sitze der Herren Professor Plocher und Kommerzienrat Zöppritz neu zu besetzen waren, hat der Aufsichtsrat folgende Zusammen­setzung erhalten: Dekan Roos, Stadtschultheiß Conz, Präzeptor Bäuch!e, Bergrat a. D. Schüz, Fabrikant Hermann Wagner, Professor Beurlen, Kaufmann Paul Georgii. Zum Vorsitzenden wurde am 26. November 1909 gewählt: Herr Professor Beurlen. An weiteren Vorträgen steht zunächst in Aussicht ein solcher von Herrn Dr. Reihten-Stuttgart über seineOstmarkenfahrt" und eine von Herrn Landeskonservator Professor Dr. Gradmann- Stuttgart überDenkmalpflege und Heimatschutz."

. Calw 29. Nov. Mit dem am letzten Samstag im Saale der Brauerei Dreiß veranstalteten Prüfungskonzert hat die Höfer'sche Musikschule ihren alten, guten Ruf aufs neue befestigt und erweitert. Die Er­

Monlag den 29. November 1909.

ledigung des sehr umfangreichen Programms war eine abgerundete Vorführung, in der die Systematik und Technik Höfer'scher Schulung zum vorteil­haften Ausdruck kam. Es ist auch in der Musik von hoher Bedeutung, daß der Lehrer den Schülern seine eigene Individualität zu vermitteln weiß, und es soll zur Genugtuung des Herrn Höfer festgestellt sein, daß er in dieser Hinsicht den Befähigungsnachweis in glänzender Weise geliefert hat, beim kleinsten musikalischen A-B-C-Schützen anfangend bis zur Entwicklung der Virtuosität, die bei einer ganzen Reihe von Schülern, teil­weise in den Anfangsstadien, aber auch in einem hohen Grade von Vollendung sich vorhanden zeigte. Ein solches Können des Lehrers zum Ausdruck zu bringen, ist wohl der eine Zweck eines Prüfungskonzertes. Andererseits ist es aber auch zu begrüßen, daß den strebsamen jungen Musikern hin und wieder Gelegenheit geboten wird, ihr mit vielem Eifer und Fleiß erworbenes Können vor ihren Eltern und einem größeren Kreis zu betätigen. Das ist ihre Belohnung und der Ansporn zur weiteren Emsigkeit. Es war herzerquickend, mit welch s.sischem Mut und da und dort gesundem Selbstbewußtsein auch die Allerkleinsten dieBretter" betraten. Kaum daß sich eine Befangenheit zeigte. Dabei waren auch den Anfängern zum Teil sehr schwierige Auf­gaben gestellt. Der zweite Teil des Konzerts war den Fortgeschritteneren Vorbehalten, von denen verschiedene, von früheren Gelegenheiten her bekannt, bei ihrem Auftreten mit lebhaftem Beifall begrüßt wurden. Herr Paul Gengen- bach spielte eine Romanze für Violine von Eulenstein mit Erfolg, ebenso Frl. Anna Koch auf dem Klavier die bekannte Glühwürmchen- Idylle von Linke. Herr Walter Rau bewährte sein gutes Können auf der Violine durch den Vortrag

BezuaSpr.i.d.Stabt-/iji!hrl.m.TrLgerl.MI. 1.25. PostbezugSpr. s.d. Orts- u. NachbarortSverk. -/Pijhrl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. I.S0. Bestell?, in Württ. so Pfg., in Bayern u. Reich 42 Psg.

einer Fantasie ausdie Nachtwandlerin." Vieles Lob verdienen die Herren Otto Pfau und Turin für ihre Violinvorträge, von denen der erstereI-s 8ouv6nir"von Dancla, letzterer die b'-äur Romanze von Beethoven zu Gehör brachte. Fräulein Clara Dreiß trug mit großer Gewandheit eine Polacca von Weber vor und bewies, daß sie seit einem Jahr ihre früher schon gute Fertigkeit zu einer bedeutenden Entwicklung gebracht hat. Einen Beifallssturm entfesselte der jugendliche Georg Wagner durch den technisch weit vorge­schrittenen und von tiefem Empfinden beseelten Vortrag einer Scene de Ballet von Benot. Wenn der kleine junge Mann sich so weiter entwickelt, so wird er es zu etwas Bedeutendem bringen und sich selbst und seinem Lehrer große Ehre machen. Die Vortragsreihe wurde ge­schlossen durch Herrn Karl Beißer, der das 9. Violinkonzert von Benot ganz ausgezeichnet spielte. Herr Beißer ist in Calw als tüchtiger Violinist bekannt, am Samstag hatte er aber einen ganz besonders glücklichen Abend. Be­sondere Erwähnung verdienen auch die wieder­holt eingeschalteten Vorträge der Orchesterklasse, bei denen insbesondere das gründlich geübte Zusammenspiel der Mitwirkenden zur Geltung kam. Und nun: wir hätten den Lehrer und Meister gerne selbst gehört. Vielleicht das nächste mal! Für heute wünschen wir Herrn Höfer Glück zu seinem Erfolg. Die allerletzte Pro­grammnummer wickelte sich in den Nebenräumen ab. Herr Höfer läßt es sich nie nehmen, seine Kleinen für ihre Tapferkeit zu belohnen. Es müssen ganz herrliche Genüsse gewesen sein, die diesen an festlich gedeckter Tafel geboten wurden, und der Jubel froher Kinderstimmen steigerte sich immer mehr und wollte kein Ende nehmen, bis auch die letzte Torte verschwunden war.

