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auch Portraits des Großherzogs mit seiner eigen­händigen Unterschrift zu kaufen ES herrschte bald ein lebhafter Andrang, sodaß unter den Vorräten rasch große Lücken entstanden. Der Ertrag des VerkaufStageS dürste daher sehr erfreulich sein. Unter den Vorstandsdamen der einzelnen Zelte be­fanden sich die Frauen Kommerzienrat PreetoriuS, des Inhabers der weltberühmten Möbel-Fabrik Bende, Geheimrat Strecker, des Verlegers der Wagnerschen Werke, der Gouverneur von Gosler, Geheimrat Dyckerhoff, des Inhabers der bekannten Biebricher Fabrik, Oberbürgermeister Göttelmann, Landgerichts Präsident Hangen, Provinzialdirektor von Hombeck, Eisenbahnpräfident Michaelis Kommer­zienrat Gastell.

Mainz 7. Nov. Anläßlich des Verkaufs- tageS wurde um 5 Uhr das Gedränge in der Stadthalle, die bekanntlich viele Hunderte Personen faßt, so stark, daß die Halle geschlossen wurde. Der Oberbürgermeister forderte in Ansprachen von Zeit zu Zeit die Besucher auf, den Saal zu räumen, wenn sie ihre Einkäufe gemacht hätten, damit die draußen Wartenden Einlaß finden können. Der Besuch war tatsächlich so groß, daß schon nach kurzer Zeit die Eintrittskarten vollständig vergriffen waren und man zu Papierstücken als Einlaßkarten seine Zuflucht nehmen mußte. Mehrere Damen wurden im Gedränge ohnmächtig und mußten die Hilfe der Rettungsmannschaften in Anspruch nehmen. Der VerkaufStog wurde erst abends um 9 Uhr geschlossen, doch rechnete man abends um 7 Uhr bereits mit einem Ueberschvß von über 30000 Der Großherzog hat 150 Verkaufsdamen zu einem Teeabend auf Montag nachmittag in das Schloß eingeladen, wo zugleich der dritte Geburtstag des Erbgroßherzogs gefeiert werden wird.

Koblenz 6. Nov. Von dem Schleppseil des Parseval I wurde bei der Landung ein Soldat mehrere Meter hoch gehoben. Er fiel aus beträchtlicher Höhe zur Erde und erlitt schwere Verletzungen.

Potsdam 6. Nov. Heute abend fand die Taufe des jünsten Sohnes des Kron­prinzenpaares im Marmorpalais in Gegen­wart des Kaisers und der Kaiserin, sowie der geladenen Gäste statt. Der Prinz erhielt den Namen Hubertus Karl Wilhelm. An die Taufhandlung schloß sich die Gratulation bei der hohen Mutter des Täuflings. Es folgte ein Souper, bei dem an kleinen Tischen gespeist wurde. Am ersten Tisch saß der Kaiser und die Großherzogin-Witwe Anastasia von Mecklen­burg-Schwerin, der Kronprinzessin von Griechen­land, dem Reichskanzler, dem Grasen Zeppelin, der Prinzessin Eitel Friedrich u. a.

Berlin 6. Nov. Graf Zeppelin über­reichte gestern als Pat engeschenk für den kleinen Prinzen dem Kronprinzen einen Kron­leuchter aus Glas und Metall, der eine genaue Nachbildung des 2 III darstellt.

London 6. Nov. Die Afrikanische Gesellschaft gab gestern abend zu Ehren des Staatssekretärs des deutschen Kolonialamtes ein

glänzendes Bankett, dem unter anderem der deutsche Botschafter, Graf Wolff-Metternich, und verschiedene amtliche Persönlichkeiten beiwohnten. Nach den Toasten auf König Eduard und Kaiser Wilhelm ergriff Staatssekretär Dernburg das Wort und führte u. a. aus: Das Prestige der Kolonisatoren in Afrika müsse unter allen Um­ständen in Afrika aufrechterhalten bleiben. Der Schwarze mache keinen Unterschied zwischen den einzelnen europäischen Nationen, sondern erblicke in allen Weißen lediglich die herrschende Rasse. Die friedliche Entwicklung der einen Kolonie sei wesentlich für das Gedeihen der benachbarten. Der Staatssekretär erwähnte sodann, daß bei dem letzten Hottentotten-Aufstand Deutsche und Engländer Schulter an Schulter gekämpft hätten, und sprach weiter seine Anerkennung aus über den Geist der Versöhnung, der das heutige Afrika zustande gebracht habe. Deutschland und Eng­land, so schloß der Staatssekretär, hätten zuerst erkannt, daß die Interessen aller kolonisierenden Nationen in Afrika solidarisch seien. Hoffentlich würden die beiden Nationen auch in Zukunft, wie schon so oft, aus demselben Wege Hand in Hand gehen.

Wien 6. Nov. Eine Meldung aus Athen besagt: König Georg habe zu dem Vertreter einer auswärtigen Macht geäußert, er sei entschlossen abzudanken. Sein Verhalten auf dem Thron wäre wohl ein Opfer wert, wenn dadurch die Dynastie gesichert werden könnte. Er könne sich aber nicht vorstellen, wie der Kronprinz den Thron besteigen könne, nach­dem die Offiziere ihn aus der Armee gedrängt hätten. Der König sei überzeugt, daß er selbst sich im Privatleben wohler fühlen werde.

Pest 6. Nov. Der Ingenieur Doufoir, der auf dem Rakoser Exerzierplatz mit einem Farman'schen Zweidecker einen Probeflug unternahm, stieß nach kurzem Flug an einen Baum und stürzte herab. Er erlitt mehrere leichte Verletzungen, während der Zweidecker be­schädigt wurde.

Paris 6. Nov. Die hiesige Filiale der Daily Mail" erhält aus London die Meldung, daß Expräsident Roosevelt einen ernsten Jagdunfall erlitten hat, nur weiß man noch nicht, ob er von einem Eingeborenen erschossen wurde oder wie man glaubt, bei einer Rhino- ceros-Jagd auf eine Weise verunglückt ist. Fest steht jedoch, daß ihm ein Unfall zugestoßen ist.

Rom 7. Rov. Frau Roosevelt, die sich augenblicklich in Rom aufhält, bekommt zahl­reiche Telegramme, worin sich die Absender nach dem Befinden ihres Gatten erkundigen. Frau Roosevelt habe bis jetzt noch keine weitere Be­stätigung erhalten, daß ihr Gatte verwundet oder erkrankt ist. Frau Roosevelt empfängt niemand.

Kopenhagen 6. Nov. Zwischen König Georg von Griechenland und General­

konsul Wesel werden gegenwärtig Verhand­lungen über den Kauf des Gutes Steens- bygaard geführt, die Aussicht auf Erfolg haben.

Paris 6. Nov. (Prozeß Steinheil.) Im weiteren Verlauf der gestrigen Verhandlung wurde in die Zeugenvernehmung eingetreten. Als erster Zeuge wurde Polizeikommissar Buchotte und zwei Polizisten vernommen, die erzählten, wie sie die Räume des Hauses vorfanden und welche Beobachtungen sie in der ersten Stunde gemacht haben. Kommissar Buchotte erklärte, daß es nicht wie ein richtiger Einbruch aussah. Auch sei ihm die Fesselung komisch vorgekommen. Nach dieser Antwort verzichtet der Präsident auf weitere Informationen und vertagt die Sitzung um 5 Uhr auf heute Mittag 12 Uhr.

Paris 6. Nov. Der erste Zeuge, der heute aufgerufen wird, ist Remy Couillard. Er tritt schnell ein, grüßt militärisch und antwortet mit sicherer Stimme sehr rasch. Er schildert die Erlebnisse des Morgens nach dem Morde in der bekannten Weise und setzt mit großem Aufwands an Geberden auseinander, wie Frau Steinheil gefesselt war. Hierbei sucht ihn der Verteidiger Aubert in Widerspruch mit den früheren Aus­sagen zu bringen. Couillard repliziert heftig. Der Kommissar Bouchotte wird noch einmal aufgerufen und Couillard gegenüber gestellt. Aus der Aussage Couillards ist hervorzuheben, daß er in der Mordnacht nichts gehört hat, daß ihm die Stimme der Herrin etwas schwächer als gewöhnlich, aber nicht sehr verändert klang, daß er erst ihre Füße, dann ihre Hände losband. Das Bett war nicht sehr in Unordnung. Die Decke war aufgeschlagen, aber nur bis zur halben Wade. Der Verteidiger weist nach, daß diese Aussage in einigen Einzelheiten von den früheren abwcicht. Netter Schwindel, ruft Couillard.

Paris 6. Nov. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen fleht Frau Steinheil Couillard au, er möge ihr verzeihen, was sie früher gegen ihn vorgebracht habe, und sich bei seinen Aussagen nicht von Haß gegen sie letten lassen. Der Vorsitzende weist dann auf das unverständliche Verhalten der Angeklagten hin, als sie von ihren Fesseln befreit wurde, indem sie sich gar nicht um ihre Mutter oder ihren Gatten kümmerte ES entspinnt sich alsdann eine längere Diskussion darüber, wie Couillard seine Herrin am Morgen nach dem Morde aufgefunden habe. Die ermutigenden Worte, die Frau Steinheil am Morgen nach dem Morde an den Bedienten richtete, lauteten: er solle sich nicht fürchten, man werde die Mörder schon aufstnden. Er möge nicht viel erzählen und sich um nichts kümmern, sie werde ihn als ihr Kind betrachten, er wöge unbesorgt sein. Frau Steinheil behauptete, diese Aeußerung in Gegenwart des Komm ssars getan zu haben, während Couillard erklärt, daß diese Worte bereits um 8 Uhr gefallen seien. Der Zeuge bekundet dann weiter, daß, als die Glocke des Telefons ertönte, Frau Steinheil ihn sofort verabschiedet habe. Sie sei dann mit einem Satze aus dem Bett gesprungen