Im Klosterhof.

Roman von B. v. Lancken.

(Fortsetzung.)

Allmählich waren ihr die Lider über die runden Raubvogelaugen herabgesunken, der schwere Körper schwankte nach vorn, nach rückwärts, und dann fiel der Kopf mit geöffnetem Mund weit nach hinten, auf die Stuhllehne, hörbar entwich ihr Atem dem Munde, während die Arme seitwärts am Körper herabhingen. Evelin fuhr bei dem halb pustenden, halb schnarchenden Geräusch zusammen und sah sich um. Die alte, häß­liche Frau erregte ihren Widerwillen, sie mochte das nicht mehr sehen, sie sprang auf und faßte sie am Arm.

Tante Carolin, wach auf, es ist höchste Schlafenzeit wach auf, Tante Carolin!"

Hm, hm, ja ja ja!" So kam stoßweise die Antwort der noch halb Schlafbefangenen, die sich schwerfällig aufrichtete, mit verstörten Augen um sich glotzte und sich die Feuchtigkeit abwischte, die aus den Mundwinkeln herabsickerte.

Ermuntere dich doch, Tante Carolin! Ich will zu Bett gehen," rief Evelin ungeduldig; Frau Veltlin stand jetzt aufrecht, rückte sich zu­recht und warf einen Blick auf ihre Uhr.

Ueber zwölf," sagte sie gähnend.Gute Nacht, mein Kind."

Gute Nacht, Tante."

Dabei drückte Evelin auf den Knopf des elektrischen! Läutewerks, um ihre Kammerjungfer zum Auskleiden zu rufen.

Schon seit langer Zeit hatte Callein gebeten, die Gräfin und Inge möchten ihn einmal zu Tisch oder zum Frühstück besuchen. Es würde Inge vielleicht Vergnügen machen, Neudeck mit den mancherlei Altertümern kennen zu lernen. Das war ganz im Anfang des Herbstes gewesen, als

der Verkehr zwischen beiden, wenigstens von Inges Seite, noch ganz un­befangen war. Sie hatten zugesagt; wie es aber oft geschieht, so hatte sich die Ausführung des Planes unabsichtlich immer hinausgeschoben, und niemand hatte eigentlich so recht darauf geachtet. Jetzt lag die Sache plötzlich anders, und Callein hatte den brennenden Wunsch, Inge seinen schönen alten Besitz zu zeigen, die Räume, die er bewohnte, einmal durch ihre Gegenwart belebt zu sehen. So ritt er ein paar Tage nach seinem letzten Wunsch nach Pareicken hinüber, traf beide Damen auf ihrem Vor­mittagsspaziergang an der Chaussee und brachte seine Einladung vor, nachdem er sich zuvor durch diplomatische Fragen die Gewißheit verschafft hatte, daß Inge sich wieder ganz wohl fühle und daß keinerlei Verabredung mit dem Klosterhof schwebte. Nun konnte sie ihm nicht ausweichen, und es wurde der Besuch für den nächsten Tag um 1 Uhr zum Frühstück fest­gesetzt. Bei dieser Gelegenheit hörte er auch offiziell von Armands Reise nach Berlin, von der er privatim schon durch einen Inspektor benachrichtigt worden war. Inge hätte diesen Besuch gerne vermieden, aber sie konnte es nicht ohne Aufsehen und Verwunderung zu erregen. Es blieb also nichts übrig, als ihre Zusage aufrecht zu halten, und so fuhr sie am nächsten Vormittag in dem eleganten Halbwagen neben Gräfin Lie nach Neudeck hinüber.

In der Nacht vorher hatte es zum erstenmal gefroren ; der Himmel war blau und die Sonne schien; an Bäumen und Sträuchen» hing feiner Rauhreif. Sie fuhren durch eine weiße glitzernde Welt, und das alte Neudecker Schloß mit seinen Türmen und hohen breitsimsigen Fenstern, alles in weißem, flimmernden Glanz, umgeben von den mächtigen Bäumen in ihrer schimmernden, funkelnden Pracht machte einen ganz zauberhaften Eindruck. Von der Zinne wehte im frischen Winde das Banner in den Callein'schen Farben, blau und rot. Inge nahm das alles mit ihrem für Naturschönheiten so empfänglichen Gemüt voll Entzücken in sich auf; daneben aber regte sich noch ein anderes, wunderbares, beängstigendes