vom Klosterhofe und die Pareicker als nächste Verwandte kamen am häufigsten, aber eben so oft fuhren wir auch nach Pareicken oder in dasKloster", wie ichs immer nannte, hinüber. Die ältestenKlosterkinder" paßten im Alter zu mir, derkleine Armand zählte damals noch nicht mit. Er war immer der Liebling der Eltern, besonders der Mutter, und als die Ge­schwister sehr rasch nacheinander starben, avancierte er, ich glaube nicht zu seinem Vorteil, zumAbgott", und das ist er geblieben bis zu ihrem Tode. Ja, Armand war immer Tante Mariannens Abgott, die blaffe, kränkliche, scharfdenkende und manchmal auch recht scharfzüngige Anna nie. Umsomehr habe ich immer für sie übrig gehabt.

Es ist nicht gut für Armand, daß Evelin Horst ihm so nahe gerückt ist; sie sucht eine glänzende Heirat und gehört zu den Frauen, die Ehe­bündnisse bei Erreichung ihrer Pläne sehr wenig und ein Verlöbnis über­haupt nicht genieren und es hat doch eine Zeit gegeben, wo Armand in die schöne Evelin wahnsinnig verliebt war! Ich will in seinem Interesse hoffen, daß er diese Empfindungen endgültig abgestreift hat, wie ein Kind nach den Masern die alte verbrauchte Haut abstreift. Und wenn er es nicht getan hat, wenn . . ? Markus Callein warum zittert Deine Hand, während Du dies schriebst! Was ist es? Ist es eine Ahnung, ist es eine Vorbedeutung? Vorbedeutung? Warum Vorbedeutung? Von was?-Torheit.-

Mein Gott es schlägt drei! Wie lange habe ich hier gesessen und habe nichts getan, als vor mich hingedöst, immer nur das eine, gedöst und gedacht-Unsinn!-

Er klappt das Buch zu, und als er es eingeschlossen, ruft ein Glocken­zeichen seinen Kammerdiener.

Satteln lassen, Koepke!" befiehlt er und geht in sein Ankleidezimmer hinüber es überkommt ihn eine plötzliche Unruhe, er möchte an drei Orten zu gleicher Zeit sein.

Zunächst führt ihn sein Weg an Pareicken vorbei, er lenkt sein Pferd von der breiten Heerstraße ab und reitet einen schmalen Fußweg entlang. Die Felder sind leer, ein lauer Wind streicht über die Stoppeln, am Himmel segeln große Wolkengebilde. Der Weg zieht sich am Pareicker Garten hin, den eine niedrige Weißdornhecke umschließt, vom Rücken des Pferdes kann man ihn ziemlich genau übersehen. Während Callein so dahinreitet, durchspähen seine Augen das Grün der Bäume und Gebüsche. Er mußte lächeln, ein leises, wehmütiges Lächeln der Erinnerung. Wie oft ist er diesen Weg geritten und gegangen, damals als Achtzehn­und Zwanzigjähriger, wie oft hatten damals die jungen Augen das Grün durchforscht nach dem Hellen Kleid der vergötterten Tante Lie. Schöne, glückliche Jugendzeit, mit ihrem unwiderbringlich verlorenen goldigen Zauber.

-Mit einem Ruck pariert er den Rappen-seine Blicke hängen

wie gebannt an der großen, breitästigen Platane mit der Bank und dem runden Tisch davor. Zwei weibliche Gestalten sitzen in ihrem Schatten, beide in schwarz gekleidet, die eine in dem kleinen, weißen Gartenstuhl hält ein Buch, und das schwarzhaarige Köpfchen ist leicht geneigt, er kann das feine, blasse Profil sehen. Es ist Inge. Die andere mit der weißen Rokokofrisur, an den Stamm des Baumes zurückgelehnt, ist Gräfin Lie. Folgt sie dem Vortrag der Lesenden, oder denkt sie auch der Vergangen­heit, wo einst beim Sonnenuntergang zwei heiße Jünglingslippen sie just unter diesem Baum so stürmisch jugendlich geküßt?

Callein atmet plötzlich tief auf sie sind allein, die beiden, der dritte, den er vermutet, ist nicht da. Er begreift das nicht. Warum ist er nicht hier, warum nicht? Wenn er, Callein, eine Braut hätte, so nahe, die er liebte, wie Armand Ferni sagt, daß er Inge liebt, er würde um jede Stunde geizen, die er bei ihr sein könnte, er würde sie immer und immer suchen und wäre es auch nur, daß er sie aus der Ferne still und heimlich anschaute. (Forts, folgt.)